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Veröffentlicht am 22.05.2023

Wiederholen sich Fehler ohne Erinnerungen an die Vergangenheit?

Die letzte Erzählerin
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2061: Es ist zu spät – die Erde kann nicht mehr gerettet werden. Ausgewählten Personen, darunter auch Forschende wie Petras Eltern, wird ein Ausweg angeboten: Eine dreihundert Jahre andauernde Reise in ...

2061: Es ist zu spät – die Erde kann nicht mehr gerettet werden. Ausgewählten Personen, darunter auch Forschende wie Petras Eltern, wird ein Ausweg angeboten: Eine dreihundert Jahre andauernde Reise in Stasekapseln zu einem erdähnlichen Planeten, der neu besiedelt werden soll.

Jahrhunderte später: Petra erwacht. Doch statt eines hoffnungsvollen Neuanfangs erwartet sie das Streben nach absoluter Gleichheit und blindem Gehorsam. Petra ist die Letzte, die sich an die Erde, die Erzählungen und ihre Familie erinnern kann...

Die Übersetzung war großartig und der Einbezug der verschiedenen Cuentos (Geschichten) wunderschön. Besonders der Aspekt, dass Petra die Geschichten zu ihren eigenen macht und sich als Erzählerin entscheidet, ob sie mit ihrer Geschichte den gleichen Weg einschlagen will, wie die Version, die sie gehört hat, hat mir gut gefallen. Nichts ist unumstößlich. Auch keine Geschichte.

Dass Petras Sehkraft durch eine Erkrankung eingeschränkt ist und sie sich dadurch bei einigen Abläufen, an die sehende Personen keine Gedanken verschwenden müssen, auf ihre Rettungsnetze verlassen oder alternative Möglichkeiten finden muss, hat mich sehr bewegt. Zum einen ist mir als Kind kaum ein Buch begegnet, in dem eine schlechtere Sehkraft eine größere Rolle gespielt hätte – außer dass z. B. Brillenträger:innen oft schlau und/oder Außenseiter:innen waren – und zum anderen zeigt Petra, dass sie ebenso mutig und einzigartig wie alle anderen ist. Ihre Einschränkung ist nicht der Grund ihrer Besonderheit, sondern ihre Leidenschaft fürs Erzählen. Solche Charaktere hätte ich früher gebraucht.

Das Einzige, das ich etwas bedaure, war das Tempo von Petras Entdeckungen. Die Erzählung war sehr gradlinig und nach kürzester Zeit sind Probleme behoben, Geheimnisse gelüftet und die abschließende Entscheidung getroffen.

Ich glaube, dass die Geschichte Leser:innen jedes Alters bewegt, wenn ggf. auch an unterschiedlichen Stellen. Mein jüngeres Ich hätte aufgrund der sensiblen Themen (z. B. Verlust) aber auch einigen Redebedarf.

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Veröffentlicht am 22.05.2023

Ruhiger und eindringlicher als erwartet

Liliths Töchter
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Tel Aviv. Kinderlose Frauen werden ermordet und nach ihrem Tod in Szene gesetzt: Eine Babypuppe zwischen die Hände geklebt, das Wort Mutter auf die Stirn geritzt. Sheila kennt die Toten: Ist sie selbst ...

Tel Aviv. Kinderlose Frauen werden ermordet und nach ihrem Tod in Szene gesetzt: Eine Babypuppe zwischen die Hände geklebt, das Wort Mutter auf die Stirn geritzt. Sheila kennt die Toten: Ist sie selbst die Nächste oder doch die Täterin?

"Letztendlich wollen wohl alle Mütter werden, das heißt, alle normalen Frauen wollen es. Was sagt das wohl über dich aus?"

Es geht um Erwartungen, nicht nur die eigenen, sondern auch die von anderen sowie gesellschaftliche Ideale. Unterstellter Egoismus, Unglauben, Missbilligung oder abfällige Bemerkungen werden ebenso thematisiert wie mögliche Selbstzweifel: Täuscht mich mein Gefühl doch? Werde ich meine Entscheidung später bereuen?

Gelungen, wenn auch manchmal irritierend, fand ich den Umstand, dass ich Sheilas Einstellungen nicht immer festmachen konnte. Hat sie Entscheidungen bewusst getroffen? Hätte sie einige davon gerne rückgängig gemacht? Im Kontext des Buches habe ich diese Ambivalenz als mögliche Sichtbarmachung der Verzahnung von eigenen und fremden Wünschen empfunden, möglicherweise ist sie aber auch nur ein etwas anstrengender Charakter. 😬

Zudem werden Religion und Feminismus gemeinsam thematisiert, wobei die Interpretationen von Frauenfiguren (bzw. Mutterschaft und ihr Platz in der Gesellschaft) eine größere Rolle spielen. Für mich war dieser Aspekt sehr interessant und hätte gerne noch mehr Platz einnehmen dürfen.

