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Veröffentlicht am 29.03.2024

Via Dolorosa – Schmerzensweg

Tagebuch einer Wasserleiche aus dem Canale Grande
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„Wenn schon sterben, dann in Venedig.“ (S. 185) Als Astrid ihren Mann beim Fremdgehen mit der Nachbarin erwischt, brennt der sonst eher nüchternen Steuerberaterin eine Sicherung durch. Aber sie bringt ...

„Wenn schon sterben, dann in Venedig.“ (S. 185) Als Astrid ihren Mann beim Fremdgehen mit der Nachbarin erwischt, brennt der sonst eher nüchternen Steuerberaterin eine Sicherung durch. Aber sie bringt ihn nicht etwa um, sondern nach Venedig durch, dort wollte sie nämlich schon immer mal hin. Da sie kein Hotelzimmer bekommt, mietet sie sich in der Via Dolorosa bei Cesare ein. Der alte Italiener handelt mit Dogenköpfen aus Gips und nimmt Astrid in seine Familie auf. Das hätte sie vielleicht stutzig machen sollen ... Doch erstmal schleppt sie sich bei brütender Hitze durch die Serenissima und bewundert die schönen italienischen Männer – bis sie bemerkt, dass die sie auch beobachten, vor allem die in den weißen Leinenanzügen. Dabei gilt sie gemeinhin als unscheinbar und wird oft genug übersehen. Plötzlich findet sie sich inmitten von Verfolgungsjagden zu Wasser wieder, erlebt Entführungsversuche und es wird auf sie geschossen. Bei der ganzen Aufregung vergisst sie ihren Kummer und lebt richtig auf. „Mein Leben, so wie ich es kannte, ist vor meinen Augen zerbröselt, aber ich fühle nichts anderes als … Freiheit.“ (S. 52)

Durch Astrids Augen erlebe ich ein Venedig, das vor Hitze glüht, in dem Tote in den Kanälen treiben, Polizisten an die „Men in Black“ erinnern, schnuckelige, fast nackte Männer auf Balkonen telefonieren und die Nachbarn ganz genau aufpassen, ohne sich selbst in die Karten blicken zu lassen. Auch Cesare ist etwas undurchsichtig. Er scheint das eine oder andere Geheimnis zu haben und seine Haustiere sind, vorsichtig gesagt, „ungewöhnlich“, aber er kann doch nichts mit dem Toten zu tun haben, der am Tag ihrer Ankunft im Canale Grande gefunden wurde, oder?!

Tatjana Kruse, die Königin der Krimödie hat es wieder getan – sie mordet da, wo andere Urlaub machen. Mit viel schwarzem Humor und Wortwitz – ich sage nur „Kaffeesüchtelnd“ – lässt sie Astrid ihre Erlebnisse im Tagebuch festhalten und nimmt die LeserInnen auf eine sehr unterhaltsame Reise nach und durch Venedig mit. Dabei beginnt alles recht gemütlich, wenn man mal von Hagens Betrug absieht, wird zum Ende hin aber echt rasant: Ihre Verfolgungsjagden gehören verfilmt! (Aber bitte nur mit gut ausgebildeten Stuntmen). 5 Gondeln für das „Tagebuch einer Wasserleiche aus dem Canale Grande“.

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Veröffentlicht am 25.03.2024

Berlin statt Seniorenresidenz, Currywurst statt Rentnerteller

Was geht, Annegret?
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„Jedes Ende ist auch ein neuer Anfang.“ (S. 421) Nach dem Tod ihres Mannes kommt heraus, dass er Annegret jahrelang belogen und Schulden gemacht hat, jetzt muss sie ihr Haus verkaufen. Als ihre Tochter ...

