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Veröffentlicht am 06.08.2022

Eine fast vergessene Malerin

Susanna
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In seinem neuen Roman erzählt Alex Capus Episoden aus dem Leben der bis vor kurzem fast vergessenen Porträtmalerin Susanna Faesch. Die Geschichte spielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Susanna ...

In seinem neuen Roman erzählt Alex Capus Episoden aus dem Leben der bis vor kurzem fast vergessenen Porträtmalerin Susanna Faesch. Die Geschichte spielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Susanna lebt mit ihrer Familie zunächst in Basel. Nach der Scheidung der Eltern emigriert ihre Mutter Maria mit der kleinen Tochter Susanna in die USA, wo sie später den deutschen Arzt Karl Valentiny heiratet. Valentiny war ein Freund ihres Ex-Mannes Lukas aus der Zeit in der Fremdenlegion und hatte einige Monate bei Familie Faesch Zuflucht gefunden. Die Familie lebt in Brooklyn. Schon als junges Mädchen ist Susanna eine begabte Porträtmalerin und wird viele Jahre von den Einkünften aus der Malerei leben. Später wird die Nachfrage gemalten Porträts wegen der Fortentwicklung der Fotografie nachlassen. Susanna heiratet früh einen Bekannten ihres Stiefvaters. Die kinderlose Ehe scheitert, als Susanna eine Beziehung mit einem anderen Mann eingeht und den Sohn Christopher bekommt. Mutter Maria hilft ihr, den heiß geliebten Enkel Christie aufzuziehen. Christie interessiert sich als Heranwachsender sehr für die Geschichte und Kultur der Ureinwohner. Auf seinen Wunsch reisen Mutter und Sohn in die Reservate im Westen. Es ist die Zeit der Indianerkriege, als die indigenen Stämme durch Massaker dezimiert und die Bisons von den Weißen ausgerottet werden. Susanna und ihr Sohn treffen Sitting Bull, und sie malt ein Porträt, das heute noch in einem Museum zu besichtigen ist. Susanna warnt den Indianerhäuptling vor der drohenden Gefahr durch weiße Soldaten, aber sie wird ihn nicht retten können, wie die Geschichte zeigt, nicht aber der Roman selbst. Dieser endet ziemlich abrupt und berichtet nicht über Susannas Zeit als Aktivistin im Kampf für die Rechte der Ureinwohner.
Der Roman erzählt aus wechselnden Perspektiven Phasen aus Susannas Leben vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund. Dabei kommen Schweizer Brauchtum – der Auftritt des „Wilden Mannes“ in Basel – ebenso zur Sprache wie wichtige Erfindungen der Zeit: die Glühbirne, die Nutzung von Elektrizität und außerdem der sensationelle Bau der Brooklyn Bridge, die Brooklyn mit Manhattan verbindet. Das Buch liest sich nicht schlecht, aber es hat mich nicht wirklich begeistert.

Veröffentlicht am 17.07.2022

Wer hat Poppy entführt und warum?

Poppy. Dein Kind verschwindet. Und die ganze Welt sieht zu. (Die Emer-Murphy-Serie 1)
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Der Debütroman der gebürtigen Norwegerin Kristine Getz, die in Colorado lebt, spielt in Oslo. Es geht um den Fall eines kleinen Mädchens, das spurlos aus dem Haus der Großeltern verschwunden ist. Das Besondere ...

