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Veröffentlicht am 28.01.2017

Das Geheimnis des blauen Buches

Gefährliche Empfehlungen
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Der berühmte luxemburgische Koch Xavier Kieffer wollte eigentlich nur mit seiner Freundin Valérie Gabin in Paris ein rauschendes Fest im neuen Firmengebäude des Guide Gabin feiern, aber es kommt anders. ...

Der berühmte luxemburgische Koch Xavier Kieffer wollte eigentlich nur mit seiner Freundin Valérie Gabin in Paris ein rauschendes Fest im neuen Firmengebäude des Guide Gabin feiern, aber es kommt anders. Der Koch wird auch in "Gefährliche Empfehlungen", Tom Hillenbrands fünftem kulinarischem Krimi um Xavier Kieffer, wieder zum Ermittler. Zu dem Großereignis ist viel Prominenz eingeladen, alles was in der Restaurantszene Rang und Namen hat, auch der Food-Kolumnist von "Le Monde", der Ex-Präsident und der aktuelle Amtsinhaber Allégret, der mit Valerie Gabin befreundet ist, sind gekommen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind an diesem Abend besonders streng. Dennoch kommt es zu einem Zwischenfall. Ein radikaler Aktivist stürmt auf die Bühne, und während eines kurzen Stromausfalls wird der Guide Gabin aus dem Jahre 1939 gestohlen. Das sehr wertvolle Buch ist eine Leihgabe, was die Angelegenheit besonders brisant macht. Die Romanhandlung beginnt jedoch nicht mit dem Festakt und dem Diebstahl, sondern setzt aus zunächst unbekannten Gründen im Zweiten Weltkrieg ein, wo Captain John Fischer darauf wartet, mit seinem kleinen Radioempfänger über Radio Londres wichtige Informationen zu erhalten, die er später in sein Buch mit dem kobaltblauen Einband eintragen wird. Nur sein Divisionskommandant weiß, dass er nicht für die Army, sondern für jemanden in Washington D.C. arbeitet. Was haben die beiden so verschiedenen Handlungsstränge miteinander zu tun? Als ein Mord geschieht beginnt Kieffer zu recherchieren, auch, weil der Präsident um Hilfe in der Sache gebeten hat. Er findet heraus, dass der Gabin von 1939 die letzte Ausgabe vor dem Krieg war und dass es, aus welchen Gründen auch immer, zwei Fassungen davon gibt.
Tom Hillenbrand gelingt es, neben der Suche nach dem Guide Gabin kulinarische Themen und die örtlichen Gegebenheiten zu einem interessanten, wenn auch überladenen Plot zu vermischen. Es wird getrunken, gegessen, viel geraucht und auch der Humor bleibt nicht auf der Strecke. Hillenbrand bedient sich in dem vorliegenden Roman der Geschichte des Guide Michelin. Sein ehemaliger Sternekoch gerät in lebensgefährliche Situationen, die er mit einer Portion Glück, durch wundersame Zufälle und mit List überlebt. Hilfreich ist das Glossar am Ende des Buches. Ich habe neben „Teufelsfrucht“ "Drohnenland" - für mich das beste Buch des Autors - und "Der Kaffeedieb" gelesen und wurde auch mit „Gefährliche Empfehlungen“ gut unterhalten.

Veröffentlicht am 07.01.2017

Vom Erinnern und Vergessen

DEAR AMY - Er wird mich töten, wenn Du mich nicht findest
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In Helen Callaghans Erstlingsroman “Dear Amy“ geht es um einen Serientäter, der in Cambridge und Umgebung junge Mädchen entführt und gefangen hält. Der Roman beginnt mit einem Prolog, der die Entführung ...

