Profilbild von kalligraphin

kalligraphin

Lesejury Profi
offline

kalligraphin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit kalligraphin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.06.2024

All in the Family

Familienglück
0

„Das Ausmaß ihrer Verzweiflung machte ihr Angst. Es ging nicht darum, dass sie sich in Lincoln verliebt hatte. Es ging um das, was ihre Bereitschaft, sich in Lincoln zu verlieben, enthüllte: dass alles ...

„Das Ausmaß ihrer Verzweiflung machte ihr Angst. Es ging nicht darum, dass sie sich in Lincoln verliebt hatte. Es ging um das, was ihre Bereitschaft, sich in Lincoln zu verlieben, enthüllte: dass alles falsch war.“

Polly hat alles, was sie sich vom Leben gewünscht hat: Einen gut aussehenden, erfolgreichen Ehemann, zwei gelungene Kinder, ein schickes Zuhause in der Park Avenue, Haushaltshilfe und Kindermädchen. Sie kommt aus einer angesehenen, „intakten“ Familie. Alle sind erfolgreich, schön und tadellos.
Ihr Leben war immer darauf ausgerichtet, genau das zu erreichen.
Doch vor einigen Monaten hat sie sich Hals über Kopf in den Künstler Lincoln verliebt. Er lebt ganz anders als Polly und ihre Familie. Für ihn zählt nicht die Außenwirkung seines Lebens, sondern seine Bedürfnisse und die der Menschen, die er mag. So erlebt Polly erstmals in ihrem Leben, dass sich jemand für sie als Person interessiert. Sie beginnt Fragen zu stellen, ihr bisheriges Leben und ihre Beziehungen zu hinterfragen.

Es ist sehr spannend und aufschlussreich diesen Weg der Erkenntnis mit Polly zu gehen. Polly ist keine verabscheuenswürdige Ehebrecherin, wie sie häufig dargestellt wird. Ihre Affäre wird nicht per se verdammt, sondern als wichtiger Teil ihres Lebens gezeigt. Doch auch genau damit hat die Protagonistin Probleme: Ist sie ein schlechter Mensch, weil sie sich in Lincoln verliebt hat und ihre Beziehung sie alles hinterfragen lässt? Handelt sie nicht entgegen all ihrer Grundsätze? Darf ihre Unzufriedenheit als Entschuldigung für ihre Affäre dienen?

Polly erkennt Schritt für Schritt, was sie selbst vom Leben möchte. Nicht das, was ihre Familie in ihr sieht und von ihr verlangt.
Laurie Colwin hat eine fast schon zeitlose Geschichte geschrieben, in der eine Frau aus dem starren gesellschaftlichen Korsett ausbricht und ihren eigenen Weg findet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.05.2024

Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt

Was macht KI mit unserer Sprache?
0

„Wir sprechen und schreiben auch, um die Welt um uns herum zu verändern. Ein Sprachmodell [dagegen] hat nur eine einzige Intention: den Prompt des Users oder der Userin Wort für Wort fortzusetzen.“

Künstliche ...

„Wir sprechen und schreiben auch, um die Welt um uns herum zu verändern. Ein Sprachmodell [dagegen] hat nur eine einzige Intention: den Prompt des Users oder der Userin Wort für Wort fortzusetzen.“

Künstliche Intelligenz ist DAS Thema unserer Zeit. Viele Menschen halten es für die zukunftsträchtigste Erfindung schlechthin. Einige haben Angst davor. Und der ein oder andere versteht wohl auch gar nicht so recht, was das eigentlich sein soll und wie es in unseren Alltag geraten soll.

Meine Meinung zu dem Thema ist zurückhaltend. KI wird in einigen Bereichen eine gute Recherchemöglichkeit sein und den ein oder anderen informationslastigen Text oder eine (unperfekte) automatische Übersetzung beisteuern können. Darüber hinaus finde ich die sprachlichen Ergebnisse nicht unbedingt begeisternd.

