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Veröffentlicht am 18.03.2017

Wider die Armutsökonomie

Schamland
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Die Erstausgabe des Sachbuches "Schamland" (Hardcover) überschnitt sich interessanterweise mit dem Tod Maggie Thatchers. Die konservative Politikerin war in England als "Eiserne Lady", "Milchräuberin" ...

Die Erstausgabe des Sachbuches "Schamland" (Hardcover) überschnitt sich interessanterweise mit dem Tod Maggie Thatchers. Die konservative Politikerin war in England als "Eiserne Lady", "Milchräuberin" und Totengräberin der Gewerkschaften bekannt. Ihre rigorose, sozial kalte Politik gründete auf der Prämisse, dass es so etwas wie "die Gesellschaft" nicht gebe & dass quasi Jedermann für sein Heil selbst verantwortlich sei ...man fühlt sich an die amerikanische Losung vom "Streben nach Glück" erinnert.

Thatcher stand in Grossbritannien für den sozialen Kahlschlag. Begründete sie den Trend der neoliberalen Politik ? Auf jeden Fall aber gilt sie vielen Analysten als die Person, die "merry old England" zu Grabe trug.

Jahre später sollte sich auch still und leise das Konzept der "sozialen Marktwirtschaft" und "Sozialhilfe" zugunsten von Raubtierkapitalismus und Hartz IV mehr oder weniger aus dem wiedervereinten Deutschland verabschieden. Von der Bonner Republik & katholischer Soziallehre à la Adenauer sollte wenig übrig bleiben.

Doch zurück zu "Schamland".

Diese Publikation hat mich wirklich positiv überrascht. Sie genügt wissenschaftlichen Standards und verfügt über Endnoten. Kein "Blabla" ins Blaue hinein, sondern harte Fakten, für jeden nachvollziehbar!
Der Autor ist Soziologe und lässt seine Forschungen in "Schamland" einfliessen.
Die Gliederung kann mit geistreichen Kapitelüberschriften ("Trostbrot") und kleinen Unterkapiteln überzeugen.

Für eine fast wissenschaftliche Publikation ist "Schamland" ferner extrem gut lesbar! Manchmal quält man sich durch Fachliteratur und Sachbücher ob des knochentrockenen Stils nur so durch. Nicht so hier! Der Autor schreibt pointiert, scharfsinnig und anschaulich.

Ich muss gestehen, dass ich über die "Tafeln" vor der Lektüre ein unkritisches, von Hochglanzmedien und "Charity Ladies" geprägtes Bild hatte.
Selke jedoch stellt den Nutzen der "Tafeln" infrage und zeigt auf, dass diese zu einem System der "Armutsökonomie " gehören. Anhand von Fallbeispielen aus der Feldforschung zeigt er auf, dass in der reichen Industrienation Deutschland mitnichten nur der "Pöbel" arm ist & zur "Tafel" geht: Da gibt es das Studentenpärchen, die Dialysepatientin und auch das ehemalige Unternehmerpärchen, das einst periodisch zum Skilaufen in die Schweiz fuhr, um im Alter mangels Einzahlungen quasi am Hungertuch zu nagen.
Selkes Kernthese besagt, dass das System der "Tafeln" primär sich selbst dient - eine These, die mir einleuchtend erscheint.
Schleichend ist dabei der Prozess, der Aufwendungen der öffentlichen Hand zunehmend privatisiert. Eine Amerikanisierung der Verhältnisse ?

Der Autor behält jedoch durchaus einen scharfen Blick und verfällt nie in Schwarzweissmalerei. Er zeigt auf, mit welchen Mechanismen Armut eher verschlimmert als gemildert wird. Und er redet Tacheles : Armut betrifft mittlerweile alle Gesellschaftsschichten(besser gesagt: auch ehemals scheinbar "krisenfeste" Schichten), Armut generiert Scham.
Selkes Interviewpartner berichten mehr oder weniger einhellig davon, wieviel Überwindung sie der Gang zur "Tafel" kostete und dass sie mit "denen da" eigentlich nicht sprechen wollten. Arm, das seinen die "Anderen". Nur mittels dieser Selbsttäuschung lasse sich ein positives Selbstbild und ein letzter Rest Würde aufrecht erhalten.

