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Veröffentlicht am 11.02.2020

Schöner Schmöker

Alchimie einer Mordnacht
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Ich finde die Habsburgermonarchie („Du, glückliches Österreich, heirate!“) als Gegenstand der historischen Forschung sehr spannend. Denn sie umfasst mehr als den Sisi – Mythos. Daher war für mich klar, ...

Ich finde die Habsburgermonarchie („Du, glückliches Österreich, heirate!“) als Gegenstand der historischen Forschung sehr spannend. Denn sie umfasst mehr als den Sisi – Mythos. Daher war für mich klar, dass ich diesen historischen Krimi unbedingt lesen möchte. „Alchimie einer Mordnacht“ ist ein richtig schöner Schmöker für lange Herbstabende, ein Krimi vor historischem Hintergrund, eine Coming – of – Age – Erzählung mit bewährten und beliebten Stilmitteln ( ein alter Mann blickt auf sein Leben zurück, direktes Ansprechen des Lesers), die der Autor jedoch so geschickt einsetzt, dass es nicht langweilt.

Worum geht’s ?

Wir schreiben das Jahr 1599. Christian Stern, Sohn des Fürstbischofs, kommt als uneheliches Kind zu Pflegeeltern, die ihn schlagen und züchtigen, da sie ihn für "sündhaft" halten. Christian, der den Nachnamen seiner Pflegeeltern, die ein Entgelt für seine Erziehung erhalten, trägt, ist jedoch ein kluger Kerl, der sich an der Universität Würzburg schnell einen Namen macht. Er hofft, an den Hof des Monarchen zu gelangen, der Koryphäen wie Kepler und Brahe beherbergt. Doch just nach seiner Ankunft in Prag stößt Stern, der mit einem "alten Soldaten" aus einer Kneipe nach draußen geht, auf eine weibliche Leiche, die gut gewandet ist und eine auffällige Goldkette trägt. Die Wächter, denen Stern Bescheid gibt, halten die Tote indes für eine "Metze". Doch es handelt sich bei der Toten um die sechzehnjährige Aristokratin Magdalena. Stern wird schnell zum Verdächtigen. Als sogar der Kaiser auf ihn aufmerksam wird und Christian zum Spielball der Intrigen bei Hofe wird, beginnt der Alchimist um sein Leben zu fürchten…
Stilistisch ist der historische Roman gut ausgearbeitet worden. Der Ich - Erzähler führt den Leser so gekonnt durch die Goldene Stadt, dass er alles plastisch vor Augen hat, sogar den "Gestank", der die "Osmanen vertrieben hätte". Eigentlich bin ich von historischen Romanen schnell gelangweilt, da sie oft bestimmten Schemata zu folgen scheinen und kitschig geschrieben sind. Doch „Alchimie einer Mordnacht“ ist kein ahistorischer Schund. Man merkt während der Lektüre, mit welcher Begeisterung der Autor seinen Stoff verarbeitet hat, denn es gibt detailverliebte Beschreibungen von Land und Leuten, sodass der Kriminalfall fast zur Nebensache wird, was mich aber nicht gestört hat. Es gibt Längen in der Erzählung, trotzdem muss ich sagen, dass der Roman aufgrund der beeindruckenden Rechercheleistung und der differenzierten Figurenzeichnung des Autors in meinen Augen ganz klar fünf Sterne verdient hat. Der ehrgeizige Christian platzt als junger Mann schier vor Selbstbewusstsein und vermag es bei aller Klugheit doch nicht, die Protagonisten bei Hofe richtig einzuschätzen. Rudolf II, ein launischer Exzentriker, ist eine tolle Figur! Mir hat die Lektüre trotz kleiner Schwächen viel Freude bereitet, denn der Aufbau des Romans ist nicht vorhersehbar. Man muss sich nur auf die Geschichte einlassen.

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Veröffentlicht am 11.02.2020

Leiche im Gepäck

Rückwärtswalzer
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Gerne empfehle ich diesen Roman zur Lektüre. Die Österreicherin Vea Kaiser ist Spezialistin für skurrile, kluge Geschichten. Nach ihrem Erstling „Blasmusikpop …“ und dem zweiten Roman „Makarionissi“ präsentiert ...

Gerne empfehle ich diesen Roman zur Lektüre. Die Österreicherin Vea Kaiser ist Spezialistin für skurrile, kluge Geschichten. Nach ihrem Erstling „Blasmusikpop …“ und dem zweiten Roman „Makarionissi“ präsentiert sie nun mit „Rückwärtswalzer“ ihr drittes Werk, und was soll ich sagen, es ist wieder ein gelungenes Werk, ein schwarzhumoriger Familienroman. Sprachlich und stilistisch bewegt sich Kaiser auf hohem Niveau, ich mochte besonders die Austriazismen und man merkt, dass ihr das Studium der Geisteswissenschaften zugute kommt. Wendungen wie „Ist der Patriarch orthodox“ lassen an den Ausspruch „Ist der Papst katholisch“ denken.
Auch inhaltlich kann „Rückwärtswalzer“ überzeugen, obwohl das Element „Roadtrip-mit- Leiche“ in Film und Literatur schon oft strapaziert worden ist, etwa auch im serbischen Film „Frozen Stiff“aus dem Jahr 2002 (Zwei Brüder schmuggeln die Leiche ihres Großvaters im Zug aus Belgrad an den Bestattungsort ). Aber ist nicht Kunst letztendlich Recycling, Sampling. Zitieren ist schliesslich erlaubt, und Kaiser baut Erzählelemente ein, die bewusst an angloamerikanische Schriftsteller- Kollegen denken lassen.

Zum Inhalt:
Die Handlung beginnt zunächst in Wien. Einer der Protagonisten ist Lorenz. Er ist Schauspieler und mit der Miete im Rückstand, es ist fraglich, ob er seine schicke Wohnung in einem angesagten Wiener Bezirk halten können wird, denn seine Freundin weilt im fernen Heidelberg (bei den Piefkes), wo sie an der Universität arbeitet. Abgesehen von der finanziellen Unterstützung fehlt Lorenz auch der emotionale Rückhalt, ohne seine Liebste, Stephi, fühlt er sich wie ein „losgelassener Heliumballon“ ohne Bodenhaftung. Mit der Hoffnung auf ein Mittagessen besucht Lorenz eines Tages Verwandte, die Familie Prischinger, die Tanten Mirl, Hedi und Wetti. Vea Kaisers Roman ist gespickt mit skurrilen Figuren, ganz nebenbei ist es auch ein Buch über Emigration und Immigration, ein Mann, der „Bilanzbuchalter in Bosnien“ war, arbeitet in Österreich als Taxifahrer, vermutlich ist sein Diplom in der neuen Heimat wertlos. Als Lorenz bei der Familie ankommt, holt die bittere Realität ihn in Form von Onkel Willi ein. Dieser stammt aus Montenegro, einer ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik. Seit 40 Jahren lebt Willi „ohne Akzent“ im Alpenstaat und er ist vollständig assimiliert, nur das rollende R verrät seine Herkunft, außerdem ist er ein begeisterter Anhänger des exjugoslawischen Präsidenten (Josip Broz „Marschall“) Tito. Willi, ganz Realist, sagt, dass Lorenz ja an der Schwimmbadkasse jobben könne, was Lorenz jedoch vehement ablehnt. Einmal Künstler, immer Künstler!
Aber auch Willi hat so seine Probleme, er konnte zum Beispiel seine Tochter, eine militante Veganerin, nicht zum Altar führen, und das fuchst ihn ungemein. Die Geschichte der Familie Prischinger wird im Roman bis in die fünfziger Jahre hinein „aufgedröselt“.
Kaisers Roman ist einerseits ein Kommentar zum Zeitgeist und andererseits eine Liebeserklärung an Wien, das vor dem „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutschland eine blühende Filmindustrie hatte – viele österreichisch – jüdische Künstler, etwa Billy Wilder, fanden eine neue Heimat in den USA, ein neues Betätigungsfeld in Hollywood.
Als Onkel Willi unerwartet stirbt, ist guter Rat teuer – eine Überführung ist teuer, und so macht sich Familie Prischinger sozusagen mit Leiche im Gepäck auf nach Montenegro, um dem Toten seinen letzten Wunsch zu erfüllen, und Lorenz lernt auf der Reise, dass Blut dicker als Wasser ist…

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Veröffentlicht am 11.02.2020

Violets Geschichte

Violet
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Ein auktorialer Erzähler führt durch das Geschehen:

Wir schreiben das Jahr 1932. Violet Speedwell ist quasi eine“ überflüssige“ alte Jungfer, eine Frau, die in der Katastrophe des Ersten Weltkrieges ihre ...

Ein auktorialer Erzähler führt durch das Geschehen:

Wir schreiben das Jahr 1932. Violet Speedwell ist quasi eine“ überflüssige“ alte Jungfer, eine Frau, die in der Katastrophe des Ersten Weltkrieges ihre Liebsten und ihren Liebsten verlor. Frauen wie Violet sind im Nachkriegsengland gefürchtet, und man bemitleidet sie auch. Violet will nicht bis ans Ende ihrer Tage bei ihrer alten, verbitterten Mutter wohnen. Also macht sie sich auf nach Winchester. Ihre Arbeit ist nichts Besonderes, aber Erfüllung findet sie im Stickerinnenkreis von Winchester – die Frauen fertigen Kissen für die Kathedrale an. Violet schöpft neuen Lebensmut, doch der zweite Weltkrieg wirft seine Schatten voraus…

Ich habe den Roman „Violet“ von Tracy Chevalier sehr gerne gelesen, da mich das Schicksal der Protagonistin berührt hat. Die Autorin verzichtet auf großes Getöse, sie entwirft eine Geschichte der leisen Töne. Es ist auch eine Erzählung von Emanzipation und Freundschaft. Es mag Längen in der Geschichte geben, aber mich hat das nicht gestört.

In unserer schnelllebigen Zeit ist „Violet“ genau das Richtige, um innezuhalten.

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Veröffentlicht am 11.02.2020

Raffinierte Wendungen

Der Abgrund in dir
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"Der Abgrund in Dir“ ist ein toller Roman. Ein auktorialer Erzähler führt uns durch das Geschehen, und als Leser folgen wir der Protagonistin Rachel Childs, die vordergründig das perfekte Leben führt. ...

"Der Abgrund in Dir“ ist ein toller Roman. Ein auktorialer Erzähler führt uns durch das Geschehen, und als Leser folgen wir der Protagonistin Rachel Childs, die vordergründig das perfekte Leben führt. Der Ehemann ein Beau, die Ehe frei von finanziellen Sorgen. Weshalb also tötet Rachel ihren Geliebten? Wieso erschießt sie ihren Mann?
Wir erfahren, dass Rachel eigentlich ein gebranntes Kind ist - aufgewachsen ist sie mit einer dominanten und herrschsüchtigen Mutter, über ihren biologischen Vater erfuhr sie nie etwas, die Mutter hütete den Namen von Rachels Erzeuger wie ein Staatsgeheimnis. Kein Wunder, dass Rachel als Erwachsene unter zahlreichen Störungen und Neurosen leidet…und als sie glaubt, dass sich ihr Leben endlich zum Guten gewendet hat, kommt sie einer unglaublichen Verschwörung auf die Spur …

Ich bin ein großer Fan von Dennis Lehane. Ich liebe die Verfilmungen seiner Werke, „Shutter Island“ mit Leonardo di Caprio ist einer meiner Lieblingsfilme, wobei ich sagen muss, dass die literarische Vorlage noch besser ist als die Adaptation für den Bildschirm.
Auch das neueste Werk Lehanes beweist, dass der Autor ein Meister des raffinierten plots und der unvorhergesehenen Wendungen ist. Die Protagonistin Rachel ist eine facettenreiche Figur, mit der ich richtig mitgelitten habe. Man kann natürlich argumentieren, dass das, was ihr passiert, absurd ist, aber ist nicht Lehane in Teilen nah dran an der Lebenswirklichkeit vieler Menschen (natürlich überspitzt) ? Wie heisst es doch so schön – only life can be stranger than fiction.
„Der Abgrund in dir“ ist ein klasse Thriller, der mich bestens unterhalten hat. Vom eigentlichen Handlungsverlauf will ich an dieser Stelle nicht viel verraten, um potentiellen Lesern nicht das Vergnügen zu verderben. Nur soviel: Mich hat neben dem plot auch die handwerkliche Umsetzung überzeugt. Denis Lehane versteht es, den Leser zu fesseln. Sukzessive wird eine schier unglaubliche story enthüllt.
Als Lehane – Fan kann ich gar nicht anders, als das Buch zur Lektüre zu empfehlen.
Der klug geplottete Thriller erhält von mir die volle Punktzahl.

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Veröffentlicht am 29.10.2019

Die Morde von Whitechapel

Hurenmord - Die Rose von Whitechapel
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„Hurenmord “ ist ein historischer Roman, der im Kern eine Interpretation der Whitechapel – Morde von 1888 ist.
Die bestialischen Morde an Prostituierten, die eigentlich nie aufgeklärt wurden, regen bis ...

