Profilbild von kati-katharinenhof

kati-katharinenhof

Lesejury Star
offline

kati-katharinenhof ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit kati-katharinenhof über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.11.2023

Nett gemacht, aber mit ganz viel Luft nach oben

Mit welchem Zug kommt der Sandmann?
0

Der Titel klingt eigentlich ganz niedlich und hat mich dazu verleitet, zu diesem kleinen Büchlein zu greifen. Michael Seiler hat sich die Mühe gemacht und einen breit gefächerten Ausflug in die Welt des ...

Der Titel klingt eigentlich ganz niedlich und hat mich dazu verleitet, zu diesem kleinen Büchlein zu greifen. Michael Seiler hat sich die Mühe gemacht und einen breit gefächerten Ausflug in die Welt des Eisenbahnwissens unternommen. Seine Zusammenstellung ist bunt gemischt, reicht von den Anfängen der Eisenbahngeschichte über tragische Ereignisse, Fachjargon bis hin zu geflügelten Worten. Sogar Ausflüge in die Kunstausstellungen und Museen werden unternommen, aber so ganz springt einfach der zündende Funke nicht über.

Warum ? Die Erklärung ist ganz einfach: Das Buch ist von der Bindung her nicht wirklich gut durchdacht und lässt so viele Dinge einfach im "Knick" verschwinden. Buchstaben, Fotos und Zeichnungen werden regelrecht durch die Buchmitte verschluckt, bekommen einen unschönen Knick in der Optik und stören so das Gesamtbild. Um wirklich die kompletten Texte zu erfassen oder die Aufnahmen im Ganzen betrachten zu können, muss das Buch komplett aufgeschlagen und mehrmals fest mit den Händen geglättet werden. Das hinterlässt unschöne Leserillen auf dem Buchrücken und ist optisch nicht die beste Lösung.

Ansonsten ein nettes Büchlein zum Zeitvertreib

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
Veröffentlicht am 10.11.2023

Draußen ist Freiheit dort, wo der Horizont beginnt (Tanz der Vampire)

Landgang
0

Magdalena sitzt mit Ihrer Mutter im Zug gen Western und erlebt als 12-Jährige, was es heißt, von "drüben" zu sein. Das, was gestern selbstverständlich war, ist heute Vergangenheit und fernab jeglicher ...

Magdalena sitzt mit Ihrer Mutter im Zug gen Western und erlebt als 12-Jährige, was es heißt, von "drüben" zu sein. Das, was gestern selbstverständlich war, ist heute Vergangenheit und fernab jeglicher Sicherheit. Magdalena kann sich auf die Veränderungen nicht wirklich einlassen, versucht aber mit ihrer kindlichen, leicht authistisch geprägten Sichtweise, das Beste aus der Sache zu machen. Das Leben im Westen Ende der 1980er Jahre lebt sich dann doch nicht so leicht, wie gedacht, denn auch der Westen hat seine Tücken. Existenzängste, gesellschaftliche Stolperfallen und das Gefühl, nirgendwo richtig dazuzugehören, sind von nun an an der Tagesordnung...


"Landgang" von Mayjia Gille ist an und für sich ein sehr treffend gezeichneter Roman, der die innere Zerrissenheit eines Kinder darstellt, das von jetzt auf gleich alles Gewohnte hinter sich lassen und neu anfangen muss. Da Magdalena mit Veränderungen aufgrund ihrer leicht authistischen Wesenszüge nicht gut umgehen kann, flüchtet sie sich in ihre ganz eigene Welt, zu der Wasserstandsmeldungen gehören wie die Sonne am Himmel.

Gille lässt biografische Züge einfließen und strickt drumherum eine liebenswerte, wenn auch nicht immer einfach zu lesende Geschichte, die von innerer Zerrissenheit, Heimatlosigkeit und dem Drang nach Selbstverwirklichung handelt. Körperliche Züchtigungen finden ihren Weg ins Buch und verletzten nicht nur die Kinderseele von Magdalena, auch die Leser:innen erfahren beim Lesen psychische Schmerzen, die wie feine Nadelstiche immer wieder piksen.

