„Hurenmord “ ist ein historischer Roman, der im Kern eine Interpretation der Whitechapel – Morde von 1888 ist.
Die bestialischen Morde an Prostituierten, die eigentlich nie aufgeklärt wurden, regen bis heute die Phantasie von Geschichtenerzählern an. Daher ist es kaum verwunderlich, dass „Jack the Ripper“ Gegenstand fiktionaler (filmischer und literarischer) Adaptionen wurde (man denke etwa an den Film ‚From Hell‘).
Der Stoff rund um den Frauenmörder ist bereits unzählige Male verarbeitet worden.
Tabea Koenig legt mit „Hurenmord“ ihre Theorie vor.
Der Roman ist der zweite Teil einer Reihe, man kann ihn jedoch prima als stand alone lesen.
Worum geht’s?
- Eine ehemalige Prostituierte leitet ein Frauenhaus im viktorianischen London. Die Witwe wird aus ihrer Trauer gerissen, als ihre Schützlinge grausam ermordet werden.
Auch die Londoner Polizei steht unter Druck, die Öffentlichkeit will Resultate sehen: Wer ist Jack the Ripper?
Der Roman ist unglaublich spannend, ich habe mich während der Lektüre nie gelangweilt. „Hurenmord“ ist ein gelungener Mix, die Figuren sind sympathisch und „rund“. Als Leser bekommt man Einblick in das Privatleben der Charaktere, und auch die Ermittlungsarbeit der Polizei wird geschildert. Viele kleine Details machen das viktorianische London wieder lebendig, auch wenn man vielleicht sagen könnte, dass das Frauenhaus „Renfield Eden“ ein ahistorisches Konstrukt ist. Es gab aber um 1880 Armenhäuser und Suppenküchen. Am besten gefiel mir die Sozialkritik im Roman: Tabea Koenig zeigt, dass Frauen und Kinder das schwächste Glied der Gesellschaft waren. Auch „ehrbare“ Frauen konnten schnell ins soziale Abseits gelangen. Fabrikarbeiter, Tagelöhner, Streichholzverkäufer und Prostituierte – sie alle gehörten zum Immigrantenviertel Whitechapel.
Wohnraum war knapp – es gab sogar „Stehschläfer“ (Vgl. „Bettgänger“), dies wusste ich vor der Lektüre von „Hurenmord“ gar nicht.
Obwohl ich den ersten Teil der Reihe nicht kenne, hatte ich keine Verständnisschwierigkeiten, ich habe aber direkt Lust bekommen, auch den Reihenauftakt zu lesen, weil mich „Hurenmord“ so gefesselt hat. Manche Formulierungen haben mir jedoch nicht gefallen, weniger Pathos hätte ich mir an manchen Stellen gewünscht. Auch habe ich mich während der Lektüre gefragt, ob man im viktorianischen London schon ein Bewusstsein für die Schädlichkeit mancher Handlungen hatte.
Eine Liebesgeschichte wird mit einer Krimihandlung verwoben, als Leser leidet man förmlich mit den Figuren. Anders als andere Autoren romantisiert die Autorin die Armut der Frauen (ergo die Prostitution) nie. Die Protagonistinnen sind keine Objekte; insofern ist der Titel „Hurenmord“ irreführend. Man sollte sich nicht vom Titel abschrecken lassen, der Roman ist kein sensationslüsterner Histo – Trash. Ich mag den Untertitel lieber! Besonders gefreut habe ich mich übrigens über das Nachwort, das absolut lesenswert und sehr informativ ist.
Fazit:
„Hurenmord – die Rose von Schottland“ ist ein richtig schöner Schmöker, der spannende Lesestunden garantiert und auch was für’s Herz bietet. Man muss jedoch bereit sein, sich auf das Genre einzulassen. Auf eine interessante Exposition folgt ein Hauptteil, der es in sich hat, die Spannung lässt bis zum spektakulären Showdown nicht nach.
Die Erzählung hat mich richtig gut unterhalten, ich hatte vor der Lektüre gar nicht damit gerechnet, ich hatte einfach nur Lust auf eine story vor viktorianischem Hintergrund.
Trotz aller Kritikpunkte vergebe ich daher die volle Punktzahl für diesen tollen Roman. Band eins und Band drei stehen schon auf meiner Wunschliste!