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Veröffentlicht am 25.07.2021

Schwäbischer Humor gepaart mit rasantem Plot

Tote Schwaben leben länger
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Der neue Fall für Eugen Querlinger hat es in sich - erst werden aus dem Moor zwei Leichen geborgen, dann werden Obdachlose ermordet und zu guter Letzt treibt ein Untoter sein Unwesen. Und das alles soll ...

Der neue Fall für Eugen Querlinger hat es in sich - erst werden aus dem Moor zwei Leichen geborgen, dann werden Obdachlose ermordet und zu guter Letzt treibt ein Untoter sein Unwesen. Und das alles soll irgendwie einen Zusammenhang ergeben, denn alle Mordopfer der Gegenwart tragen ein Tattoo mit einem fünfblättrigem Kleeblatt. Aber wie verbindet man diese Erkenntnis mit dem Fund der Leichen im Moor ? Querlinger steht vor einem Rätsel...



Schon mit dem ersten Band hat Max Abele zu einem echten Rundumschlag der Skurrilitäten ausgeholt, aber mit Band zwei legt er noch mal einen oben drauf. Seine Figuren, allen voran Hauptkommissar Querlinger, sind mit einem unschlagbaren schwäbischem Mundwerk und einem ebenso schwäbisch-schwarzen Humor ausgestattet, der einem schon fast das Grinsen ins Gesicht meißelt.

Der Plot überzeugt mit Einfallsreichtum, schlagkräftigen Argumenten und Ermittlern, die so schräg sind, dass sie sich sofort ins Herz des Lesers schleichen. Ich mag die spitzfindigen Diskussionen und Dialoge, die der Autor seinen Figuren in den Mund legt und die sie mit viel Mundart regelrecht hinausschleudern. Es schimpft und flucht sich eben viel schöner im Dialekt, als auf hochdeutsch und genau das macht die Krimis von Abele zu authentisch und liebenswert.

Während man hautnah mit dabei ist, wie Querlinger gleich mit zwei Fällen konfrontiert wird, rotiert und sich durch die Ermittlungen schlängelt, brütet er doch schon wieder eine Racheaktion aus, die sich sehen lassen kann (ich sag nur: Schwedische Delikatesse gg). Querlinger ist eben mit allen Wassern gewaschen und sorgt mit seinen brottrockenen Bemerkungen immer dafür, dass er das gewisse Quäntchen an Aufmerksamkeit bekommt, das ihm zusteht. Die Recherchen im Obdachlosenmilieu sind sehr glaubwürdig geschildert und geben einen Einblick in das Leben der Menschen wieder, die ohne festen Wohnsitz trotzdem eine Möglichkeit gefunden haben, sich mit dem Leben zu arrangieren. Die Kreativität bei der Vergabe der Uznamen ist grandios und sorgt zusätzlich dafür, dass die unterschiedlichen Charaktereigenschaften ihrer Träger noch extra betont werden.

Die Ermittlungen sind sehr abwechslungsreich, gehen mit hohem Tempo voran und ermöglichen dem Leser, eigene Vermutungen anzustellen und diverse Puzzleteilchen hin und herzuschieben, bis es passt. Die Ereignisse aus der Vergangenheit strecken ihre Arme weit aus, um in der Gegenwart noch ihren Einfluss geltend zu machen und für Aufruhr zu sorgen. Auch hier kann der Schreibende eine sehr gute Verbindung schaffen, um dem Leser wie im Zeitraffer die Geschehnisse vor Augen zu führen. Durch das rasante Erzähltempo kommt nie Langweile auf, die Vorgänge werden spannend und mitreißend geschildert und der ein oder andere Seitenhieb auf lebende oder bereits verstorbene Personen (Ähnlichkeiten sind natürlich rein zufällig) wirken wie das Salz in der Suppe.

Zum Schluss laufen alle Fäden zusammen und ergeben ein sehr stimmiges Gesamtbild, dass von geplatzten Träumen, verletzten Gefühlen und Raffgier erzählt. Für mich ist Band zwei noch einen Ticken besser als der Vorgänger und deswegen gibt es 5 Sternchen.