Der Debütroman der gebürtigen Norwegerin Kristine Getz, die in Colorado lebt, spielt in Oslo. Es geht um den Fall eines kleinen Mädchens, das spurlos aus dem Haus der Großeltern verschwunden ist. Das Besondere daran ist, dass die niedliche Zweijährige dem ganzen Land bekannt ist, weil ihre Eltern Jens und Lotte Wiig im Netz ihren Lebensunterhalt mit ihr verdienen. Sie haben das Kind durch dessen ständige Präsenz in große Gefahr gebracht. Es könnte also sein, dass ein Pädophiler Poppy entführt hat. Als die Ermittlerin Emer Murphy von diesem Fall hört, setzt sie die nach einem psychischen Zusammenbruch sechs Wochen zuvor verordneten Psychopharmaka ab und beginnt mit den Ermittlungen, obwohl sie viel zu labil ist, um schon wieder zu arbeiten. Es dauert sehr lang, bis Murphy durchschaut, was wirklich passiert ist, denn nichts ist so, wie es scheint, und in der Familie gibt es tiefgreifende Konflikte. Keiner ist hier ehrlich, auch Lotte nicht, die ihrem Mann ihre problematische Vergangenheit bis jetzt verheimlicht hat. Sie wurde nicht nur vergewaltigt, sondern hat auch mit Hilfe ihrer Schwester Alex als Cam-Girl Charlie im Netz perversen Männern ihre Dienste für viel Geld angeboten.
Die aus verschiedenen Perspektiven erzählte Geschichte ist sehr kompliziert und undurchschaubar. Ich habe die Auflösung nicht erraten und fand den Roman sehr spannend und auch sprachlich gelungen. Mir gefiel vor allem, wie die Autorin sich mit der Vermarktung von Kindern in den sozialen Medien auseinandersetzt und die Komplexität von familiären Beziehungen darstellt. Ich werde die Fortsetzung der Emer Murphy-Reihe auf jeden Fall im Auge behalten.

Veröffentlicht am 26.05.2022

Der lange Weg bis zur Emanzipation.

Eine Frage der Chemie
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“Eine Frage der Chemie“ erzählt die Geschichte einer Frau in den USA in den 50er und 60er Jahren. Elizabeth Zott ist eine begabte Chemikerin und möchte als Wissenschaftlerin arbeiten. Von Anfang an stößt ...

“Eine Frage der Chemie“ erzählt die Geschichte einer Frau in den USA in den 50er und 60er Jahren. Elizabeth Zott ist eine begabte Chemikerin und möchte als Wissenschaftlerin arbeiten. Von Anfang an stößt sie auf großen Widerstand von Seiten der männlichen Kollegen, die sie benachteiligen, sexuell übergriffig werden und ihre Forschungsergebnisse stehlen. Nur Calvin Evans, ein berühmter Chemiker, glaubt an sie und wird die Liebe ihres Lebens. Als sie schwanger wird, ist das erst einmal das Ende ihrer wissenschaftlichen Karriere. Sie landet bei einer Kochshow, die sie so gestaltet, wie sie es für richtig hält: mit interessanten Rezepten und viel Wissensvermittlung über Lebensmittel und Ernährung.
Garmus erzählt die Geschichte einer starken, mutigen Frau, die nie aufgibt und auch ihre Zuschauer dazu anhält, nie ihre Träume aufzugeben und ihre Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Der Roman überzeugt durch seine Charaktere, z.B. auch den sympathischen Hund Halbsieben, und durch die Qualität der Sprache. Es gibt humorvolle Episoden und viel Sprachwitz. Das ist wegen der ernsten Thematik auch nötig, denn nicht nur Elizabeth hat es schwer. Calvin Evans wird seiner ahnungslosen Mutter weggenommen, zur Adoption freigegeben und landet nach dem Tod der Adoptiveltern in einem katholischen Waisenhaus mit pädophilen Priestern. Als wichtiges Nebenthema erscheint das Rudern als von Calvin und anderen bevorzugte Sportart, in der sich auch Elizabeth Zott bewährt.
Mir hat sehr gut gefallen, wie der Roman den langen Weg zur längst noch nicht erreichten Gleichstellung der Geschlechter nachzeichnet - mit allem, was dazugehört: zum Beispiel gleiche Bezahlung für identische Arbeit und gleiche Aufstiegschancen im Beruf. Eine immer noch aktuelle und sehr lohnende Lektüre.

Veröffentlicht am 26.05.2022

Das Vergangene ist nicht tot

Freunde. Für immer.
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In Kimberly McCreights Roman treffen sich fünf Freunde Jahre nach dem Collegeabschluss wieder, um den Junggesellenabschied von einem aus der Gruppe zu feiern. Sie treffen sich in einem Wochenendhaus in ...

In Kimberly McCreights Roman treffen sich fünf Freunde Jahre nach dem Collegeabschluss wieder, um den Junggesellenabschied von einem aus der Gruppe zu feiern. Sie treffen sich in einem Wochenendhaus in den Catskills, das dem Gastgeber Jonathan gehört. Als sie sich zehn Jahre zuvor am Vassar College zuletzt gesehen haben, ist ein Unglück passiert, über das sie immer Schweigen bewahrt haben, um die Beteiligten zu schützen. Nun geschehen wieder unvorhergesehene Dinge. Zwei aus der Gruppe verschwinden, und im Auto wird eine Leiche mit zerschmettertem Gesicht gefunden, die zunächst nicht identifiziert werden kann. Die Polizistin Julia Scutt ermittelt und wird dabei schmerzlich an den nie aufgeklärten Mord an ihrer Schwester Jane vor 20 Jahren erinnert, der Ähnlichkeiten mit dem aktuellen Fall aufweist. Damals verschwand auch Janes beste Freundin Bethany spurlos. Es passieren weitere merkwürdige Dinge. Mitglieder der Gruppe erhalten verstörende Nachrichten – „Ich weiß, was du getan hast“ -, und Jonathan wird von der Baufirma, die sein Haus renovieren soll, unter Druck gesetzt. Es zeigt sich, dass die Freunde Geheimnisse vor einander haben, die allmählich ans Licht kommen. Erzählt wird aus den kapitelweise wechselnden Perspektiven der Freunde und der Ermittlerin.
Der spannende Roman lässt den Leser darüber nachdenken, wie gut wir den anderen kennen können, wie loyal wir sein können und sollten. Eine echte Freundschaft ist ohne Aufrichtigkeit nicht möglich. Sonst zerbricht sie irgendwann unter dem Druck der Ereignisse.
Mir hat auch der neue Roman von McCreight wegen seines raffinierten Plots und seiner sprachlichen Qualität sehr gut gefallen. Ich empfehle ihn gern weiter.

Veröffentlicht am 29.04.2022

Eine Frau liebt zwei Männer

Der Papierpalast
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In Miranda Cowley Hellers Roman trifft sich eine Familie jahrzehntelang mit Verwandten und Freunden in ihrem Ferienquartier am Cape Cod. Der Papierpalast ist das etwas heruntergekommene Haus mit mehreren ...

In Miranda Cowley Hellers Roman trifft sich eine Familie jahrzehntelang mit Verwandten und Freunden in ihrem Ferienquartier am Cape Cod. Der Papierpalast ist das etwas heruntergekommene Haus mit mehreren Schlafhütten. Gebaut wurde es aus gepresster Pappe. Im Roman werden 24 Stunden im Leben von Elle Bishop erzählt – mit Zeitangaben. Elle ist mit ihrem Mann Peter und den Kindern gekommen und begegnet zum ersten Mal nach langer Zeit wieder Jonas, der ebenfalls verheiratet ist. Sie haben sich hier als Kinder kennengelernt und nie aufgehört, einander zu lieben. Es gab ein furchtbares Ereignis in der Vergangenheit, das sie zugleich verband und trennte. Elle hat dieses Geheimnis ein Leben lang gewahrt und nicht einmal ihrem Mann erzählt, was damals passiert ist. Nun muss sich Elle zwischen den beiden Männern entscheiden, die sie liebt, denn sofort spüren Elle und Jonas, dass die gegenseitige starke Anziehung unvermindert vorhanden ist.
Die Autorin erzählt eine drei Generationen umfassende Familiengeschichte mit umfangreichem Personal, allen Ehepartnern und zahlreichen Geschwistern und Stiefgeschwistern. Sie charakterisiert ihre Figuren sorgfältig und vernachlässigt auch die wunderschöne Landschaft mit den unterschiedlichen Farben der Jahreszeiten nicht. Der Wechsel zwischen ausführlichen Rückblenden und der Gegenwart ist sehr gut gelungen. Die Geschichte ist spannend. Der Leser hat das Gefühl, dass sich unaufhaltsam auf den Countdown zubewegt, den Augenblick der Entscheidung. Wie diese Entscheidung aussieht, wird angedeutet, nicht ausformuliert, so dass sich tatsächlich Leser im Netz darüber ausgetauscht haben, wie das denn alles zu verstehen ist.
Mich hat das nicht gestört und ich bin zu einer schlüssigen Auslegung gelangt. Mir gefällt der Roman ausgesprochen gut, und ich empfehle ihn ohne Einschränkung.