Aber gerade aus linguistischer Sicht ist es spannend, sich mit künstlich generierter Sprache oder Texten auseinander zu setzen. Wie erstellt die KI Texte? Wie schafft sie es, einigermaßen zusammenhängend zu schreiben? Und hat diese technische Entwicklung Einfluss auf unsere natürliche Sprache?

Christopf Drösser erklärt in seinem Buch, wie die KI funktioniert, welche Datenbasis sie verwendet, welche Grenzen sie hat und Problematiken sie schafft. Er macht auch deutlich, dass zum Teil intransparent handelnde Unternehmen hinter den KI-Tools stehen, die mit Daten jonglieren und scheinbar willkürlichen (kostenlosen und kostenpflichtigen) Output bieten.

Und last but not least geht er auch auf die sprachlichen Aspekte ein? Wie gut ist der Output der KI tatsächlich? Wo kann man ihn nutzen, wo eher nicht? Welche Lebensbereiche könnte er auf den Kopf stellen? Er führt die Sprechakttheorie auf einer halben Seite ins Feld und nimmt diese als (einziges) Gegenargument dafür, dass die KI-generierte Sprache unsere natürliche ersetzen könnte. Sie imitiert sie und das mehr oder weniger intentionslos.

So lesen sich dann übrigens auch die Texte, die z.B. ChatGPT liefert. Sehr schlicht, informativ. Die einzelnen Sätze durch unmotivierte Konjunktionen verbunden und auch nicht immer zueinander passend.

Das Büchlein hätte stärker auf sprachwissenschaftliche Aspekte eingehen können. Es bietet aber dennoch einen guten Einstieg in die Thematik und zeigt die wichtigsten Diskussionspunkte auf.

*Der Titel meiner Rezension ist ein Zitat von Ludwig Wittgenstein

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.05.2024

Die Geschichte einer Frau

Eine Frau
0

„Die Frau, die ich bis zu dieser Nacht gewesen war, sollte sterben. Manche Dinge lassen sich nur auf diese Weise lösen und müssen mit einem Grabstein ihr Ende finden.“

Sibilla Aleramo erzählt in ihrem ...

„Die Frau, die ich bis zu dieser Nacht gewesen war, sollte sterben. Manche Dinge lassen sich nur auf diese Weise lösen und müssen mit einem Grabstein ihr Ende finden.“

Sibilla Aleramo erzählt in ihrem Roman „Eine Frau“ weitestgehend ihre eigene Geschichte. Die eines begünstigt aufwachsenden Mädchens zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die junge Protagonistin darf in der Fabrik ihres Vaters Bürotätigkeiten übernehmen und sich recht eigenständig in ihrem Leben und ihrer Arbeit bewegen. Sehr selbstverständlich, hochnäsig und naiv genießt sie dieses Leben. Erst mit zunehmendem Alter und als ihr das Leben übel mitspielt, fängt sie an, die Gesellschaft und ihre Zwänge besonders für Frauen zu hinterfragen. Sie begreift, dass sie in einer Gesellschaft aufwächst, die Frauen systematisch benachteiligt und unterdrückt. Und nun erkennt sie auch, dass schon ihre Mutter, für die sie als junges Mädchen nur Verachtung übrig hatte, an diesen Strukturen zerbrochen ist.

Man schaut diesem intelligenten Mädchen, der frechen jungen Frau und der hinterfragenden Mutter und Ehefrau beim Erwachsenwerden zu. Sie analysiert sich selbst, die Gesellschaftsstrukturen und das Innenleben der anderen so genau und unverhohlen, dass einem der Kopf schwirrt. Wurde dieses Buch wirklich vor über hundert Jahren geschrieben? Die Autorin und Erzählerin beeindruckt mit ihrer Selbsterkenntnis und ihrem Weitblick.

Ich bin sehr dankbar, dass „Eine Frau“ in der Neuübersetzung wieder aufgelegt wurde. Welch ein herausragendes, bedrückendes Zeitzeugnis.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.04.2024

Freundschaft und Abenteuer

Tiberius Rex 1: Mein Freund, der Dino
0


„Darf ich dich mal was fragen?"
„Nur zu", antwortete der Dino.
„Das ist kein Traum, oder?"
Der T. Rex überlegte einen Moment. „Nein" gab er schließlich zurück. „Wenn es ein Traum wäre, würde mein gutes ...


„Darf ich dich mal was fragen?"
„Nur zu", antwortete der Dino.
„Das ist kein Traum, oder?"
Der T. Rex überlegte einen Moment. „Nein" gab er schließlich zurück. „Wenn es ein Traum wäre, würde mein gutes Schokoeis wohl kaum in dreckigem Waschwasser schwimmen."

Bei einem Schulausflug ins Naturkundemuseum bemerkt Leo einen seeehr großen Schatten in den Gängen des Museums. Sofort ist ihre Neugier geweckt und sie geht dem Schatten nach. So lernt sie Tiberius Rex kennen, einen uralten Dinosaurier, der im Museum lebt. Da Leo so spät am Abend nicht alleine rausgehen soll, begleitet der Dino sie nach Hause. Auf Leos Heimweg treffen sie auf Waschbären, Nachbarn und Leguane und erleben einige Abenteuer.

„Mein Freund, der Dino“ ist der Auftakt zu einer neuen Kinderbuchserie über das abenteuerlustige Mädchen Leo und den eher ruhigen und etwas grummeligen Dino Tiberius. Die beiden befreunden sich. Ihre Unterschiedlichkeit spielt dabei keine Rolle. Das ist sowieso eine Besonderheit dieser Geschichte: Es gibt keine Vorurteile. Weder gegenüber dem Dino, noch gegenüber den unterschiedlichsten Menschen.

Wir erleben eine unterhaltsame Abenteuergeschichte und eine Geschichte über eine unkonventionelle Freundschaft, die in aufgeregter Selbstverständlichkeit dargestellt wird. Das Buch hat nicht nur mich als Erziehungsberechtigte überzeugt, sondern auch meinen Sohn.

Es hat allerdings eher wenig mit Dinos zu tun. Ein paar paläontologische Informationen, ein bisschen Wissensvermittlung hätten wir uns gewünscht. Aber vielleicht kommt das noch in einem der Folgebände. Wir werden die Serie gerne weiterverfolgen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.04.2024

Ein wunderbares Kreativbuch

Zeichne mal den Grüffelo und seine Freunde
0

„O Schreck, o Graus, ich fürcht mich so, es gibt ihn doch, den Grüffelo!“

Und zwar selbst gezeichnet! Denn das ist ganz einfach mit den Tipps und Anleitungen aus diesem Buch.

Neben den Vorlagen und Erklärungen ...

„O Schreck, o Graus, ich fürcht mich so, es gibt ihn doch, den Grüffelo!“

Und zwar selbst gezeichnet! Denn das ist ganz einfach mit den Tipps und Anleitungen aus diesem Buch.

Neben den Vorlagen und Erklärungen für die Originalfiguren aus den bekannten Kinderbüchern gibt es auch Ideen für Ungeheuer, eine Krone zum Ausmalen, Figuren zum Ankleiden oder Weiterzeichnen…

Mein Sohn ist ein Ausmalmuffel, obwohl er den ganzen Tag schreibt, malt und zeichnet… Malbücher findet er langweilig. Dieses Buch ist anders. Er fand es sofort inspirierend und hat alleine losgelegt, Bilder daraus umzusetzen. Zum einen findet er es toll, die ihm vertrauten Kinderbuchfiguren nachzeichnen zu können. Zum anderen gefällt ihm, dass das Buch künstlerische Freiheiten lässt und zum Kreativsein anregt.

Auch ich als Erwachsene bin begeistert: Man kann tatsächlich mit Hilfe dieses Buches ganz einfach den Grüffelo und andere Figuren zeichnen. Das macht Spaß!

Wir werden das Buch bestimmt noch häufiger zur Hand nehmen und packen es auch gerne für unterwegs ein. Ein gelungenes Kreativheft!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere