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Veröffentlicht am 29.10.2016

So backt man gutes Brot

Brot backen in Perfektion mit Hefe
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Das Brotbackbuch "Plötz-Prinzip! Brot backen in Perfektion" Vollendete Ergebnisse statt Experimente von Lutz Geißler ist recht handlich und auf sehr gutem Papier gedruckt. Zwei verschiedenfarbige Lesebändchen ...

Das Brotbackbuch "Plötz-Prinzip! Brot backen in Perfektion" Vollendete Ergebnisse statt Experimente von Lutz Geißler ist recht handlich und auf sehr gutem Papier gedruckt. Zwei verschiedenfarbige Lesebändchen erleichtern das Blättern zwischen den Grundschritten und dem Rezept. Das Buch ist 192 Seiten stark. Am Ende steht eine Umrechnungstabelle, die es ermöglicht, Teige bis zu 5 kg herzustellen, danach folgt das Register. Zum Schluss verweist der Autor auf verschiedene hilfreiche Internetseiten, z. B. seinen Blog, seine anderen Brotbackbücher und auf eine Zubehörseite. Vom ersten Eindruck her ist das Buch schon einmal ein Hingucker, vor allem wegen der hervorragenden Fotos. Nach einem kurzen Vorwort erhält der Hobbybäcker interessante Informationen u.a. zu den wichtigsten Utensilien, die benötigt werden, einen Exkurs: Backen im Topf und einen Exkurs: Mehle. Die Standardanleitungen für den Brotteig auf S. 22 und für den Brötchenteig auf S. 118 sind einfach und Schritt-für-Schritt erklärt. Wenn man sich genau daran hält, gelingt selbst einem Anfänger alles. Das Ergebnis ist unglaublich schmackhaft und überzeugend. Insgesamt umfasst das Brotbackbuch 70 Rezepte für Baguettes, Brötchen, Hörnchen, Körner- und Mischbrote u.v.a.m.

Mein erstes Brot war das Mischbrot mit Roggen auf S. 64. Das ist mir sehr gut gelungen und schmeckte hervorragend. Für mein zweites Brot habe ich mir im Vorfeld die Videoanleitungen des Autors auf seinem Blog angesehen. Danach ging mir alles wesentlich leichter von der Hand. Der Teig klebt nicht mehr so sehr, weil ich ihn jetzt richtig dehne und falte, außerdem bekommt das Brot eine wesentlich bessere Form. Weil ich schon seit längerer Zeit mein Brot selber backen möchte und endlich das richtige Buch dazu in der Hand habe, habe ich mir einen Brotbackstein aus Schamotte gekauft und backe nicht in Töpfen. Backen mit dem Brotbackstein ist einfach und sehr empfehlenswert. Hierüber hat der Autor in seinem Buch nichts geschrieben, was ich nicht als Manko empfinde. Wer nur ab und zu ein Brot backen möchte, braucht keinen Backstein, für den sind die Anleitungen für das Backen im Topf nützlicher. Es gibt verschiedene Brotbackbücher, aber keins ist so wie dieses.

Der Autor, ursprünglich Geologe, veröffentlicht seit 2009 seine Rezepte, gibt Brotbackkurse in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die regelmäßig ausgebucht sind. Sein Blog (ploetzblog.de) wird monatlich von etwa 70.000 Lesern besucht. Hier mal reinzuschauen kann ich auch sehr empfehlen. Dort kann man stundenlang stöbern und sich Anleitungen und auch weitere Rezepte herunterladen, aktuell sind 756 Rezepte gelistet. 2013 ist "Das Brotbackbuch Nr. 1" erschienen, verkaufte sich über 55.000 Mal und wurde von der Gastronomischen Akademie Deutschlands 2014 mit der Goldmedaille ausgezeichnet, im April 2015 erschien "Das Brotbackbuch Nr. 2". Das alles zeigt, wie erfolgreich der Autor ist und wie gut seine Rezepte ankommen. Ich bin jedenfalls begeistert und werde seine künftigen Veröffentlichungen im Auge behalten und vielleicht mal einen seiner Backkurse besuchen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Coming of age

The Girls
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Im Mittelpunkt von Emma Clines vielbeachtetem Debütroman “The Girls“ steht die 14jährige Evie Boyd. Sie befindet sich gerade in einer Übergangsphase, kein Kind mehr, aber auch noch keine Erwachsene. ...

