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kerstin_aus_obernbeck

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Veröffentlicht am 07.10.2023

Ein grandioser Krimi

Mord auf der Insel Gokumon
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Jane Marple, Sherlock Holmes, Kalle Blomquist, Kosuke Kindaichi.
ähm…Kosuke wer?
Genau! Mir war dieser Name zuvor auch kein Begriff. Aber nun bin ich im #teamkosuke und begeistert von den Krimis von Seishi ...

Jane Marple, Sherlock Holmes, Kalle Blomquist, Kosuke Kindaichi.
ähm…Kosuke wer?
Genau! Mir war dieser Name zuvor auch kein Begriff. Aber nun bin ich im #teamkosuke und begeistert von den Krimis von Seishi Yokomizo, in denen Kosuke Kindaichi ermittelt.

September 1946, „Die rätselhaften Honjin-Morde“, der erste Fall von Kosuke Kindaichi liegen 9 Jahre zurück und kehrt aus dem Krieg zurück.
Auf dem Rückweg hat ihn sein Kriegskamerad und Freud Chimata Kito im Sterben liegend gebeten in seine Heimat, auf die Insel Gokumon zu reisen, um dort zu verhindern, dass seine 3 Halbschwestern ermordet werden.
Mit einem Empfehlungsschreiben an den Bürgermeister, den Arzt und den Priester der Insel reist Kosuke nach Gokumon, nicht wissend, was ihn dort erwartet.

Gokumon ist eine abgelegene Insel, die nur per Boot zu erreichen ist. Die Bewohner leben von der Fischerei und die Familie Kito betreibt den größten Fischereibetrieb, dessen Erbe Chimata gewesen wäre. Die Familienverhältnisse sind etwas wirr, neben seinem Cousin, der noch nicht aus dem Krieg zurück ist, sind die 3 Halbschwestern erbberechtigt. Ferner gibt es noch einen Seitenzweig der Familie Kito, der ebenfalls Anspruch auf eine Vormachtstellung auf Gokumon erhebt.

Bereits auf der Überfahrt trifft Kosuke den Priester und erhält die Möglichkeit, für die Zeit des Aufenthaltes bei ihm zu wohnen.
Auch wenn sich manche Bewohner ein wenig merkwürdig verhalten, Gokumon etwas weltfremd und realitätsfern erscheint, ist die Welt dort doch überwiegend in Ordnung und es scheint keine Gefahr für die Halbschwestern zu bestehen. Aber der Schein trügt, denn bald schon wird Hanako, die älteste Halbschwester, tot aufgefunden.

Ich habe bereits den 1. Fall von Kosuche Kindaichi gelesen und bin erneut total begeistert - dies ist ein richtig guter Krimi der allerbesten Sorte.
Ruhig und ausführlich wird der Lesende mit auf die Insel genommen, mit der Umgebung und den Menschen vertraut gemacht. Seishi Yokomizo erzählt wunderbar, spricht immer wieder die Leser*innen an und beschreibt lebhaft Land, Leute und Lebensart.
Die Lösung dieses Krimis ist raffiniert und absolut christie-like!

In dem Buch findet sich ein Personenregister, welches für mich recht hilfreich war. Ferner gibt es auch ein interessantes Glossar, dass dem Lesenden interessante Informationen gibt.

Große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 14.09.2023

ein berührender Roman

Sylter Welle
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Lore und Ludwig haben in ihrem Leben gern Urlaub gemacht, bevorzugt Camping und dies gern auch auf Sylt. Nun gehen beide auf die 90 zu, für einen vielleicht letzten Urlaub auf der Lieblingsinsel haben ...

Lore und Ludwig haben in ihrem Leben gern Urlaub gemacht, bevorzugt Camping und dies gern auch auf Sylt. Nun gehen beide auf die 90 zu, für einen vielleicht letzten Urlaub auf der Lieblingsinsel haben sie ein Apartment in der „Sylter Welle“ gemietet und ihren Enkel Max für das Wochenende eingeladen.
Eigentlich ist für Max alles wie immer - und doch ist vieles anders. Natürlich ist Oma Lore noch immer resolut und Opa Ludwig nimmt vieles mit einem Augenzwinkern, jedoch wird die Leichtigkeit der Ferien, der Eindruck der schieren Unendlichkeit, den die Sommerferien früher versprüht haben, bei diesem Besuch vermehrt und sehr intensiv von Veränderung und Endlichkeit abgelöst.

Gemeinsam verbringen sie ein Wochenende, reden und schweigen über vergangene Zeiten, leben im Hier und Jetzt und genießen das Beisammensein.

„Ich sehe die beiden vor mir, wie sie da so nebeneinanderhocken, und es ist beinahe unmöglich, mir vorzustellen, dass sie ja irgendwann einmal zwei völlig voneinander getrennte Leben geführt haben müssen.“ (S.128)

„Sylter Welle“ erzählt die Geschichte einer Familie, die auch meine Familie sein könnte – insbesondere die bisweilen spröde westfälische Herzlichkeit ist mir nicht fremd.
Ja, Kartoffeln sind solide und um eine Schramme am Knie macht man kein großes Gewese. Selbstverständlich sind Detmolder Landbier und Pickert eine Spezialität, zum Glück sind die Zeiten von „Bärenfang“ vorbei (ich habe mich extra bei meinen Eltern erkundigt)

Der Autor erzählt aus dem Leben von Lore und Ludwig, von ihren Kindern und Enkeln, als ob man sich schon ewig kennt. Eine Familie, die sich nicht durch inflationäre Zuneigungsbekundungen hervortut, die jedoch füreinander da ist; Freud, Leid und Veränderung miteinander teilt. Und Max Richard Leßmann formuliert ganz wunderbar die Empfindung, die mit der Erkenntnis der Endlichkeit einhergeht.

Ein wunderbarer, zwischenzeilig warmherziger Roman. Dieser Text voller Wärme, Zuneigung und Liebe hat mich sehr berührt.

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Veröffentlicht am 14.09.2023

Ein schwieriges Thema - eine schöne Geschichte

Elternhaus
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„Waren es immer die Kinder, die einem Elternhaus das Ende bereiteten? Es als unpraktisch und für seine Bewohner nicht mehr als zeitgemäß erklärten? Die Kinder, die dann schon lange keine Kinder mehr waren ...

„Waren es immer die Kinder, die einem Elternhaus das Ende bereiteten? Es als unpraktisch und für seine Bewohner nicht mehr als zeitgemäß erklärten? Die Kinder, die dann schon lange keine Kinder mehr waren und fortan damit leben mussten, ihren Eltern das Haus genommen zu haben. Und wie zur Strafe auch sich selbst das Elternhaus.“ (S299)

Das Buch erzählt von Sanne, Petra und Gitti – und von ihren Eltern und dem Elternhaus.
Das Haus, dass der Vater gebaut hat, mit dem Nussbaum im Garten. Das Haus, in dem sie aufgewachsen sind, mit dem sie viele schöne Erinnerungen verbinden. Aber diese Zeit ist lange vorbei. Die Schwestern sind inzwischen erwachsen. Gitti führt ein unkonventionelles Leben, Petra hat es beruflich in eine entfernte Stadt verschlagen, nur Sanne wohnt in der Nähe ihrer Eltern und führt ein Leben, von dem sie einst dachte, es würde ihren Wünschen und Vorstellungen entsprechen.

Der Kontakt der Geschwister untereinander ist dürftig. Gitti und Sanne haben sich zumindest noch ein wenig zu sagen. Petra ist außer Sichtweite und irgendwie auch aus dem Sinn. Sanne kümmert sich um die Eltern, denn diese sind nun in einem Alter, in dem sie bisweilen Unterstützung benötigen, die täglichen Aufgaben nicht mehr ganz allein bewältigt bekommen. Sanne unterstützt zunächst bestmöglich, beschließt dann aber, dass die Eltern das Haus aufgeben und in eine seniorengerechte Wohnung umziehen müssen. Von dieser Entscheidung sind jedoch nicht alle Beteiligten begeistert und jedes Familienmitglied geht unterschiedlich damit um.

„Elternhaus“ ist ein berührender Roman. Ute Mank versteht es hervorragend diese besondere Situation aufzugreifen und gefühlvoll zu beschreiben, wie die Familie die Veränderungen erlebt. Das Verhalten der handelnden Personen ist gut nachvollziehbar, sei es Sanne, die es „gut meint“, Petra, die den „Verlust“ des Elternhauses nicht versteht, aber auch die Eltern, die aus der vertrauten Umgebung herausgenommen werden.

Ein Buch zu einem nicht einfachen Thema. Gut erzählt und sehr gut lesbar.

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Veröffentlicht am 14.09.2023

Ein weiblicher Text - kraftvoll, aber auch irritierend

Ein Geist in der Kehle
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„Dies ist ein weiblicher Text“ – immer wieder findet sich dieser Satz in der Geschichte, die Doireann Ní Ghríofa in ihrem Buch „Ein Geist in der Kehle“ erzählt. Zu Beginn, zum Abschluss, in den Kapiteln ...

„Dies ist ein weiblicher Text“ – immer wieder findet sich dieser Satz in der Geschichte, die Doireann Ní Ghríofa in ihrem Buch „Ein Geist in der Kehle“ erzählt. Zu Beginn, zum Abschluss, in den Kapiteln - immer wieder dieser Satz. Er sagt viel über das Buch aus.

