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Veröffentlicht am 03.01.2023

Schöne heile Welt ?!

Happy New Year – Zwei Familien, ein Albtraum
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Während das Feuerwerk glitzert und die Champagnerkorken knallen, geschieht das Schlimmste, was sich Eltern vorstellen können - ihre Tochter verschwindet spurlos. Aus den frohen Neujahrswünschen werden ...

Während das Feuerwerk glitzert und die Champagnerkorken knallen, geschieht das Schlimmste, was sich Eltern vorstellen können - ihre Tochter verschwindet spurlos. Aus den frohen Neujahrswünschen werden schnell Aufmunterungen und Durchhalteparolen, die aber Lollo und Max nicht wirklich weiterhelfen. Auch die Polizei steht vor einem Rätsel, denn das, was sich während der Ermittlungen vor ihnen ausbreitet, ist ein Teppich voller Lügen und Beschuldigungen...aber das bringt Jennifer auch nicht wieder zurück.....


Zu Beginn des Romans peitsch Malin Stehn ihre Leser;innen mit atemloser Spannung durch die Seiten und es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Zu beklemmend ist die Situation, zumal wir gerade alle selbst Silvester gefeiert haben. So vermischen sich die eigenen Erinnerungen mit den Szenen im Buch und genau das macht alles sehr authentisch.

Es ist die Angst, die beim Lesen im Nacken sitzt und dieses ungute Gefühl, irgendetwas übersehen zu haben, die die Lesenden wie in einem Schraubstock gefangen halten. Aber je mehr die Handlung voranschreitet, desto mehr geht von dieser wirklich klaustrophobischen Stimmung verloren, denn alle Figuren bleiben oberflächlich und unnahbar, sodass sie eher enervierend als mitreißend wirken. Gerade Max und Lollo, das betroffene Elternpaar, sind ein "Vorbild" für die schöne heile Welt. Ihre Maskerade (anders kann ich dieses mehr als affektierte Gehabe nicht bezeichnen) fällt immer mehr in sich zusammen und bringt Dinge ans Tageslicht, die besser im Verborgenen geblieben wären.

Ab dem zweiten Drittel überschlagen sich die Ereignisse und es wirkt so, als habe die Autorin hier sämtliche Einfälle, die zu einer spannenden Handlung notwendig sind, unbedingt in ihrem Buch unterbringen wollen. Sie bedient sich sogar in der Klischeekiste und macht damit einen Teil ihrer Handlung unglaubwürdig, weil es einfach zu viel des "Guten", oder in diesem Fall, des Bösen ist.

Der Roman hat wirklich das Zeug zum Pageturner, bremst sich aber immer mehr selbst aus und kann sich dadurch nicht mehr von der breiten Masse in diesem Genre abheben. Selbst die Auflösung ist kein Aha-Moment mehr, sondern nur noch eine logische Schlussfolgerung, die ohne jeglichen Twist auskommen muss.

Die Euphorie zu Beginn wäre mit 5 Sternchen belohnt worden, so kann ich aber leider nur 3 vergeben.

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Veröffentlicht am 02.01.2023

Der Kummer, der nicht spricht, nagt leise an dem Herzen, bis es bricht (Shakespeare)

Mein fernes, fremdes Land (Steidl Pocket)
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Lilly hat in ihrem Leben schon viel gesehen, viel ertragen und erdulden müssen. Doch jetzt, mit 89, kann sie einfach nicht mehr. Zu schwer wiegt der Verlust ihres Enkels Bill, ohne den ihr Leben noch trostloser ...

Lilly hat in ihrem Leben schon viel gesehen, viel ertragen und erdulden müssen. Doch jetzt, mit 89, kann sie einfach nicht mehr. Zu schwer wiegt der Verlust ihres Enkels Bill, ohne den ihr Leben noch trostloser und grauer geworden ist. Lilly beschließt, dass es an der Zeit ist zu gehen. Doch bevor sie diesen letzten Schritt in die Tat umsetzt, müssen noch ein paar Gedanken und Erinnerungen zu Papier gebracht werden....