Im Mittelpunkt von Emma Clines vielbeachtetem Debütroman “The Girls“ steht die 14jährige Evie Boyd. Sie befindet sich gerade in einer Übergangsphase, kein Kind mehr, aber auch noch keine Erwachsene. Ihre Familie ist zerbrochen, die Eltern frisch geschieden. Sie sehnt sich nach Liebe und Bestätigung, aber ihre Eltern geben ihr nicht den dringend benötigten Halt. In dieser Situation ist sie das ideale Opfer für die Verlockungen einer Sekte. Sie lernt einige Anhängerinnen des Sektenführers Russell kennen und verbringt einen Sommer auf der Farm, auf der sich die Kommune eingerichtet hat. Schon bald gibt sie die Kontrolle über ihr Leben ab und macht alles mit, was von ihr verlangt wird. Das Besondere an dieser Geschichte ist, dass sie nicht vom Anführer der Sekte und seinen Lehren fasziniert ist, wie man erwarten könnte, sondern von Suzanne, einem 19jährigen Mädchen. Da die Autorin sich von Charles Manson und seiner Sekte hat inspirieren lassen, endet die Sache blutig mit einigen grausamen Morden. Der Sommer 1969 ist die Zeit, in der sich Evies Leben entscheidend und für immer ändert.
Die Autorin erzählt die Geschichte im Rückblick aus der Perspektive der erwachsenen Evie, die durch zwei junge Leute im Haus eines alten Freundes mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird. Die Szenen in der Erzählgegenwart zeigen, dass Evie ihr Leben nie wieder in den Griff bekommen hat, dass sie unter diffusen Ängsten und Panikattacken leidet. Das Porträt der jungen Evie und der Frau in mittleren Jahren ist der Autorin gut gelungen.
Allerdings gibt es auch einiges, was mir nicht gefallen hat. Die langen Rückblenden sind nicht spannend zu lesen, vor allem deshalb nicht, weil durch allerlei deutliche Hinweise und explizite Vorausdeutungen schon frühzeitig klar ist, worauf alles hinausläuft. Eine chronologische Erzählung eignet sich wesentlich besser zum Spannungsaufbau. Hinzukommt, dass mir Evie nicht besonders sympathisch ist. Keine Figur dieses Romans bietet Identifikationsmöglichkeiten oder eignet sich als Sympathieträger. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob wohl jugendliche Leser hier die intendierte Zielgruppe sind. Insgesamt bin ich eher enttäuscht, weil ich mehr und anderes erwartet habe.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Rausch der Geschwindigkeit

Die Frau, die allen davonrannte
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In Carrie Snyders Romandebüt “Die Frau, die allen davon rannte“ geht es um Aganetha Smart, die 1928 als 20jährige in Amsterdam die Goldmedaille über 800m gewann. Der Medaillengewinn und der damit verbundene ...

In Carrie Snyders Romandebüt “Die Frau, die allen davon rannte“ geht es um Aganetha Smart, die 1928 als 20jährige in Amsterdam die Goldmedaille über 800m gewann. Der Medaillengewinn und der damit verbundene Ruhm war der Höhepunkt eines langen Lebens, denn Aganetha ist inzwischen 104 Jahre alt und lebt in einem Pflegeheim. Sie hat ihren großen Augenblick um mehr als 80 Jahre überlebt. Niemand erinnert sich mehr daran, wer sie einmal war – bis auf Max und Keyla, die sie eines Tages besuchen, um angeblich eine Spazierfahrt mit ihr zu machen. Aganetha kennt sie nicht, ist aber dankbar für die Abwechslung in ihrem eintönigen Alltag. Die jungen Leute haben sie ganz bewusst aufgespürt, um sie zu befragen und einen Film zu drehen. Wie sich gegen Ende des Romans zeigt, verfolgen sie dabei ihre eigenen Ziele.
Aus Aganethas Sicht erzählt der Roman auf zwei Zeitebenen die Geschichte ihres Lebens, von ihrer Kindheit und Jugend auf der Farm, dem Leben in der Großfamilie mit den Kindern aus der ersten und zweiten Ehe des Vaters bis zum Endpunkt der Entwicklung, der Rückkehr der alten Dame auf die Farm ihrer Familie. Aganetha wird dadurch mit Geschehnissen in der Vergangenheit konfrontiert, die sie ein Leben lang verdrängt hat. Ihr Geheimnis erfährt am Ende nur der Leser.
Der Roman behandelt eine Vielzahl von Themen, vor allem natürlich die Besessenheit der Protagonistin vom Laufen. Sie kann nie damit aufhören. Ihr Denken kreist auch im hohen Alter noch immer ständig darum, obwohl es physisch nicht mehr möglich ist. Daneben spielen Themen wie Freundschaft und Liebe, die damalige Schwierigkeit für Frauen, sich als Sportlerin zu behaupten und generell die weitgehende Unmöglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen eine Rolle, aber auch die Folgen der Weltwirtschaftskrise und der 1. Weltkrieg. Die Autorin hat gründlich recherchiert und vermittelt vor allem die sportliche Seite – sie ist selbst Läuferin – sehr authentisch.
Mich hat das in den historischen Kontext eingebettete Porträt einer außergewöhnlichen Frau beeindruckt und berührt. Ich empfehle den Roman ohne Einschränkung.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Was es bedeutet, Jude zu sein

Shylock
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Zum 400. Todestag von William Shakespeare hat der Verlag Hogarth eine Reihe von narrativen Neubearbeitungen der alten Shakespeare-Texte in Auftrag gegeben. Howard Jacobson legt als Auftragsarbeit “Shylock ...

Zum 400. Todestag von William Shakespeare hat der Verlag Hogarth eine Reihe von narrativen Neubearbeitungen der alten Shakespeare-Texte in Auftrag gegeben. Howard Jacobson legt als Auftragsarbeit “Shylock is my Name“ auf der Grundlage des Shakespeare-Stücks „The Merchant of Venice“ vor. Jacobson erscheint in zweifacher Hinsicht qualifiziert für diese Aufgabe. Er hat als ehemaliger Lehrer und Shakespeare-Forscher 1978 zusammen mit Wilbur Sanders das Buch „Shakespeare´s Magnanimity. Four Tragic Heroes, Their Friends and Families“ veröffentlicht, und er ist Jude und damit prädestiniert, sich zu Fragen der jüdischen Identität zu äußern, zumal er dies auch in seinen letzten Romanen - zum Beispiel in The Finkler Question – ausgiebig getan hat.
In „Shylock Is My Name“ gibt es einen zweiten Juden, nämlich den reichen Kunstsammler und Philanthropen Simon Strulovitch. Zu Beginn des Romans treffen sich beide auf einem Friedhof in Cheshire, wo Shylock sich in Zwiesprache mit seiner geliebten, vor langer Zeit gestorbenen Frau Leah befindet. Strulovitch steht am Grab seiner Mutter. Shylock und Strulovitch kommen ins Gespräch, und Strulovitch lädt seinen Doppelgänger in sein Haus ein. Über weite Strecken des Romans werden beide ausführlich jüdische Fragen, Antisemitismus und die Erziehung von Töchtern diskutieren, die vor ungeeigneten, nicht-jüdischen Bewerbern geschützt werden müssen. Shylock fühlt sich von seiner Tochter Jessica verraten, weil sie den Ring, den ihm einst Leah geschenkt hat, versetzt und von dem Erlös einen Affen gekauft hat. Strulovitch sorgt sich um seine schöne frühreife Tochter Beatrice, die sich mit dem zweitklassigen Fußballer Gratan Howsome eingelassen hat. Es gibt in Abwandlung der Shakespeare-Figuren viele weitere Personen, zum Beispiel Plurabelle und D´Anton als moderne Version von Portia und Antonio. Einige dieser Figuren sind stark überzeichnet und wirken wie Karikaturen, vor allem Anna Livia Plurabelle Cleopatra A Thing Of Beauty Is A joy Forever Christine, genannt Plurabelle.
Im Roman hat Strulovitch den Rechtsanspruch auf Wiedergutmachung gegenüber D´Anton, der für den Fußballer Gratan Howsome bürgt für den Fall, dass dieser nicht fristgerecht mit Beatrice aus Venedig zurückkehrt. In diesem Fall geht es nicht um ein Pfund Fleisch, sondern um Beschneidung. Auch im Roman passiert dem Schuldner nichts. Dafür verschwindet Shylock im Roman am Schluss nicht sang- und klanglos, sondern bekommt die Gelegenheit zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für religiös motiviertes Erbarmen.
Es passiert nicht viel in diesem Roman. Im Wesentlichen wird diskutiert, meist darüber, was es bedeutet Jude zu sein in feindseliger, nicht-jüdischer Umgebung. Es geht immer wieder um Antisemitismus, Stereotypen und die Bedeutung der Beschneidung. Der Autor scheint besessen zu sein von diesen Themen und der nicht-jüdische Leser reagiert darauf genauso befremdet wie auf die Darstellung von Vater-Tochter-Beziehungen und die exzessive Kontrolle von Beatrice durch ihren Vater. Die dargestellte Welt ist mir so fremd, dass sich meine Begeisterung über den Roman in Grenzen hält. Sprachlich hervorragend, aber insgesamt zu theorielastig.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Weg ist das Ziel

Die Sommer mit Lulu
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In Peter Nichols Roman “Die Sommer mit Lulu“ (Originaltitel: The Rocks) geht es um Lulu Davenport und Gerald Rutledge, deren Ehe noch während der Hochzeitsreise im August 1948 scheiterte. Beide haben Mallorca ...

In Peter Nichols Roman “Die Sommer mit Lulu“ (Originaltitel: The Rocks) geht es um Lulu Davenport und Gerald Rutledge, deren Ehe noch während der Hochzeitsreise im August 1948 scheiterte. Beide haben Mallorca nie verlassen, leben noch immer im gleichen Ort, haben sich aber seitdem kaum jemals gesehen. Lulu hat die von Gerald so dringend gewünschte Aussprache über ein Geschehnis in der Vergangenheit immer verweigert. Als sie beide schon in den 80ern sind und ihre Ehe fast 60 Jahre zurückliegt, begegnen sie sich eines Tages durch Zufall. Gerald will das Gespräch erzwingen. Sie streiten und stürzen von den Klippen ins Meer.
Das besondere an diesem Roman ist seine ungewöhnliche Erzählstruktur. Der Autor erzählt die Geschichte rückwärts, beginnend im Jahr 2005 mit dem Tod der beiden Protagonisten bis zum Jahr 1948, als ein noch unbekanntes Ereignis die Liebenden für immer trennte. Niemand weiß, was damals passiert ist, auch nicht Aegina , Geralds Tochter aus zweiter Ehe mit der Spanierin Paloma und auch nicht Luc, Lulus Sohn aus der kurzen Ehe mit Bernard. Der Leser verfolgt die Geschichte, bewegt sich auf diesen alles entscheidenden Moment zu und gewinnt somit Erkenntnisse über etwas, das längst passiert ist, nicht über ein Geschehen in der Zukunft. Der Autor macht deutlich, worum es ihm geht. Er stellt ein Zitat aus dem Ithaka-Gedicht von Konstantinos Kafavis an den Anfang. Nicht das Ziel ist das Entscheidende, sondern der Weg dorthin, d.h. wichtige Erfahrungen und ein Zugewinn an Erkenntnissen.
In dem Roman spielen nicht nur die genannten Personen eine Rolle, sondern eine Vielzahl von Freunden, die jahrzehntelang die Sommer in dem von Lulu geführten Hotel Los Roques verbringen. Hier findet jeder von ihnen Aufnahme – auch in schwierigen Lebenssituationen und ohne finanzielle Mittel. Die Sommer auf einer wunderschönen Insel vor ihrer touristischen Erschließung mit Wein, Weib und Gesang sind eine Seite. Es gibt aber auch noch eine dunklere, die von sexuellen Übergriffen inklusive Vergewaltigung über Drogenschmuggel bis zu einem betrügerischen Grundstücksdeal reicht, bei dem Gerald seinen geliebten, jahrzehntelang gehegten Olivenhain für eine lächerliche Summe zugunsten einer nicht gewollten massiven Bebauung einbüßt.
Weitere Themen sind Geralds schriftstellerische Tätigkeit und seine Segeltouren auf den Spuren des Odysseus. Er hat darüber ein hoch gelobtes Werk geschrieben, das später noch einmal neu aufgelegt wird. Segeln und die Antike sind wichtige Themen im Roman.
Der umfangreiche Roman liest sich nicht schlecht, erfordert aber etwas Geduld. Am Ende gibt es mit der Rückkehr zum Jahr 2005 einen positiven Ausblick. Ein ungewöhnliches Buch.