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Veröffentlicht am 10.08.2020

Schön erzählt

Ein Sonntag mit Elena
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Titel und Klappentext wecken ein wenig falsche Erwartungen. Der italienische Titel: „Ein Sonntag“ passt schon eher. Um Elena geht es nämlich letztlich nicht, sondern vorrangig, aber nicht nur, um die Beziehungen ...

Titel und Klappentext wecken ein wenig falsche Erwartungen. Der italienische Titel: „Ein Sonntag“ passt schon eher. Um Elena geht es nämlich letztlich nicht, sondern vorrangig, aber nicht nur, um die Beziehungen innerhalb einer Familie. Besonders stehen dabei der Vater sowie seine mittlere Tochter im Mittelpunkt.

Der Vater, der „den Dringlichkeiten in seinem Leben mehr Aufmerksamkeit gewidmet“ hat, „als den Wichtigkeiten“ verlor vor 8 Monaten seine Ehefrau. Er ist schon in Rente, war früher ein großer Brückenbauer, der viel in der Welt umher reiste. Seine nun erwachsenen Kinder leben verstreut und zu seiner mittleren Tochter, deren Leidenschaft dem Theater gilt, hat er seit dem Tod der Mutter keinen Kontakt mehr. Er ist einsam und hatte sich das Leben in diesem Lebensabschnitt ganz anders vorgestellt.
An einem Sonntag kocht er das erste Mal sehr aufwändig, da seine älteste Tochter und seine Enkelin zu Besuch kommen wollen. Doch die Enkelin verletzt sich ernsthaft und muss ins Krankenhaus. Der (Groß-)Vater ist durcheinander, traurig, geht spazieren und lernt zufällig die dreißig Jahre jüngere Elena und ihren Skateboard-begeisterten Sohn Gaston kennen. Auch die beiden haben Schicksalsschläge zu verkraften… und jeder muss Entscheidungen treffen.

Dieser kurze Roman beginnt mit dem Vater als männliche Hauptperson, doch schon bald wird man gewahr, dass die Geschehnisse seine mittlere Tochter erzählt. Anfangs störte mich die Einführung dieser weiblichen Hauptperson, sie überzeugte mich nicht so ganz und irgendwie ergab sich für mich ein Missklang. Ich gewöhnte mich aber an sie und gab mich zu frieden. Sie erzählt, wie es zu diesem etwas besonderem Sonntag kam und wie es danach weiter ging. Zugleich erzählt sie über sich und reflektiert ihre etwas komplizierte Beziehung zum Vater, zur geliebten Mutter, zu den Geschwistern und insbesondere auch die Beziehung der Eltern zueinander. Sie ist dabei nicht allwissend, sondern bleibt stets subjektiv. Sie erzählt bruchstückhaft und in Rückblenden.

Man erhält daher kurze Einblicke in die Familie, wobei vieles nur angedeutet bzw. angerissen wird, einzelne Szenen wirken wie Spotlights, es wird nicht alles ausgeformt, so dass jede Menge Identifikationspotential für Leser*innen entsteht. Ich konnte mich gut hinein versetzen sowie über eigene Erfahrungen und Ansichten nachdenken. Ein zweites wichtiges Thema ist zudem das Leben selbst. Was ist wichtig, was ist realistisch, welche Entscheidungen trifft man.

Alle Figuren wirken, obwohl man sie eher distanziert betrachtet, zumeist recht authentisch. Sie geraten durchaus tief und werden durch die beschriebenen Dynamiken lebendig.

Der Schreibstil wirkte sehr ruhig, fast meditativ, gleichzeitig leichtfüßig auf mich. Der Autor schreibt leise und sehr schön, dabei humorvoll und liebevoll – eine sehr angenehme Mischung!

Die Geschichte wirkt sehr aus dem Leben gegriffen, sehr echt und überhaupt nicht kitschig. Ein zwei Stellen waren mir vielleicht zu konstruiert, aber letztlich ist das Leben selbst ja doch viel verrückter, als man denkt..:) Inhaltlich wird allerdings im Grunde nichts Neues erzählt, mittendrin langweilte ich mich daher fast ein wenig, bis ich doch wieder mitgenommen und auch sehr berührt wurde.

Fazit: Ein ruhiger, besinnlicher und berührender Roman, der sich mit Familienbeziehungen und den Wichtigkeiten des Lebens beschäftigt.

Veröffentlicht am 06.08.2020

Der 8.Teil um einen eigenwilligen Detektive in Nordirland während der Troubles

Alter Hund, neue Tricks
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Der 8.Teil der Sean Duffy Reihe. Für mich allerdings der erste. Ich war super neugierig auf das Setting: Nordirland, Anfang der 90er, die „Troubles“ sind noch im Gange.
Zwar benötigt man für diesen Band ...

