Vielversprechendes Debüt
Wir wissen, wir könnten, und fallen synchronFamilie ist schon etwas Komisches, aber zugleich auch heilig, heimelig, vertraut und trotzdem fremd. Erst recht, wenn man als Kind zweier Elternteile aufwächst, deren unterschiedlicher Nationalitäten für ...
Familie ist schon etwas Komisches, aber zugleich auch heilig, heimelig, vertraut und trotzdem fremd. Erst recht, wenn man als Kind zweier Elternteile aufwächst, deren unterschiedlicher Nationalitäten für Missverständnisse und Vorurteile sorgen. Der Zusammenhalt kann tröstlich sein, bietet aber auch viel Spielraum für Verletzungen jeglicher Art und wird abrupt zum großen schwarzen Loch, als der Vater plötzlich stirbt. Die Beziehung zur Mutter und Tochter steht auf der Kippe und droht beide in den Abgrund zu stürzen...
Es gibt Debütromane, die suchen sich heimlich, still und leise ihren Weg an die Öffentlichkeit und dann gibt es solche, die mit einem lauten Knall auf sich aufmerksam machen. Und genau so ein Roman ist "Wir wissen, wir könnten und fallen synchron", denn die Autorin weiß gekonnt mit den Ängsten und Zweifeln ihrer Protagonistin umzugehen, setzt sie immer wieder absurden Situationen aus und zeigt deutlich, wie toxisch das Konstrukt Familie sein kann.
Yade Yasemin Önder zieht ihre Leser;innen hinein in eine Geschichte aus Selbstfindung, surrealen Szenen, teils wirren Erzählweisen und unglaublich vielen Emotionen, die den Werdegang ihrer Ich-Erzählerin über drei Jahrzehnte schildert.
Der Spagat ihrer Charaktere zwischen westlicher Kultur und islamischer Tradition gelingt der Schreibenden sehr gut und zeigt die innere Zerrissenheit der Ich-Erzählerin, die immer wieder zwischen den Stühlen sitzt. Was folgt, sind psychische Probleme und Essstörungen, die am ohnehin schon zerstörten Selbstbild nagen wie ein böses Tier. Die Hauptfigur vermittelt hier ein dramatisches Selbstbildnis , das zerstörerisch und hilfebedürftig zugleich ist.
Die Figuren können allesamt überzeugen und bieten eine Art Familienaufstellung im literarischen Sinn- die Beziehungen zu- und untereinander sorgen für Reibereien, bieten jedoch auch Anziehungspunkte und diese packt die Schreibende sprachlich ausgefeilt in eine Erzählung, die extravagant, provokant und mitunter urkomisch daher kommt.
Der Inhalt lässt sich schlecht beschreiben, ohne zu spoilern - einfach selbst lesen, in die Handlung hineinfallen und das Gelesene wirken lassen. Nicht immer ganz einfach, aber wenn man sich darauf eingelassen hat, ein Buch voller Gegensätze, eindrucksvollen Momenten und einem Schreibstil, der zwar nicht unbedingt Jedem/r liegt, aber genau da liegt die Stärke.