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Veröffentlicht am 04.09.2024

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I still care
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„Mein Ziel war, die Pflege zu verändern. Erreicht habe ich das nicht. Erreicht habe ich, dass jeder in Deutschland mitbekommen hat, wie mies es um unser Gesundheitssystem steht.“ (S. 224) – aber geändert ...

„Mein Ziel war, die Pflege zu verändern. Erreicht habe ich das nicht. Erreicht habe ich, dass jeder in Deutschland mitbekommen hat, wie mies es um unser Gesundheitssystem steht.“ (S. 224) – aber geändert hat sich nichts. Zu diesem Fazit kommt Franziska Böhler, bekannt als #TheFabulousFranzi, als sie nach vier Jahren als Pflegeaktivistin einsehen musste, dass ihre Arbeit und Aufklärung in den (sozialen) Medien umsonst und sie physisch und psychisch am Ende war. Dabei hatte alles ganz harmlos mit Posts von ihrer Arbeit als Intensivkrankenschwester angefangen, in denen sie die Realität zeigte und auch offen sagte, was in der Pflege schief läuft. Fast über Nacht wird ihre Reichweite immer größer, sie berühmter, und dann kommt Corona – endlich sehen alle, dass es so nicht weitergehen kann. Es wird geklatscht, die Regierung macht Versprechungen und Franziska arbeitet bis zum Umfallen im Krankenhaus und klärt auf ihrem Insta-Kanal auf, gibt Tipps, Interviews und beantwortet bis zu 3000 Nachrichten pro Tag. Schnell kommen Neider wegen ihrer „Berühmtheit“, sie wird verbal angegriffen und bedroht und ohne, dass sie es merkt, entgleitet ihr nicht nur die Situation, sondern ihr Leben. Sie hat Schlafstörungen, Panikattacken, Angstzustände – und macht trotzdem weiter. Geht auf Arbeit, bespielt Insta. Familie und Freunde dringen nicht mehr zu ihr durch. Sie muss funktionieren. Bis sie zusammenbricht.

Die Arbeitszeit endet erst, wenn der letzte Patient versorgt ist, sagt Franziska an einer Stelle, und nicht, wenn die Schicht vorbei ist. Ich kannte sie vor diesem Buch nicht, aber ich kenne die Problematik. Mein Mann ist seit über 30 Jahren Pfleger und hatte auch schon einen Burnout, ist danach aber ebenfalls in seinen Beruf zurückgekehrt.

Franziskas Buch rüttelt auf und macht wach. Sie zeigt die Schattenseiten der Pflege, aber auch, was Social Media mit uns macht: Wenn man denkt, immer präsent und perfekt sein, alle (An-)Fragen beantworten zu müssen, wenn Social Media unser Leben und den Alltag bestimmt. Sie schreibt extrem persönlich und schonungslos offen und ehrlich, vor allem auch sich selbst gegenüber, was sie alles falsch gemacht und wer bzw. was sie aufgefangen und gerettet hat.
Jeder, der mit dem Gedanken spielt, in der Pflege zu arbeiten, sollte das Buch lesen.

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Veröffentlicht am 30.08.2024

Schicksalhafte Begegnungen

Die Lindenterrasse
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„Man sagt, dass die Linde als Baum anstelle von Blättern Tausende kleine Herzen an ihren Ästen trägt.“ (S. 89)
Nienstedten 1790: Maria Burmester ist Anfang 30 und Mutter von 4 Kindern, als ihr Mann bei ...

„Man sagt, dass die Linde als Baum anstelle von Blättern Tausende kleine Herzen an ihren Ästen trägt.“ (S. 89)
Nienstedten 1790: Maria Burmester ist Anfang 30 und Mutter von 4 Kindern, als ihr Mann bei einem Unfall stirbt. Er hinterlässt ihr eine gutgehende Konditorei inkl. Ausflugslokal vor den Toren Hamburgs und Schulden, da er sich lieber mit seinem Zuckerwerk als der Buchführung beschäftigt hat. Schon bei der Beerdigung bekommt sie erste Angebote für ihren Hof, will ihn aber unbedingt für ihre Kinder erhalten. Als ihr ältester Sohn in der Schule Probleme macht, lernt sie Emilia von Wedekind kennen, die Mutter eines Mitschülers. Obwohl sich die Frauen bei der ersten Begegnung nicht ausstehen können, werden ihre Schicksale bald fast untrennbar miteinander verbunden. Denn der Kaufmann Joachim Graaf will Emilia, seine Jugendliebe, zurückgewinnen und mietet dafür die Elbterrasse von Marias Lokal, die sein französischer Kunstgärtner Daniel Louis Jacques dann in die Lindenterrasse verwandelt …