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Veröffentlicht am 24.07.2021

In diesem Dorf lebt man nach dem Prinzip :Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen

Nebeleck
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Der Einödhof Nebeleck ist Schauplatz einer brutalen Mordes. Während Ulrike Kork versucht, irgendwie mit ihren Ermittlungen voran zukommen und Licht ins Dunkel zu bringen, stößt sie immer mehr auf eine ...

Der Einödhof Nebeleck ist Schauplatz einer brutalen Mordes. Während Ulrike Kork versucht, irgendwie mit ihren Ermittlungen voran zukommen und Licht ins Dunkel zu bringen, stößt sie immer mehr auf eine Wand des Schweigens. Die Dörfler halten zusammen wie Pech und Schwefel. Und dann ist da auch noch Peter König, der Dorfarzt, der als Halbgott in Weiß geachtet und verehrt wird. Ulrike weiß nicht recht, wie sie ihn einzuordnen hat. Als der Dorfschlosser sich selbst richtet und in seinem Abschiedsbrief ein Geständnis ablegt, scheint zunächst alles glasklar, aber Ulrike will sich mit dieser einfach Lösung nicht zufrieden geben...


Elisabeth Nesselrode hat mit "Nebeleck" ihr Debüt veröffentlicht und ich muss sagen, dass dieser Roman Lust auf mehr Fallanalysen aus ihrer Feder macht. Die Autorin weiß nämlich selbst die eingefleischte Krimileserschaft dermaßen geschickt an der Nase herumzuführen, dass ich wirklich den Hut ziehen muss..

Das Geklüngel im Dorf wird von der Schreibenden hier schön dargestellt und so bekommt man einen sehr authentischen Eindruck vom Leben in so einem kleine Ort, in dem jeder jeden kennt und Geheimnisse nie lange unentdeckt bleiben. Aber ausgerechnet dann, wenn ein Mord geschieht, rennt die ermittelnde Kriminalkommissarin gegen eine regelrechte Betonwand des Schweigens. Keiner hat etwas gehört, gesehen oder will etwas zu den Vorgängen sagen.

Während der Ermittlungen schießt sich der Lesende allzu schnell und gerne auf einen sehr präsenten Verdächtigen ein und glaubt, etwa ab gut der Hälfte des Romans die Lösung einschließlich der Beweggründe zur Tat gefunden zu haben. Es liegt alles so komfortabel auf der Hand, dass es einfach so und nicht anders gewesen sein muss. Aber Elisabeth Nesselrode wartet bis zum Epilog, um mit einem großen Knall den wahren Täter bloßzustellen...ein Twist in der Handlung, der so unvorbereitet und unerwartet ist, dass man überrascht und ungläubig das Buch beendet.

Bis es aber so weit ist, lernt man unglaublich viele unterschiedliche Charaktere kennen, die manchmal ein bisschen Unruhe und Unübersichtlichkeit in die Handlung bringen - aber vielleicht ist gerade das gewollt. Dorfarzt Peter König ist ein Schmierlappen, den ich überhaupt nicht verknusen kann - er selbst hält sich für den Halbgott in Weiß und tut alles dafür, dass er seine Vormachtstellung im Dorf nicht verliert. Ermittlerin Ulrike König hat noch ziemlich an ihrer verkorksten Vergangenheit zu knabbern, mit dem ein oder anderen Punkt noch nicht abgeschlossen und täte gut daran, sich eventuell eine gute Freundin zuzulegen, der sie einmal ihr Herz ausschütten kann.

Der Rest der Agierenden fügt sich harmonisch in das dörfliche Bild ein - Grantler, Besserwisser, Tratschtanten und Moralapostel geben sich hier ein munteres Stelldichein.

Auch wenn der Fall manchmal etwas unruhig wirkt, bietet er Spannung, Abwechslung und ein intensives Leseerlebnis - ich glaube, an Ulrike Kork als Ermittlern könnte ich mich gewöhnen


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Veröffentlicht am 22.07.2021

50er Jahre-Flair ohne Pep

Der Eissalon
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Was so ein Kuss doch alles auslösen kann - für Karina bedeutet die Affäre mit ihrem Lehrer das Aus an der Restaurantfachschule. Aber deswegen als leichtes Mädchen verschrien zu werden, ist dann doch zu ...

