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Veröffentlicht am 16.04.2018

Der Fluch des Sündenbuchs

Der Fluch des Sündenbuchs
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Beate Maly entführt uns im zweiten Band um die Geschichte des Sündenbuchs auf eine abenteuerliche Reise in die Neue Welt, nach Amerika. Jana Jeschek, die junge Apothekerin aus Prag, ist mir ihrem Geliebten ...

Beate Maly entführt uns im zweiten Band um die Geschichte des Sündenbuchs auf eine abenteuerliche Reise in die Neue Welt, nach Amerika. Jana Jeschek, die junge Apothekerin aus Prag, ist mir ihrem Geliebten Conrad Pfeiffer unterwegs, um das Geheimnis zu lüften, das ihr Vater ihr hinterlassen, und das ihm selber den Tod gebracht hatte. Jana besitzt ein goldenes Amulett sowie eine Karte, die ihr den Weg zu dem sagenumwobenen Schatz „El Dorado“ weisen sollen. Die eigenwillige, starrköpfige und starke junge Frau möchte die Freiheit und das Abenteuer an der Seite des geliebten Mannes genießen und herausfinden, was sich in „El Dorado“ verbirgt, und was so wertvoll ist, dass dafür getötet wird. Conrads Motivationen sind hingegen anderer Natur. Der Arzt, dessen Religion die Wissenschaft ist, der an Logik und Vernunft glaubt, und die Phänomene dieser Welt mit dem Verstand lösen möchte, hat an Gold und Reichtum keinerlei Interesse. Sein Ziel ist es, mit Jane eine Familie zu gründen, zu forschen, und Menschen in seiner Profession als Arzt zu helfen. Er willigt jedoch ein, Jana zu begleiten, da er insgeheim hofft, „El Dorado“ möge kein Goldschatz, sondern ein Schatz an Wissen und Erkenntnissen sein. Auf der Überfahrt mit der portugiesischen „Santa Lucia“ wird das Schiff, das auch eine Menge Sklaven befördert, vor Trinidad von Piraten gekapert, und die Wege der beiden Liebenden trennen sich.

Jana und Conrad sind jedoch bei weitem nicht die einzigen Personen, die nach dem berühmten „El Dorado“ suchen. Der Engländer Richard Walton, der von seinem berühmten Schwiegervater Sir Walter Raleigh ebenfalls eine Schatzkarte erhielt, macht sich in Begleitung des treuen, zuverlässigen und loyalen Diener seiner Ehefrau Julia mit dem Schiff „Anne Rose“ auf den Weg nach Amerika.

Und zu guter Letzt ist Jana erneut der unheimliche Mönch auf den Fersen, der sein entstelltes Gesicht stets mit einer Kapuze, seine verkrüppelte fingerlose Hand mit dem Ärmel seiner Kutte, verbirgt. Der unerbittliche Mann, der buchstäblich über Leichen geht, handelt in höchstem Auftrag und trägt den Siegelring des Papstes, in dessen Obhut er die Schatzkarte übergeben soll. Gemeinsam mit seinem Begleiter spürt er Jana auf und es kommt zu einem gefährlichen Finale…

Die aufregende Reise mit den gut gezeichneten Charakteren ist wie erwartet sehr interessant, in flüssigem Schreibstil verfasst und bietet spannende Höhepunkte, als die Wege der Reisenden sich kreuzen. Es tauchen neben den bereits erwähnten Protagonisten auch hoch interessante Nebenfiguren auf, von denen ich den Sklaven Assante und den jungen Bonifàcio mit dem Down Syndrom ganz besonders ins Herz schloss.

Die Schauplätze der Handlungen sind wunderschön beschrieben, scheinen ausgezeichnet recherchiert zu sein. Man erfährt von den Ureinwohner und den fremdartigen Tieren und Pflanzen, die den Europäern bis zu diesem Zeitpunkt fremd waren. Der Sklaverei und all ihren menschenunwürdigen Ansichten und der Piraterie wird große Aufmerksamkeit zuteil, der Leser trifft sogar auf den berühmt-berüchtigten Kapitän Morgan (!). Beate Malys Geschichte spielt im Jahr 1618 – 1619, und man wird nicht nur gedanklich in diese Zeit zurück versetzt. Durch die detaillierte Beschreibung der medizinischen und technischen Entwicklungen in dieser Zeit hat man auch ein ziemlich lebhaftes Bild der Lebensumstände der Menschen in dieser Zeit vor Augen, und zwar jener der Europäer, und jener der Einwohner der so genannten „Neuen Welt“. Ein faszinierendes Abenteuer, in das man tief eintauchen und das man bedingungslos genießen kann. Ich kann nicht umhin, bereits das fünfte Mal fünf Bewertungssterne für ein Buch dieser Autorin zu vergeben und bedanke mich für die freundliche Zurverfügungstellung dieses Rezensionsexemplares durch das Team von „Vorablesen“. Herzlichen Dank für diese bereichernde Lektüre!

Veröffentlicht am 16.04.2018

Erinnerung an einen schmutzigen Engel

Erinnerung an einen schmutzigen Engel
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Die junge Schwedin Hanna lebt bei ihrer verwitweten Mutter und den Geschwistern in bitterster Armut. Als die Not am größten ist und Elin nicht mehr weiß, wie sie ihre Kinder durch den kalten, harten Winter ...

Die junge Schwedin Hanna lebt bei ihrer verwitweten Mutter und den Geschwistern in bitterster Armut. Als die Not am größten ist und Elin nicht mehr weiß, wie sie ihre Kinder durch den kalten, harten Winter bringen soll, schickt sie ihre älteste Tochter Hanna mit einem Pelzhändler auf den Weg zum Meer, in der Hoffnung auf ein besseres Leben für sie. Hanna leidet unter der Trennung von ihrer Familie, erhält jedoch die Möglichkeit, an Bord eines Schiffes nach Australien zu gehen. Sie verdingt sich vor Ort als Köchin, kommt jedoch niemals in ihrem Zielland an. Henning Mankell erzählt in sehr eindrucksvoller Art und Weise die Lebensgeschichte einer sehr starken Frau, die allen Hindernissen zum Trotz ihren Weg sucht – und findet. Hanna verschlägt es nach Afrika, wo sie zu Reichtum kommt und eines Tages spurlos verschwindet.

Der Autor begleitet die verschiedenen Stationen des Lebensweges Hanna Lundmarks, basierend auf einer wahren Begebenheit. Eine erstaunliche Frau, die allen Widerständen und Vorurteilen der weißen Bevölkerung trotzt und den herrschenden Rassismus offen zu kritisieren wagt. Hannas Gedanken, ihre Emotionen und ihr wacher Verstand werden vortrefflich beschrieben und durch einen Tagebuchfund wird mit Hilfe des Autors Henning Mankell ein lebendiges Bild dieser ungewöhnlichen Frau gezeichnet. Die Charaktere sind authentisch, die Lebensbedingungen der schwarzen Bevölkerung sowie die krassen Entgleisungen im Namen der Rassentrennung werden dem Leser eindringlich vor Augen geführt.

Henning Mankell liefert keine leichte Kost für einen vergnüglichen Nachmittag auf der Lesecouch. Er konfrontiert den Leser vielmehr mit der teils sehr brutalen Realität Afrikas zu Beginn des letzten Jahrhunderts und regt zum Nachdenken an. Er schildert den Zwiespalt einer Weißen, die den Umgang der restlichen weißen Minderheit mit den schwarzen Ureinwohnern in diesem Land mit Argusaugen beobachtet und kritisiert. „Erinnerung an einen schmutzigen Engel“ ist meines Erachtens ein ganz besonders eindringliches Werk dieses Autors, das ich auf jeden Fall weiterempfehlen kann.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Isenhart

Isenhart
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Mund zu Mund-Beatmung bei einem Säugling, der nach einer problematischen Geburt tot zur Welt kommt – bereits der Einstieg ist rasant und diese Vorgehensweise für die damalige Zeit ein Werk des Teufels. ...

Mund zu Mund-Beatmung bei einem Säugling, der nach einer problematischen Geburt tot zur Welt kommt – bereits der Einstieg ist rasant und diese Vorgehensweise für die damalige Zeit ein Werk des Teufels. Holger Karsten Schmidt erzählt die Lebensgeschichte des Jungen Isenhart, der im Hause eines Adeligen aufwachsen und gemeinsam mit dessen Sohn Konrad Bildung erfahren darf. Bildung, die weit über „normale Maßstäbe“ hinaus reicht. Bildung, die zum damaligen Zeitpunkt gefährlich war und allzu leicht als „Ketzerei“ verurteilt wurde. Jene Bildung, die aus Isenhart einen hoch intelligenten jungen Mann machte, der sich niemals mit Gegebenheiten zufrieden gab, sondern vielmehr Fragen stellte. Als Isenhart durch einen grauenhaften Mord seine große Liebe Anna verliert, begibt er sich auf die Suche nach dem Täter. Eine Suche, die bis zur letzten Seite dieses gewaltigen Werkes andauern soll. Denn bei diesem Mord handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Allzu viele Parallelen treten in regelmäßigen Abständen auf und immer wieder sind junge, unschuldige Mädchen die Opfer. Isenhart macht es sich zur Lebensaufgabe, diesen scheinbar wahnsinnigen Serienmörder zu stellen und sammelt Indizien. Die Suche geht letztendlich sogar bis nach Spanien, wo Isenhart in Toledo Einzelheiten über seinen leiblichen Vater erfährt. Kurz nach seiner abenteuerlichen Rückkehr überschlagen sich die Ereignisse und der Autor steuert auf ein fulminantes Finale zu …

Die Umsetzung dieser an sich schon hoch interessanten Geschichte ist Holger Karsten Schmidt meines Erachtens vortrefflich gelungen. Er erzeugt bereits zu Beginn große Spannung, legt geschickt Fährten, die sich ab und zu als falsch erweisen und vermittelt einen guten Eindruck vom Alltagsleben im Mittelalter. Meine persönlichen Lese-Highlights waren die gut recherchierten Details aus dieser Zeit, die nur allzu oft – und zu Unrecht - glorifiziert wird. Der Ursprung von Redewendungen, die man ohne viel darüber nachzudenken laufend im Alltag verwendet, wird ebenso anschaulich erklärt wie die Armut, die Mühen und Plagen des Lebens, die Ansichten der Menschen, der Aberglaube, die Klassenunterschiede und die Macht des Klerus. Eine bunte Facette an Geschichten, wunderbar zu einem großen historischen Roman verflochten!

Der Autor steigt mit einem denkwürdigen Ereignis in die Geschichte ein – der Wiederbelebung des toten Säuglings, der aufgrund seiner Widerstandskraft Isenhart genannt wird. Bereits hier schlingt er die Fäden der Spannung geschickt um seinen Leser, die ihn bis zur letzten Seite nicht mehr los lassen werden. Der Roman ist durch seine vielen Höhepunkte dermaßen fesselnd geschrieben, dass es beinahe unmöglich ist, ihn beiseite zu legen. Durch seine wechselnde Konzentration auf jeweils einen anderen Protagonisten wirken die Kapitel kurzweilig und fachen die Neugier auf das weitere Schicksal der handelnden Personen stets aufs Neue an. Vom Schreibstil sehr angetan möchte ich das große Geschick dieses Autors hervorheben, mit dem er Gefühle und Gedankengänge der betreffenden Personen in den Text einzuflechten versteht. Dies macht die Dialoge lebendig und erweckt Sympathie oder Antipathie, je nachdem, ob es sich um Freunde oder Feinde der Hauptpersonen handelt.

Holger Karsten Schmidt konzentriert sich auf eine Handvoll Protagonisten, bedient sich aber auch einer beträchtlichen Anzahl von Nebenfiguren. Isenhart, Konrad, Sophia und Walter von Ascisberg wird die meiste Aufmerksamkeit zuteil. Trotzdem versäumt der Autor es nicht, den Leser auch für alle anderen handelnden Personen zu erwärmen. Es ist einfach, sich in sie hinein zu versetzen, da sie lebendig und interessant gezeichnet sind.

Es handelt sich bei dem vorliegenden Buch um eine gebundene Ausgabe mit eindrucksvollem Cover, der Titel „Isenhart“ durch erhobene, geschwungene Lettern und einem Schwert dargestellt. Autor, Verlag und besagter Titel sind im Querformat angeführt, eine interessante, wenn auch eher unübliche Vorgehensweise. Die erste Innenseite besteht aus pergament-ähnlichem Papier, das wiederum mit Schnörkel verziert ist. Der Inhalt wurde in 42 Kapitel eingeteilt, wobei der Beginn eines jeden Kapitels mit den Worten „Anno domini“ und der betreffenden Jahreszahl eingeleitet wird. Dem Leser wird auf diese Weise bereits zu Beginn vermittelt, ob sich der Autor auf den nachfolgenden Seiten auf die Gegenwart oder die Vergangenhart seines Protagonisten bezieht. Komplettiert wird der edle Ersteindruck des Buches durch jeweils einen verzierten Anfangsbuchstaben zu Beginn eines Kapitels – den handgeschriebenen Büchern in den Klöstern nachempfunden, die im Mittelalter durch oftmals Jahre währende liebevolle Handarbeit von Mönchen zu wahren Meisterwerken wurden. Der Autor hat sich bei seinen Recherchen sichtlich nicht nur auf Inhalte konzentriert, er passte auch die äußere Erscheinungsform des Buches jener Zeit an, in der seine Figuren lebten und wirkten. Außergewöhnlich!

Dieses Buch stellt eine faszinierende Mischung aus Kriminalroman und historischem Roman dar. Eine beeindruckende und vor allen Dingen authentisch wirkende Geschichte aus einer Zeit, die wir meist nur aus dem Geschichtsunterricht kennen. Eine Zeit, die oftmals verklärt dargestellt, vom Autor jedoch mit vielen Details aus dem Leben seiner Protagonisten bereichert wird. Dies vermittelt einen etwas realistischeren Eindruck aus dem Alltagsleben, den Standesunterschieden, den Mühen und Nöten der armen Bevölkerungsschicht, der Gier und Skrupellosigkeit des Adels, der immensen Macht der Kirche und unter anderem auch der großen Bedrohung durch Krankheiten. Kleine Verletzungen hatten aufgrund fehlender ärztlicher Versorgung in Folge von Armut oder Unwissenheit allzu oft tödlichen Ausgang. Die zur Zeit des Mittelalters modernen Aderlässe schwächten die Kranken, anstatt Positives zu bewirken und in Geisteskranken sah man aus Angst und Unwissenheit das Werk des Teufels. Holger Karsten Schmidt schafft es mit seinem Roman auf vortreffliche Art und Weise, dem Leser das Mittelalter mit all seinen Facetten nahe zu bringen. Er glorifiziert nicht, verdammt aber auch nicht. Er beschreibt, be- oder verurteilt nicht. Das Hauptaugenmerk wird neben der Geschichte eines Serienmörders auf Bildung gelegt. Bildung, wie sie nur schwer zu erlangen war und die aufgeschlossene, intelligente Menschen verbergen mussten, um Folter oder Hinrichtungen zu entgehen. Bildung stellte eine Bedrohung in der damaligen Zeit dar und dieser Roman veranschaulicht ziemlich genau die Gründe dafür.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Das Lied meiner Schwester

Das Lied meiner Schwester
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Das ungleiche Geschwister Anna und Orlanda verliert in sehr jungen Jahren die Mutter, der hoch musikalische Vater verfällt dem Schwermut. Anna, die ältere der beiden Schwestern, wird auf diese Art und ...

Das ungleiche Geschwister Anna und Orlanda verliert in sehr jungen Jahren die Mutter, der hoch musikalische Vater verfällt dem Schwermut. Anna, die ältere der beiden Schwestern, wird auf diese Art und Weise rasch in die Rolle der Mutter gedrängt und kann dieses Verhalten ein Leben lang nicht mehr ablegen. Sie kümmert sich so gut sie kann um den Haushalt und ihre kleine Schwester Orlanda, eine unbekümmertes Mädchen, das ihren Emotionen stets nachgibt und deren Handlungen nur allzu oft unbesonnen und aus einer Laune heraus erfolgen. Die vernünftige Anna wird Krankenschwester und arbeitet in einem Krankenhaus, Orlanda, der hoch begabte „Freigeist“, wendet sich den Künsten zu und wird Teil des Ensembles einer Operette. Nach einiger Zeit macht sie die Bekanntschaft mit einer neuen Gruppe und wendet sich dem Jazz zu, dem sie mit Leib und Seele verfällt. Die Tatsache, dass ihre Mutter nach der Geburt von Orlanda den Verstand verlor und bis zu ihrem Tod rund um die Uhr überwacht werden musste, lässt sowohl Anna, als auch Orlanda, jeglichen Wunsch nach einem Kind vehement von sich weisen. Orlanda ist wie ein schöner, bunter Schmetterling, der von Blüte zu Blüte flattert, das Leben leicht nimmt und sich nicht einengen oder festlegen möchte. So wie ihr ganzes Leben ist auch die Geschichte ihrer Liebe – sie schwankt in ihrer Leidenschaft stets zwischen den befreundeten Sängern Leopold und Clemens und diese verhängnisvolle „amour fou“ führt letztendlich zu einem tragischen Ende. Anna hingegen lernt durch ihr Orgelspiel einen Organisten namens Johannes kennen und lieben, nach der Heirat schafft sie es durch die Fürsprache des Chirurgen Dr. Müller, trotz ihrer Verehelichung weiterhin ihren Job im Krankenhaus zu behalten. Der Ausbruch des Krieges verändert das Leben der Geschwister auf dramatische Weise – und ihre Ideale und Vorstellungen werden in Grund und Boden zerstört.

Gina Mayer hat mit ihren vielschichtigen und lebendigen Protagonisten einen wundervollen Grundstein für einen Bestseller gelegt. Die Hauptfiguren Anna und Orlanda werden mit ihren so völlig verschiedenen Charaktereigenschaften exzellent dargestellt. Ihre Hoffnungen, Träume, ihre gesamte Lebenseinstellung – aber auch die Gewissenskonflikte bei wichtigen Entscheidungen - werden dem Leser in Verlauf des Buches nahe gebracht. Man kann einfach nicht anders, als völlig gebannt immer weiter zu lesen. Das Interesse an der Handlung wird von Grund auf geweckt und der Spannungsbogen ist hoch. Der flüssige Schreibstil der Autorin trägt zudem viel dazu bei, den Leser von Beginn an zu fesseln. Die immer wieder „eingeschobenen“ Briefe einer inhaftierten, zum Tode verurteilten Mutter an ihr ungeborenes Kind, lassen den Leser bis zum Schluss nicht los. Die Identität dieser Frau bleibt bis zuletzt ein Geheimnis. Das brisante Hauptthema im Hintergrund, die Anfangszeiten des Naziregimes und die Vorfälle, die letztendlich zum Ausbruch des Krieges führten, werden sehr anschaulich dargestellt. Man schafft es hierbei nicht, unbeteiligt zu bleiben und wird kapitelweise vom Grauen dieser Schreckensherrschaft überwältigt. Nicht selten musste ich das Buch zur Seite legen, zu realistisch wird der historische Hintergrund in die Handlung eingebunden. Realistisch, wie auch das ganze Buch, ist das Ende dieser Geschichte. Meines Erachtens ist „Das Lied meiner Schwester“ ein Buch, das in Schulen zur Pflichtlektüre gemacht werden sollte.