Es gibt urkomisch Szenen, bei denen Lachmuskelkater vorprogrammiert ist (ich sage nur "Eurythmie und Gelb") , die in sehr nachdenklich stimmende Passagen übergehen. Die Leser;innen sind hautnah bei der Entwicklung von Magdalena vom braven, angepassten DDR-Mädchen zum aufmüpfigen West-Punk dabei und lernen die zwei Seiten der Medaille kennen, die die Hauptfigur unbewusst immer mit sich trägt.

Die 1980er-Jahre werden durch den mitreißenden Worte wieder lebendig und lassen eigene Erinnerungen an die Jugend in eben jener Zeit wach werden. Und jetzt kommt leider das Aber: Es gibt Rechtschreibfehler im Buch, manchmal fehlen auch ganze Worte, sodass die Logik des Satzes nicht auf den ersten Blick zu erfassen ist. Auf S. 139 kann sich das Lektorat nicht entscheiden, ob Carl nun mit "C" oder "K" geschrieben wird, denn innerhalb weniger Sätze wechselt der Anfangsbuchstabe hin und her. Das empfinde ich schon als störend und der Lesefluss wird durch diese Stolpersteine immer wieder ausgebremst.

Ansonsten eine liebenswert chaotische Rückblende, die durchaus lesenswert ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.11.2023

Erst gähnend langweilig, dann galoppiert die Handlung davon

Und nebenan der Tod
0

Adele und Niklas haben es sich in Venedig so richtig schön eingereicht und genießen das La Dolce Vita. Ein Anruf auf Berlin zerstört die Idylle, denn Adeles Freundin braucht ihre Unterstützung. Aber woher ...

Adele und Niklas haben es sich in Venedig so richtig schön eingereicht und genießen das La Dolce Vita. Ein Anruf auf Berlin zerstört die Idylle, denn Adeles Freundin braucht ihre Unterstützung. Aber woher so schnell eine Unterkunft nehmen ? Auf einer Tauschplattform werden die beiden fündig und tauschen mit Veronika und Konstantin die Wohnung. Die ganze Zeit ist da ein ungutes Gefühl, das sich immer mehr ausbreitet und schließlich schwappt der Unglück mit voller Wucht über Adele und Niklas. So hatten sie sich den Tausch nicht vorgestellt...


Ich liebe normalerweise die Bücher von Andrea Nagele, denn sie sind handwerklich Spitzenklasse, überzeugen mit einem gut durchdachten Plat und ganz viel Spannung, die an den Nerven zerrt. Doch mit "Und nebenan der Tod" habe ich dieses Mal keinen Glücksgriff getätigt, sondern eine krasse Bauchlandung erlebt.

Bis Seite 146 passiert nämlich nicht wirklich viel, ausser, dass die Protas unglaublich enervierend sind und mir fast die Lust am Lesen nehmen. Auf der einen Seite sind Adele und Niklas, die sich in Selbstbeweihräucherung verlieren und in einer Beziehung leben, die von gegenseitiger Abneigung und Anziehungskraft geprägt ist. Den Gipfel der Antipathie aber erklimmen Veronika und Konstantin mit spielender Leichtigkeit, denn beide Figuren sind in ihrer Art unglaublich lästig. Ihre Beziehung ist schon fast als toxisch zu bezeichnen und von (Verlust-)Ängsten geprägt.

Nagele verliert sich in den Beschreibungen der Szenerien, was das Leben in Venedig und Berlin betrifft, ohne wirklich auf den Punkt zu kommen. Von Thrill keine Spur, eher gähnende Langweile.. und das seitenweise.