Micaela Jary verbindet in ihrem Roman „Die Lindenterrasse“ die reale Geschichte des späteren ersten französischen Restaurants und schließlich Hotels Louis C. Jacob und seiner Begründer mit der fiktiven Geschichte von Emilia von Wedekind und Joachim Graaf, für die es ebenfalls historische Vorbilder gibt. Ich muss zugeben, dass mich die Schicksale der beiden Frauen etwas mehr gefesselt haben, als die des Hotels.

„Seit ich Witwe bin, fürchte ich mich vor so vielen Dingen wie nie zuvor in meinem Leben.“ (S. 355) Maria ist mit ihrer Situation als Witwe überfordert. Sie traut sich nicht, das Geschäft allein weiterzuführen und hat nicht genügend Geld für ausreichend Angestellte. Außerdem macht ihr ein schmieriger Hotelier eindeutige Angebote – er will ihren Hof um jeden Preis, gern auch mit ihr als Ehefrau. Dafür zerstört er systematisch ihren moralisch und geschäftlich integren Ruf. Dabei schlägt ihr Herz insgeheim längst für Daniel Louis Jacques, der sie nicht nur mit seinem botanischen Wissen, sondern auch der französischen Lebensart und Fürsorglichkeit bezaubert. Allerdings ist er deutlich jünger als sie, darum traut sie seinen Liebesbekundungen nicht.

Emilia ist seit vielen Jahren mit einem Militärarzt verheiratet. Sie sind die ganze Zeit von einer Dienststelle zur nächsten gezogen, aber jetzt haben sie über Emilias Bruder ein Haus in ihrer Heimatstadt Hamburg gekauft und sie kommt endlich zur Ruhe. Es war damals keine Liebesheirat, aber man hat sich arrangiert. Darum verwundert es sie auch, dass er sie plötzlich vor ihrer Familie und der Öffentlichkeit brüskiert, ihren Sohn auf eine entfernte Militärakademie schickt und ihr einredet, dass er ihre plötzliche Hysterie mit Aderlässen und Hausarrest behandeln muss.

Obwohl die beiden Frauen so unterschiedlich sind und in verschiedenen Welten leben, sind sie doch im gleichen Korsett aus Konventionen und Regeln gefangen. Maria hat sich für das Trauerjahr zurückzuziehen und höchstens in der Kirche sehen zu lassen, bis sie sich wiederverheiratet und das Geschäft, den Hof und die Verantwortung (und am besten auch gleich noch ihren Verstand und Körper) an ihren nächsten Mann übergibt. Dass sie mit Graaf und Jaques plötzlich „Männerbesuch“ empfängt, ist ein Skandal.
Emilia macht Graaf mehrfach klar, dass sie an ihrer Ehe festhält, trotzdem scheint ihr Mann Wind davon bekommen zu haben. Plötzlich reglementiert und kontrolliert er sie, obwohl er selbst fast immer auf Dienstreise ist. Wenn ich mir vorstelle, dass mir mein Mann Hausarrest verordnen könnte, ganz zu schweigen davon, was ihr Mann ihr noch so antut, läuft es mir kalt den Rücken hinunter.

Micaela Jary erzählt Marias und Emilias Schicksal sehr gefühlvoll, auch wenn ich Marias Wankelmütigkeit bzgl. Jacques nicht immer nachvollziehen konnte. Trotzdem haben mich die Schilderungen sehr berührt und mitfiebern lassen.
Auch die Elb- bzw. Lindenterrasse wird sehr anschaulich und detailreich beschrieben und man bekommt ein gutes Bild von den historischen Zusammenhängen und Vorgängen, die zu ihrer Entstehung geführt haben.

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Veröffentlicht am 30.08.2024

Aufbruch in eine neues Leben

Reporterin für eine bessere Welt
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„Es ist mir einfach zu langweilig geworden. Ich will über die richtigen Sachen schreiben, nicht mehr über Theatervorstellungen oder Mode.“ (S. 31)
Mai 1987: Nellie Bly hat sich in Pittsburgh einen Namen ...

„Es ist mir einfach zu langweilig geworden. Ich will über die richtigen Sachen schreiben, nicht mehr über Theatervorstellungen oder Mode.“ (S. 31)
Mai 1987: Nellie Bly hat sich in Pittsburgh einen Namen als Investigativjournalistin des Pittsburgh Dispatch gemacht, u.a. mit einer Reportage über Mexiko, die auch in vielen anderen Städten des Landes erschien. Aber sie will mehr: noch brisantere Themen, noch größere Bekanntheit. Darum zieht sie nach New York. Sie will für Joseph Pulitzers New York World schreiben, aber sie kommt nicht mal am Sicherheitsdienst vorbei, geschweige denn in die Redaktion.
Doch so leicht lässt sie sich nicht entmutigen. Sie schreibt eine Reportage für den Pittsburgh Dispatch, in der sie die Chefredakteure New Yorker Zeitungen nach der Beschäftigung von Frauen fragt. Überall wird ihr gesagt, dass weibliche Reporter nicht belastbar, zu ungenau und „schlicht“ sind. Nellie ist empört: „… Frauen wird einfach nichts zugetraut. Wir können genauso recherchieren und schreiben wie Männer. Aber die Chefredakteure nehmen lieber Männer, selbst wenn sie schlechter sind.“ (S. 192) Der Artikel bringt ihr zwar Erfolg, aber keinen Job. Also startet sie einen letzten Versuch und bietet der New York World eine Reportage an, für die sie wie die Emigranten den Atlantik von Europa nach NY in der 3. Klasse überqueren und darüber schreiben will, wie schlimm die Zustände auf den Schiffen sind. Die Reise wird nicht genehmigt, stattdessen schickt man sie für 10 Tage in die Frauen-Nervenheilanstalt auf Backwell‘s Island – aus der noch nie eine Patientin zurückgekehrt ist …

Die Zeit im Irrenhaus wird sehr detailliert beschrieben, man bekommt einen guten Eindruck von den herrschenden Zuständen. Nellies erschreckendste Erkenntnis ist, dass meisten Patientinnen gar nicht (geistes-)krank sind, wenn sie dort eingewiesen werden, sondern erst durch die grausamen Misshandlungen durch die Angestellten, Kälte, Hunger, monotone Verrichten und Verbote dazu gemacht werden. Oft wurden sie von Ehemännern, Familie oder Freunden einfach abgeschoben, weil man sie loswerden wollte oder nicht mehr ernähren konnte.

Allerdings findet Nellies Aufenthalt im Irrenhaus entgegen der im Klappentext geweckten Erwartungen erst im letzten Viertel des Buches statt. Zuvor beschreibt Ulrike Fuchs Nellies Anfangszeit in New York (mir leider viel zu) ausführlich. Sie erzählt von deren blauäugiger Vorstellung, dass sie einfach in die Redaktionen einer der größten Zeitungen spazieren und einen Job bekommen würde, aber schnell merkt, dass selbst männliche Journalisten als Kellner arbeiten müssen, weil keiner sie einstellt. Zudem baut sie eine Liebesgeschichte mit einem Mann ein, den Nellie im Zug nach New York kennenlernt und die zum Teil mehr Raum als Nellies Suche nach Aufträgen einnimmt.

Ihre Darstellung von Nellie hat mir gut gefallen. Sie erscheint zwar manchmal recht naiv, aber nicht dumm. Sie ist taff und kann andere von sich und ihrer Meinung überzeugen. Mir erschien sie zwar zum Teil recht modern in ihren Ansichten, aber vielleicht war sie wirklich so. Und mir hat imponiert, wie sie sich ihre Chance auf eine Anstellung erkämpft und ins Irrenhaus geht, obwohl sie nicht sicher sein kann, dass die Zeitung sie da auch wirklich wieder rausholt.

Die Autorin schreibt sehr flüssig und gibt auch einen guten Eindrucke über die Zustände der Neuankömmlinge andere US-Staaten und europäischer Einwanderer in New York. Sie schildert die Metropole als quirlige, im Wachsen und Aufbruch befindliche Stadt, die völlig überlaufen und sehr modern ist. Die Freiheitsstatue war erst im Jahr davor eröffnet worden, die Brooklyn Bridge ist gerade 4 Jahre alt.

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Veröffentlicht am 27.08.2024

Schnitzeljagd durch Amsterdam

Die Hausboot-Detektei - Tödliche Farben
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„Ich habe zwei Probleme. An meiner Wand fehlt ein Bild, und in meinem Sessel sitzt ein toter Mann.“ (S. 11) Onno, Maddies und Isas Vermieter, ruft nicht die Polizei sondern die Hausbootdetektive zu Hilfe, ...

„Ich habe zwei Probleme. An meiner Wand fehlt ein Bild, und in meinem Sessel sitzt ein toter Mann.“ (S. 11) Onno, Maddies und Isas Vermieter, ruft nicht die Polizei sondern die Hausbootdetektive zu Hilfe, da das gestohlene Bild eine von ihm angefertigte Kopie eines berühmten, vor 50 Jahren verschollenen Gemäldes von Jan Vermeers Tochter Aleydis ist und der Tote ein gelbes Rokoko-Rüschen-Kleid trägt – genau wie eine der Frauen auf dem Bild.
Bei ihrer Suche erfahren sie von dem Gerücht, dass das Original noch existieren soll und der letzte Besitzer es für eine Schatzsuche versteckt hat. Die einzelnen Hinweise sind als Rätsel formuliert und haben alle etwas mit Katzen und Amsterdam zu tun. Auf ihrer Jagd nach den Gemälden (der Kopie und dem Original) lernen sie ihre Stadt von völlig neuen Seiten kennen.

Ich mag die Hausbootdetektive und ihre tierische Unterstützung. Mit zum Teil recht ungewöhnlichen Methoden und immer ein kleines Stück über dem, was erlaubt ist, ermitteln sie in einem faszinierenden Kunstraub – bzw. in zwei, denn falls das Original wirklich noch existiert, wollen sie das natürlich auch finden. Dabei ist unklar, ob das Bild von Vermeers Tochter oder sogar von ihm selber stammt und was es wert ist.

„Tödliche Farben“ ist bereits der 4. und für mich bisher beste Teil der Reihe mit den Hausbootdetektiven. Amy Achterop schreibt extrem temporeich und lässt die Detektive kaum zu Atem kommen, da die Hinweise immer schwieriger werden und ihnen nicht nur die Polizei auf den Fersen ist. Außerdem bleibt es nicht bei der einen Leiche. Ich fand die Suche und auch den künstlerischen Hintergrund, ob Vermeers Töchter nun gemalt haben oder nicht, sehr spannend.

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Veröffentlicht am 26.08.2024

Macht auch zu zweit jede Menge Spaß

Murdle Volume 1
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Murdle ist eine geniale Kombination aus Kriminalroman und Gitterrätseln, da sich die Beschreibung der Fälle wie eine fortlaufende Geschichte mit Deduktiv Logico als Ermittler liest.

Zu Beginn der 100 ...

Murdle ist eine geniale Kombination aus Kriminalroman und Gitterrätseln, da sich die Beschreibung der Fälle wie eine fortlaufende Geschichte mit Deduktiv Logico als Ermittler liest.

Zu Beginn der 100 Fälle werden die jeweiligen Verdächtigen genau vorgestellt: Größe, Haar- und Augenfarbe, andere Besonderheiten. Außerdem gibt es verschiedene Tatorte und -werkzeuge, unter denen man die zutreffenden durch ein Ausschlussverfahren ermitteln muss – das Motiv ist nicht von Bedeutung. Da heißt es, ganz genau lesen, damit man die beim Rätseln dann auch alles richtig zuordnet.
Die Hinweise werden in ein Gitter übertragen: ein Haken für zutreffende Hinweise, und ein Kreuz, wenn man etwas ausschließen kann.

Man muss bei dem Hinweis auch mal um die Ecke denken und darf sich nicht in die Irre führen lassen, einige Begriffe mussten wir sogar googeln. Trotzdem sind wir bisher nicht über die leichten Rätsel hinausgekommen, obwohl mein Mann seit Jahren die P.M. Logik-Rätsel macht und überzeugt war, dass Murdle nicht schwerer sein kann – Überraschung, ist es doch.

Wir hatten und haben jedenfalls eine Menge Spaß mit Murdle, mal sehen, wann wir uns an die schweren Rätsel wagen.

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