Der 8.Teil der Sean Duffy Reihe. Für mich allerdings der erste. Ich war super neugierig auf das Setting: Nordirland, Anfang der 90er, die „Troubles“ sind noch im Gange.
Zwar benötigt man für diesen Band keine Vorkenntnisse, dennoch könnten sie wahrscheinlich hilfreich sein und für einen tieferen Hintergrund sorgen.

DI Sean Duffy ist eigentlich nur noch einige Tage im Monat im Dienst. Den Rest verbringt er mit seiner geliebten Tochter und Frau in Schottland. Zu seinen Arbeitstagen nimmt er die Fähre nach Belfast und lebt dort in seinem alten Häuschen. Es geschieht nun aber ein Mord, während der eigentliche Hauptermittler im Urlaub weilt. Duffy muss ihn vertreten und fordert sich seinen alten Kollegen Crabbie an. Der erstmal harmlos erscheinende Mordfall entpuppt sich schon bald als sehr politisch hintergründig.

Duffy ist ziemlich eigen. Er nimmt seinen eigenen Weg und kümmert sich nicht immer um die Vorschriften. Er ist etwas angeberisch, dickauftragend, ein richtiger Maulheld. Aber auch sehr schlau, sogar intellektuell, manchmal gar etwas elitär wirkend. Er ist literarisch bewandert und ein Musikliebhaber mit großer Plattensammlung. Man erfährt ein wenig aus seinen Lektüren und man kann, wenn man Lust hat, auch die eingestreuten Musiktitel nachhören. Er hat auch düstere Seiten, innere Dämonen, mit denen er mich ein wenig an Harry Hole erinnerte. Grundsätzlich gefiel mir Duffy ganz gut, obwohl ich sein Verhalten manchmal zu dick aufgetragen fand.

Den Fall an sich fand ich nur mäßig spannend. Der Klappentext verrät für meinen Geschmack auch etwas zu viel. Gegen Mitte/ Ende wird es trotzdem sehr spannend, sehr bedrückend, sogar auch berührend. Es geht hier um ein größeres Ganzes, um größere politische Zusammenhänge, was mir wirklich gut gefiel.

Für mich war sowieso eher das Setting das Spannende und Reizvolle, hier kam ich ganz auf meine Kosten. Das Milieu, das Lebensgefühl wird sehr gut gezeichnet. Die stetige Gefahr und Gewalt wird spürbar. Duffy guckt gefühlt 100 Mal unter sein Auto, ob sich da ein Sprengsatz befindet. Dies und noch viele andere Details erhellen das Bild Nordirlands, einer Gesellschaft, die an „posttraumatischem Stress- Syndrom“ litt, obwohl „das traumatische Ereignis noch nicht mal vorbei“ war. Die Polizei wird von niemandem gern gesehen, was die Ermittlungsarbeit durchaus erschwert.

Eine zweite Thematik, die mir gut gefiel, war die Vergänglichkeit, die Veränderlichkeit des Lebens, ja auch die Endlichkeit. So sinniert Duffy immer mal wieder über sein Leben. Vor allem aber auch über die neuen Ermittlungsmethoden und neuen Ermittler, über die er feststellt: „Die beiden Männer waren jünger als ich. Mitte zwanzig, Anfang dreißig, dem Aussehen nach zu urteilen. Karrieristen. Sie kamen herum. Durchtrainiert. Kein Alkohol. Schicke Anzüge. Gewieft. Die neue Art Polizist. Analytiker. Schlampige Polizisten aus den Siebzigern, die wie ich ihren Institutionen folgten, waren auf dem absteigenden Ast.“ Diese Aspekte gefielen mir ebenfalls gut und lassen Entwicklungen erkennen.

Der Krimi ist in Kapitel mit Überschriften eingeteilt.

Hervorheben möchte ich noch den Humor, der sehr gut bei mir ankam. Des Öfteren habe ich wirklich gelacht, obwohl ich manches als etwas übertrieben fand, störte mich das letztlich nicht, ich amüsierte mich. Besonders die Dialoge fand ich sehr lebendig geschrieben.

Fazit: Zumeist spannender Kriminalroman mit einem eigenwilligen Detektive, sehr interessanten Milieuschilderungen Nordirlands sowie einem sehr lebendigem Humor! Jetzt muss ich natürlich auch noch einige der Vorgängerbände lesen…:)

Veröffentlicht am 25.07.2020

Origineller Genremix

American Spy
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Marie arbeitet in den 80er Jahren nach ihrer Ausbildung in Quantico für das FBI in der Abteilung Spionageabwehr. Sie wird für ein Spezialprojekt der CIA ausgewählt. Als schwarze Frau scheint sie prädestiniert ...