„Jedes Ende ist auch ein neuer Anfang.“ (S. 421) Nach dem Tod ihres Mannes kommt heraus, dass er Annegret jahrelang belogen und Schulden gemacht hat, jetzt muss sie ihr Haus verkaufen. Als ihre Tochter und deren Mann sie danach in ein Altersheim abschieben wollen, nimmt sie das Angebot ihrer Enkelin Isi an und zieht in deren Studenten-WG in Berlin-Kreuzberg. Der Unterschied zu ihren bisherigen Nachbarn und dem beschaulichen Ostfriesland könnte kaum größer sein. Ihre neuen Mitbewohner Isi, Felix und Lea sind nicht nur Jahrzehnte jünger, sondern haben auch komplett andere Vorstellungen vom Leben. Annegret darf nur noch Putzen, wenn sie damit dran ist und nur Secondhand oder upgecycelte Möbel und Kleindung kaufen. Außerdem wird vegan gegessen und in einem Gemeinschaftsprojekt nur das gekocht, was vorher containert wurde. Zum Glück wohnt nebenan Siggi, die mit Mitte 70 ein bisschen aussieht wie Vivienne Westwood, jeden Tag vom guten Meißner Porzellan isst (sonst würde es ja doch nur im Schrank einstauben) und Annegret kurzerhand in Änni umbenennt.
Änni lebt sich nach ihrer anfänglichen Skepsis schnell in ihrem neuen Viertel ein, freundet sich mit dem türkischen Ladenbesitzer unten im Haus an, findet ein neues Lieblingscafé und lässt sich von Isi sogar zu einem Best-Ager-Studium an der Humboldt-Uni überreden, obwohl sie lieber Klöppeln an der VHS gelernt hätte. Und gerade, als alles gut läuft, wird das Haus an einen Investor verkauft, der es sanieren und damit gentrifizieren will – das lassen sich die Bewohner nicht gefallen. Granny Änni ruft zum Protest auf.

„Jetzt hockt sie angespannt und müde mitten in der Nacht auf einer dunklen Straße in Berlin am Steuer eines Autos, das ihr nicht gehört, und steht Schmiere beim illegalen Containern ihrer neuen WG.“ (S. 113) Zu Beginn ist Änni ein armes Hascherl, die sich ihr Leben lang nach ihrem Mann, der alles entschied, gerichtet hat. Mit ihrem Umzug bricht sie aus ihrem eingefahrenen Leben aus und emanzipiert sich. Die Studenten und Siggi öffnen ihr für vieles die Augen, was ihr bisher nicht aufgefallen ist. Siggi ist ein bodenständiger Ausgleich zu dem „jungen Gemüse“ und kann sie in vielen Situationen sehr gut verstehen – und tröstet dann mit Likörchen. „Die tun nix, die sind nur jung.“ (S. 50) So eine Freundin kann man immer gebrauchen.
Isi, Felix und Lea sind manchmal etwas übergriffig und dominant, wenn es darum geht, ihre Vorstellungen durch- oder umzusetzen, aber sie nehmen Änni ohne Vorbehalte mit offenen Armen auf und zeigen ihr, dass ihr Leben noch lange nicht vorbei ist.

Franka Blooms neuer Roman „Was geht, Annegret?“ ist eine sehr unterhaltsame Mischung aus Best-Ager-Geschichte und Plädoyer für Mehr-Generationen-Wohnprojekte, die zum Nachdenken anregt – wie gehen wir mit unseren Groß- / Eltern um? Wie nachhaltig leben wir und was hinterlassen wir nachfolgenden Generationen? Die dezente Gesellschaftskritik hat mir gut gefallen, auch wenn sie an manchen Stellen leicht überzogen wirkte.

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Veröffentlicht am 24.03.2024

Brudermord?

Und täglich grüßt die MörderMitzi
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In Mitzis Leben scheint endlich Ruhe eingekehrt zu sein. Sie ist mit Rudolfo und ihrer Fernbeziehung glücklich und sie planen den nächsten Schritt – die Eröffnung eines Cafés in Lilienfeld, dass sie finanzieren ...