In Helen Callaghans Erstlingsroman “Dear Amy“ geht es um einen Serientäter, der in Cambridge und Umgebung junge Mädchen entführt und gefangen hält. Der Roman beginnt mit einem Prolog, der die Entführung der 15jährigen Katie Browne aus ihrer Sicht beschreibt. Katie wollte nach einem Streit mit der Mutter und ihrem Partner Brian von zu Hause weglaufen, entscheidet sich dann aber zurückzugehen. In diesem Augenblick wird sie von einem Unbekannten überwältigt und entführt. In den folgenden Wochen glauben weder die Polizei noch die Presse und die meisten von Katies Bekannten an ein Verbrechen. Nur Katies Lehrerin Margot Lewis ist in größter Sorge um ihre Schülerin, zumal sie in ihrer Eigenschaft als Kummerkastentante beim Cambridge Examiner plötzlich Briefe von Bethan Avery, einem vor nahezu zwanzig Jahren entführten Mädchen erhält, die sie in Todesangst bittet, sie zu retten. Margot drängt die Polizei, DNA- und Schriftprobenvergleiche vorzunehmen. Tatsächlich ermittelt die Polizei dann in Katies Fall und untersucht eine Reihe von nie aufgeklärten alten Fällen verschwundener Mädchen. Raffiniert hat es die Autorin so eingerichtet, dass der Leser durch den Prolog einen Informationsvorsprung vor allen Beteiligten hat. Er allein weiß, dass Katie in Lebensgefahr ist.
Überwiegend wird die Geschichte aus Margots Perspektive erzählt. Wir sehen, dass Katies Entführung sie in eine persönliche Krise stürzt, dass Panikattacken und Alpträume ihr Leben zunehmend beeinträchtigen. Häppchenweise bekommt der Leser die Information, dass sie eine Vorgeschichte von psychischen Störungen und Klinikaufenthalten hat. Unterstützung findet Margot bei dem Kriminalpsychologen Dr. Martin Forrester. Er begleitet sie bei ihren verzweifelten Bemühungen, Katie rechtzeitig zu finden. In der zweiten Hälfte wird der Roman durch zahlreiche überraschende Wendungen immer packender bis hin zum großen Finale.
Callaghans Psychothriller liest sich gut und überzeugt vor allem durch den weitgehenden Verzicht auf die detaillierte Darstellung von physischer Gewalt. Stattdessen konzentriert sich die Autorin auf die psychischen Folgen von Verbrechen bei den lebenslang traumatisierten Opfern. Gut informiert beschreibt sie psychische Überlebensstrategien wie Verdrängung und Dissoziation. Ein wirklich vielversprechendes Debüt.

Veröffentlicht am 29.10.2016

So backt man gutes Brot

Brot backen in Perfektion mit Hefe
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Das Brotbackbuch "Plötz-Prinzip! Brot backen in Perfektion" Vollendete Ergebnisse statt Experimente von Lutz Geißler ist recht handlich und auf sehr gutem Papier gedruckt. Zwei verschiedenfarbige Lesebändchen ...

Das Brotbackbuch "Plötz-Prinzip! Brot backen in Perfektion" Vollendete Ergebnisse statt Experimente von Lutz Geißler ist recht handlich und auf sehr gutem Papier gedruckt. Zwei verschiedenfarbige Lesebändchen erleichtern das Blättern zwischen den Grundschritten und dem Rezept. Das Buch ist 192 Seiten stark. Am Ende steht eine Umrechnungstabelle, die es ermöglicht, Teige bis zu 5 kg herzustellen, danach folgt das Register. Zum Schluss verweist der Autor auf verschiedene hilfreiche Internetseiten, z. B. seinen Blog, seine anderen Brotbackbücher und auf eine Zubehörseite. Vom ersten Eindruck her ist das Buch schon einmal ein Hingucker, vor allem wegen der hervorragenden Fotos. Nach einem kurzen Vorwort erhält der Hobbybäcker interessante Informationen u.a. zu den wichtigsten Utensilien, die benötigt werden, einen Exkurs: Backen im Topf und einen Exkurs: Mehle. Die Standardanleitungen für den Brotteig auf S. 22 und für den Brötchenteig auf S. 118 sind einfach und Schritt-für-Schritt erklärt. Wenn man sich genau daran hält, gelingt selbst einem Anfänger alles. Das Ergebnis ist unglaublich schmackhaft und überzeugend. Insgesamt umfasst das Brotbackbuch 70 Rezepte für Baguettes, Brötchen, Hörnchen, Körner- und Mischbrote u.v.a.m.

Mein erstes Brot war das Mischbrot mit Roggen auf S. 64. Das ist mir sehr gut gelungen und schmeckte hervorragend. Für mein zweites Brot habe ich mir im Vorfeld die Videoanleitungen des Autors auf seinem Blog angesehen. Danach ging mir alles wesentlich leichter von der Hand. Der Teig klebt nicht mehr so sehr, weil ich ihn jetzt richtig dehne und falte, außerdem bekommt das Brot eine wesentlich bessere Form. Weil ich schon seit längerer Zeit mein Brot selber backen möchte und endlich das richtige Buch dazu in der Hand habe, habe ich mir einen Brotbackstein aus Schamotte gekauft und backe nicht in Töpfen. Backen mit dem Brotbackstein ist einfach und sehr empfehlenswert. Hierüber hat der Autor in seinem Buch nichts geschrieben, was ich nicht als Manko empfinde. Wer nur ab und zu ein Brot backen möchte, braucht keinen Backstein, für den sind die Anleitungen für das Backen im Topf nützlicher. Es gibt verschiedene Brotbackbücher, aber keins ist so wie dieses.

Der Autor, ursprünglich Geologe, veröffentlicht seit 2009 seine Rezepte, gibt Brotbackkurse in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die regelmäßig ausgebucht sind. Sein Blog (ploetzblog.de) wird monatlich von etwa 70.000 Lesern besucht. Hier mal reinzuschauen kann ich auch sehr empfehlen. Dort kann man stundenlang stöbern und sich Anleitungen und auch weitere Rezepte herunterladen, aktuell sind 756 Rezepte gelistet. 2013 ist "Das Brotbackbuch Nr. 1" erschienen, verkaufte sich über 55.000 Mal und wurde von der Gastronomischen Akademie Deutschlands 2014 mit der Goldmedaille ausgezeichnet, im April 2015 erschien "Das Brotbackbuch Nr. 2". Das alles zeigt, wie erfolgreich der Autor ist und wie gut seine Rezepte ankommen. Ich bin jedenfalls begeistert und werde seine künftigen Veröffentlichungen im Auge behalten und vielleicht mal einen seiner Backkurse besuchen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Coming of age

The Girls
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Im Mittelpunkt von Emma Clines vielbeachtetem Debütroman “The Girls“ steht die 14jährige Evie Boyd. Sie befindet sich gerade in einer Übergangsphase, kein Kind mehr, aber auch noch keine Erwachsene. ...

Im Mittelpunkt von Emma Clines vielbeachtetem Debütroman “The Girls“ steht die 14jährige Evie Boyd. Sie befindet sich gerade in einer Übergangsphase, kein Kind mehr, aber auch noch keine Erwachsene. Ihre Familie ist zerbrochen, die Eltern frisch geschieden. Sie sehnt sich nach Liebe und Bestätigung, aber ihre Eltern geben ihr nicht den dringend benötigten Halt. In dieser Situation ist sie das ideale Opfer für die Verlockungen einer Sekte. Sie lernt einige Anhängerinnen des Sektenführers Russell kennen und verbringt einen Sommer auf der Farm, auf der sich die Kommune eingerichtet hat. Schon bald gibt sie die Kontrolle über ihr Leben ab und macht alles mit, was von ihr verlangt wird. Das Besondere an dieser Geschichte ist, dass sie nicht vom Anführer der Sekte und seinen Lehren fasziniert ist, wie man erwarten könnte, sondern von Suzanne, einem 19jährigen Mädchen. Da die Autorin sich von Charles Manson und seiner Sekte hat inspirieren lassen, endet die Sache blutig mit einigen grausamen Morden. Der Sommer 1969 ist die Zeit, in der sich Evies Leben entscheidend und für immer ändert.
Die Autorin erzählt die Geschichte im Rückblick aus der Perspektive der erwachsenen Evie, die durch zwei junge Leute im Haus eines alten Freundes mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird. Die Szenen in der Erzählgegenwart zeigen, dass Evie ihr Leben nie wieder in den Griff bekommen hat, dass sie unter diffusen Ängsten und Panikattacken leidet. Das Porträt der jungen Evie und der Frau in mittleren Jahren ist der Autorin gut gelungen.
Allerdings gibt es auch einiges, was mir nicht gefallen hat. Die langen Rückblenden sind nicht spannend zu lesen, vor allem deshalb nicht, weil durch allerlei deutliche Hinweise und explizite Vorausdeutungen schon frühzeitig klar ist, worauf alles hinausläuft. Eine chronologische Erzählung eignet sich wesentlich besser zum Spannungsaufbau. Hinzukommt, dass mir Evie nicht besonders sympathisch ist. Keine Figur dieses Romans bietet Identifikationsmöglichkeiten oder eignet sich als Sympathieträger. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob wohl jugendliche Leser hier die intendierte Zielgruppe sind. Insgesamt bin ich eher enttäuscht, weil ich mehr und anderes erwartet habe.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Rausch der Geschwindigkeit