Marie arbeitet in den 80er Jahren nach ihrer Ausbildung in Quantico für das FBI in der Abteilung Spionageabwehr. Sie wird für ein Spezialprojekt der CIA ausgewählt. Als schwarze Frau scheint sie prädestiniert für diesen Auftrag. Sie soll den Staatschef von Burkina Faso korrumpieren. Doch ihr kommen Zweifel, ob sie das wirklich ethisch vertreten kann. Überhaupt gefallen ihr einige Aktivitäten des FBI nicht und es beginnen Schwierigkeiten…

Man erfährt als Leser*in alles in Form eines Briefes, den sie an ihre Zwillingssöhne schreibt. Wie alt diese gerade sind und warum sie diesen Brief überhaupt schreibt, erfährt man nur Stück für Stück, wodurch Spannung entsteht. Auch erfährt man lange nicht, was es mit dem Vater auf sich hat.
Der Brief ist nicht chronologisch erzählt, sondern eher assoziativ und in den Zeiten springend.
Marie reflektiert viel über die eigene Herkunftsfamilie, insbesondere über ihre ältere Schwester Helene, die sie sehr bewunderte, aber irgendwann nicht mehr richtig verstand. Auch diese arbeitete, bis zu ihrem frühen Tod, beim FBI. Die Mutter verließ die Familie und kehrte in ihr Herkunftsland Martinique zurück. Die Mädchen wuchsen so bei ihrem Vater, einem Polizisten, in New York auf. Marie beleuchtet die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern und die eigene Entwicklung. Die Figuren blieben mir jedoch etwas fremd. Auch konnte ich gegen Ende eine Handlung Maries nicht nachvollziehen, da sie irgendwie nicht zu ihren Wertmaßstäben passte. Zudem wurde es manchmal zu „gefühlsduselig", zu häufig wurden verschiedenste Gefühle benannt und auch das passte nicht so ganz ins Bild, da sich Marie eher verschlossen und kühl gab.
Neben der Familie steht natürlich ihre Tätigkeit beim FBI und in der CIA im Fokus. Diese Einblicke in das Spionagewesen, aus dem kritischen Blick einer schwarzen Frau, fand ich hingegen überaus interessant. Atemlos ließen mich die sehr realistisch erscheinenden Schilderungen der Aktivitäten, der Überwachungen von Bürgerrechtsinitiativen im Inland sowie der enormen Manipulation im Ausland, hier insbesondere der Geheimoperationen in Westafrika, zurück. Diese werden recht ausführlich und klar beschrieben. Obwohl ich das alles schon irgendwie gehört hatte, beeindruckte es mich Des Weiteren gefielen mir in diesem Zusammenhang die Diskussionen über Demokratie (-aufbau).
Zudem, das gefiel mir ebenfalls gut, wurden die Auswirkungen des Kalten Krieges sowie insgesamt die Diskriminierung von Schwarzen und Frauen nachvollziehbar und spürbar geschildert, ebenso die jeweilige Nichtzugehörigkeit – in den USA gilt Marie als die Schwarze, in Westafrika als die Amerikanerin.
Der Roman wartet noch mit einer Liebesgeschichte auf, die ich jedoch als zu dick aufgetragen empfand. Auch der Schluss geriet mir etwas zu pathetisch.

Tja, was war das nun? Ein Thriller? Ein Spionageroman? Ein psychologischer Familienroman? Ein Liebesroman? Ein Westafrika Roman? Satire, Trash oder Ernst? Von jedem etwas und für mich leider zu viel in einem. Auch aliterarisch sehr durchwachsen- klare gute Sätze wechseln sich ab mit recht trivialen Passagen. Dennoch gefiel mir die Originalität, die ungewöhnliche Hauptfigur- eine taffe weibliche schwarze Spionin sowie das ungewöhnliche Setting und nicht zuletzt der Humor. Obwohl ich insgesamt nur drei Sterne vergebe, bereue ich die Lektüre keinesfalls.

Veröffentlicht am 11.07.2020

Lohnenswerter tschechischer Klassiker

Mai
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Ein junger Räuber sitzt im Kerker, da er den Nebenbuhler oder Verführer (?) seiner Geliebten ermordete. Zudem stellte sich heraus, dass dies sein Vater war, der ihn vor einiger Zeit verstoßen hatte. Man ...