In Mitzis Leben scheint endlich Ruhe eingekehrt zu sein. Sie ist mit Rudolfo und ihrer Fernbeziehung glücklich und sie planen den nächsten Schritt – die Eröffnung eines Cafés in Lilienfeld, dass sie finanzieren und er führen wird. Ein Zusammenziehen oder gar eine Hochzeit kann sich Mitzi aber noch nicht vorstellen, dazu liebt die ihr unabhängiges Leben und ihr WG-Zimmer in Salzburg zu sehr. „… in Salzburg fühlte sie sich gebogen. Aus welchem Grund auch immer, dort, in ihrem zu Hause, in den Straßen dieser Stadt, war sie angstfrei. Vollkommen.“ (S. 52)
Doch lange kann sie das gemütliche Leben nicht genießen. Ihre Freundin Agnes ist inzwischen die Leiterin des Kufsteiner Polizeireviers, wo ein Bogenschütze wahllos auf Wanderer schießt. Bisher hat er diese „nur“ verletzt. Aber wie lange dauert es, bis er jemanden tötet? Ganz gegen ihre Gewohnheit mischt sich Mitzi diesmal kaum in die Ermittlungen ein, denn sie hat eigene Probleme: Bei ihr hat sich ein Mann gemeldet und behauptet, ihr Bruder Benni zu sein. Er wäre damals nicht mit ihren Eltern bei der Explosion ums Leben gekommen. Und gegen jede Vernunft beginnt Mitzi, ihm zu glauben …

„Und täglich grüßt die MörderMitzi“ ist bereits der 6. Teil der Reihe von Isabella Archan und für mich einer der stärksten Fälle, weil man die ganze Zeit hin- und hergerissen ist, ob man Bennis Geschichte glaubt. Außerdem ist der Auftragsmörder Sam, den Mitzi in ihrem allerersten Fall mit Agnes zur Strecke gebracht hat, aus der Haft geflohen. Mitzi fragt sich, ob er sich an ihr rächen will und ob es schlimm wäre, tot zu sein. Dann würde sie wenigstens endlich niemand mehr auf ihren Spitznamen MörderMitzi und das Unglück damals ansprechen, für das sie sich noch immer die Schuld gibt.

Ich fiebere schon seit Jahren mit Mitzi mit und würde es ihr gönnen, dass sie endlich sesshaft wird, aber ich finde es natürlich auch sehr spannend, wie sie regelmäßig mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird und sich mit der Schuldfrage auseinandersetzt. Dabei ist unklar, ob sie die Explosion damals wirklich verschuldet hat. Außerdem ist sie immer noch von Sam fasziniert und die Angst, die sie früher vor ihm und dem Sterben hatte, ist weg. Dafür bringt ihr totgeglaubter Bruder Stress in ihr Leben, der verstärkt wird, weil ihre beste und einzige Freundin Agnes ihr nicht helfen kann, da sie den Bogenschützen jagen muss.
Das ist auch ein extrem interessanter Protagonist, weil man als Leser bei der Planung seiner Taten dabei ist, ohne zu wissen, wer er ist. Geschickt streut Isabella Archan immer neue Hinweise ein und legt falsche Fährten, um die Leser zu verwirren.

5 Sterne für diesen sehr spannenden und dramatischen Krimi, der wieder in einem großen Showdown mündet, bei dem man um Mitzis Leben bangen muss.

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Veröffentlicht am 18.03.2024

Dr. Death

Yours Truly
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… wird Jacob genannt, der neue Arzt der Notaufnahme, weil ihm schon am ersten Tag 7 Patienten wegsterben. Dass denen auch kein anderer Arzt mehr hätte helfen können, ist dabei zweitrangig. Als Briana erfährt, ...

… wird Jacob genannt, der neue Arzt der Notaufnahme, weil ihm schon am ersten Tag 7 Patienten wegsterben. Dass denen auch kein anderer Arzt mehr hätte helfen können, ist dabei zweitrangig. Als Briana erfährt, dass er trotzdem ein Kandidat für den Chefarztposten ist, der ihr in Aussicht gestellt worden war, und Jacob sich ein paar Patzer erlaubt, wird ihre Laune noch schlechter und sie lässt ihn das spüren. Daraufhin überrascht er sie mit einer handgeschrieben Entschuldigung. Sie antwortet ihm, weitere Briefe folgen, die ihnen bald schon nicht mehr genügen. Sie holen ihre Freundschaft in die reale Welt, treffen sich regelmäßig zum Mittagessen, schreiben Nachrichten, telefonieren. Als Briana erfährt, dass Jakob eine Fake-Freundin braucht, damit ihn seine Familie in Ruhe lässt, sagt sie sofort zu.

