Manches Dieners Zunge schwatzt nur seines Herrn Verderben herbei. (Shakespeare)
Schloss Liebenberg. Hinter dem hellen ScheinAdelheid kann ihr Glück kaum in Worte fassen - ausgerechnet sie, die Tochter eines Tagelöhners, wird als Stubenmädchen auf Schloss Liebenberg arbeiten. Endlich dem Hunger und der Armut entfliehen, die ...
Adelheid kann ihr Glück kaum in Worte fassen - ausgerechnet sie, die Tochter eines Tagelöhners, wird als Stubenmädchen auf Schloss Liebenberg arbeiten. Endlich dem Hunger und der Armut entfliehen, die im kargen Zuhause aus den Ritzen kriecht. Adelheid verrichtet ihre Arbeit mit Fleiß und Eifer, aber genau das ist so manch Bediensteter ein Dorn im Auge. Auch weil Adelheid grundsätzlich nur an das Gute im Menschen glaubt, ist sie ein dankbares Opfer für all die kleinen und großen Stolperfallen, die man man ihr in den Weg stellt. Ihre Fehltritte blieben nicht ohne Folgen und Adelheid wird zum Hausmädchen degradiert. Doch die bösen Zungen sind noch lange nicht still und es braut sich eine dunkle Wolke über dem herrschaftlichen Schloss zusammen...
Hanna Caspian ist wieder einmal ein wunderbarer Start in eine historische Buchreihe gelungen und sie beweist, dass sie sich sicher auf diesem Parkett bewegt. Sie lässt das opulente Schloss Liebenberg und seine Bewohner:innen aus den Seiten steigen und nimmt einen anderen Blickwinkel ein, um das Leben der "Unsichtbaren" in diesem ehrwüdigen Gemäuer mit all seinen Tücken, Intrigen, Boshaftigkeiten und Lästerzungen für die Leser:innen zugänglich zu machen.
Die Zimmermädchen und Diener sind wirklich mit äusserster Vorsicht zu genießen und es scheint, als wäre Adelheid in einer waren Schlangengrube angekommen. Lydia Keller versprüht nach Lust und Laune ihr Gift, Hedda macht lange Finger und Opitz führ eine Karte der Verfehlungen. Wer solche Kolleg;innen hat, braucht keine anderen Feinde mehr, denn hier zischelt und zischt es an jeder Ecke und hinter jeder Tür.
Die Schere zwischen arm und reich klafft sehr weit auseinander und der Autorin gelingt es hier sehr gut, Standesdünkel, Denkweisen und den Geist des letzten Jahrhunderts einzufangen. Die Arbeit im herrschaftlichen Haus ist kräftezehrend und müsehlig, oft von Züchtigungen und sexuellen Übergriffen geprägt und verlangt den Bediensteten alles ab - Loyalität vorausgesetzt.
Kaisertreue, aktuelles Zeitgeschehen (es gibt es Wiedersehen mit dem Hauptmann von Köpenick) und die antiquierten Ansichten um den Paragrafen 175 sind die Themen, die nicht nur die Dienstboten und Zimmermädchen beschäftigen, sondern auch für die Lesenden für die Dauer der Lektüre, neben der harten körperlichen Arbeit, zum Tagesinhalt werden. Denn hinter teuren Stoffen, feinem Porzellan und glitzerndem Schmuck verbergen sich Geheimnisse, die besser nicht ans Tageslicht kommen.
Die Figuren sind alle sehr einnehmend gezeichnet und zeigen sehr offen, was sie denken und fühlen. Adelheid legt eine Wandlung hin, die die Leser:innen Seite um Seite miterleben und nachvollziehen können. In der stillen jungen Frau schwelt es und der Vulkan steht kurz vorm Ausbruch.
Der Ausflug in die Zeit des Kaiserreichs aus der Sicht der Hausangestellten bietet jede Menge Zündstoff, interessante Einblicke, Skandale und Emotionen. Hannah Caspian projiziert sepiafarbene Bilder, die sie in einer Laterna Magica zum Leben erweckt zu bewegten Szenen im Kopfkino zusammenfügt.
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