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Veröffentlicht am 21.02.2020

Wichtiger und inspirierender Inhalt, aber recht trivial geschrieben

Das Haus der Frauen
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Die erfolgreiche Rechtsanwältin Solène gerät in eine große Krise, als einer ihrer Klienten nach einem Gerichtsurteil in den Tod springt. Arbeitsfähig ist sie nun nicht mehr, sie fühlt sich leer, ausgebrannt ...

Die erfolgreiche Rechtsanwältin Solène gerät in eine große Krise, als einer ihrer Klienten nach einem Gerichtsurteil in den Tod springt. Arbeitsfähig ist sie nun nicht mehr, sie fühlt sich leer, ausgebrannt und depressiv. Irgendwann schlägt ihr Psychiater vor, dass sie sich ehrenamtlich betätigen soll, um sich wieder etwas nützlich zu fühlen und sich abzulenken, um wieder mehr heraus zu kommen. Nach einigem Zögern bietet sie daraufhin einmal wöchentlich in einem Frauenhaus an, für die Bewohnerinnen Briefe aufzusetzen. Dort wird sie mit Lebenswirklichkeiten konfrontiert, die sie sehr berühren: "Jede von ihnen kennt Gewalt und Gleichgültigkeit. Alle bewegen sich am Rande der Gesellschaft." Gleichzeitig gerät ihr eigenes Weltbild ins Wanken: "Gefangen in ihrem kleinen Leben und ihren Problemen, hat sie die Welt aus dem Blick verloren. Es gibt Menschen, die Hunger haben und nur zwei Euro, um ihn zu stillen."

In einem zweiten Handlungsstrang steht Blanche Peyron im Mittelpunkt. Eine Pfarrerstochter, die sich schon frühzeitig der gerade erst im Wachsen befindlichen Heilsarmee anschließt, um sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen und den Armen zu helfen, gemäß dem Motto: "Suppe. Seife. Seelenheil".
Gemeinsam mit ihrem Mann gründete sie 1926 den „Palast der Frauen“ in Paris, in dem Solène ein Jahrhundert später tätig wird. Dieses Gemäuer ist wahrlich beeindruckend und bietet Platz für 400 Menschen (darunter 350 Einzimmerapartments)! Blanche setzt sich dabei gegen so viele Widerstände durch, das ist kaum vorstellbar und wahnsinnig beeindruckend!

Beide Handlungsstränge fand ich äußerst interessant. Bei Solène erhält man authentische Einblicke in die unterschiedlichen Schicksale der unverschuldet in Not geratenen Frauen. Geflüchtet vor Zwangssterilisation, Opfer von (männlicher) Gewalt und Vergewaltigung oder auch schon als Kind ohne Liebe aufgewachsen, sind, davon abgesehen, Frauen zudem am häufigsten von Armut betroffen. Die Beschreibungen berühren sehr, wecken Verständnis und Mitgefühl. Gleichzeitig erhält man einen kleinen Einblick in die Herausforderungen sozialer und ehrenamtlicher Arbeit.

Der Handlungsstrang um Blanche zeigt, wie schwierig es für Frauen in der Vergangenheit war, tätig zu sein, Berufe ausüben zu dürfen, sich frei zu entwickeln. Frauenunterwerfung und -unterdrückung war allgegenwärtig und Armut in einem sicherlich viel verheerenderem Ausmaß als heute verbreitet. Ihr großes Engagement beeindruckte mich enorm, inspirierte mich, machte Mut und imponierte mir so, dass sie mir ewig im Gedächtnis bleiben wird!

Sprachlich finde ich den Roman allerdings wirklich schwach, er erinnert mich sogar an Trivialliteratur. An vielen Stellen ist er auch wirklich oberflächlich und vereinfachend, so wird beispielsweise die ehrenamtliche Tätigkeit der Rechtsanwältin ziemlich romantisiert dargestellt, die tatsächlichen „Fallstricke“ sozialer Arbeit werden kaum beleuchtet und die Figuren wirken manchmal etwas schematisch.