Sebastian Barry hat mit "Mein fernes, fremdes Land" ein unglaublich feinfühliges Buch geschrieben, das trotz seines schweren Themas die Leser:innen nicht erdrückt, sondern fasziniert und begeistert.Denn mit Figur Lilly gelingt es ihm, das Herz der alten Dame ganz weit zu öffnen und an ihren Gefühlen teilzuhaben. Dabei gelingt es ihm, den Spagat zwischen Schwermut, Melancholie und Erinnerungen zu meistern, um aus dem Buch eine Lebensgeschichte zu machen, die voller Poesie und mentaler Stärke ist.

Lilly ist ein bewundernswerter Charakter, denn das, was sie alles im Leben hinnehmen muss und ertragen hat, ist kein leichtes Brot. Und doch ist sie nach jedem Schicksalsschlag wieder aufgestanden, hat sich den Staub von den Schuhen geputzt und ist aufrecht weiter gegangen. Eine bemerkenswerte Frau, die uns allen als Vorbild dienen sollte. Ich kann nachvollziehen, dass irgendwann das Maß voll ist und sie einen endgültigen Schlussstrich ziehen will. Denn ein Herz, das auch Kummer bricht, ist nicht zu kitten - schon gar nicht in ihrem Alter.

Auch gelingt es dem Autor, das Weltgeschehen aus Lillys Leben mit ihrer Geschichte zu verweben, sodass dieses Buch einen sehr eindrucksvollen Stempelabdruck hinterlässt. Ein Roman voller Gefühl und Empathie, Herzenswärme und Offenheit - trotz, oder gerade wegen all dem Kummer, der auf Lillys Schultern lastet.

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Veröffentlicht am 02.01.2023

Nüchterne Geschichtensammlung

Liebe im hohen Gras (Steidl Pocket)
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"Liebe im hohen Gras" handelt von Menschen, die es alle irgendwie nicht einfach haben. Menschen, die Verluste, Ängste, Sorgen und Nöte mit sich tragen, Geheimnisse unter Verschluss halten und die sich ...

"Liebe im hohen Gras" handelt von Menschen, die es alle irgendwie nicht einfach haben. Menschen, die Verluste, Ängste, Sorgen und Nöte mit sich tragen, Geheimnisse unter Verschluss halten und die sich gegenseitig verletzen - ob mit oder ohne Absicht, bleibt dahin gestellt.

Kurzgeschichten, die voller Melancholie und Schwermut stecken, nüchtern erzählt und doch auf den Punkt gebracht und von der Autorin für ihre Leserschaft aufbereitet, um die Welt ihrer Figuren zugänglich zu machen. Leider gelingt es ihr in den wenigstens Fällen, die Figuren nahbar und fühlbar zu machen. Vielmehr erschafft Keegan mit jeder Geschichte mehr Zwischenräume und Abstände, die im Verlauf der Buches nicht mehr überbrückt werden können.

Komme ich mit den Kurzgeschichten noch relativ gut zurecht, frage ich mich bei den etwas längeren Erzählungen, welche Szenen mich berühren sollen, um nicht vollkommen von der großen schwarzen Wolke umhüllt zu werden, die mit Enttäuschungen, Einsamkeit und fehlender Zuwendung bis zum Rand gefüllt ist.

Manche Ausdrücke finde ich im heutigen Sprachgebrauch eher befremdlich, sodass sie mir hier eher bitter aufstoßen (herablassende Bezeichnungen für PoC und fahrendes Volk müssen nun wirklich nicht mehr sein) und ich mich deutlich von diesen Geschichten distanziere.

Auf dem Klappentext befinden sich Lobeshymnen, die die Geschichtensammlung als "wortmächtig" und "atmosphärisch dicht" bezeichnen - dieser Meinung kann ich mich leider nicht anschließen und vergebe 2,5 Sternchen, da die ein oder andere schöne Szene doch zu finden gewesen ist.

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Veröffentlicht am 31.12.2022

Hier ist der Buchtitel Programm

Meine Krönung (Steidl Pocket)
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Eigentlich lebt es sich doch ganz gut so, wie er sich das über die Jahre hinweg eingerichtet hat. Deswegen kann Gilbert Kaplan nicht verstehen, dass plötzlich so viel Aufhebens um seine Person gemacht ...

