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Veröffentlicht am 28.02.2023

Starkes Porträt der gesellschaftlichen und politischen Situation im frühen 20. Jahrhundert in Italien

Aus ihrer Sicht
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In "Aus ihrer Sicht" von Alba de Céspedes erzählt die Ich-Erzählerin Alessandra fesselnd von ihrem Leben, ihrer großen Liebe zu Francesco und wie sie sich zunehmend des Schicksals bewusst wird, wie Frauen ...

In "Aus ihrer Sicht" von Alba de Céspedes erzählt die Ich-Erzählerin Alessandra fesselnd von ihrem Leben, ihrer großen Liebe zu Francesco und wie sie sich zunehmend des Schicksals bewusst wird, wie Frauen durch das sie umgebende und beherrschende Patriarchat in eine unsichtbare und stumme Rolle gedrückt werden.

Der Roman ist in Form von langen Memoiren der Ich-Erzählerin und Protagonistin Alessandra Corteggiani verfasst, die von persönlichen und auch geschichtlichen Ereignissen berichten. Wie der Titel schon andeute, gibt Alessandra "aus ihrer Sicht" die italienische Geschichte der Jahre zwischen Faschismus, Widerstand und Wiederaufbau wieder, wie auch ihre persönliche Geschichte.
Zu Beginn des Buches wird man Zeuge der Kind- und Jugendjahre von Alessandra, die geprägt sind Erzählungen ihrer Mutter. Die Mutter, die aus Liebe Selbstmord beging und deren Schicksal die Tochter nicht wiederholen will.
Nach deren Tod wird Alessandra von ihrem Vater in ein abgelegenes Dorf in den Abruzzen zu Verwandten geschickt. Anstatt sich dort zu einer sich dem Mann unterwerfenden Frau zu entwickeln, wie vom Vater erhofft, kämpft sie dafür, dass ihr der gleiche Respekt wie den Männern entgegengebracht wird.
Nachdem der Krieg ausgebrochen ist, kehrt sie zurück zu ihren Vater und verliebt sich in ihre große Liebe Francesco, einen antifaschistischen Professor, den sie heiratet. Doch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern.

Auch wenn man dem Roman in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielt, ist seine Darstellung über die italienische Gesellschaft, das Korsett der Ehe und das Verhältnis der Geschlechter zueinander zeitlos. Ein poetischer und zugleich scharf analysierender Schreibstil lassen einen direkt in die Gedanken- und Gefühlswelt von Alessandra sowie in damalige Zeit eintauchen. Alessandras Darstellung lebt von ihrem sensiblen Charakter und der ihr inne wohnenden Stärke. Ihre Gedanken und Gefühle sind von großer Intensität, Sehnsucht, ihrer Suche nach der idealen Liebe, Widersprüchlichkeiten, Frustrationen und der Weigerung, sich anzupassen, bis zu den extremen Konsequenzen, geprägt.
Die Geschichte lebt von der authentischen Beschreibung Alessandras sowie der damaligen gesellschaftlichen, politischen und sozialen Situation.
Von Beginn an entwickelt die Handlung eine gewisse Sogwirkung, die trotz mancher Längen nicht nachlässt.


"Aus ihrer Sicht" ist nicht nur ein stark und gefühlvoll erzählter tragischer Liebesroman sowie eine Geschichte über den italienischen Widerstand in einem, sondern auch eine Sozial- und Milieustudie sowohl des Italiens des frühen 20. Jahrhunderts und der Menschen, die dort lebten, als auch der Beziehungen zwischen den beiden Geschlechtern und der Rolle der Frau in einer männerdominierten Welt damals.
Es ist ein Roman voller Schönheit, Liebe in all ihrer verschiedenen Facetten und erlebten Grausamkeiten, der einen nicht so schnell loslässt, wenn man sich auf ihn einmal eingelassen hat.

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Veröffentlicht am 21.02.2023

Persönlich gefärbtes Künstlergemälde

Nackt in die DDR. Mein Urgroßonkel Willi Sitte und was die ganze Geschichte mit mir zu tun hat
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Bevor der Lektüre von "Nackt in die DDR" war mir Willi Sitte kein Begriff. Nach Beenden des gut geschriebenen und informativen Sachbuches über den Maler und dem Menschen mit all seinen Widersprüchen und ...

Bevor der Lektüre von "Nackt in die DDR" war mir Willi Sitte kein Begriff. Nach Beenden des gut geschriebenen und informativen Sachbuches über den Maler und dem Menschen mit all seinen Widersprüchen und politischen Ansichten dahinter kann ich mir nun ein differenziertes und persönliches Bild von Willi Sitte und seiner Familie machen.

