Loslassen, um zu merken, was hält
Unter Wasser ist es stillDer Hausverkauf soll der letzte, endgültige Schritt sein, um endlich mit der Vergangenheit abschließen zu können. Maira muss dafür aber zurück an die Ostsee, um alles Notwendige zur veranlassen. Ausräumen, ...
Der Hausverkauf soll der letzte, endgültige Schritt sein, um endlich mit der Vergangenheit abschließen zu können. Maira muss dafür aber zurück an die Ostsee, um alles Notwendige zur veranlassen. Ausräumen, eventuell noch ein paar Erinnerungsstücke mitnehmen und dann den Vertrag mit dem Investor unterschreiben. Doch so einfach, wie sie sich das vorgestellt hat, lässt das Haus sie nicht gehen. Denn es hängen viele Erinnerungen in den Räumen und ganz besonders die Frage, wie ihre Mutter wirklich gestorben ist....
"Unter Wasser ist es still" ist ein wundervoller leiser Roman, der gemeinsam mit den Leser;innen schweigt, sie zum Nachdenken anregt und mit ganz vielen ungesagten Worten zwischen den Zeilen eine Saite im Herzen zum Schwingen bringt. Julia Dibbern gelingt es nämlich, ihre Leserschaft die Möglichkeit zu geben, gemeinsam mit Maira den Prozess des Lassens - Geschehen lassen, Zulassen, Loslassen - zu durchleben und sich den vielen ungelösten Fragen zu stellen.
Das eigentlich so verhasste Haus wird plötzlich zum Schutzraum, öffnet seine Türen und Maira kann durch sie hindurchgehen, um die Ereignisse ihrer Jugendzeit zu durchleben. Die Erinnerungen, so schmerzhaft sie auch sind, werden Dank ihrer alten Freunde, zu heilsamen Pflastern. Die maritimen Naturmotive wirken für die Leser;innen entschleunigend und führen sie an den Strand, um die Zehen in den kalten Sand zu buddeln, die sanfte Brise Seeluft auf der Haut zu spüren und den leicht salzigen Geschmack auf den Lippen wahrzunehmen.
Die Figuren sind sehr authentisch und von Dibbern lebensnah ausgearbeitet, sodass es nicht schwer fallt, in ihre Schuhe zu schlüpfen und mit ihnen gedankenversunken an der Wasserkante spazieren zu gehen und ein wenig nachdenklich die mit Staub bedeckten Erinnerungsstücke auszusortieren.
Julia Dibbern verwebt Rückblenden mit Gegenwart und strickt daraus eine sehr feinfühlige und taktvolle Erzählung, die uns irgendwie alle angeht. Denn auch wir haben Eltern, die älter werden und die von der Diagnose Demenz betroffen sein können. Der rücksichtsvolle Umgang mit dieser Erkrankung und dem daraus resultierenden schleichenden Veränderungsprozess, findet durch die Schreibende einen Weg an die Öffentlichkeit. "Und vergib uns unsere Schuld...." diese Worte aus dem "Vater unser" haben mich beim Lesen des letzten Kapitels begleitet und zeigen, wie wichtig es ist, sich selbst die Zeit zu geben, um die Frage nach Schuld, Akzeptanz und Vergebung beantworten zu können.