Eigentlich lebt es sich doch ganz gut so, wie er sich das über die Jahre hinweg eingerichtet hat. Deswegen kann Gilbert Kaplan nicht verstehen, dass plötzlich so viel Aufhebens um seine Person gemacht wird. Ausgerechnet im hohen Alter soll er für etwas geehrt werden, was er vor Jahrzehnte angeblich entdeckt hat - aber was ? Auch wenn er noch so tief in seinen Erinnerungen gräbt, kann er sich nicht entsinnen. Das Einzige, was er weiß ist, dass sein Leben gerade auf den Kopf gestellt wird und das passt ihm überhaupt nicht...


"Meine Krönung" verdient den Buchtitel zurecht, denn das kleine Taschenbüchlein ist wirklich eine Krönung an Eloquenz, Einfühlungsvermögen und ganz viel Eigensinn, aber im Positiven. Denn hier zeigt Véroniue Bizot, wie sich das Leben eines Menschen mit dem Älter werden und alt sein verändert, dass es nicht auf materielle Dinge ankommt, sondern darauf, wie das Leben an sich gelebt wird.

Es ist eine gedankliche Rückschau, die, von Erinnerungslücken durchzogen von Verlusten, dem allgemeinen Lebensüberdruss und einer gewissen Antriebslosigkeit erzählt, ohne dabei schwermütig oder depressiv zu werden. Zwar sind die Sätze mitunter ellenlang, aber sie spiegeln genau das wieder, was sich im Kopf des zu Ehrenden abspielt - Gedankenkreisel, Erinnerungskarussells und Lichtblitze, die sich nach und nach zu einem doch sehr stimmigen Gesamtbild zusammensetzen und zeigen, wie sehr der Mensch an seine Erinnerungen gekoppelt ist.

Die Erinnerungsfetzen sind manchmal traurig, mal urkomisch und spiegeln eine ganze Palette von Gefühlen wieder. Die Figur des alten Wissenschaftlers wird somit für die Leser:innen nahbar und zugänglich. Auch wenn die Hauptperson der Erzähler ist, so läuft ihm doch heimlich still und leise seine Haushälterin Madame Ambrunaz den Rang ab. Sie ist resolut, weist ihn, wenn nötig, in die Schranken und zeigt ihm auch mal auf, dass er mit seiner Antriebslosigkeit ihr das Leben schwer macht.

Feinsinniger Humor, sprachlich sehr gut ausformuliert und mit überraschenden Wendungen versehen, ist dieses Buch keine Alltagsliteratur, sondern in sich eine Krönung und sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 30.12.2022

Ein Streifzug durch die Jahrzehnte

„Guten Abend, meine Damen und Herren“
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Es ist wohl der bekannteste Satz im Abendprogramm, wenn kurz nach dem Jingle der Tagesschau "Guten Abend, meine Damen und Herren" über die Bildschirme in die heimischen Wohnzimmer flimmert. Constantin ...

Es ist wohl der bekannteste Satz im Abendprogramm, wenn kurz nach dem Jingle der Tagesschau "Guten Abend, meine Damen und Herren" über die Bildschirme in die heimischen Wohnzimmer flimmert. Constantin Schreiber spricht mit der Ikone der Tagesschau - Dagmar Berghoff - und lässt nicht nur die Nachrichten der letzten Jahrzehnte Revue passieren, sondern ermöglicht einen sehr privaten und intimen Einblick in das Leben der Tagesschausprecherin, die für viele d a s Gesicht der Nachrichtensendung gewesen ist.

Zunächst müssen sich beide noch behutsam annähern, aber ist erst einmal das "Sie" weggefallen, entsteht eine freundschaftlich ungezwungene, und auf beiden Seiten, respektvolle Gesprächsatmosphäre, die sich auf die Lesenden überträgt. Berghoff berichtet von ihrer Kindheit, ihrem beruflichen Werdegang, Prominenten und Weggefährt:innen, die sie über die Jahre begleitet haben.

Doch so gerne ich den beiden zuhöre bzw. lese, vermisse ich ein bisschen Tiefgang. Es wird vieles nur angerissen und manches zur Anekdote degradiert, obwohl es noch so viel zu berichten gäbe. Dabei erwarte ich keine Enthüllungen, sondern einfach nur den ein oder anderen Gedankengang, der sich lohnt erneut aufzugreifen und etwas mehr zu hinterfragen.

Schreiber setzt Berghoff als Grand Dame der Nachrichten sehr charmant in Szene, stellt taktvolle Fragen und weiß sich gegenüber Berghoff sehr eloquent auszudrücken. Eine kurzweilige lesenswerte Lektüre.

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