„Hurenmord “ ist ein historischer Roman, der im Kern eine Interpretation der Whitechapel – Morde von 1888 ist.
Die bestialischen Morde an Prostituierten, die eigentlich nie aufgeklärt wurden, regen bis heute die Phantasie von Geschichtenerzählern an. Daher ist es kaum verwunderlich, dass „Jack the Ripper“ Gegenstand fiktionaler (filmischer und literarischer) Adaptionen wurde (man denke etwa an den Film ‚From Hell‘).
Der Stoff rund um den Frauenmörder ist bereits unzählige Male verarbeitet worden.
Tabea Koenig legt mit „Hurenmord“ ihre Theorie vor.
Der Roman ist der zweite Teil einer Reihe, man kann ihn jedoch prima als stand alone lesen.

Worum geht’s?
- Eine ehemalige Prostituierte leitet ein Frauenhaus im viktorianischen London. Die Witwe wird aus ihrer Trauer gerissen, als ihre Schützlinge grausam ermordet werden.
Auch die Londoner Polizei steht unter Druck, die Öffentlichkeit will Resultate sehen: Wer ist Jack the Ripper?

Der Roman ist unglaublich spannend, ich habe mich während der Lektüre nie gelangweilt. „Hurenmord“ ist ein gelungener Mix, die Figuren sind sympathisch und „rund“. Als Leser bekommt man Einblick in das Privatleben der Charaktere, und auch die Ermittlungsarbeit der Polizei wird geschildert. Viele kleine Details machen das viktorianische London wieder lebendig, auch wenn man vielleicht sagen könnte, dass das Frauenhaus „Renfield Eden“ ein ahistorisches Konstrukt ist. Es gab aber um 1880 Armenhäuser und Suppenküchen. Am besten gefiel mir die Sozialkritik im Roman: Tabea Koenig zeigt, dass Frauen und Kinder das schwächste Glied der Gesellschaft waren. Auch „ehrbare“ Frauen konnten schnell ins soziale Abseits gelangen. Fabrikarbeiter, Tagelöhner, Streichholzverkäufer und Prostituierte – sie alle gehörten zum Immigrantenviertel Whitechapel.
Wohnraum war knapp – es gab sogar „Stehschläfer“ (Vgl. „Bettgänger“), dies wusste ich vor der Lektüre von „Hurenmord“ gar nicht.
Obwohl ich den ersten Teil der Reihe nicht kenne, hatte ich keine Verständnisschwierigkeiten, ich habe aber direkt Lust bekommen, auch den Reihenauftakt zu lesen, weil mich „Hurenmord“ so gefesselt hat. Manche Formulierungen haben mir jedoch nicht gefallen, weniger Pathos hätte ich mir an manchen Stellen gewünscht. Auch habe ich mich während der Lektüre gefragt, ob man im viktorianischen London schon ein Bewusstsein für die Schädlichkeit mancher Handlungen hatte.
Eine Liebesgeschichte wird mit einer Krimihandlung verwoben, als Leser leidet man förmlich mit den Figuren. Anders als andere Autoren romantisiert die Autorin die Armut der Frauen (ergo die Prostitution) nie. Die Protagonistinnen sind keine Objekte; insofern ist der Titel „Hurenmord“ irreführend. Man sollte sich nicht vom Titel abschrecken lassen, der Roman ist kein sensationslüsterner Histo – Trash. Ich mag den Untertitel lieber! Besonders gefreut habe ich mich übrigens über das Nachwort, das absolut lesenswert und sehr informativ ist.


Fazit:
„Hurenmord – die Rose von Schottland“ ist ein richtig schöner Schmöker, der spannende Lesestunden garantiert und auch was für’s Herz bietet. Man muss jedoch bereit sein, sich auf das Genre einzulassen. Auf eine interessante Exposition folgt ein Hauptteil, der es in sich hat, die Spannung lässt bis zum spektakulären Showdown nicht nach.
Die Erzählung hat mich richtig gut unterhalten, ich hatte vor der Lektüre gar nicht damit gerechnet, ich hatte einfach nur Lust auf eine story vor viktorianischem Hintergrund.
Trotz aller Kritikpunkte vergebe ich daher die volle Punktzahl für diesen tollen Roman. Band eins und Band drei stehen schon auf meiner Wunschliste!