"Die Welt hat sich verändert, auch die unsere" (Johannes Laverne)
SchicksalszeitDas Leben im Grandhotel Deutscher Kaiser ist geprägt von Teegesellschaften, exquisiten Diners und gepflegter Konversation, doch hinter den Kulissen brodelt es gewaltig. Luise hat mit ihrer Affäre für Aufsehen ...
Das Leben im Grandhotel Deutscher Kaiser ist geprägt von Teegesellschaften, exquisiten Diners und gepflegter Konversation, doch hinter den Kulissen brodelt es gewaltig. Luise hat mit ihrer Affäre für Aufsehen gesorgt, Victoria fühlt sich zu einem russischen Pianisten hingezogen und Franz liebt die Fotografie mehr als familiäre Traditionen. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges ändert sich alles und Patriarch Johannes muss zusehen, wie die Welt aus den Angeln gehoben wird und sich verändert....
Was auch immer Katja Maybach anpackt wird zu einem echten Highlight. Der Auftakt zu ihrer neuen Familiensaga könnte nicht packender, fesselnder und emotionaler geschrieben sein und ist Kopfkino pur.
Das mondäne Grandhotel Deutscher Kaiser steigt wie aus einer 3D-Klappkarte aus den Seiten auf und die Leser:innen können die leise Klaviermusik im Hintergrund hören, das Klappern des Geschirrs vernehmen und dem Murmeln der Gespräche lauschen. Ein sehr reales Bild, das hier als Kulisse von der Autorin geschaffen wird, um den Schauplatz mit all seiner Wucht und Größe greifen zu können.
Sofort sind die Leser:innen ein Teil der Familie Laverne und können die kleinen und großen Tragödien miterleben. Es fällt unglaublich leicht, sich in die Figuren hineinzuversetzen, mit ihnen zu leben, zu lieben und zu leiden.
Luise, vom Vater verstoßen, hat einen großen Verlust zu verarbeiten und es blutet mir das Herz, wenn ich sie so leiden sehe. Aber statt den Kopf in den Sand zu stecken, rappelt sie sich auf, nimmt ihr Leben in die Hand und geht erhobenen Hauptes durch die schwere Zeit.
Die Romanze zwischen Franz und Clara ist einfühlsam und sehr gefühlvoll beschrieben und Katja Maybach gelingt es, das Herzklopfen, den Kloß im Hals und das Flattern der Schmetterlinge im Bauch ihrer Figuren auf die Leser;innen zu übertragen. Doch das Glück wird immer wieder durch Gerda getrübt, der meine ganze Abneigung eimerweise entgegen schwappt,.Die junge Frau ist eine wie lästige Schmeißfliege, die jeden Bezug zur Realität verloren hat. Was sie sich alles einfallen lässt, um ihre Träume zu verwirklichen, entbehrt jeglichen Kommentars.
Victorias Hunger auf Leben und die Neugier auf die Veränderungen, die sich abzeichnen, stehen ganz deutlich für das Abstreifen der einengenden Korsetts, die die Rolle der Frau im Kaiserreich auf ein Minimum beschränkt haben. Die gesellschaftliche Stellung verändert sich und gibt ungeahnte Möglichkeiten frei - gesellschaftlich wie beruflich.
Hier gelingt es der Autorin Zeitgeschichte, authentischen familiären Hintergrund und fiktive Handlung perfekt miteinander zu verbinden, sodass die Grenze zwischen Wahrheit und Illusion verschwimmt. Die Schrecken des Krieges halten Einzug und lassen die Leser:innen Angst, Verzweiflung, Hoffnung und Trauer mitfühlen.
Die Schicksalsschläge, die die Familienangehörigen ertragen müssen gehen an die Substanz der Leser:innen und es rollen sogar die Tränen die
Wangen herunter, während Irene inmitten des nächtlichen Herbstturmes voller Trauer und Einsamkeit am Klavier "Stille Nacht, heilige Nacht" spielt.
Ein grandioser Auftakt, der das Ende einer Ära mit eindrucksvollen Worten schildert und extreme Neugier auf die Fortsetzung weckt.