Dass sich die recht überspitzt dargestellten Frauentypen nicht über den Weg trauen, einander nicht nur im Stillen bewerten, sich übertrumpfen und ausstechen wollen, hat zu der Art der Geschichte gepasst, wenigstens eine echte Verbindung hätte ich allerdings gerne gesehen. Gleichzeitig zeigt es aber auch, wie viel Macht jeden Tag in unseren Händen liegt.

Letztendlich hat mir die Idee wahnsinnig gut gefallen, auch wenn mir die Botschaften nicht immer eindeutig waren. Aufgrund der fehlenden Vertrautheit mit Israels Kultur und Gesellschaft kann ich mir z. B. gut vorstellen, dass mir einige wohlüberlegte Feinheiten verborgen geblieben sind. Eine Leserunde wäre super hilfreich gewesen!

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Veröffentlicht am 22.05.2023

Die Sprache der Blumen

Vanitas - Schwarz wie Erde
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Geheime Botschaften und verborgene Hinweise: Wie würdet ihr eine Nachricht verschlüsseln, die kein Aufsehen erregen darf?

"Immer, wenn die Angst zurückkehrt, sehe ich mir Fotos meiner eigenen Beerdigung ...

Geheime Botschaften und verborgene Hinweise: Wie würdet ihr eine Nachricht verschlüsseln, die kein Aufsehen erregen darf?

"Immer, wenn die Angst zurückkehrt, sehe ich mir Fotos meiner eigenen Beerdigung an."

Für Carolin, deren Name bis vor einem Jahr noch ein anderer war, ist jeder Tag ein Spießrutenlauf, nachdem ihre Tarnung aufgeflogen und die Inszenierung ihrer eigenen Beerdigung nötig war. Inzwischen arbeitet sie in einem Blumenladen am Zentralfriedhof in Wien und setzt alles daran, unsichtbar zu bleiben. Sie scheint vorerst sicher zu sein – bis jemand eine Nachricht vor ihrer Tür hinterlässt: Eine einzelne Narzisse und Distel, zusammengebunden mit Paketschnur. Es ist eine Drohung und sie weiß, von wem sie kommt.

Der Einstieg in die Geschichte ist eher gemächlich und in Kombination mit der verängstigten Protagonistin war es für mich anfangs etwas zäh. Während mir einige Entscheidungen und Verhaltensmuster einleuchtend erschienen, konnte ich anderen nicht so recht folgen. Carolin kam mir stellenweise deutlich zu unüberlegt vor, wobei einige (Übersprungs-)Handlungen ggf. auch auf ihre traumatischen Erlebnisse zurückzuführen sind.

Die „Blumengrüße“ haben leider einen kleineren Anteil an der Geschichte ausgemacht als ich es gehofft hätte. Es war trotzdem ein sehr interessanter Ansatz, den ich in Thrillern so noch nicht gesehen habe. Auch ein paar andere Geheimnisse haben mir ziemlich gut gefallen. Eines habe ich recht spät entdeckt & mich gewundert, wie mir das entgehen konnte. Sowas liebe ich!

Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die Geschichte gleichzeitig zu langsam und zu schnell war. Stellenweise passiert sehr viel auf wenigen Seiten, was im ersten Moment nichts zur Handlung beiträgt, während einige Puzzleteile mehrmals zum Greifen nah waren. Das Ende war voller Auflösungen, für meinen Geschmack etwas zu geballt.

Falls ihr euch nun direkt ans Werk machen wollt (liebe) Botschaften zu überbringen: Denkt daran, dass nicht nur die Blume, sondern auch ihre Farbe eine Rolle spielt.

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Veröffentlicht am 22.05.2023

Skurril, aber ziemlich amüsant

Schloss Horroscu
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Die Jagd nach dem Buch der Mächte oder auch: In jedes Reiseproviant gehören Cognacbohnen.

Während gemunkelt wird, warum ein angesehener Mann unter seinem Stand heiratet (Hexerei?), wird im Geheimen statt ...

Die Jagd nach dem Buch der Mächte oder auch: In jedes Reiseproviant gehören Cognacbohnen.