Dieser leichte und oberflächliche Stil eignet sich letztlich natürlich für eine breite Leserschaft, auch für Leute, die ansonsten nicht so viel lesen, zudem der Roman recht kurz ist. Damit ist es wiederum auch positiv, da ihn viele lesen sollten, weil der Inhalt wahrlich interessant und vor allem wichtig ist. Er lenkt den Blick auf soziale Ungerechtigkeiten und prekäre Lagen, zeigt auf, wie man helfen kann und, dass Helfen ein sinnvolles Tun ist. Er inspiriert, gibt Mut und zeichnet beeindruckende Frauen(vor-)bilder.

Veröffentlicht am 21.02.2020

Bewegend und inspirierend

Nach Mattias
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Dieser Roman hat mich sehr positiv überrascht. Aufgrund des Klappentexts dachte ich, es gehe um die Bewältigung eines Verlusts, aber das trifft - überraschender- und glücklicherweise - nur teilweise zu.

Mattias ...

Dieser Roman hat mich sehr positiv überrascht. Aufgrund des Klappentexts dachte ich, es gehe um die Bewältigung eines Verlusts, aber das trifft - überraschender- und glücklicherweise - nur teilweise zu.

Mattias ist tot. Der Roman beginnt und endet mit einem Kapitel aus der Sicht von Amber, seiner Freundin. Dazwischen befinden sich weitere 8 Kapitel, die verschiedene Menschen in den Fokus nehmen, die auf irgendeine Art und Weise, direkt oder auch nur ganz indirekt mit Mattias zu tun hatten. Auf Ambers Kapitel folgt Quentin, der beste Freund von Mattias und wird abgelöst von Mattias` Großeltern. Hier begannen erste Irritationen meinerseits, da der Verlust von Mattias gar nicht im Mittelpunkt stand, sondern eher deren Beziehung und persönliche Entwicklung. Es langweilte mich fast ein wenig. Erst beim nochmaligen Lesen nach Beendigung des Romans begriff ich, was hier eigentlich (auch noch) gezeigt wurde. Der folgende Nathan, Alkoholiker, nahm mich hingegen fest gefangen. Allerdings verlor ich nun vollends die Orientierung, da überhaupt kein Bezug zu Mattias bestand. Dennoch vertraute ich irgendwie dem Autor, und ließ mich von ihm führen...:) Es folgte Issam, ein Online Freund von Mattias, Mattias Mutter sowie der blinde Lauf- Buddy von Quentin sowie abschließend Tirra, eine andere Mutter.

Den Roman konnte ich nicht beiseite legen, so spannend fand ich ihn und las daher fast alles in einem Rutsch. Die Sprache gefiel mir sehr gut, hier sitzt fast jeder Satz. Bei einigen Szenen/ Sätzen habe ich richtig gelacht, bei anderen wurde ich zu Tränen gerührt.
Der Roman ist in der gegenwärtigen Zeit angesiedelt und zeichnet so ein recht aktuelles Bild, mit dem man sich identifizieren kann: Themen wie Klimakrise, Computerspiele, Instagram, Afghanistaneinsatz, Laufen, Konzerte, Cafè- Eröffnung, Airbnb, Musik, Migration, Rassismus, Sprachkurse für Geflüchtete und Netflix spielen hier eine Rolle.

Die Figuren sind zumeist sehr interessant angelegt, auf eine Art alltäglich, auf andere Art gar nicht alltäglich. Sie gehören zu verschiedenen Generationen, Milieus und Kulturen. Jeder hat sein eigenes Bild von Mattias, welches (natürlich) nicht in Gänze mit den Bildern der anderen übereinstimmt.
Der Roman zeigt zwar individuelle Figuren, bleibt aber nicht bei dem Einzelnen stehen, sondern zeigt die Einflüsse und Verbindungen untereinander. So hat der Tod einer Person vielfältige Folgen und betrifft sowohl nahestehende als auch ganz unbekannte Personen.
Zudem positioniert sich der Roman, und das finde ich sehr erfrischend, zu humanistischen Werten, was aber nie moralisierend daher kommt. Er erzählt von verlässlicher und ehrlicher Freundschaft. Er ermutigt, freundlich und hilfsbereit zu sein, einander ernsthaft zuzuhören und nahbar zu sein. Insofern ist es auch ein politisches, vor allem auch hoffnunggebendes Buch, was uns alle betrifft.

Man kann sich sicherlich darüber streiten, wie sinnvoll es war, dass der Autor erst am Ende offenbarte, was mit Mattias passierte. Mich nervte das zwischendurch mal, dass ich nichts Genaues über seinen Tod wusste. Hätte er das aber an den Anfang gestellt, wäre es wohl ein gänzlich anderer Roman, mit einer anderen Gewichtung geworden. Es hätte von dem, was der Autor eigentlich zeigen wollte, enorm abgelenkt. Insofern fand ich das folgerichtig und geschickt!

Fazit: Ein berührender und aktueller Roman über den Verlust eines Menschen, über Trauerprozesse und über die Frage, wie wir in unserer (multikulturellen) Gesellschaft leben möchten.

Veröffentlicht am 21.02.2020

Auf der Suche nach der perfekten Welt

Eine fast perfekte Welt
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Eine sardinische Familie über drei Generationen steht hier im Mittelpunkt. Auf der Suche nach Arbeit und dem Wunsch nach einem besseren Leben leben sie teilweise auch auf dem italienischen Festland. Der ...

Eine sardinische Familie über drei Generationen steht hier im Mittelpunkt. Auf der Suche nach Arbeit und dem Wunsch nach einem besseren Leben leben sie teilweise auch auf dem italienischen Festland. Der Letztgeborene wandert sogar nach Amerika aus, um als Jazzpianist seine Kunst zu leben.
Die Autorin geht hier vor allem den Fragen nach: Wie kann man – innerhalb dieser unperfekten Welt - ein glückliches Leben führen? Wie soll man sich zur Welt und seinen Mitmenschen verhalten?

Der Roman wirkte auf mich gar nicht recht wie ein Roman, sondern mitsamt seinen Figuren eher wie eine Staffage für die Gedanken und Moral, welche die/den Leser*in erreichen sollen. Von den Figuren erwartete ich daher schon recht schnell nicht allzu viel Tiefe und Komplexität. So gab es zur Veranschaulichung ihrer Gedanken zwei Typen - die Pragmatiker, die das Glas eher halb voll sahen, den Blick auf die positiven Sachen lenkten, genügsam und hoffnungsvoll waren. Dann gab es die anderen, die ewig Unzufriedenen, die Hadernden, die das Glas eher halb leer sahen und selten eine innere Ruhe bzw. Glück spüren konnten.
Die Autorin zeigt hier deutlich, dass es keine perfekte Welt gibt und dass von den eigenen Erwartungen und Vorstellungen abhängig ist, wie glücklich man ist. Gleichzeitig betont sie, dass man mit Güte, Anstand, Offenheit und Hilfsbereitschaft die Welt zu einem besseren und glücklicheren Ort machen kann. Noch einige Dinge mehr kann man entdecken, so z.B. dass auch Musik/ tätiges Schaffen und das Meer glücklich machen können..:)

Insgesamt las sich der Roman etwas hölzern, holzschnittartig, kühl und spröde, manchmal gar überzogen und albern (eine Frau bringt sich um, weil ihr Sohn eine Frau mit einer verbrannten Gesichtshälfte heiratete). Dennoch gab es durchaus auch poetische, berührende und erheiternde Momente! Mich machte er vor allem nachdenklich und ließ mich wieder darauf besinnen, was denn wirklich wesentlich ist. Davon nehme ich auf jeden Fall aus der Lektüre etwas mit sowie einige interessante Eindrücke aus Sardinien.