Was so ein Kuss doch alles auslösen kann - für Karina bedeutet die Affäre mit ihrem Lehrer das Aus an der Restaurantfachschule. Aber deswegen als leichtes Mädchen verschrien zu werden, ist dann doch zu viel und eine Rückkehr in den Schoß der Familie vollkommen ausgeschlossen. Die junge Frau möchte es alleine schaffen, etwas auf die Beine stellen und so wächst, getragen von den aufkommenden Gefühlen zu ihrem Mitmieter Ricardo, die Idee, einen eigenen Eissalon zu eröffnen. Aber wird das alles funktionieren, wie sich die beiden das ausgemalt haben ?


Im Roman "Der Eissalon" begegnet man vielen alten Bekannten aus dem "Schokoladenpavillon" wieder und Anna Jonas zeichnet erneut ein sehr authentisches moralisches und gesellschafliches Bild in den späten 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Auch passt sie sich sprachlich der damaligen Zeit an, was mir manchmal einfach zu angestaubt und überholt wirkt.

Karina lässt sich nicht in die vorgefertigten Schubladen pressen, hat einen eigenen Kopf und will ihren Weg gehen. Nicht einfach, wenn man bedenkt, dass es in den 50er Jahren noch ganze andere Wertvorstellungen gab und es nicht gern gesehen war, dass eine Frau beruflich auf eigenen Beinen steht.

Mit Ricardo tritt eine geheimnisvolle und attraktive Figur ins Geschehen und man kann schon nachvollziehen, dass sich Karina von ihm angezogen fühlt. Seine Vergangenheit macht ihn interessant und im Verlauf der Handlung lässt ihn die Autorin auch seine komplette Lebensgeschichte erzählen.

Leider spielt der Eissalon nur eine untergeordnete Rolle und wird regelrecht zum Nebenschauplatz degradiert. Ich finde es sehr schade, denn gerade die vielen Begegnungen mit den unterschiedlichen Menschen im Eiscafé bieten doch Möglichkeiten, um das neue Lebensgefühl darzustellen und so den Flair noch mehr zu verstärken.

Manchmal blitzt der Elan von schwingenden Petticoats und fetzigen Rock'n Roll-Klängen durch, aber insgesamt ist mir das einfach zu wenig, um mich von der Geschichte bezaubern zu lassen. Anhand des Covers hätte ich mir hier etwas mehr erhofft, daher nur 2,5 Sternchen.

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Veröffentlicht am 21.07.2021

Oft genügt eine Portion Meer...und was schwierig war, wird plötzlich leicht

Mittwochs am Meer
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Maurice hat es als Insolvenzverwalter nicht leicht, denn sein Tun und Handeln entscheidet über die Zukunft der Menschen, die in den Betrieben angestellt sind. Sein neuer Auftrag führt ihn jeden Mittwoch ...

Maurice hat es als Insolvenzverwalter nicht leicht, denn sein Tun und Handeln entscheidet über die Zukunft der Menschen, die in den Betrieben angestellt sind. Sein neuer Auftrag führt ihn jeden Mittwoch in ein kleines Städtchen am Meer. Die Bewohner betrachten ihn argwöhnisch und zeigen sich reserviert,...bis auf Dominique, die ihn an der Rezeption eines kleinen Hotels empfängt. Sie schickt Maurice einen Liebesbrief und dieser ist der Beginn einer wunderschönen Zeit....


"Mittwochs am Meer" ist mit ganz leisen Worten erzählt und doch besitzt dieser Roman eine unglaubliche Kraft und Ausdrucksstärke, die den Leser sofort einnimmt. Alexander Oetker braucht keine reisserischen Szenen,um hier von der Kraft der Liebe zu erzählen, die mit ungeahnter Wucht in das Leben von Maurice eintritt.

Der Insolvenzverwalter ist eher zurückhaltend und in sich gekehrt, hat nach einer großen Enttäuschung irgendwie vergessen, wie es ist, wenn man mit offenem Blick und einem liebenden Herz durchs Leben geht.

Dominique ist hungrig nach Leben, hungrig nach Liebe und Anerkennung und sie ist vor allen Dingen eines - geheimnisvoll. Sie weiß es geschickt anzustellen, dass sie Maurice erobert und sie trotzdem immer eine rätselhafte Aura umgibt.

