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Veröffentlicht am 14.07.2024

Nachschlagwerk für den seelischen Alltag

Faktencheck Psyche
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Der „Faktencheck Psyche“ von Sacha Bachim macht Schluss mit gängigen Alltagsmythen. In fünf thematischen Schwerpunktkapiteln räumt er mit 50 Glaubenssätzen auf, die den meisten Leser:Innen mehr oder minder ...

Der „Faktencheck Psyche“ von Sacha Bachim macht Schluss mit gängigen Alltagsmythen. In fünf thematischen Schwerpunktkapiteln räumt er mit 50 Glaubenssätzen auf, die den meisten Leser:Innen mehr oder minder geläufig sein dürften: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“; „Das muss am Alter liegen.“; „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ oder „Strafe muss sein“. Auf humorvolle Weise zeigt setzt er den Mythen Fakten entgegen, zieht sie durch geschickte Fragestellung in Zweifel und gibt am Ende jeden Kapitels mal mehr mal weniger einfach umzusetzende Tipps, die dem/der Leser:In alte Glaubenssätze zu überwinden helfen. Dabei nimmt der Autor, Psychologe und Psychotherapeut, die seelischen Probleme seiner Mitmenschen durchaus ernst, zeigt auch auf, woher die Alltagsmythen stammen und dass, wie bei Mythen üblich, in jedem auch ein Fünkchen Wahrheit steckt. Es kommt „nur“ darauf an, dass man richtig mit ihnen umgeht.
In den meisten Kapiteln trägt das Konzept. Der/Die Leser:in liest, hält inne, erkennt (auch gelegentlich, was eigentlich ganz offensichtlich und lediglich im Alltagstrott in Vergessenheit geraten ist) und ändert im besten Falle sein Verhalten.
Die beiden Großkapitel „Mythen über Gefühle“ und „Mythen über Beziehungen und Familie“ zeigen schon anhand der Überschriften zu den einzelnen Unterkapiteln, dass hier das Konzept an seine Grenzen stößt. Alltagsmythen lassen sich aus den Titeln nicht sofort erkennen. Sie wirken ein wenig konstruiert. Auch greift der Autor zur Lösung des Prinzips ganz gerne in die „Trickkiste“ der bekannten psychotherapeutischen Ansätze: „das innere Kind“, „das innere Team“, „ATT“, „Traumreise“. Natürlich müssen die Tools nicht immer neu sein, um zu wirken. Aber an diesen Stellen wird die Hilfestellung etwas schwammig oder beansprucht viel Zeit, und lässt sich nicht so einfach in den Alltag integrieren. Diese Kapitel lesen sich auch insgesamt nicht ganz so flüssig wie der Rest.
Aber zum Glück hat ja jeder mit seinen eigenen Alltagsmythen zu kämpfen und muss sicherlich nicht alle fünfzig auf einmal angehen. Für den, der gerne chronologisch liest, ergeben sich auf jeden Fall einige Fragestellungen, über die nachzudenken bestimmt lohnenswert ist, und der ein oder andere Tipp, der sich einfach und effektiv umsetzen lässt. Allen anderen sei empfohlen, wie der Autor selbst im Nachwort anregt, das Buch als Nachschlagewerk griffbereit im Schrank zu haben und bei Bedarf unter dem entsprechenden Schlagwort Hilfe zu suchen.

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Veröffentlicht am 14.07.2024

(Zu) persönlich

Alte Eltern
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Der Autor Volker Kitz schreibt in seinem Essay „Alte Eltern“ über die letzte Zeit mit seinem an Demenz erkrankten Vater. Dabei gewährt er zum einen Rückblicke in die Zeit davor und fügt zum anderen Exkurse ...