Die Frau, die allen davonrannte
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In Carrie Snyders Romandebüt “Die Frau, die allen davon rannte“ geht es um Aganetha Smart, die 1928 als 20jährige in Amsterdam die Goldmedaille über 800m gewann. Der Medaillengewinn und der damit verbundene ...

In Carrie Snyders Romandebüt “Die Frau, die allen davon rannte“ geht es um Aganetha Smart, die 1928 als 20jährige in Amsterdam die Goldmedaille über 800m gewann. Der Medaillengewinn und der damit verbundene Ruhm war der Höhepunkt eines langen Lebens, denn Aganetha ist inzwischen 104 Jahre alt und lebt in einem Pflegeheim. Sie hat ihren großen Augenblick um mehr als 80 Jahre überlebt. Niemand erinnert sich mehr daran, wer sie einmal war – bis auf Max und Keyla, die sie eines Tages besuchen, um angeblich eine Spazierfahrt mit ihr zu machen. Aganetha kennt sie nicht, ist aber dankbar für die Abwechslung in ihrem eintönigen Alltag. Die jungen Leute haben sie ganz bewusst aufgespürt, um sie zu befragen und einen Film zu drehen. Wie sich gegen Ende des Romans zeigt, verfolgen sie dabei ihre eigenen Ziele.
Aus Aganethas Sicht erzählt der Roman auf zwei Zeitebenen die Geschichte ihres Lebens, von ihrer Kindheit und Jugend auf der Farm, dem Leben in der Großfamilie mit den Kindern aus der ersten und zweiten Ehe des Vaters bis zum Endpunkt der Entwicklung, der Rückkehr der alten Dame auf die Farm ihrer Familie. Aganetha wird dadurch mit Geschehnissen in der Vergangenheit konfrontiert, die sie ein Leben lang verdrängt hat. Ihr Geheimnis erfährt am Ende nur der Leser.
Der Roman behandelt eine Vielzahl von Themen, vor allem natürlich die Besessenheit der Protagonistin vom Laufen. Sie kann nie damit aufhören. Ihr Denken kreist auch im hohen Alter noch immer ständig darum, obwohl es physisch nicht mehr möglich ist. Daneben spielen Themen wie Freundschaft und Liebe, die damalige Schwierigkeit für Frauen, sich als Sportlerin zu behaupten und generell die weitgehende Unmöglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen eine Rolle, aber auch die Folgen der Weltwirtschaftskrise und der 1. Weltkrieg. Die Autorin hat gründlich recherchiert und vermittelt vor allem die sportliche Seite – sie ist selbst Läuferin – sehr authentisch.
Mich hat das in den historischen Kontext eingebettete Porträt einer außergewöhnlichen Frau beeindruckt und berührt. Ich empfehle den Roman ohne Einschränkung.