Die immerwährende Erneuerung des Gelübdes
Die Geschichte der Oberammergauer PassionsspieleWenn am 14. Mai 2022 hoffentlich die ersten Worte in der Premierenaufführung der Passionsspiele 2022 gesprochen werden, schließt sich wieder der Kreis und ein 1633 abgelegtes Gelübde erfährt seine Erneuerung ...
Wenn am 14. Mai 2022 hoffentlich die ersten Worte in der Premierenaufführung der Passionsspiele 2022 gesprochen werden, schließt sich wieder der Kreis und ein 1633 abgelegtes Gelübde erfährt seine Erneuerung im 10-Jahres-Rhythmus.
Aus Dankbarkeit, dass die restlichen Einwohner von Oberammergau von der Pest verschont geblieben sind, entsteht eine künstlerische und einzigartige Darbietung, die bis heute an Strahlkraft und Faszination nichts eingebüßt hat.
Von der kleinen Dorfbühne bis zur heutigen großen Inszenierung ist der Weg steinig und beschwerlich und die Autorin zeichnet die Stationen der einzelnen Passionsspiele, ihrer Schauspieler:innen und Leiter mit einer solchen Begeisterung nach, dass diese auf die Leser;innen überschwappt und von ihnen Besitz ergreift.
Dabei wird Geschichte und Geschichtliches informativ und sehr lebhaft für die Lesenden aufbereitet, Hintergründe erläutert und der Blick durchs Schlüsselloch ermöglicht, um auch einmal hinter die Bühne zu schauen. Und es scheint, als würde sich Geschichte wiederholen, denn vor genau hundert Jahren musste die Passion 1920 wegen der Spanischen Grippe abgesagt und 1922 nachgeholt werden. Im Passionsjahr 2020 ist es die Corona-Pandemie, die die Passionsspiele in die Knie zwingt und eine Verschiebung auf die Spielzeit 2022 notwendig macht.
Vom Barterlass (ab Aschermittwoch des Vorjahres der Passion dürfen die Darsteller:innen weder Haare noch Bärte stutzen) über Mitwirkungsvoraussetzungen (mindestens 20 Jahre in Oberammergau wohnhaft), der Grundlage im Gelübde bis hin zum politischen Tauziehen und den Wirren in der NS-Zeit - Viola Schenz widmet sich den Oberammergauer Passionspielen intensiv und mit dem nötigen Respekt, um hier die großartige Leistung zu würdigen, die die Mitwirkenden alle zehn Jahre meistern.
Auch die "Entstaubung" durch den neuen Spielleiter Christian Stückl findet hier ihre Erwähnung - erst kritisch von Traditionalist:innen beäugt, als Revoluzzer und Rebell beschimpft, gelingt ihm der einzigartige Schachzug, die eingefahrenen Wege zu verlassen, die Texte neu zu gestalten und dem Passionsspiel einen neuen, modernen Touch zu verpassen, ohne die biblische Geschichte gänzlich außen vor zu lassen. Seine Sichtweise zieht auch junge Menschen an, die mit der traditionellen Verbundenheit nicht viel anfangen könne, denn nicht Jede/r ist heutzutage noch bibelfest. Stückl ist ein moderner Menschenfänger und fasziniert mit seinen Inszenierungen die Zuschauer:innen wie einst Jesus seine Jünger.
Das Hoffnungslicht ist entzündet, damit die Passionsspiele 2022 stattfinden können. Bis dahin empfehle ich von Herzen dieses reich bebilderte Buch, das die Faszination der Oberammergauer Passionsspiele in die heimischen vier Wände trägt.