„Yours Truly“ von Abby Jimenez ist zwar eine typische Enemies-to-Lovers-Geschichte, aber viel tiefsinniger und anspruchsvoller als erwartet und trotz aller Probleme auch extrem unterhaltsam. Es geht eben nicht nur um zwei Ärzte, die scharf auf die gleiche Stelle sind und nach einigem vorhersehbaren Hin und Her zueinander finden. Die Protagonisten sind viel vielschichtiger.

Brianas Mann hat sie jahrelang mit ihrer besten Freundin betrogen, ihre Scheidung steht kurz bevor. Seitdem hat sie Probleme damit, anderen zu vertrauen und sich auf neue Beziehungen einzulassen. Darum fällt es ihr zu Beginn so leicht, Jacobs Freundin zu spielen, sie ist überzeugt, dass sie sich auf keinen Fall in ihn verlieben wird. Außerdem benötigt ihr Bruder aufgrund einer schweren Autoimmunerkrankung dringend eine Spenderniere, hat aber er eine so seltene Blutgruppe, dass bisher keiner gefunden wurde. Er lässt sich immer mehr gehen und sie fürchtet um sein Leben – bis plötzlich ein anonymer Spender auftaucht. Als sie zufällig herausfindet, dass das Jacob ist, wird ihre Freundschaft noch enger.
Jacob wirkt immer extrem reserviert und abweisend, dabei leidet er an einer Sozialphobie. Seine letzte Beziehung ist daran gescheitert, seine Freundin hat ihm das Gefühl gegeben, sozial komplett inkompetent zu sein. Allerdings hat sie sich nie richtig auf ihn und seine Besonderheiten eingelassen. Erst durch Briana wird ihm klar, dass eine Freundschaft und Interaktionen mit anderen Menschen möglich sind, wenn diese gewisse Dinge beachten und Rücksicht nehmen – so wie Briana, die ihn intuitiv zu verstehen scheint und immer weiß, was er braucht.

„Manchmal kam es mir so vor, als wären Jacob und ich zwei Magneten, die sich drehten und sich mal anzogen, mal abstießen und dann wieder anzogen.“ (S. 272) Natürlich bitzelt es bald zwischen ihnen, aber sie wollen sich das nicht eingestehen. Zudem kommt es zu einigen Missverständnissen, bei denen man sich als Leser die Haare rauft und gern eingreifen würde, so wie es ihre Familien und Freunde versuchen. Die habe ich übrigens auch alle sehr gemocht. Sei es Brianas Mutter, die nicht nur bei jedem Besuch Unmengen für sie kocht und ihr eine Tiefkühltruhe kauft, damit sie alles unterbringen kann. Oder Jacobs Mutter, eine berühmte Sexualtherapeutin, die auch zu Hause und vor Fremden nicht von ihrem Beruf lassen kann …

5 Sterne für diese warmherzige und berührende Romcom.

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Veröffentlicht am 17.03.2024

Revolution!

Das Opernhaus: Rot das Feuer
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„Adam und sie lebten auf verschiedenen Sternen, die einander im unendlichen All niemals begegneten.“ (S. 74) 8 Jahre sind seit Elises Hochzeit mit dem viel älteren Komponisten Adam Jacobi vergangen, und ...

„Adam und sie lebten auf verschiedenen Sternen, die einander im unendlichen All niemals begegneten.“ (S. 74) 8 Jahre sind seit Elises Hochzeit mit dem viel älteren Komponisten Adam Jacobi vergangen, und obwohl sie sich als Künstler perfekt ergänzen, oft zusammen auftreten und sie sich dank ihm einen Namen als Violinistin machen durfte, ist sie nicht glücklich. Sie hat mit ihrer Ehe ihre Träume und Freiheit aufgegeben und bereut es. Jetzt ist sie an einen alten, kranken Mann gefesselt, der immer besitzergreifender und gemeiner wird und die totale Unterordnung von ihr fordert. Einzig, wenn es um ihre Adoptivtochter Netty geht, setzt sie ihre eigenen Ansichten und Vorstellungen durch. Außerdem konnte sie ihre erste Liebe, den Kulissenmaler Christian, nie vergessen. Als sie ihn jetzt wiedertrifft, muss sie sich entscheiden, was sie für ihre Liebe aufzugeben bereit ist.

