Sehen verändert unser Wissen, Wissen verändert unser Sehen (Jean Piaget)
So GesehenMan nehme: zwei Künstler und ihre Werke, ein Museum mit seinen Exponaten, gebe diese in einen Shaker.....und das Ergebnis ist der helle Wahnsinn.
"So gesehen" ist ein mehr als gelungenes Experiment, um ...
Man nehme: zwei Künstler und ihre Werke, ein Museum mit seinen Exponaten, gebe diese in einen Shaker.....und das Ergebnis ist der helle Wahnsinn.
"So gesehen" ist ein mehr als gelungenes Experiment, um Kunst aus längst vergangener Zeit mit zeitgenössischen Werken zu vereinen, Blickwinkel zu öffnen und Menschen ein Teil dieser Kunstwerke werden zu lassen.
Gleich zu Beginn dieses Bildbands setzt eine Ouvertüre aus Klangwolken von Christoph Brech den Glanzpunkt und zaubert mir die dramatischen Klänge aus "Schwanensee" ins Ohr. Der Tanz der Takte wird fortgeführt, in dem Barbara Klemm die ausladenden Geste des Engels aus der Verkündigung mit den fließenden Bewegungen namhafter Dirigenten interpretiert und so eine faszinierende Überleitung kreiert.
Die Werke im Bildband sind nicht bloße Anschauungsobjekte, sondern sie ermutigen die Betrachtenden, den Blick auf Details zu lenken, die im schlichten Umblättern der Seiten unbeachtet geblieben wären.
Es finden sich Trapezkünstlerinnen, die, gesichert an Stahlseilen, in der Luft schweben - die Engel der Lüfte aus Rostock von Barbara Klemm und die Figuren des Libori-Festaltars zeigen deutliche Parallele, die unabhängig voneinander bei den Anschauenden das Gefühl auslösen, mit ihnen hoch oben die Freiheit zu genießen.
Brech und Klemm haben das Gespür für den richtigen Augenblick und können mitunter die gleichen oder ähnlichen Fotomotive mit unterschiedlichen Blickwinkeln vollkommen anders aussehen lassen und bei den Betrachtenden diametrale Wirkungen auslösen. Der Bildausschnitte verkörpern eine gewisse Dramatik und Eleganz und lösen einen Dialog zwischen Kunstwerk und Besucher:in aus. Es sind Aufnahmen, die zum Tanzen einladen, aber auch zum Innehalten und Nachdenken auffordern und die eine unglaubliche Aussagekraft besitzen.
Es liegt aber im Auge der Betrachtenden, die Fotografien wirken zu lassen und zu interpretieren - so finden sich für mich u. a Himmelsleitern, Bilder einer Ausstellung (auch hier habe ich die passende Musik von Mussorgsky im Ohr), Demut und Kulissen für düstere Filmszenen in diesem Bildband wieder, der zum Finale mit stillen, aber nicht weniger eindrucksvollen Momenten den letzten Vorhang fallen lässt.
Ich bin fasziniert und fast ein wenig sprachlos, denn ich hatte nicht erwartet, dass ein Bildband diese Emotionen bei mir auslösen kann.