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Veröffentlicht am 19.04.2020

Ernährung einmal anders

Ayurvedische Wohlfühlküche
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Divya Alters „Ayurvedische Wohlfühlküche“ bietet eine kenntnisreiche Einführung in ayurvedische Ernährung. Dabei geht sie auf verschiedene Menschentypen ein und gliedert die Rezepte nach Jahreszeiten. ...

Divya Alters „Ayurvedische Wohlfühlküche“ bietet eine kenntnisreiche Einführung in ayurvedische Ernährung. Dabei geht sie auf verschiedene Menschentypen ein und gliedert die Rezepte nach Jahreszeiten. Ein ausführlicher Index hilft zusätzlich bei der Orientierung. Sehr attraktiv fotografierte Lebensmittel machen dem Leser Lust, die Rezept- und Menüvorschläge auszuprobieren. Leider sind nicht alle Zutaten ohne weiteres und schon gar nicht im Supermarkt an der nächsten Ecke erhältlich. Dennoch hatte ich schon bald den Eindruck, dass es sich lohnt, sich intensiver mit diesem sehr speziellen Kochbuch auseinanderzusetzen. Die wenigsten sind sich beim Kochen der Heilkräfte von Lebensmitteln bewusst. Hinzukommt, dass Ernährung ja nur ein Teilbereich eines ganzheitlichen Konzepts ist und man sich auch näher mit dieser alten indischen Heilkunst befassen könnte. Ich habe viele Anregungen bekommen, und Alters “Ayurvedische Wohlfühlküche“ findet einen Ehrenplatz in meiner Kochbuchsammlung.

Veröffentlicht am 13.04.2020

Ein anderes Leben

Offene See
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In Benjamin Myers´ Roman „Offene See“ hat der 16jährige Robert Appleyard im Jahr 1946 die verhasste Schule abgeschlossen. Bevor er wie seine Vorfahren in der Mine arbeitet, was seine Bestimmung zu sein ...

In Benjamin Myers´ Roman „Offene See“ hat der 16jährige Robert Appleyard im Jahr 1946 die verhasste Schule abgeschlossen. Bevor er wie seine Vorfahren in der Mine arbeitet, was seine Bestimmung zu sein scheint, begibt er sich mit dem Nötigsten ausgestattet auf eine Wanderschaft. Er will das Meer sehen, bevor er sein Leben in Dunkelheit und Dreck verbringt. Er genießt die Natur mit allen Sinnen und hat ein intensives Gefühl der Befreiung. Eines Tages stößt er auf ein verstecktes Cottage in Küstennähe und lernt in Dulcie Piper eine ungewöhnliche, wesentlich ältere Frau kennen. Sie lädt ihn zum Essen ein, und er bleibt länger, als er eigentlich wollte. Die unkonventionelle Dulcie führt ihn an Literatur, Kunst und Musik heran und macht ihm deutlich, dass er das Recht hat, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Es ist jedoch keineswegs eine einseitige Beziehung zwischen dem Jungen auf der Schwelle zum Erwachsenwerden und der älteren Frau. Als Gegenleistung für Unterkunft und hervorragende Verpflegung kümmert sich Robert um den Garten und renoviert ein Atelier. Er tut jedoch noch sehr viel mehr für seine Gastgeberin. Er hilft ihr, sich endlich der Trauer um die verlorene Liebe, die Dichterin Romy Landau, zu stellen, deren Gedichte Robert ihr sechs Jahre nach Romys Tod vorliest. Für beide öffnen sich Türen zu einem neuen Leben, für Robert langfristig auch im materiellen Sinn. Im Prolog und Epilog, die den Bericht über Roberts Leben als Rahmenhandlung umschließen, schaut er als alter Mann auf sein Leben zurück und zeigt, wie viel er Dulcie Piper zu verdanken hatte.
„Offene See“ ist ein berührender Roman in einer lyrischen Sprache, den ich sehr gern gelesen habe. Er besticht durch wunderschöne Landschaftsbeschreibungen und ist gleichzeitig eine Coming-Of-Age Geschichte und ein Porträt der Nachkriegszeit im Nordosten Englands. Der deutsche Titel kann leider den Doppelsinn des Originals - “The Offing“ - nicht vermitteln. „Offing“ bedeutet einerseits den Übergang zwischen Meer und Himmel am Horizont, andererseits ist die umgangssprachliche Nebenbedeutung (Selbst-)Tötung eine Anspielung auf ein wichtiges Element der Handlung. Ein sehr außergewöhnlicher Roman, der lange nachwirkt.

Veröffentlicht am 31.03.2020

Ein Unbestechlicher sorgt für Gerechtigkeit

Pandora
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Mit "Pandora" legt das Autorenteam Amber & Berg seinen Erstlingsroman vor, der 1948 in Berlin spielt. Die geteilte Stadt liegt in Trümmern, und überall herrscht Not. Seit kurzem hat die Mordinspektion ...

Mit "Pandora" legt das Autorenteam Amber & Berg seinen Erstlingsroman vor, der 1948 in Berlin spielt. Die geteilte Stadt liegt in Trümmern, und überall herrscht Not. Seit kurzem hat die Mordinspektion mit Hans-Joachim Stein einen neuen Kommissar, der bei Scotland Yard ausgebildet wurde und nun mit seinem Kollegen Max Wuttke unter dem Vorgesetzten Carl Krüger im Mordfall Braunke ermitteln soll. Braunke war der stadtbekannte Schieberkönig, dessen Leiche im Bordell Pandora aufgefunden wurde. Zuvor hatte Stein schon einen Blick in die Akte zu dem offensichtlich nicht gelösten Fall von fünf toten Frauen werfen können, den er nicht bearbeiten darf. Für seinen Vorgesetzten ist der Fall abgeschlossen, ein Kollateralschaden, wie er zu Kriegszeiten eben passiert. Die beiden Ermittler, die sich anfangs nicht gut verstehen, weil sowohl Wuttke als auch sein Vorgesetzter Stein mit viel Misstrauen begegnen, werden bei ihrer Arbeit behindert und ständig kontrolliert. Dann passieren weitere Morde. Für Stein wird schnell deutlich, dass diese Taten mit in der Nazizeit begangenen Verbrechen zusammenhängen und dass die Aufklärung dieser Fälle das Ansehen der Opfer ruinieren würde.

“Pandora“ ist ein gut lesbarer, spannender Krimi, der viele gut recherchierte Hintergrundinformationen zur Nachkriegszeit bietet. Er macht vor allem nicht nur deutlich, wie sehr die Menschen durch Nazizeit und Krieg beschädigt sind, sondern auch, dass viele Täter unentdeckt blieben und noch immer im Amt sind, weil andere sie decken. Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, und ich bin auf die Fortsetzung gespannt.

Veröffentlicht am 28.03.2020

Blick in menschliche Abgründe

Sommer bei Nacht
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Jan Costin Wagners neuer Roman “Sommer bei Nacht“ ist der Auftakt einer neuen Serie mit anderen Schauplätzen und den Wiesbadener Ermittlern Ben Neven und Christian Sandler. Sie übernehmen den Fall des ...

Jan Costin Wagners neuer Roman “Sommer bei Nacht“ ist der Auftakt einer neuen Serie mit anderen Schauplätzen und den Wiesbadener Ermittlern Ben Neven und Christian Sandler. Sie übernehmen den Fall des 5jährigen Jannis, der bei einem Schulfest spurlos verschwindet. Es gibt keine Lösegeldforderungen und lange Zeit keine brauchbaren Hinweise. Die Polizei hat lediglich verschwommene Bilder einer Überwachungskamera, die einen Unbekannten mit dem Jungen zeigen, der einen Teddy trägt. Genauso ein Teddy ist auf einem Flohmarkttisch zurückgeblieben und liefert DNA-Spuren. Ohne Abgleich hilft aber auch dies nicht weiter. Dann stellt sich heraus, dass es einen ähnlich gelagerten Fall in Österreich gab, wo ein Jahr zuvor ein Junge verschwand. Der Fall wurde nie gelöst. Die Ermittler tappen so lange im Dunkeln, bis Christian Sandler die Geschichte einer Obdachlosen mit dem aktuellen Fall verknüpft.
Wagner erzählt in vielen kurzen Abschnitten aus vierzehn ständig wechselnden Perspektiven. Der Leser kennt den Entführer von Jannis von Anfang an, aber das ist nicht die ganze Geschichte. Der auch sprachlich ungewöhnlich ausgefeilte Roman behandelt eine sehr aktuelle Thematik und gewährt Einblick in seelische Abgründe. Er thematisiert Schuld und Unschuld und zeigt, wie die Betroffenen durch Verlust, Schmerz und Trauer traumatisiert werden. Dass ein Ermittler mit pädophilen Neigungen beteiligt ist, macht den Roman noch zusätzlich brisant. Der Leser fragt sich, wie das weitergehen soll. Wird der Ermittler irgendwann selbst zum Täter?
Mir hat der überaus spannende Roman sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 22.03.2020

Spuk auf dem Landsitz

Die stummen Wächter von Lockwood Manor
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Jane Healeys Roman “Die stummen Wächter von Lockwood Manor“ setzt 1939 ein. Die junge Museumsangestellte Hetty Cartwright begleitet die Abteilung für Säugetiere des Londoner Naturkundemuseums, als diese ...

Jane Healeys Roman “Die stummen Wächter von Lockwood Manor“ setzt 1939 ein. Die junge Museumsangestellte Hetty Cartwright begleitet die Abteilung für Säugetiere des Londoner Naturkundemuseums, als diese auf ein Landgut außerhalb ausgelagert wird, um die wertvollen Exponate vor den erwarteten deutschen Bomben zu schützen. Lord Lockwood hat einen Teil seines Hauses zur Verfügung gestellt. Hetty merkt jedoch sofort, dass weder sie noch ihre Schützlinge dort willkommen sind. Das Personal begegnet ihr mit Ablehnung, ja sogar unverhohlenem Hass, und der arrogante Lord lässt keine Gelegenheit aus, sie zu demütigen. Schon in der ersten Nacht verschwindet der Jaguar. In vielen anderen Nächten werden Tiere umgesetzt oder beschädigt. Auch Motten, Mäuse und Füchse von draußen greifen die ausgestopften Tiere an, die Hettys einziger Trost sind. Außerdem sind nachts immer wieder Schreie zu hören, und schemenhafte Gestalten huschen über dunkle Flure. Nur Lucy, die etwa gleichaltrige Tochter des Lords, begegnet Hetty freundlich. Beide Frauen haben jedoch eine Geschichte psychischer Störungen aufgrund einer unglücklichen Kindheit und leiden unter Albträumen. Auch Lucys ein Jahr zuvor verstorbene Mutter galt als geisteskrank. Lucy und Hetty entwickeln Gefühle für einander – der einzige Lichtblick in einer insgesamt sehr düsteren Geschichte. Zu der unangenehmen Situation im Haus kommt die Bedrohung von außen. Der Luftkrieg hat begonnen, kriegstaugliche Männer werden eingezogen, und Lockwood Manor muss mit immer weniger Personal auskommen.

Dieser an äußerer Handlung arme Roman steht in der Tradition des englischen Schauerromans (gothic novel), einem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstandenen Genre, das sich bis ins 19. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob es in einem Roman des 21. Jahrhunderts tatsächlich spukt, oder ob es für die übernatürlichen Phänomene am Ende eine logische Erklärung gibt. Der Autorin geht es darum, eine Wortkulisse zu schaffen, die dem Leser die wachsende Bedrohung von innen und außen verdeutlicht. Das gelingt ihr hervorragend, unter anderem durch vielfache Wiederholung. Alles steuert auf eine Katastrophe zu. Werden Hetty und Lucy überleben?

Ich fand den Roman nicht besonders spannend, weil auf fast 380 Seiten einfach zu wenig passiert, finde aber schon, dass er durch seine atmosphärische Dichte überzeugt.