Das „Caoineadh Airt Uí Laoghaire“ aus dem 18. Jh. erzählt von Eibhlín Dubh Ní Chonaill und Art Ó Laoghaire. Dieser wird ermordet, seine Frau trinkt sein Blut und verfasst in ihrer Trauer das Klagelied, von dem Doireann Ní Ghríofa schon seit ihrer Schulzeit fasziniert ist. Sie fühlt sich mit Eibhlín Dubh Ní Chonaill verbunden und möchte mehr über sie erfahren, ihre Geschichte erzählen – und verknüpft diese Erzählung eng mit dem eigenen Leben.

Doireann Ní Ghríofa ist verheiratet, Lehrerin und Mutter in Elternzeit. Im Roman werden Stolpersteine in ihrer Vergangenheit angedeutet und auch die Gegenwart verlangt ihr viel ab – sowie sie aber auch von sich selbst viel verlangt.

„Meine Monate füllen sich mit Milch und Wäsche und Geschirr, mit Kinderliedern und Gutenachtgeschichten, mit gerissenen Einkaufstüten, verbeulten Dosen, Geburtstagsfeiern, Katern und Rechnungen.“

Neben all dem sucht sie (obsessiv) nach Spuren von Eibhlín Dubh Ní Chonaill. Sie findet Hinweise und nutzt diese und ihre Fantasie, um mit wunderschönen Zeilen zu beschreiben, wie das Leben von Eibhlín Dubh Ní Chonaill gewesen sein könnte.

„Der Geist in der Kehle“ erzählt intensiv die Geschichte von zwei Frauen und hat schöne
Momente voller Poesie …

„Die seltsame Stille zwischen dem Abgang eines Briefes und seiner Zustellung, die sonderbare Zeit, nachdem die Worte erdacht und aufs Papier gebracht, aber noch nicht gelesen wurden.“

… und andere, die ich aufgrund wiederkehrender Längen als anstrengend empfunden habe.
Ihr Fokus auf die Weiblichkeit des Textes passt völlig zu der Geschichte, jedoch enthält diese für meine Begriffe an manchen Stellen too much information.

Ohne Frage eine gewaltige Geschichte, die mich jedoch überwiegend nicht angesprochen hat.

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Veröffentlicht am 14.09.2023

Absolutes Herzensbuch

Leonard und Paul
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„Lass uns einfach glücklich sein. Solange wir noch Zeit haben.“
Ein wunderbarer Satz aus einem wunderbaren Buch

Leonard und Paul, beide Ü30, sind geliebt und behütet aufgewachsen, allerbeste Freunde und ...

„Lass uns einfach glücklich sein. Solange wir noch Zeit haben.“
Ein wunderbarer Satz aus einem wunderbaren Buch

Leonard und Paul, beide Ü30, sind geliebt und behütet aufgewachsen, allerbeste Freunde und führen ein unaufgeregtes Leben in ruhigen Bahnen. Leonard arbeitet als Ghostwriter für Kinderlexika. Seine Mutter ist kürzlich verstorben, nun lebt er allein in seinem Elternhaus. Paul wohnt bei seinen Eltern und arbeitet als Aushilfspostbote.

Doch irgendwie ist klar, dass es nicht immer so weitergehen wird. Leonard hat den Wunsch nach einer Veränderung –

„Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich die Türen und Fenster in meinem Leben ein bisschen aufschieben muss.“

– und stellt sich dieser zögerlich, bisweilen unbeholfen, aber voller Überzeugung und Ehrlichkeit. Und auch Paul, der nach Meinung seiner Schwester bisher munter in seinem kleinen Lebenskarussel herumgegondelt ist, nimmt auf seine Art und Weise, in seinem Rahmen sein Leben in die Hand.

„Leonard und Paul“ ist eine wunderschöne Geschichte über zwei Menschen, die im Alltag übersehen werden, die in einer Art sozialen Unsichtbarkeit eine Randexistenz führen - und dabei ihrem Umfeld, der Gesellschaft, viel zu geben haben, denn was sie auszeichnet, sind
scheinbar unerschütterliche Freundlichkeit, Ehrlichkeit und Friedfertigkeit und der Glaube, an das Gute. Erzählt wird die Geschichte einer Freundschaft von zwei besonderen Menschen. Das Buch hat mich berührt, mir hat diese stille, unaufgeregte und warmherzige Geschichte sehr gut gefallen.

„Wenn es eines gab, woran sich die innige Zuneigung der beiden Freunde ablesen ließ, dann war es der Enthusiasmus, mit dem sie ihrer Freude über gute Nachrichten teilten, gewiss, dass jedem dem anderen nur das Allerbeste wünschte.“

– und so ist es mir auch beim Lesen ergangen, ich habe Leonard und Paul nur das Allerbeste gewünscht.


ES WIRD EMPFOHLEN, OBIGES ZU BEACHTEN
(um das zu verstehen, sollte man das Buch lesen)

Ein wirklich wunderbares, absolut lesenswertes Buch!

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