Christian ist inzwischen der zweite königliche Dekorationsmaler am Theater und der Oper und hat die Meisterprüfung bestanden, gehört aber als ehemaliges Waisenkind keiner Schicht an, ist weder Arbeiter, Künstler noch Bürgerlicher, sondern wird als Emporkömmling angesehen. „Es würde für immer sein Schicksal sein, zwischen den Stühlen zu sitzen und nicht zu wissen, wohin er wirklich gehörte.“ (S. 29) Und auch sein Herz gehört immer noch Elise.

„Etwas liegt in der Luft, man kann den Brandgeruch darin schon schmecken.“ (S. 253) Die Stimmung in Dresden ist aufgeheizt. Vor allem die „kleinen Leute“ sind schon lange mit dem König und ihrer Lage unzufrieden, fordern mehr Löhne, Freiheiten und Rechte für alle – wobei auch sie voreingenommen sind, ihre Forderungen gelten nämlich nicht für Frauen oder Andersgläubige, wie z.B. Juden. Als der preußische König die Kaiserkrone ablehnt, nehmen das die aufgeheizten Einwohner zum Anlass, unterstützt von prominenten Persönlichkeiten wie Gottfried Semper und Richard Wagner, das Zeughaus zu stürmen, sich zu bewaffnen und Barrikaden in der Stadt aufzubauen.

„Rot das Feuer“ ist die Fortsetzung der Dresdner Romantrilogie von Anne Stern um die Semperoper und spielt vor dem Hintergrund der Dresdner Mairevolution.
Sie beschreibt eine Zeit der Um- und Aufbrüche, in der kaum jemand zufrieden zu sein scheint. Elise hadert mit ihrer Ehe, Christian mit seinem Leben im Allgemeinen, die Oberen mit dem Aufbegehren der Arbeiter, die kleinen Leute mit der der Politik des Königs und der Kapellmeister Richard Wagner mit den in der Semperoper aufgeführten Stücken – genau wie die alte Kostümmeisterin Bertha, der auffällt, dass selbst im „Fidelio“ Frauen von ihren Eltern einfach (wenn auch an einen Königssohn) verkauft werden, ohne sie nach ihrer Meinung zu fragen. An der Bedeutung und Rolle der Frauen hat sich nichts geändert. Das finden auch Frauenrechtlerinnen wie Louise Otto, Christians Schwester Ernestine und Luises Schwester Barbara, die das ändern und den Männern in nichts nachstehen wollen – auch nicht im Kampf gegen die preußischen Soldaten. „Freiheit besitzt man nicht einfach, man nimmt sie sich.“ (S. 45)

Im Gegensatz zum ersten Band liegt der Fokus hier mehr auf der politischen Entwicklung in Dresden, als auf Elise und Christian, obwohl deren Schicksal natürlich eng an das der Oper und damit auch der Stadt gebunden ist. Die Protagonisten sind wieder sehr fein gezeichnet, stammen aus allen Schichten und zeigen so einen interessanten Querschnitt der damaligen Bevölkerung. Frauen wie Elise stecken real und bildlich immer noch in den starren Korsetts, die ihnen die Gesellschaft und die Mode aufzwingen. Schon ein winziger Fehltritt kann ihr Leben zerstören (wie bei Elises Freundin Aurora, die nach einer kurzen Affäre von ihrer Familie verstoßen wurde). Aber auch die Männer können ihren Stand nur sehr selten verbessern, wie Christians Schicksal zeigt.

Spannende Fortsetzung der dramatischen Liebesgeschichte, die mir auch ein Stück bisher unbekannte Geschichte meiner Heimatstadt näher gebracht hat.

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