Gleich von Anfang an hat der Autor, der Urgroßneffe Sittes ist, es geschafft Interesse für die persönlich gefärbte Geschichte des Künstlers und seinen Lebensweg von der Kunstschule zur Zeiten des 2. Weltkrieges bis hin zu seinem Leben und Wirken in der DDR zu schaffen.
Ein Gemälde von Sitte, das Aron Broks Großmutter den Autor zeigt, ist der Ausgangspunkt der Recherche über ein Familienmitglied über das vergleichsweise wenig bekannt ist bzw. wenig geredet wird.
Was hat es damit auf sich?
Genau diese Frage wird im Verlauf des locker und angenehm zu lesenden Sachbuches versucht zu beantworten. Gespickt mit persönlichen Erinnerungen des Autors erfährt man nicht nur mehr über den Künstler Sitte, der Grund für das Buch, sondern auch über die DDR und das Leben in der DDR.
Fußnoten und logisch gut gegliederte ubd aufgebaute Kapitel zeugen von einer tiefergehenden und gründlichen Recherche.

"Nackt in die DDR" ist ein Sachbuch über einen Künstler aus der DDR, das mich besonders durch seine guter Mischung aus persönlicher Erzählung und sachlichen Informationen überzeugen konnte.
Für alle, die sich für die DDR und Kunst interessieren, lesenswert.

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Veröffentlicht am 14.02.2023

Thriller im Drogenmilieu auf Sparflamme

Der Weg ins Feuer
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Die Drogenfahnderin Betty Rhyzyk hat, nachdem sie von einer rücksichtslosen und brutal agierenden Sekte entführt wurde, Probleme, wieder in ihr altes Leben zurückzufinden. Bei ihr zu Hause führt ihre Schreckhaftigkeit ...

Die Drogenfahnderin Betty Rhyzyk hat, nachdem sie von einer rücksichtslosen und brutal agierenden Sekte entführt wurde, Probleme, wieder in ihr altes Leben zurückzufinden. Bei ihr zu Hause führt ihre Schreckhaftigkeit und ihr aufbrausendes Verhalten dazu, dass ihre Beziehung zu ihrer Frau Jackie sehr leidet. Auf der Arbeit wird sie zu einem Schreibtischjob verdonnert und sie soll eine Therapie machen, obwohl sie lieber auf der Straße unterwegs wäre und das Dallas Police Departement bei der Jagd nach einem brutalen Mörder eines mexikanischen Drogenkartells zu unterstützen. Wären das alles noch nicht genug Probleme für Betty, bereitet ihr Partner Seth ihr auch Sorgen. Er scheint selbst zunehmend in die Drogenabhängigkeit abzurutschen und korrupt geworden zu sein. Betty, am Rande eines Nervenzusammenbruchs beschließt selbst zu ermitteln und auf eigene Faust auf Verfolgungsjagd im Drogenmilieu von Dallas zu gehen und selbst aktiv gegen die korrupten Polizisten vorzugehen.

Drogen, Korruption und eine interessante Protagonistin hatten das Potenzial, das "Der Weg ins Feuer" ein guter Thriller werden könnte. Trotz eines gut zu lesenden und stimmungsvollen Schreibstils sowie einer spannenden Handlung, die für einen schnellen Lesefluss sorgen konnte der Thriller mich jedoch nicht so fessel wie erhofft. Nach dem spannenden Einstieg verliert die Handlung sich teilweise zu sehr in den endlosen Problemen (Probleme mit ihrem Liebesleben, ihrem Arbeitspartner, ihrem Vorgesetzten auf der Arbeit, Alkoholkonsum, alte und neue körperliche und seelische Verletzungen) von Betty, wodurch die Spannung leidet.
Dem Spannungsbogen abträglich ist auch ziemlich viele Krimi- bzw.- Thriller-Klischees verwendet werden, wie z. B. eine toughe Polizistin mit schwieriger Vorgeschichte und Gegenwart, was sich auf ihr Urteilsvermögen auswirkt, ein verdächtiger Partner oder zu viel Alkohol. Hinzu kommt, dass Betty ziemlich viele unüberlegte und riskante Entscheidungen trifft, die der Glaubwürdigkeit des Thrillers keinen Gefallen tun.

Trotz der oben genannten Schwächen handelt es sich um einen kurzweiligen und durchaus fesselnden Thriller, bei dem Fans des ersten Bandes nicht enttäuscht sein werden.

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Veröffentlicht am 31.01.2023

Poetisch erzählte deutsch-türkisch-armenische Familiengeschichte

Gleißendes Licht
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Marc Sinan verarbeitet in seinen ersten Roman "Gleißendes Licht" auf bildgewaltige und eindringliche Art und Weise Teile seiner eigenen Autobiographie sowie den Völkermord an den Armeniern.

Erzählt wird ...

Marc Sinan verarbeitet in seinen ersten Roman "Gleißendes Licht" auf bildgewaltige und eindringliche Art und Weise Teile seiner eigenen Autobiographie sowie den Völkermord an den Armeniern.

Erzählt wird diese deutsch-türkisch-armenische Familiengeschichte sprunghaft.über verschiedene Zeitebenen und Generationen hinweg, der man dank des atmosphärischen und sprachgewaltigen Schreibstils von Anfang an gebannt folgt. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist der Komponist Kaan, der Sohn einer türkischen Mutter und eines deutschen Vaters ist. Als ihm eines Tages die Erinnerung an seine armenische Großmutter, die ihre ganze Familie durch den Völkermord an den Armeniern verloren hat und so zur Waise wird, überkommt, taucht man ihn die türkisch-armenischen Vergangenheit ein und wird Zeuge, wie seine Großmutter ihre Familie durch den Völkermord verliert und wie Kaans Großvater durch ebenjenes schreckliche Ereignis zu Reichtum gelangt. Ein ständiger Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit lässt ein vielschichtiges und überzeugendes Gesamtbild der einzelnen Familienmitglieder sowie die Spuren, die der Massenmord an den Armeniern in der Familie hinterlassen hat, entstehen.
Sprachlich durchaus anspruchsvoll werden hierbei auch surreale und mythische Elemente miteinander verwoben, deren Bedeutung nicht immer auf den ersten Blick gleich ersichtlich wird. Auch Kaans Rachefantasien gegenüber den türkischen Präsidenten gegen Ende des Buches ließen mich mit mehr Fragen als Antworten zurück, konnten jedoch meinen überwiegend positiven Eindruck des Romans nicht schmälern.

Mit "Gleißendes Licht" ist Marc Sinan eine lesenswerte und stimmungsvolle Familiengeschichte gelungen, die eine poetische und teils surreale Komposition aus Politik, Kultur, generationenübergreifendes Trauma und seinen Folgen sowie interessante Charakteren ist.
Eine literarische Verarbeitung des Völkermordes an den Armeniern, die bis auf kleinen Schwächen, überzeugen kann.

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Veröffentlicht am 21.01.2023

Wenn das eigene Kind verschwindet - fesselnd und beklemmend erzählt

Wehrlos
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"Wehrlos" von Nora Benrath startet gleich mit einer Horrorvorstellung für Eltern. Mareike "Mieke" ist mit ihrer vierjährigen Tochter Nele auf dem Kinderspielplatz, wo Nele Verstecken mit zwei anderen Kindern ...

"Wehrlos" von Nora Benrath startet gleich mit einer Horrorvorstellung für Eltern. Mareike "Mieke" ist mit ihrer vierjährigen Tochter Nele auf dem Kinderspielplatz, wo Nele Verstecken mit zwei anderen Kindern spielt. Im Laufe des Spiels nimmt wird Nele von einem leicht älteren Mädchen vom Spielplatz weggelockt, in ein Auto gezerrt und betäubt. Als Mieke merkt, was passiert ist, ist es schon passiert. Nele ist verschwunden und die Suche der herbeigerufenen Polizei rund um Ben Andersen bleibt zunächst ohne Erfolg. Als später eine männliche Leiche und eine Kinderleiche gefunden werden, lüften sie nach und nach das Geheimnis um das Verschwinden von Nele. Währenddessen macht sie Mieke selbst auf die Suche nach ihrer Tochter und bringt sich dadurch selbst in Gefahr.

Nüchtern aber packend zugleich wird die Geschichte rund um Nele aus der Perspektive von Ben, Mieke, Nele aber auch den Entführern und anderen handelnden Personen erzählt. Besonders die Kapitel aus Sicht der Entführer und von Nele sorgen für leichte Gänsehaut. Der atmosphärisch düsterer Schreibstil trägt ebenso zu einem beklemmenden Gefühl beim Lesen bei.
Nach einem starken Anfang nimmt in der Mitte die Spannung etwas ab um sich dann zum Finale hin wieder zu steigern.
Neben dem Thema Kindesentführung spielt auch das Thema soziale Medien eine wichtige Rolle in dem Thriller, insbesondere die Darstellung des Lebens der eigenen kleinen Kinder durch die Eltern auf den Social-Media-Platformen ohne dass sich die Eltern viel Gedanken darüber machen, welche Folgen das für die Kinder haben kann. In dem Fall hier schlimme, auch wenn für Neles Verschwinden noch andere Gründe hinzukommen.

Alles in allem ist "Wehrlos" ein fesselnder, atmosphärischer und leicht soziaklritischer Thriller mit kleinen Schwächen, der besonders durch das schreckliche Thema Kindesentführung sowie seinem punkten kann.

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