Erst auf den letzten 80 Seiten wendet sich das Blatt und hier erscheint es so, als hätte die Autorin selbst gemerkt, dass sie etwas an Dramatik zulegen muss, um die Leser:innen bei der Stange zu halten. Das führt aber wiederum dazu, dass die Handlung davon galoppiert und sich die Ereignisse überschlagen. Vieles wirkt an den Haaren herbeigezogen und unglaubwürdig, sodass die Logik holpert. Auch ist manches zu offensichtlich und das geht zu Lasten des Nervenkitzels. Von einem Thriller erwarte ich, dass mir von Anfang an beim Lesen dieses ungute Gefühl im Nacken sitzt, ein Kribbeln in den Fingerspitzen zu spüren ist und meine Leseneugier die Seiten wie von selbst umblättert.

Hier finde ich leider überhaupt nichts davon und das Fazit lautet nicht nur "Augen auf beim Wohnungstausch", sondern auch bei der Wahl der Lektüre - schade :(

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.11.2023

Kinderseelen sind empfindlich, wie ein Spinnennetz so fein. Etwas Böses wird darum auch lang in ihren Köpfen sein (N. van Tiggelen)

Sturm über der Ostsee
0

Während der Herbststurm tobt und sich nimmt, was sich ihm in die Quere stellt, geht ein Mörder in Grömitz um und löscht Lebenslichter aus. Die Betroffenheit über die Mordopfer hält sich in Grenzen, denn ...

Während der Herbststurm tobt und sich nimmt, was sich ihm in die Quere stellt, geht ein Mörder in Grömitz um und löscht Lebenslichter aus. Die Betroffenheit über die Mordopfer hält sich in Grenzen, denn auf der Beliebtheitsskala haben sie nun wirklich keine Punkte eingeheimst. Als ein weiterer grausamer Mord geschieht, ruft das Birger Andresen auf den Plan. Es scheint, als würde der Täter eine alte Rechnung begleichen. Aber welche ?


Als Jobst Schlennstedt sein Buch "Sturm über der Ostsee" geschrieben hat, hat er nicht ahnen können, dass seine sehr bildhafte Beschreibung des Unwetters schon bald Realität wird. Die Bilder der Sturmflut vor der Ostseeküste von wenigen Wochen sind noch allzu präsent und verbinden sich mit den Schilderungen im Buch zu einer neuen Realität.

Zwischen sturmgepeischten Wolken und nicht enden wollenden Regengüssen zieht ein Mörder seine grausame Spur und Schlennstedt weiß, wie er Angst und Schrecken bei seinen Leser;innen verbreitet. Es sind teilweise Schreckensszenarien, die er hier gekonnt schildert, die eine atemlose Spannung und eine unterschwellige Bedrohung verbreiten.

Es kribbelt in den Fingerspitzen und die Nerven sind zum Zerreißen gespannt, denn das rasante Erzähltempo verlangt den Lesenden einiges ab und die Seiten blättern sich fast von selbst um. Es sind aufwühlende Ereignisse, die jahrelang unter dem Deckmäntelchen des Schweigens unter Verschluss gehalten wurden und kleine Kinderseelen für immer zerstört haben.

Der Autor geht dabei sehr feinfühlig mit dieser sensiblen Thematik um, ohne neue Wunden aufzureißen. Es gelingt ihm, zwischen tief empfundener Abscheu und Empörung über geschehenes Unrecht nicht reißerisch zu berichten, sondern der Geschichte ihren Lauf zu lassen, damit sich die Leser;innen selbst ein Bild von der Gefühls- & Gedankenwelt der Betroffenen machen können.

Es ist ein Wiedersehen mit alten Bekannten , die auf neue Gesichter und Charaktere treffen. Schlennstedt macht daraus eine sehr homogene Truppe, die zwar die ein oder andere Startschwierigkeit hat, aber im Grunde doch ein eingeschworenes Team ist. Das Loslösen von Birger Andersen und der Übergang zu seinem Sohn Ole findet ich sehr gut gelungen, sodass es keinen abrupten Bruch gibt.