Ich muss sagen, dass ich während der Lektüre teils recht überrascht war, da mir viele Sachverhalte unbekannt waren. Vor dem "Umbau" der Republik kann jedoch niemand die Augen verschliessen. Auch ich kann es nicht glauben, dass es in einem Industrieland Kinderarmut (!) gibt.
Der Wissenschaftler Selke stellt seine Erkenntnisse löblicherweise in Buchform der ganzen deutschen Gesellschaft zur Verfügung. Akademischer Elfenbeinturm? Nicht bei Selke! Ich hoffe nur, dass seine Ausführungen Gehör - sprich Leser - finden werden.
Ein wenig schade finde ich, dass ein vergleichsweise "enges" Themengebiet behandelt wird, denn der Autor hat die seltene Gabe, komplexe Phänomene auch dem Laien (Soziologie ist nicht mein metier) verständlich zu erklären.
Ich hoffe, dass "Schamland" viele Leser finden wird, und dass die Diskussion darüber breit geführt werden wird; nicht nur in Fachkreisen oder im Feuilleton.

Veröffentlicht am 18.03.2017

Der Sonne entgegen...

Im Zweifel südwärts
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...fahren Betty, Daphne und Lucy in einem VW - Bus. Mit an Bord: eine Hochzeitstorte und jede Menge mixtapes! Über Belgien und Frankreich geht es nach Spanien und Portugal. Die Protagonistin Daphne denkt ...

...fahren Betty, Daphne und Lucy in einem VW - Bus. Mit an Bord: eine Hochzeitstorte und jede Menge mixtapes! Über Belgien und Frankreich geht es nach Spanien und Portugal. Die Protagonistin Daphne denkt dabei über ihre Beziehung nach: Von den Schmetterlingen ist nicht viel geblieben, vor lauter Arbeit sieht sie ihren Freund gar nicht mehr, und die Wohnung tapeziert sich auch nicht von alleine...

Auf ihrem Trip in den Süden erleben die 3 Freundinnen jede Menge Abenteuer, die mich zum Schmunzeln gebracht haben. Wer aber ein Gagfeuerwerk erwartet, ein Buch, in welchem ein Lacher den nächsten jagt, wird mit "Im Zweifel südwärts" wenig anfangen können. Für einen Roman, der der Sparte "Frauenliteratur" zugeordnet wird, ist das Buch nämlich recht tiefgründig.

Ich konnte die Gedanken und Aussagen der Protagonistinnen oft sehr gut nachvollziehen.
Handwerklich gibt es an dem Roman absolut nichts auszusetzen - die Figuren sind nicht oberflächlich charakterisiert, sondern "runde" Charaktere. Oft hat man es bei chicklit ja eher mit Typen als mit Figuren zu tun.

Sehr gut gefallen hat mir ausserdem die Tatsache, dass hier komplett auf Schleichwerbung und die Glorifizierung von Konsum verzichtet wird. Hier werden nicht die Ipods gezückt, nein, es kommen mixtapes zum Zug. Auch gibt es kein shop 'til you drop, es wird nicht ständig Prosecco getrunken und es gibt auch keinen Märchenprinzen auf dem weissen Pferd.
Geschickt umschifft die Autorin die meisten genretypischen Klischees - die Mädels sind weder Superweiber noch schusselige girlies. Den Roman kann man flott und zügig lesen, dabei gleitet die Handlung aber nie ins Seichte ab. Nur gegen Ende zieht sich die Erzählung ein wenig in die Länge. Fantastisch ist die subtile Beschreibung der Kraft von wahrer Freundschaft. Während der Lektüre sind mir die Hauptfiguren ans Herz gewachsen - ich freue mich schon auf eine Fortsetzung.
Stilistisch gibt es nichts zu meckern, der Roman ist definitiv einer der besseren im chicklitgenre. Der plot ähnelt nicht einem Märchen.

Der Titel und die optische Aufmachung des Romans passen wunderbar zum Inhalt des Romans, endlich mal kein quietschrosa Cover.

Das Buch hat meine Erwartungen übertroffen,
und so kann ich guten Gewissens
5 verdiente Sterne vergeben.

Veröffentlicht am 18.03.2017

Hoffentlich schenkt er mir was Schönes!

Hoffentlich schenkt er mir was Schönes!
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Das denken und hoffen viele Frauen.

Trotz Women's Lib, Alice Schwarzer und Emanzipationsbewegung - tobt noch immer der Geschlechterkampf ?
Protagonistin Line hat kein Glück in der Liebe - Freund Philipp ...

Das denken und hoffen viele Frauen.

Trotz Women's Lib, Alice Schwarzer und Emanzipationsbewegung - tobt noch immer der Geschlechterkampf ?
Protagonistin Line hat kein Glück in der Liebe - Freund Philipp hat sie verlassen, und sie muss mit Ü30 wieder von vorne anfangen.

Also stürzt sie sich auf der Suche nach einem Mann mit ihrer besten Freundin Mel ins Getümmel.
Mel ist eigentlich glücklich mit Karl. Aber ist Karl nicht eigentlich zu nett?
Männer, Frauen, Dating, die Suche nach dem Glück, Jugendwahn und Konkurrenzdenken: Camilla Bohlander hat einen Frauenroman geschrieben, der vor sarkastischem Humor strotzt und in keiner Weise die üblichen chicklit - Klischees bedient:

"Wir Frauen um die dreißig machen uns unseren Kampf halt selbst.[...]
Wir haben eine gemütlich eingerichtete Wohnung und Freunde, die sämtliche Freuden des Lebens mit uns teilen.
Aber dennoch verspüren wir eine Leere."

Wer locker-leichte Frauenunterhaltung mit Happy End erwartet, der wird vom Roman enttäuscht sein.
Der Roman ist nicht immer leichte Kost, denn es brodelt. Line ist eine angry young woman, und auch die Freundschaft zu Mel ist nicht frei von Problemen - Konkurrenzdenken auch hier.

Die Figur Line entwickelt sich jedoch im Laufe des Romans, und das Ende bleibt offen...

Der Roman "Hoffentlich schenkt er mir was Schönes!" bietet keine Patentlösungen an.
Vielmehr ist er ein Kommentar zum "Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit" (um ein Filmzitat zu bemühen).
Das Streben nach Glück wird thematisiert, Selbsttäuschung, falsche Erwartungen und Konformitätsdruck. Und doch wendet sich am Ende eigentlich alles zum Guten, obschon nicht der Prinz auf dem weissen Pferd angetrabt kommt...

Anfangs hatte ich meine Schwierigkeiten mit dem Roman, doch dann gefiel mir die story . Stil und Sprache sind etwas gewöhnungsbedürftig, passen aber zur message und zum setting der Geschichte.
Die Hauptfigur wächst am Ende über sich selbst hinaus, und das offene Ende lässt noch Platz für einen Folgeband, den ich durchaus lesen würde.

Veröffentlicht am 18.03.2017

Benjamin Button und das Süßkind

Warte auf mich
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Optik:

Die optische Gestaltung des Romans gefällt mir ausgesprochen gut, die
Blautöne des Covers, das Lesebändchen.

Inhalt:

Ein Verleger erhält anonym das Manuskript eines Patchworkromans zugespielt, ...

Optik:

Die optische Gestaltung des Romans gefällt mir ausgesprochen gut, die
Blautöne des Covers, das Lesebändchen.

Inhalt:

Ein Verleger erhält anonym das Manuskript eines Patchworkromans zugespielt, mit dem Hinweis, er möge es lesen.

Auf der Jubiläumsfeier eines Verlages lernen sich der 55-jährige Phillipp und Miriam kennen, die um die 30 ist.
Er schreibt Historienromane, sie ist im Genre der Gegenwartsliteratur zu Hause.
Anfangs hält Miriam den älteren Mann für arrogant, doch beide stürzen sich in eine Affäre, obwohl Phillipp verheiratet ist und eine Tochter hat...

Gehalt:

Beworben wird der Roman mit dem Schlagwort "amour fou", und daher hatte ich auch erwartet, etwas über eine "amour fou" zu lesen.
Leider konnte der Roman meine Erwartungen nicht ganz erfülllen, obwohl ich mich wirklich sehr auf die Lektüre gefreut hatte.

Es gibt zwar die klassischen Zutaten - verbotene Liebe und so weiter - aber es mangelt dem Buch an literarischer und psychologischer Raffinessse, obschon sich die tangierten Themen - Kinderwunsch, midlifecrisis, Doppelleben wirklich für eine tiefgründige Analyse anbieten.
Vieles wird nur oberflächlich behandelt, und leider schwankt der Roman stellenweise zwischen Pathos und Trivialem, schrammt stellenweise haarscharf am Klischee vorbei.

Stil & Sprache:

Der Roman liest sich ausgesprochen flüssig und ist nicht schlecht geschrieben, mit alternierenden Perspektiven ausgestattet.
Social Media meets Musik: Durch die Einbindung von modernen Kommunikationsmitteln und den Einsatz von Liedern zur Illustration von Gefühlen erhält das Geschehen einen modernen, "zeitgeistigen" Anstrich.
Dieser Eindruck wird aber durch die Verwendung von gewissen Kosenamen abgeschwächt.