Während gemunkelt wird, warum ein angesehener Mann unter seinem Stand heiratet (Hexerei?), wird im Geheimen statt besagter Hochzeit die Gründung der verborgenen Gesellschaft gefeiert. Eine erfolgreiche Mission jagt die nächste, doch dann entwischt ein besonders fähiger Schurke, verbreitet flüssige Dunkelheit und schickt einen summenden Spion…

Unser Ziel ist Schloss Horroscu im Tepes Tal – na, klingelt es bei Tepes? Genau: Es geht nach Transsilvanien! 🦇 Die Andeutungen sind mal mehr, mal weniger subtil: Aus „Lowcrafts Kompendium der Anderen Wesen“ lernen wir z. B., dass Vermisstenfälle, bei denen nur ein einzelner Schuh gefunden wird, ein Indiz für eine Ogerplage sind. 🧅

Zusätzlich werden wir mit Tipps & Tricks versorgt: Sollte jemand in eurer Nähe eine Mütze tragen, obwohl das Wetter nicht danach aussieht, seid gewarnt: Vielleicht werdet ihr belauscht. Bei Pelzmützen ist die Richtung, in die sich die Haare neigen ein verräterisches Anzeichen. Und auch Büroklammern haben versteckte Talente: Am Ohr getragen informieren sie darüber, wenn andere in Schwierigkeiten stecken: Bei Gefahr kneifen sie. 🖇️ Ein paar Spitzen sind auch dabei, z. B. dass die größte Gefahr an den Ghulen unter dem Berliner Innenministerium ist, dass sie sich unter die Abgeordneten mischen und bizarre Vorschläge machen, denen im Zweifel sogar zugestimmt wird. Diese wilden Ideen haben mir gut gefallen!

Was mich allerdings gestört hat, war die Sprache eines Agenten. Er reist viel, hat mit anderen Agent:innen eine ausgezeichnete Ausbildung genossen und nutzt trotzdem konstant eine andere Grundwortstellung (»Vielleicht er weiß, dass Sie mögen Tiere«). Für mich war‘s weder plausibel noch angenehm zu lesen.

Insgesamt ist das Buch etwas eigenwillig & damit perfekt dafür geeignet, um von mir vorgestellt zu werden. 🤌🏼 Wenn euch ein paar überspitze Darstellungen und ein nicht immer subtiler Humor (»War böse bis in die Knochen. Nur gut, dass sie so morsch waren.«) nicht stören, sollte einem unterhaltsamen Lesenachmittag nichts im Wege stehen.

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Veröffentlicht am 22.05.2023

Wer bestimmt über dein Glück?

Du bist so schön, sogar der Tod erblasst
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„Du bist so schön, sogar der Tod erblasst“ hat mich zwiegespalten zurückgelassen.

Den Schreibstil habe ich als sehr eingängig und leicht empfunden, was sicher dazu beigetragen hat, dass die eingewobenen ...

„Du bist so schön, sogar der Tod erblasst“ hat mich zwiegespalten zurückgelassen.

Den Schreibstil habe ich als sehr eingängig und leicht empfunden, was sicher dazu beigetragen hat, dass die eingewobenen ernsteren Themen wie Trauer und Verlust greifbar, aber nicht zu schmerzlich waren. Auch die angedeuteten Konflikte und Hindernisse beim Gehen des eigenen Weges, z. B. die Erwartungen anderer, fand ich gut platziert. Zusätzlich war die beschriebene Freundschaft schön zu beobachten: Weder Feyi noch ihre Freundin Joy werden flunkern, weil es einfacher ist, aber wenn eine Entscheidung getroffen wurde, dann unterstützen sie einander auch.

Allerdings hätte ich mir an einigen Stellen etwas „mehr“ gewünscht: mehr Beschreibungen, mehr „Unperfekt" und mehr Tiefe. Außerdem bevorzuge ich tendenziell einen etwas weniger umgangssprachlichen Stil. Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass der Stil für die Geschichte und die Charaktere, die ebenfalls kein Blatt vor den Mund nehmen, durchaus gepasst hat und die fehlenden Details ein interessanter Anstupser zum Reflektieren sind.

Die Stärke des Buches liegt für mich (neben der eindrücklichen Schilderung von Verlust) darin, dass Liebe tendenziell in verschiedenen Facetten gezeigt wird. Hierzu gehört auch, dass körperliche Nähe nicht zwangsläufig mit emotionaler Nähe einhergehen muss. Zusätzlich ist die Liebesgeschichte vermutlich ein Thema, das man höchst kontrovers diskutieren kann (in der Leserunde war es auf jeden Fall so): Welches Glück zählt mehr? Wie würde man sich selbst entscheiden? Wie würde man als Freundin reagieren? Dass solchen Themen Platz gemacht wird und auf den erhobenen Zeigefinger eher verzichtet wird, finde ich gut. Gleichzeitig würde ich aus dem Bauch heraus nicht sagen, dass die klassische Liebesgeschichte neu erzählt wird, wie der Klappentext suggeriert. Und auch die Werbung als sexy Sommer-Romance scheint für mich nicht ganz passend.

Grundsätzlich war „Du bist so schön, sogar der Tod erblasst“ für mich ein gelungenes Buch, das eher charaktergeleitet ist und sich am besten lesen lässt, wenn man sich von den Werbetexten nicht irritieren lässt. Sonst werden ggf. Erwartungen geschürt, die nicht so recht erfüllt werden.

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