Schlennstedt zeigt, dass auch hinter der vermeintlich blütenreinen Weste ein ganz schwarzer Abgrund wohnt und fördert nach und nach Dinge zu Tage, die berühren, unter die Haut gehen und betroffen machen. Spannend erzählt und mit jeder Menge Möglichkeiten für eigene Ermittlungsansätze, ist "Sturm über der Ostsee" thematisch sicherlich keine leichte Kost, aber trotzdem extrem gute Krimiunterhaltung.

Klare Leseempfehlung !


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.11.2023

Man muß sein Leben aus dem Holz schnitzen, das man zur Verfügung hat. Theodor Storm

Das Holz, aus dem wir geschnitzt sind
0

Karl hat eine besondere Gabe, denn er sieht, welche wunderbaren Dinge sich in einem einfachen Holzscheit verbergen. Mit seinem Schnitzwerkzeug bearbeitet er das einfache Werkstück solange, bis die Seele ...

Karl hat eine besondere Gabe, denn er sieht, welche wunderbaren Dinge sich in einem einfachen Holzscheit verbergen. Mit seinem Schnitzwerkzeug bearbeitet er das einfache Werkstück solange, bis die Seele des Holzes sich zu einer wunderschönen Kommode formt, eine glatte Schüssel entsteht oder ein schön geschwungener Löffel. Halt und Unterstützung findet Karl bei seinem Großvater, der mit viel Liebe und Zuwendung das Talent des Jungen fördert. Zwischen beiden entsteht eine innige Verbundenheit, die auch Grundlage für ein Geheimnis ist. Als Jakob stirbt, bricht nicht nur für Karl eine Welt zusammen, sondern er muss fortan sehen, wie er sich allein durch Leben schlagen kann. Seine Leidenschaft treibt in voran, doch manchmal ist sie auch ein Hindernis. Karl lernt auf seinem Weg Menschen kennen, die es nicht immer gut mit ihm meinen. Und dann ist da auch noch Großvaters Geheimnis....

Annette Spratte wird mit ihrem Buch "Das Holz aus dem wir geschnitzt sind" selbst zur Holzschnitzerin und zeigt, wie gewissenhaft sie jede Figur ausgearbeitet hat und, ähnlich wie bei einem Stück Holz, eine jede auf ihre Art Verwachsungen, Einschlüsse, Verfärbungen im Charakter und auch im Herzen mit sich trägt.

Ihre Figuren, allen voran Karl, führen durch eine zu Herzen gehende Geschichte, die von Liebe und Gottvertrauen, Vergebung und Gerechtigkeit handelt. Ähnlich wie bei der Schnitzkunst werden nach und nach alle Ecken und Kanten, Narben und individuellen Wesenszüge freigelegt, die die Menschen im Roman nahbar und authentisch machen.

Erneut wird der Westerwald zur imposanten Kulisse für bewegende Momente, die zu Herzen gehen. Ein wenig erinnert der Bruderzwist zwischen Adam und Karl an Kain und Abel und es ist einer glücklichen Fügung zu verdanken, dass es nicht zum Äußersten kommt. Karls Suche nach seinem Platz im Leben wird begleitet von seinem Glauben, in dem er Halt findet. Spratte gelingt es dabei, die christliche Botschaft alltagstauglich und unaufdringlich zu vermitteln. Gerade in der achtsamen Beziehung zwischen Karl und seinem Großvater und später zwischen Karl und Anna wird deutlich, wie viel Kraft und Hoffnung in einer gefestigten Verbindung zu Gott steckt, auch wenn das Leben einmal ruckelt und holpert.

Die Autorin verwebt geschickt Historisches mit einem Hauch Romantik und ermöglicht ihren Leser;innen, das Wunder der Geburt hautnah mitzuerleben. Spätestens das ist der Moment, in dem sich das ein oder andere Tränchen aus den Augenwinkeln verabschiedet und das Herz vor Freude überquillt.

Annette Spratte nimmt ihre Leser:innen mit auf eine sehr emotionale Reise, die noch lange nachwirkt und eindrucksvolle Spuren hinterlässt.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere