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Veröffentlicht am 17.09.2023

Großartige Wiederentdeckung

Ein Mädchen mit Prokura
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„Er hat da einen verbohrten Mannesstolz, der ihm verbietet, sie anzuerkennen. Es kostet ihn täglich einen lächerlichen Aufwand an Nervenkraft, ihre Autorität zu umgehen.“

Berlin in den 30ern. Thea Iken ...


„Er hat da einen verbohrten Mannesstolz, der ihm verbietet, sie anzuerkennen. Es kostet ihn täglich einen lächerlichen Aufwand an Nervenkraft, ihre Autorität zu umgehen.“

Berlin in den 30ern. Thea Iken ist Bankangestellte. Sie ist fleißig, intelligent und verhandlungsstark. Und sie hat es recht weit gebracht in ihrem Job. Ihr Chef vertraut ihr und protegiert sie und sie weiß die wenigen Chancen, die sich ihr als Frau eröffnen, zu ergreifen. Dass ausgerechnet sie die neue Prokuristin wird, stößt auf Irritation und Missfallen. Eine Frau in dieser Position - das kann nicht mit rechten Dingen zugehen.
Als dann ein Mord geschieht, findet jeder im Kreis der möglichen Täter direkt die Hauptverdächtige: Thea. Denn als Frau in ihrer Position und mit ihrem Auftreten ist sie per se verdächtig.

„Ein Mädchen mit Prokura“ ist ein berauschendes Buch: Die Geschichte ist so spannend geschrieben und geschickt aufgebaut, das man es nicht zur Seite legen kann. Es ist außerdem ein weitsichtiges und blitzgescheites Buch, das die Rolle der Frau zur damaligen Zeit genau zu analysieren weiß. - Und dann erschrickt man, weil man erkennen muss, dass viele Dinge sich heutzutage nicht grundlegend anders verhalten würden.

Ich freue mich, dass Nicole Seifert und Magda Birkmann sich vergessener Werke von Autorinnen annehmen und in einer eigenen Reihe im Rowohlt Verlag „wiederendeckte Schätze des 20. Jahrhunderts“ präsentieren. Dieses Buch ist ein großartiger Auftakt für die Reihe und verdient es wiederentdeckt zu werden.

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Veröffentlicht am 17.09.2023

Groschenroman der 30er

Freundliche junge Damen
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„Wonach sich Elsie am meisten sehnte: ein Sich-in-Luft-Auflösen aller Probleme, aller Physischen und psychischen Belastungen. Hoffentlich blieb sie noch lange krank.“

England in den 1930ern. Elsie ist ...

„Wonach sich Elsie am meisten sehnte: ein Sich-in-Luft-Auflösen aller Probleme, aller Physischen und psychischen Belastungen. Hoffentlich blieb sie noch lange krank.“

England in den 1930ern. Elsie ist siebzehn und lebt in einem kleinen Küstenort bei ihren Eltern. Ihre Welt ist klein und beschaulich. Ihre Hauptbeschäftigung besteht darin, ihren sich ständig streitenden Eltern auszuweichen. Sie leidet unter den Konflikten, sieht sich selbst als scheiternde Schlichterin und wird all zu häufig gezwungen Partei zu ergreifen.
Als ein eitler, junger Arzt ins Dorf kommt und Elsie ungefragt seine Interpretation ihres Lebens aufdrängt, verliebt sie sich in ihn. Um ihm zu gefallen und weiterhin seine Aufmerksamkeit zu bekommen, folgt sie seinem Drängen, ihre Schwester in London aufzusuchen.

Die Schwester Leo ist schon vor vielen Jahren aus dem belastenden Elternhaus geflohen und lebt nun ihr Leben mit einer Frau an ihrer Seite auf einem Hausboot.

So spannend die Geschichte klingt - vor allem vor dem Hintergrund des Erscheinungsdatums - und so gut auch die Konflikte und Emotionen der Figuren gezeichnet werden, bin ich leider mit diesem Roman nicht warm geworden. Die Geschichte ist zu lang und zu seicht. Die Konflikte schwelen nur, die Figuren sind letzten Endes überzeichnet und dadurch flach. So war es dann doch eher die Lektüre eines zu lang geratenen Groschenromans als eine spannende Wiederentdeckung.

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Veröffentlicht am 28.08.2023

Von der Unabhängigkeit einer Frau

Die Fessel
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„Gewohnheitsmäßige Grübelei hat stets etwas von Wahnsinn an sich und mündet oft in eine beabsichtigte Ekstase, die manchmal schmerzlich ist und manchmal nicht … Und nun fange ich auch noch an zu verallgemeinern.“

Nizza, ...

„Gewohnheitsmäßige Grübelei hat stets etwas von Wahnsinn an sich und mündet oft in eine beabsichtigte Ekstase, die manchmal schmerzlich ist und manchmal nicht … Und nun fange ich auch noch an zu verallgemeinern.“

Nizza, in den Zwanziger Jahren. Renee, eine geschiedene (sic!) Frau und Schauspielerin, genießt hier ihre Ruhe. Das Erbe ihrer verstorbenen Schwägerin ermöglicht ihr diese Freiheit. Sie lernt im Hotel ein hitziges junges Paar kennen und lässt sich bald schon auf eine Affäre mit Jean ein.
Diese Beziehung steht nicht nur aufgrund der äußeren Umstände unter einem schlechten Stern. Jean ist aufbrausend, wird schon seiner Partnerin gegenüber handgreiflich, und auch in der Beziehung mit Renee nimmt er den dominanten und fast desinteressierten Part ein. Während Renee sich ihm - trotz ihrer sonstigen Skepsis und Vorsicht - anbietet und emotional abhängig macht.

„Die Fessel“ ist der Nachfolger zum Roman „La Vagabonde“. Man kann die Bücher unabhängig voneinander lesen, allerdings finde ich, dass die Geschichte in der Luft zu hängen scheint, wenn man dieses Buch liest ohne vom Vorgänger zu wissen. Die Sprache Colettes ist sehr pompös und gleichzeitig verdichtet. Das Erzähltempo in beiden Büchern ist ein unheimlich langsames und anstrengendes. „Die Fessel“ ist allerdings etwas aufregender und gleichzeitig entspannter zu lesen. Renee ist nicht mehr ganz so zurückhaltend und langweilig.

Man muss in der Stimmung sein, um dieses Buch genießen zu können. Es kann die perfekte Sommerlektüre sein, aber die Geschichte trägt die Leser*in nicht leichtfertig, sondern verlangt viel Konzentration und Geduld. Außerdem sollte man sich vor Augen halten, in welcher Zeit hier ganz selbstverständlich von der geschiedenen, freien und unabhängigen Frau erzählt wurde und wird.

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Ich bin schön, also bin ich.

Das ewige Ungenügend
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„Ich bin schön, also bin ich. Ich bin schlank, also bin ich. Ich bin von mir erschaffen, um für euch zu sein.“

Der weibliche Körper ist der ständigen Bewertung ausgesetzt. Zu dick, zu dünn. Zu klein, ...

„Ich bin schön, also bin ich. Ich bin schlank, also bin ich. Ich bin von mir erschaffen, um für euch zu sein.“

Der weibliche Körper ist der ständigen Bewertung ausgesetzt. Zu dick, zu dünn. Zu klein, zu groß. Zu kleine Brust, zu großer Po. Und damit fängt es nur an. Inzwischen sind sogar unsere intimsten Stellen der öffentlichen Meinung ausgesetzt.
Dieses Phänomen ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Es begegnet uns von klein auf und jederzeit in unserem Alltag. Es zerstört unser Selbstwertgefühl und unsere Beziehungen. Und es führt schlimmstenfalls zu Krankheiten, Traumata, Missbrauch, sexuellen Übergriffen und Suizid.
Auch Regisseurin, Schauspielerin und Autorin Saralisa Volm nimmt sich dieser Thematik an. Und das auf sehr persönliche und offene Weise. Diese Perspektive macht „Das ewige Ungenügend“ zu einem sehr intensiven Buch, das hochgradig betroffen macht. Die Autorin beleuchtet das Phänomen aus ihrer Rolle als Schauspielerin, als Künstlerin, als Frau und Mutter und als Jugendliche und Bulimie-Erkrankte.
Blitzgescheit und scharf analysierend auf der einen Seite und extrem persönlich und dadurch subjektiv auf der anderen. Man kämpft sich als Leserin durch eine Achterbahnfahrt der Gefühle.
Am Ende der Lektüre hatte ich das ungute Gefühl, dass die Autorin ihren Kampf in dieser Thematik noch lange nicht hinter sich und gewonnen hat. Deshalb möchte ich für das Buch eine Triggerwarnung aussprechen. Betroffene und Unsichere werden vielleicht darunter leiden. Für andere Leser
innen bietet es einen so tiefen Einblick in das Thema, wie ich ihn bisher noch nicht erlebt habe.

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Veröffentlicht am 23.07.2023

Nicht die beste Lindgren-Biografie

Astrid Lindgren. Helle Nächte, dunkler Wald
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„Fürs Erste und Zweite, fand sie, sollte die Öffentlichkeit sich aus ihrem Privatleben heraushalten. Große Teile ihres Lebens behielt Astrid Lindgren für sich und gab sie, wenn überhaupt, nur ihrem allerengsten ...

„Fürs Erste und Zweite, fand sie, sollte die Öffentlichkeit sich aus ihrem Privatleben heraushalten. Große Teile ihres Lebens behielt Astrid Lindgren für sich und gab sie, wenn überhaupt, nur ihrem allerengsten Kreis preis.“

Vieles über Astrid Lindgrens Leben und Wirken ist bekannt. Zumindest die Teile, die sie selbst bekannt geben wollte. Eine engagierte Frau, die sich für Kinderrechte und insgesamt ein soziales, freies Miteinander stark gemacht hat. Und eine Autorin, die fantastische Kinderbücher geschrieben hat, die bis heute große internationale Erfolge feiern.

Ich bewundere Astrid Lindgren und habe deshalb schon sehr viel von ihr und über sie gelesen. Unter anderem die Biografie der Journalistin und Freundin Margareta Strömstedt. Auch habe ich mir vor wenigen Tagen ihr Geburtshaus in Vimmerby angeschaut und dort das Astrid Lindgren Museum besucht.

Nebenbei las ich dieses Buch; die Romanbiografie Maria Regina Kaisers. Und ich muss leider sagen, dass dieses Buch ein wenig im Kotrast zu den freundlich gezeichneten Darstellungen Astrid Lindgrens stand. Der Romanteil liest sich eher schleppend und ist eigentlich auch nicht viel tiefergehend als eine nicht literarisierte Biografie. Dem anschließenden ausführlichen Sachteil konnte ich noch ein paar interessante Gedanken entnehmen. Beide Teile klingen aber etwas unfreundlich und nicht unbedingt wohlgesonnen. Ich denke, es sollte Astrid Lindgren zugestanden werden, dass sie ein Bild von sich in der Öffentlichkeit präsentieren wollte, das vielleicht nicht alles offenlegt, was sie ausmachte.

Es hätte etwas feinfühliger vorgegangen werden können bei einer Biografie.

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