Der Autor Volker Kitz schreibt in seinem Essay „Alte Eltern“ über die letzte Zeit mit seinem an Demenz erkrankten Vater. Dabei gewährt er zum einen Rückblicke in die Zeit davor und fügt zum anderen Exkurse ein über das Erinnern, über das Gedächtnis und über die Krankheit des Vergessens, die Demenz. Dazu bezieht er sich auf philosophische, neurowissenschaftliche, medizinische, aber auch andere literarische Quellen, wie z. B. Geigers „Der alte König in seinem Exil“, in dem dieser über die Krankheit seines Vaters schreibt.
Wie für ein Essay typisch fügt sich die Chronologie nur locker, mehr in Kreisen um das Thema, auch wenn der grobe Faden von dem Beginn der Erkrankung des Vaters bis hin zu seinem Ende verläuft.
Es ist ein sehr persönliches Buch. Der Vater, unterrichtet von dem Vorhaben seines Sohnes, über seine Geschichte zu schreiben, fragt, ob eventuell zu persönlich. Sicherlich gibt der Sohn sehr intime Einblicke dahinein, wie sich das Verhalten des Vaters aufgrund fortschreitender Erkrankung entwickelt, vor allem aber dahinein, welche Sorgen und Nöte dies im Seelenleben des Autors auslöst. Bewundernswert ist die Liebe, die Fürsorge und das Engagement, das der Autor zeigt, wenn er den Vater fast täglich für Stunden besucht, bemüht ist, sein Leben lebenswert zu gestalten, und alles versucht, den Verlauf der Krankheit für den Vater erträglicher zu machen. Er ringt um ein würdiges Leben für den Vater und um ein liebendes Bild auf ihn. Dabei zeigt er auch ehrlich seine Grenzen auf, seine Verzweiflung und seine Ohnmacht.
Es ist ein anrührendes Buch, bisweilen auch schwer erträglich, wenn man sieht, was diese Krankheit aus einem Menschen macht und dass es dafür kaum eine Lösung gibt. Wie geht man um mit Menschen, die ihr Gedächtnis und damit letztlich ihre Fähigkeit verlieren, den einfachsten Anforderungen im Leben nachzukommen? Wie kann man ihnen helfen, ihr Würde zu bewahren? Besonders schwer macht es, dass man nicht klar wissen kann, wie es den Menschen mit ihrer Krankheit geht, und dass man so schwer Vorsorge dafür treffen kann. Kann ein Leben mit Demenz noch Zufriedenheit versprechen oder gar glückliche Momente bescheren? Kann sich die Sichtweise ändern, wenn man für sich selbst beschließt, so nicht enden zu wollen?
Das Buch ist insofern ein sehr persönliches, weil es keine Anleitungen und konkreten Hilfestellungen für andere gibt, die vor demselben Problem stehen. Jeder Fall wird sicherlich anders verlaufen. Es kann Mut geben, aber auch ein Gefühl der Verzweiflung oder des Ausgeliefertseins vermitteln, da es – auch von medizinischer Seite – keine wirkliche Hoffnung zu geben scheint.
Der persönliche Teil ist sehr fesselnd. Die Einschübe der allgemeinen Reflexion habe ich dagegen als zum größten Teil etwas sperrig empfunden. Mir haben sie – bis auf gewisse medizinische Fakten – wenig gesagt, wie z. B. die Arten, Erinnertes zu kategorisieren laut Museumskatalog.
Auch der Titel hat sich mir als ein wenig irreführend erwiesen, vermittelt er doch so etwas wie Allgemeingültigkeit, als würde das Phänomen der „Alten Eltern“ doch allgemeiner behandelt. Bei Kitz kommt als Besonderheit noch hinzu, dass es „nur“ noch den alten Vater gibt, da die Mutter schon lange zuvor bei einem Autounfall verstarb. Das bedeutet für die Söhne im Hinblick auf die Pflege des Vaters eine besondere Verantwortung, da der sich kümmernde andere Partner weggefallen ist, somit aber auch nicht mehr selbst zum Gegenstand der Sorge wird.
Es ist sicherlich ein Buch, dass zum Nachdenken über den Umgang mit alten Menschen anregt und die Sorge um ein würdevolles Altern anregt. Es ist das persönliche Zeugnis eines Versuchs, dem Vater dies mit allen Unzulänglichkeiten zu ermöglichen. Ein Fazit ist für mich nicht erkennbar, es bleiben die losen Enden eines Lebensentwurfes, die in der Luft hängen bleiben.

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Veröffentlicht am 26.06.2024

Philosophisches Kreisen um die besten Jahre

Mitte des Lebens
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Der Inhalt des Buches „Mitte des Lebens“ von Barbara Bleisch und ihr Anliegen sind am besten umrissen mit den Worten der Autorin: „Was ich vorschlage sind somit keine Lösungen, sondern Versuche, eine Lebensphase ...

Der Inhalt des Buches „Mitte des Lebens“ von Barbara Bleisch und ihr Anliegen sind am besten umrissen mit den Worten der Autorin: „Was ich vorschlage sind somit keine Lösungen, sondern Versuche, eine Lebensphase zu verstehen, die allzu oft nur als düster und verworren dargestellt wird und der ich eine Philosophie entgegensetzen will, die die mittleren Jahre als potentiell beste Zeit unseres Lebens auslotet.“
Und ich würde sagen, dass gelingt ihr auch. In verständlich,,en Worten, häufig mit Beispielen aus dem Alltag umkreist die Autorin die Frage, was der Mensch der „midlife crisis“ entgegensetzen könnte. Dazu bemüht sie vielfältige Antworten aus der Literatur sowie aus der Philosophie bzw. aus der Biographie verschiedener Philosophen, von denen sich nicht wenig auch recht schwer nicht nur mit der Lebensmitte taten. Oder vielmehr gewinnt sie Fragen aus Romanen, (AutBiografien und philosophischen Essays, die sie an gängige Vorstellungen von der Lebensmitte heranträgt. Dabei zeigt sie auf, welche negativen Sichtweisen auf gerade diese Lebensphase bestehen: Das Lebensende rückt näher, eine Bilanz rechnet auch die verpassten Lebenschancen auf, das Erreichte fragt nach dem, was noch kommt. Und entwickelt – ganz im Stile der sokratischen Hebammentechnik – mit Hilfe des Infragestellens dieser Perspektiven Möglichkeiten, die Lebensmitte auch ganz anders zu sehen: Blütezeit, Hochebene, die Überblick ermöglicht, Zeit für Innehalten und Genuss des Erreichten.
Auch wenn sich manchmal ein wenig der Kopf dreht bei dem philosophischen Kreisen, dessen Ziel ja nicht die geradlinige Lösung, sondern der Versuch, d. h. der Weg ist, der auch Irrweg sein und neu versucht werden kann, so vermittelt das Buch doch einen Lebensoptimismus und eine Lebensfreude, die auch Zweifel und Ängste nicht negieren und somit umso authentischer wirken. Kein Lebensratgeber, sondern ein Buch, das nachdenklich macht und zum Selberdenken anregt. So erscheint mir – logisch ganz stimmig – das Bild vom Irrgarten des Lebens als tröstliche und ermutigende Quintessenz der Lektüre: Wenn ich auch vielleicht das Gefühl habe, mich in meiner Lebensmitte verlaufen zu haben, dann ist der Weg hinaus nicht immer mit blinden Aktionismus, der sich selbst erschöpft, zu finden. Sondern dann darf ich auch einmal verweilen, rasten, um mich blicken, mich neu ausrichten und ausgeruht und gestärkt bedächtig auf einen neuen Weg machen. Z. B. mit und nach der Lektüre von „Mitte des Lebens“.

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Veröffentlicht am 13.06.2024

Stunde null der Frauen

Die kurze Stunde der Frauen
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Dass diese Stunde null der Frauen genauso ein Mythos ist wie die Stunde null für Deutschland nach dem Krieg macht schon der Titel von Miriam Gebhardts neuem Sachbuch „Die kurze Stunde der Frauen“ deutlich. ...