Struktur und Aufbau:

Handwerklich ist der Roman wirklich gut geschrieben, nur das Ende wirkte auf mich ein wenig gehetzt und die Figurenzeichnung hätte etwas mehr Tiefe vertragen.

Mein Fazit:

Leider konnte der Roman meine Erwartungen nicht ganz erfüllen. Zwar ist er grundsolide geschrieben, aber aus dem "Stoff" hätte man viel, viel mehr machen können, viel Potential bleibt leider ungenutzt!

Trotzdem ist es kein schlechtes Buch.

Da aber viele Themen nur angerissen und nicht erörtert werden, bleibt es letztlich bei der Chronik einer Affäre.
Ich vergebe 3,5 - 4 Sterne.

Veröffentlicht am 18.03.2017

Ziemlich bester Kitsch

Ein ganzes halbes Jahr
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Das Positive zuerst: Den Roman hatte ich in weniger als 1 Woche ausgelesen, man kann ihn flugs 'runterlesen.

Die Optik des Buches ist auch OK.

ABER: Jojo Moyes Roman konnte mich leider nicht begeistern. ...


Das Positive zuerst: Den Roman hatte ich in weniger als 1 Woche ausgelesen, man kann ihn flugs 'runterlesen.

Die Optik des Buches ist auch OK.

ABER: Jojo Moyes Roman konnte mich leider nicht begeistern. Meines Erachtens ist ihr Roman sehr stark vom frz. Filmhit "Intouchables" inspiriert.

Ich habe das Buch gelesen und den Film gesehen. Wie Driss/Abdel ist Lou aus sozial schwachen Verhältnissen, wie Phillippe Pozzo di Borgho ist Will ein Upper -Class -Sprössling, der bereits in jungen Jahren Karriere gemacht hat, eine Firma leitet, wie Phillippe ist Will sportbegeistert, kultiviert, er ist garstig zu Lou wie Phillippe es zu Driss ist... das müssten schon sehr viele Zufälle sein . Es ist das Gleiche in grün, imho. Natürlich entwickelt sich das Ganze dann anders, aber erst im letzten Drittel des Buches. Aber das "Grundgerüst" ist mehr als ähnlich - mangelnde Originalitaet. Wirklich innovativ wäre es gewesen,mal einen Roman über einen nicht so reichen Tetraplegiker zu schreiben, der sich vllt noch mit der Finanzierung, Pflegedienst, Pflegestufe herumschlagen muss, zusätzlich zu den gesundheitlichen Problemen.
Auch finde ich es von der Autorin stilistisch unelegant, explizit auf "Pygmalion" bzw "My Fair Lady" zu verweisen; es ist sowieso ersichtlich und in diesem Sinne fast ein Pleonasmus.

Die Figuren sind auch nicht gut ausgearbeitet - Lous Familie ist das wandelnde working-class-Klischee (nebst ungewollter Schwangerschaft Katrinas), Wills Familie ein upper class -Klischee.

Auch fand ich Lous Entwicklung nicht glaubhaft. Sie verhält sich unverantwortlich, als sie einmal 2 Tage lang nicht den Kathether wechselt. Überhaupt dieser Strang - Will erklärt der Frau die Welt und sie wird durch ihn ein anderer Mensch...ihr Missbrauch ist nach ein paar weisen Worten Wills sogleich verarbeitet... das ist alles so flach.

Lou zieht sich nicht flippig an, weil sie es mag, sondern um das Interesse von Männern nicht zu erregen und weil sie denkt, etwas Farbe in ihr Kleinstadtleben zu bringen. Ihr Freund ist ein tumber Sportler (hint: Gegenentwurf).

Als dann endlich die angekündigte Liebesgeschichte beginnt, ist es schlimmster Kitsch. Sorry. Man fliegt nach Mauritius und überhaupt ist alles ein Traum in weiss und blau.
Ich dachte - was soll das sein, "Salz auf unserer Haut" ?
Aber es kommt, wie es kommen muss.... und Lou wird zur Kunststudentin, die mit Stipendium (natürlich) und Erbschaft in Paris sitzt.

Es hat mich sehr verwundert und auch gestört, dass die Autorin so sehr in Richtung pro Sterbehilfe argumentiert, als wolle sie ein Tabu brechen, das keines mehr ist. Immer wieder beschwört sie die Ausweglosigkeit von Wills Situation, alle Probleme.

Mir war das zu einseitig und vieles fand ich sehr oberflächlich dargestellt.

Fazit: Don't believe the hype. Mich konnte der Roman leider nicht überzeugen.