Insgesamt wäre das Ganze dennoch als Essay stimmiger gewesen oder aber die Autorin hätte sich tiefer mit den Figuren befassen und dabei mehr zeigen anstatt dozieren sollen.

Veröffentlicht am 21.02.2020

Gegen das Vergessen und Verleugnen

Rote Kreuze
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Diesen klugen, berührenden, wichtigen und gut recherchierten Roman musste ich erst mal sacken lassen, weil ich am Ende eigentlich aus den Tränen nicht mehr herauskam.
Nie hätte ich nach solch einem witzigen, ...

Diesen klugen, berührenden, wichtigen und gut recherchierten Roman musste ich erst mal sacken lassen, weil ich am Ende eigentlich aus den Tränen nicht mehr herauskam.
Nie hätte ich nach solch einem witzigen, sehr lebendigen Beginn gedacht, dass er in eine der schwärzesten Abgründe der Stalinzeit führt.

Sascha, Fußballschiedsrichter, zieht aus Russland nach Minsk. Nach dem Tod seiner Frau möchte er mit seiner kleinen Tochter einen Neuanfang wagen. Hier lernt er nun die betagte, von Demenz betroffene Nachbarin Tatiana kennen. Sie erzählt Sascha ihr ergreifendes und erschütterndes Schicksal.
Zu Stalins Zeiten arbeitete sie als Sekretärin im Auswärtigen Amt. Als der Krieg durch Hitler begann, musste ihr Mann an die Font. Irgendwann erfährt sie, aufgrund einer Liste des Internationalen Roten Kreuzes, dass ihr Mann in Kriegsgefangenschaft gelangt ist und sie gerät in Panik. Kriegsgefangene galten nämlich, laut Stalins Anweisungen, als Deserteure. Das sind nun Staatsfeinde und hierfür sind ebenfalls die Familienmitglieder, die Frauen und Kinder verantwortlich zu machen. Das heißt konkret: Verhaftungen, Folter, Kinderheim, Gulag, Erschießungen. Tatiana fürchtet um ihren Mann, um sich und ihr Töchterchen Assja und entschließt sich, die Liste zu fälschen...

Das Werk nahm mich absolut gefangen, ich konnte es irgendwann nicht mehr aus der Hand legen.
Der belarussische Autor, der in Russland lebt, kann einerseits sehr witzig und lebendig schreiben, andererseits aber auch tief berühren.
Seine Figuren sind einfühlsam gezeichnet und gehen zu Herzen. Er schreibt sehr direkt, detailliert und überzeugend über die Verhältnisse unter Stalin, für die er Originaldokumente sichtete und diese teils im Roman wiedergab. Er zeigt die Unmenschlichkeit, das Absurde von Totalitarismus und Krieg und legt den Fokus auf den Umgang mit Kriegsgefangenen, den Massensäuberungen sowie den Zuständen in den Gulags.

Die titel gebenden roten Kreuze haben im Roman übrigens ganz viel gestaltliche Bedeutungen, man begegnet ihnen immer wieder auf verschiedenste Weise. Ebenfalls begegnet man russischen Gedichten oder Liedtexten und den einschlägigen Denkmalwitzen..:)

Einen Kritikpunkt habe ich dennoch: bei näherer Betrachtung ist die Rahmenhandlung vielleicht etwas kitschig und klischeehaft. Insbesondere diese junge Nachbarin, die sich Sascha gleich an den Hals wirft, das gefiel mir nicht so ganz.

Insgesamt bin ich dennoch tief beeindruckt und wurde sehr nachdenklich gestimmt. Ich freue mich zudem sehr, dass diese Dinge wieder in das öffentliche Bewusstsein geraten.Vieles wurde noch nicht verarbeitet. Oder aber im Gegenteil, der Autor zeigt auch, wie sogar heutzutage noch Stalin verehrt wird und dessen Terror, Willkür und Massenmorde verleugnet werden. (Da haben wir Deutschen ja ebenfalls unsere eigenen einschlägigen Erfahrungen.)

Unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 13.02.2020

Dreizehn jüdisch-russische Familiengeschichten

Sieben Versuche zu lieben
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Erst kürzlich las ich Billers Roman "Sechs Koffer", der 2018 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreis stand. Er gefiel mir sehr gut, so dass es sich anbot, den vorliegenden Erzählband zu lesen. Hier sind ...

Erst kürzlich las ich Billers Roman "Sechs Koffer", der 2018 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreis stand. Er gefiel mir sehr gut, so dass es sich anbot, den vorliegenden Erzählband zu lesen. Hier sind 13 Erzählungen, die allesamt schon veröffentlicht wurden, unter dem (Unter-)Titel "Familiengeschichten" zusammengefasst. Sie beschäftigen sich mit Themen, Konstellationen und Motiven, mit denen sich auch "Sechs Koffer" auseinandersetzt. Dies geschieht sehr facettenreich, so dass es nie langweilig wird, ganz im Gegenteil, aufgrund der thematischen Dichte und der wiederkehrenden Motive gerät der Gesamtblick dadurch sehr eindrucksvoll und einprägsam.

Letztendlich sind dies zwar fiktionale Geschichten, Biller verwebt hier jedoch autobiographisch gefärbte Stoffe, immer auch im Kontext ganz konkreter politischer, gesellschaftlicher oder kultureller Begebenheiten. So nimmt er oft auch Bezug zu anderen Schriftstellern oder Journalisten, wie Kafka, Ehrenburg, Zatewa, Schulz – Gerstein uva.

Im Kern geht es oft um Familiendynamiken. Die (jüdisch- russische) Familie besteht dabei zumeist aus Vater, Mutter und Sohn, wobei der Sohn häufig der Ich-Erzähler ist. Manchmal ist noch eine Schwester mit dabei, manchmal sind die Eltern getrennt, manchmal zusammen, manchmal schon verstorben.
Der Sohn versucht Familiengeheimnisse zu lüften, geht verschwommenen Erinnerungen oder auch Lügen auf den Grund. Auf der Suche nach der einen "alles erklärenden" Wahrheit, nicht zuletzt auch deshalb, um sich selbst besser zu verstehen. Familienstreitigkeiten, Grenzüberschreitungen, Verrat, Kindheitserlebnisse und natürlich die Beziehungen untereinander spielen immer wieder eine Rolle. Es gibt Krisen, es gibt Brüche, Schwierigkeiten im Beruf und in der Liebe sowie Schwierigkeiten dabei, den eigenen Weg zu finden.
Dies alles wird in einem historisch- politischen Kontext und immer auch aus einer jüdischen Perspektive betrachtet. So geht es um den Holocaust, um die Judenverfolgung in Russland/ Sowjetunion, es geht um den Prager Frühling, den Einmarsch der Russen, um eine erneute Flucht nach Deutschland. Der Verlust von Heimat, die Frage nach Herkunft, die Suche nach Wurzeln, das Ringen um Sprache und Kultur werden wiederkehrend thematsiert.
"[...D]er Wahnsinn dieses ganzen Jahrhunderts und der Wahnsinn und Unsinn meines eigenen Lebens..." korrelieren miteinander. Zudem wird deutlich, wie prägend die Erlebnisse der Vorfahren sind und so politische Schrecknisse noch Jahrzehnte später Wirkkraft haben.

Ich mag Billers Schreibstil. Er beobachtet scharf und erzählt tiefgreifend. Die Erzählungen lesen sich komisch, lustig, liebenswürdig und weniger liebenswürdig, hart und provokant, aber auch weich und gefühlvoll. Die Erzählungen wirken ganz unterschiedlich, jede an sich ist aber lesenswert. Mal mit leiser Pointe, mal mit lauter Pointe; mal sehr intensiv, mal eher ruhig. Verdichtet oder auch ausschweifend, mal eher in Andeutungen, mal sehr direkt, zwingen sie in jedem Fall zur Auseinandersetzung. Sie berühren und hallen nach.