Dass diese Stunde null der Frauen genauso ein Mythos ist wie die Stunde null für Deutschland nach dem Krieg macht schon der Titel von Miriam Gebhardts neuem Sachbuch „Die kurze Stunde der Frauen“ deutlich. Sie räumt darin – nicht neu – mit dem Mythos der Trümmerfrauen auf, die Deutschland aus dem Nichts neu erschufen. Und sie fragt, wieso sich die Frauen nach einer kurzen Phase der Selbst- und Mitbestimmung wieder in die alte Rolle mit den drei Ks – Kinder, Küche, Kirche zurückdrängen ließen. Dazu trägt sie interessante Fakten und Kurzbiographien von Frauen zusammen, die die Stunde null mitgestalteten. Meist eher mitgestalten mussten, weil die Männer nicht (mehr) da waren, gefallen, gefangen genommen oder gebrandmarkt. Dagegen wurde ein Bild von der unschuldigen Frau aufgebaut, ideologisch unverdächtig, weil politisch inaktiv, das nun geeignet war, ein demokratisches Deutschland auf den Trümmern zu errichten. Dass auch dieses Bild eher ideologischen als realistischen Ursprungs war, wird in den Darstellungen Miriam Gebhards deutlich. Zwar gab es – schon vor der Stunde null – politisch engagierte Frauen, die für Mit- und Selbstbestimmung kämpften. Aber viele Frauen waren eben auch froh, als sie die Verantwortung für Familie, für die Beschaffung des Lebensunterhaltes und auch für politische Fragen wieder den Männern überlassen konnte. Dass sie nicht darin bestärkt wurden, die ihnen auferzwungenen Rollen nach dem Zweiten Weltkrieg weiter einzunehmen, war in West- wie auch in Ostdeutschland, wenn auch aus unterschiedlichen ideologischen Gründen, ähnlich.
Die Darstellung Gebhardts scheint wertfrei zu sein. Sie gliedert sich in verschiedene Bereiche: Trümmerfrau, Mutter, Ehefrau, Frau in Ost und West, Arbeitnehmerin, Frau des öffentlichen Lebens. Dennoch kommt es – in der Natur der Sache liegend, denn keine Frau ist nur Arbeiterin, nur Frau, nur Ehefrau, nur Mutter, nur Arbeiterin – zu Redundanzen in dem ewig gleichen Fazit: Die Stunde der Frauen währte nicht lang, war nicht gewollt, sondern aus der Not geboren und von daher auch schnell wieder freiwillig beendet, nicht aber ohne Spuren in der Gesellschaft zu hinterlassen, auch wenn diese lange brauchten, sichtbar zu werden, sich aber bis heute noch nicht vollends durchgesetzt haben. Denn auch heute noch regiert eher – aus unterschiedlichen Gründen – die Stunde der Männer. Und so klingt auch durch Gebhardts Darstellung, die weder die Frauen heroisiert noch die Männer verteufelt, bisweilen ein leicht ironisch-kritischer Zug, der sich vor allem gegen eine Geschichtsbildung richtet, die die Frauen für eine bestimmte Sichtweise auf eine schwierige Anfangsstunde instrumentalisiert.

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Veröffentlicht am 27.05.2024

Nicht so witzig

Fucking Famous
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Ich hatte das Buch „Fucking Famous“ gelesen in der Erwartung, dass es eine witzige, bissige Abrechnung mit dem Social-Media-Influencer-Gedöns würde. Ich fand es dann aber weniger witzig, als vielmehr die ...

Ich hatte das Buch „Fucking Famous“ gelesen in der Erwartung, dass es eine witzige, bissige Abrechnung mit dem Social-Media-Influencer-Gedöns würde. Ich fand es dann aber weniger witzig, als vielmehr die alte Leier: Vom Leben frustrierte, alternde Single-Frau mit wechselnden Hip-Berufen, Freundinnenclique, aber ohne Alltag und geregeltem Leben, was man ja nicht unbedingt haben muss, ist frustriert, gelangweilt und ohne tieferen Sinn im Leben. Das kann ja nicht alles gewesen sein. Da muss noch was kommen. Zum Glück hat sie eine reiche Hacker-Freundin mit viel Personal und guten Connections, die sie mit Make-Up, coolen Klamotten und Fake-News bzw. Videos geschickt in den Sozialen Medien in Szene setzt. Und der Plan geht auf: Lotte Hohenfeld, nicht adelig und ohne „von“, wird berühmt. Verbürgte früher einmal Berühmtheit so etwas wie Unsterblichkeit, so ist die Lebensdauer des Ruhms auf social media ungefähr so lang oder vielmehr so kurz wie die einer Eintagsfliege.
Die Mechanismen der Scheinwelt der Influencer, wie ihre Berühmtheit funktioniert, wie man in den Focus der Aufmerksamkeit gerät, nicht aufgrund besonderer Fähigkeiten oder Talente sondern vielmehr aufgrund der Abwesenheit von Scham und Schmerzgrenzen, wie man den Mainstream bedient, auch unter völliger Aufgabe seiner selbst, stellt die Autorin überzeugend und mit gewisser Expertise da.
Aber der Witz fehlt. Und so wird es doch wieder die Geschichte einer „alten, weißen Frau“, die den Sinn im Leben verpasst zu haben scheint und in Selbstmitleid und Verzweiflung nicht versinkt, sondern zur Tat oder eher zur Schlagzeile greift. Man kann es lesen, muss man aber nicht. Die Welt der Influencer wird sich weiter im Schnellkreisel drehen. Wer mitfahren will, viel Spaß.

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