der Berg gibt - der Berg nimmt
Ghost MountainMir nichts, dir nichts, steht eines Tages mitten auf einer Wiese in einem Dorf irgendwo in Irland ein Berg.
Die Menschen des Ortes nehmen dieses Phänomen auf unterschiedliche Art und Weise auf, einige ...
Mir nichts, dir nichts, steht eines Tages mitten auf einer Wiese in einem Dorf irgendwo in Irland ein Berg.
Die Menschen des Ortes nehmen dieses Phänomen auf unterschiedliche Art und Weise auf, einige sind absolut begeistert, können vom Berg nicht genug bekommen, campen dort, umrunden und verehren ihn. Andere stehen dem Berg ablehnend gegenüber, betrachten ihn und den damit einhergehenden Kult argwöhnisch, setzen gar Gerüchte darüber in die Welt. Manche haben ein berufliches oder wirtschaftliches Interesse an Ghost Mountain.
All diese Menschen vereint, dass der Berg in vielerlei Hinsicht Einfluss auf ihr Leben nimmt.
Da ist die pensionierte Lehrerin Elaine, die am Berg ihren Hund verliert, im Laufe der Geschichte auf Dominic, den ehemals stadtbekannten Säufer trifft und so irgendwie ein anderes Glück findet. Ruth und Ocho wohnen ebenfalls in dem Dorf, stehen Ghost Mountain jedoch grundsätzlich verschieden gegenüber. Der Besitzer, auf dessen Grundstück der Berg plötzlich aufgetaucht ist, erlebt den Trubel gar nicht mehr, die Hoffnungen seines Sohnes, der nun zum Erben, Grundbesitzer und Verpächter wird, erfüllen sich nur bedingt.
Rónán Hession nimmt uns mit in ein Dorf voller normal-skurriler Menschen, lässt uns teilhaben an ihrer Erfahrung mit Ghost Mountain und erzählt eine Geschichte über Zweifel, Wünsche, Hoffnungen und Menschen, die einander begegnen, sich begleiten oder auch wieder verlieren und von einem einnehmenden Berg.
Im Klappentext heißt es:
„Wo zuvor nur Felder waren, steht eines Morgens ein Berg. Sein plötzliches Auftauchen verändert das Leben der umliegenden Gemeinde. Anhand eines Reigens ganz gewöhnlicher und doch einzigartiger Charaktere erkundet dieser feine Roman die Gipfel und Abgründe des menschlichen Daseins. Warmherzig, humorvoll, weise, zart und geradezu im Vorbeigehen macht er dabei ganze Welten auf.“
Es ist absolut richtig, dass Gipfel und Abgründe des menschlichen Daseins beschrieben werden, jedoch haben sich für mich die 350 Seiten mitunter zäh, oftmals wie eine nicht enden wollende Aneinanderreihung von Belanglosigkeiten angefühlt, die ab und an von radikalen Momenten unterbrochen werden.
Der rote Faden der Geschichte ist ersichtlich, die Verbindungen der Figuren nachvollziehbar und auch der feine Humor von Rónán Hession blitzt immer einmal wieder auf – sofern Warmherzigkeit in dem Roman vorhanden war, war mein Gefühlsradar dafür jedoch nicht sensibel genug eingestellt.
Wie auch in „Leonard und Paul“ spielt der Autor mit Sprache und jongliert brillant mit Wörtern. Mir gefallen die von ihm geschaffenen seltsamen Charaktere, wie er sie agieren lässt und den Lesenden mit in ihre Gedankenwelt nimmt. Es ist großartig, wie er die Geschichten seiner Figuren verknüpft, eigentümliche Momente als Normalität erscheinen lässt, selbst die Grundidee eines aus dem Nichts auftauchenden Berg ist klasse – und dennoch war das Buch für mich eine große Herausforderung und so sehr ich es unbedingt mögen wollte: der Zauber von Ghost Mountain hat mich leider nicht erreicht.
„Der Frau war das Herz so schwer, doch es fand sich niemand, der es wiegen wollte.“ (S.22) – so ähnlich fühlt sich das gerade für mich an…ich wollte es wirklich mögen.
Mit ist völlig klar, dass nicht jedes Buch wie „Leonard und Paul“ sein kann und es wäre auch sehr moderntalkig, wenn Rónán Hession nun laufend Geschichten über zwei gute Freunde schreiben würde. Vielleicht bin ich einfach mit einer zu großen oder falschen Erwartung an die Geschichte herangegangen, auf jeden Fall bin ich überzeugt, dass es Buchmenschen geben wird, die von dieser Erzählung begeistert sind – und das ist gut so.