Ein junger Räuber sitzt im Kerker, da er den Nebenbuhler oder Verführer (?) seiner Geliebten ermordete. Zudem stellte sich heraus, dass dies sein Vater war, der ihn vor einiger Zeit verstoßen hatte. Man lauscht nun seinen letzten Gedanken kurz vor der Hinrichtung. Zugleich hört man man seiner Geliebten zu, man lauscht der Natur und ganz zum Schluss wird man eines Wanderers gewahr, der neben dem Skelett des jungen Mannes von ganz eigenen Empfindungen ergriffen wird.

Mai ist ein 1836 erschienenes Versepos und bei den Tschechen ein Klassiker. Jeder kennt es, wenngleich vielleicht nicht jeder es gänzlich gelesen hat..:) Zumindest die ersten 36 Verse sind wohl geläufig, da sie in der Schule gelehrt und traditionell am 01.Mai von jung
Verliebten am Denkmal des Dichters deklamiert werden.

Der Untertitel: „Romantisches Liebesepos“ trifft es nicht so ganz. Was ist das für ein Epos? Ein Liebesgedicht? Ein Schauergedicht? Ein Naturgedicht? Eine Tragödie? Es ist ein Gedicht über das Leben und den Tod, über das Werden und Vergehen. Voller Emotionen: traurig, melancholisch, düster, gruselig, schauerlich, romantisch, hoffnungsvoll, anmutig und sogar humorvoll. Voller jugendlichem Weltschmerz, aber auch altersweiser Hoffnung.

Einige Stellen, einige Bilder waren mir erst mal unverständlich und beschwerlich. Erst nach mehrmaligem Lesen entschlüsselte es sich etwas und entfaltete auch seine volle Wirkung. Andere Stellen waren hingegen sofort eingängig und wunderschön. Es lohnt sich sehr, immer wieder in diese sehr schönen Bilder einzutauchen!
Das Epos ist bezüglich der Strophen und Versmaße abwechslungsreich gestaltet. Inhaltlich bleibt es teils eher vage und lässt einige Fragen offen, nicht alle Zusammenhänge werden hier erklärt. Vorrangig geht es vielleicht auch eher um den Gebrauch der Sprache, um die besonderen Bilder mit ihrer Ausdruckskraft, Poesie, auch Fantasie und Emotionalität. Nicht zuletzt auch um die metaphysischen Gedanken, die zu Máchas Zeiten sicher nicht ganz alltäglich waren.

Der vorliegende Band enthält die tschechische und auch deutsche Version (linke Seite tschechisch, rechte Seite deutsch). Hin und wieder gibt es schwarz/weiß Illustrationen, zumeist eher abstrakt und in Faltbildertechnik.
Es folgt ein sehr umfangreiches Nachwort vom Übersetzer Ondrej Cikan. Er rückt das Versepos in den historischen Kontext und gibt Einblicke in das leider doch recht kurze Leben des Dichters, der sehr viel später erst zu einer Kultfigur avancierte. Zudem wird man für die enorme Herausforderung von Übersetzungen, insbesondere von Gedichten, sensibilisiert. So stellt Cikan verschiedene Versionen der unterschiedlichen Übersetzer gegenüber, was ich überaus spannend fand.
Wenngleich mir dieses ausführliche Nachwort an manchen Stellen etwas zu literaturwissenschaftlich geriet, empfand ich es insgesamt doch als sehr bereichernd, erhellend und vor allem auch notwendig! Sowieso lohnt es sich sehr, weitere Recherchen aufzunehmen, weitere Quellen zu nutzen oder auch sich beispielsweise Vertonungen des Gedichtes anzuhören!

Dieses Gedicht, dieses Versepos las ich vor allem aus Interesse an Klassikern und am Kulturgut der Tschechen. Es hat mir nun große Lust bereitet, mehr über Klassiker unserer Nachbarländer zu erfahren und vor allem auch Mut gemacht, mehr Gedichte zu lesen!

Veröffentlicht am 10.07.2020

„Wir feiern doch ständig neben dem Unglück der anderen“

Während wir feiern
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Schweizer Nationalfeiertag. Alexa, Sängerin, bereitet ihre alljährliche Party vor, zu der sie Freunde und Nachbarn einlädt. Sie selbst ist Deutsche und hofft auf eine Einbürgerung. Sie kam vor Jahren aufgrund ...

Schweizer Nationalfeiertag. Alexa, Sängerin, bereitet ihre alljährliche Party vor, zu der sie Freunde und Nachbarn einlädt. Sie selbst ist Deutsche und hofft auf eine Einbürgerung. Sie kam vor Jahren aufgrund eines Engagements in die Schweiz und blieb dann der Liebe wegen. Sie lebt mit Adrian, einem Narkosearzt und dessen 16 jährigem Sohn Robert, einem leidenschaftlichem Fußballfan zusammen.
Parallel zu Alexas Partyvorbereitungen fürchtet der Tunesier Kamal seine Abschiebung. Kamal wendet sich an seinen Sprachlehrer Zoltan, den besten Freund Alexas, mit der Bitte um Hilfe. Doch der verwehrt sie ihm aus Gründen, die er sich selbst kaum einzugestehen wagt.

Dieser Roman spielt an diesem einem Tag und nimmt die verschiedensten Menschen in den Blick, wobei man als Leser*in dem inneren Erleben der jeweiligen Personen folgt. Von Beginn an fesselnd, konnte ich ihn kaum aus der Hand legen, obwohl ich zwischendrin hier und da genervt und gestresst, da die Abfolge der Vielzahl an Personen oft sehr schnell vonstatten ging. Es las sich assoziativ, ein schneller Reigen, der aber auch Raum für klare Beobachtungen und treffsichere Sätze ließ.
Diese vielen im Spotlight stehenden Figuren, macht eine sehr komplexe und tiefgründige Charakterisierung nahezu unmöglich, wobei es der Autorin dennoch gelang, überzeugende, wenngleich nicht immer sympathische, nämlich vor allem menschlich- fehlerhafte Figuren zu skizzieren.
Alexa, unheimlich gestresst und nervös wegen der Partyvorbereitung wirkt von sich selbst weit entfernt, hat aber dennoch das Herz am rechten Fleck. Ihre Freundin Evelyne, eine Rapperin, die an Schulen Workshops gibt, kommt zur Party. Ebenso wie Zoltan, der eine berühmte und verehrte Schriftstellerin mitbringt, die sich jedoch recht kantig im Umgang erweist und irgendwann konstatiert, man solle sie nicht mögen, sondern gefälligst ihre Bücher lesen..:) Der ehe erfolglose Schauspieler Brad erscheint, mit dem Alexa eine kurze Affaire hatte sowie ihr Lebenspartner Adrian, der irgendwann bemerkt, nachdem sich Kollegen über die große Anzahl der Deutschen in der Schweiz aufregen, dass sie sich doch eher über den geringen Frauenanteil unter den Ärzten aufregen sollten. Die teils sehr schwulenfeindlichen Jugendlichen um Robert blieben mir etwas unnahbar und fremd.
Kamals Schicksal ging mir nahe und berührte mich sehr. Es blieb mir nachhaltig im Gedächtnis, wie zugleich auch das Verhalten Zoltans. Nur an einer Stelle fiel es mir sehr schwer, Kamals Handeln nachzuvollziehen, möchte das hier jedoch nicht spoilern.

Die Sprache, obwohl doch Deutsch, klang mir hier und da aufgrund der Schweizer Begriffe manchmal – angenehm - fremd. Ich erhielt einen Einblick in das Schweizer Leben, wobei manche Andeutung sicher an mir vorbeiging. Hier können Schweizer bzw. Schweizkenner sicher noch mehr herausziehen.
Thematisch geht es um Beziehungen, um Staatsbürgerschaften und Nationalitäten, um Rassismus, Homophobie, aber auch um Demokratie und Mitbestimmung
Besonders steht hier die „Durchsetzungsinitiative“ der SVP, der Schweizer Rechtsaußenpartei kritisch im Fokus, die völkerrechtswidrige Bedingungen für die „Ausschaffung“ (Abschiebung) schaffen wollte und will.
Kontrastreich werden hier zudem zwei unterschiedliche Migranten dargestellt – die Deutsche und der Tunesier. Verdeutlicht werden ihre unterschiedlichen Wahrnehmungen, Motive, Rollen, Lebenswelten und vor allem Chancen und Möglichkeiten.

Insgesamt liest sich der novellenartig konzipierte Roman ernsthaft, humorvoll, satirisch und mit kritischem Blick. Im Verlauf kippt die Stimmung deutlich und es wird klar, dass eine Katastrophe naht. Das Ende, wenn gleich nicht völlig hoffnungslos, ließ mich bedrückt zurück.
Er inspirierte, mehr über die Schweizer Asylgesetzgebung zu recherchieren und mir das berühmte „Guggisberglied“ anzuhören, welches hier eine Rolle spielt. Zugleich nahm ich mir vor, Virginia Wolfs „Mrs. Dalloway“ zu lesen, die hier - auch – Vorbild war.