Wenn sich beide Mittwochs treffen, spürt man förmlich, wie Maurice auflebt, sich verändert und auch Dominique sich immer weiter öffnet. Ihr Liebesspiel ist sinnlich, erotisch und niemals vulgär. Oetker gelingt es, die prickelnden Momente, die tiefe Verbundenheit und den Seelenfrieden des Pärchens für den Leser glaubhaft und authentisch darzustellen, sodass man das Gefühl hat, die beiden auf Schritt und Tritt zu begleiten.

Die Geschichte kommt ohne große Aufreger aus, wird aber nie langweilig. Es gibt so vielen Themen, die zwischen Maurice und Dominique besprochen werden, die einen Einfluss auf ihr weiteres Handeln haben und die große Überraschung kommt zum Schluss. Ein Roman, der mit dem Wellenspiel des Lebens den Leser ans Meer entführt und ihn ein Teil der großen Gefühle werden lässt.

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Veröffentlicht am 20.07.2021

"Es fährt ein Zug nach nirgendwo" (C.Anders)

Dreieinhalb Stunden
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Am 13.August 1961 ist eigentlich alles wie immer im Interzonenzug von München nach Ost-Berlin. Aber als plötzlich das Gerücht im Zug die Runde macht, dass man die deutsch-deutsche Grenze für immer mit ...

Am 13.August 1961 ist eigentlich alles wie immer im Interzonenzug von München nach Ost-Berlin. Aber als plötzlich das Gerücht im Zug die Runde macht, dass man die deutsch-deutsche Grenze für immer mit einer Mauer dicht macht, fängt das Gedankenkarussell bei den Reisenden an. Gehen oder bleiben? Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben oder Kommunismus und vorgefertigte Denkweise? Es trifft die Familie mit Kindern ebenso wie das ältere Ehepaar, eine Gruppe Musiker und eine Leistungssportlerin. Und allen haben nur 3 1/2 Stunden, um sich zu entscheiden…

Zum 60. Jahrestag des Mauerbaus erscheint dieser eindrucksvolle Roman, der den Leser unmittelbar selbst mit der Frage beschäftigt – Wie hätte ich mich damals entschieden? Die Menschen im Mikrokosmos Zug werden plötzlich zu Getriebenen, die sich mit ihren Ängsten, Sehnsüchten, Sorgen und Nöten auseinandersetzen müssen, um eine Entscheidung zu treffen, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird.

Das Rattern der Räder auf den Gleisen versinnbildlicht dabei das Rattern der Gedanken, die für den Leser genauso eindringlich hörbar sind wie für die Protagonisten im Zug. War denn wirklich alles schlecht in den letzten Jahren? Wie gestaltet sich das Leben im Westen?

Die innere Zerrissenheit wird hier mit unglaublich viel Fingerspitzengefühl verdeutlicht – gerade bei der vierköpfigen Familie wird klar, was die Entscheidung für ihrer aller Zukunft bedeutet.

Irgendwie holt jeden Einzelnen die Vergangenheit ein – Ungesagtes, was schon lange auf der Seele drückt, wird endlich ausgesprochen, Geheimnisse, die tief vergaben waren, drücken mit aller Macht ans Tageslicht und ein eiserner Wille wird geboren, der für überraschende Momente sorgt.

Die Figuren sind alle sehr authentisch dargestellt und es fällt dem Leser leicht, sich in ihre jeweilige Situation zu begeben. So wird aus dem Roman nicht bloß eine sehr emotionale Geschichte, sondern die dreieinhalb Stunden für die Entscheidung, die das Leben eines jeden Einzelnen beeinflusst, werden aus vielen Einzelperspektiven Realität – das Herz klopft, die Hände werden feucht und es ist eine unterschwellige Angst zu spüren, wenn sich die Gedanken ihren Weg suchen und sich nach Aussen bahnen. Es geht um Existenzen, um die Zukunft eines jeden Einzelnen und immer wieder um die Frage, gehen oder bleiben? Man sitzt mit im Zug, fährt auf den Schicksalsgleisen einer ungewissen Zukunft entgegen und sieht die Landschaft, ebenso wie die Erinnerungen der Mitreisenden, an sich vorbeiziehen. Ein Stück deutsch-deutscher Geschichte, das hier lebendig wird und das sich wirklich so zugetragen haben könnte.

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