Es handelt sich hierbei um eine Taschenbuchausgabe des „Aufbau-Verlages“, dessen Covergestaltung mir persönlich nicht gefallen hat. Die Optik verrät nichts über den Inhalt, die Gestaltung des Buchdeckels spricht mich nicht an und hätte mich auch niemals zu einem Kauf bewogen. Gekauft habe ich dieses Buch ausschließlich aufgrund der Tatsache, dass die Autorin „Gina Mayer“ heißt, dessen Buch „Das Maikäfermädchen“ meine Leidenschaft für ihre schriftstellerischen Werke geweckt hat. Da ich jedoch ausschließlich am Inhalt des Romans interessiert war und dieser all meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen hat, gibt es für die optische Aufmachung auch keinen Punkteabzug in meiner Bewertung.

Fazit: Für „Das Lied meiner Schwester“ von Gina Mayer vergebe ich auf jeden Fall fünf Sterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung. Für meine Person definitiv ein Buch, das lange nachwirkt und das man unbedingt gelesen haben sollte.

Veröffentlicht am 16.04.2018

Das Maikäfermädchen

Das Maikäfermädchen
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Der Roman „Das Maikäfermädchen“ von Gina Mayer rückt als zentrales Thema die Abtreibung in den Vordergrund. Abtreibung, oft als letzten Ausweg, als Akt der Verzweiflung. Abtreibung in den Nachkriegszeiten, ...

Der Roman „Das Maikäfermädchen“ von Gina Mayer rückt als zentrales Thema die Abtreibung in den Vordergrund. Abtreibung, oft als letzten Ausweg, als Akt der Verzweiflung. Abtreibung in den Nachkriegszeiten, wo große Not, bittere Armut und endloser Hunger die beherrschenden Gedanken der Menschen sind. In dieser Zeit erscheint vielen jungen Mädchen und Frauen die „Engelmacherin“ Käthe als letzter Ausweg aus ihrer hoffnungslosen Situation. Käthe ist Hebamme, die ihr Handwerk, gebärenden Frauen beizustehen, stets geliebt hatte. Doch Käthe kommt in eine Situation, wo ein Abbruch der Schwangerschaft der einzige Weg zu sein scheint, das Leben und Seelenheil eines jungen Mädchens zu bewahren. Eine ehemalige Kollegin namens Lilo und ein Überlebender des Konzentrationslagers namens Schimanek helfen der mutigen Frau bei ihrem Vorgehen. Doch ihre Tat bleibt kein Geheimnis, und bald wenden sich viele Verzweifelte an sie, in der Hoffnung, ein Entkommen aus ihrer ausweglosen Situation zu finden.

Die Autorin macht aus einem an sich schon Seiten füllenden Grundthema ein Buch, das man schwer aus der Hand legen kann. Sie beschreibt mit sehr eindrucksvollen und authentischen Protagonisten den täglichen Kampf um das Überleben im Deutschland der Nachkriegsjahre. Keine Aneinanderreihung von Fakten, wie es uns aus Geschichtsbüchern bekannt ist, sondern vielmehr ein tiefes Eintauchen in diese Zeit. Als Leser mit Fantasie und Einfühlungsvermögen wird man mitten ins Geschehen katapultiert, vermeint durch die bildhaften Beschreibungen von Situationen und Emotionen beispielsweise den eisigen Schnee zu spüren, den Duft des Parfums, der wehmütige Erinnerungen an die schönen Jahre vor dem Krieg weckt, zu riechen. Und man erlebt aus Käthes Sicht das Grauen der Abtreibung eines Kindes in jeder schrecklichen Einzelheit mit. Die Zerrissenheit einer Hebamme, die im Grunde dazu ausgebildet wurde, das Leben der Kinder zu retten, nicht, es zu vernichten. Zugleich jedoch der Versuch, auch jenes der Mütter zu bewahren. Mütter, die in ihrer Verzweiflung und hilflos allein gelassen, nur zu oft dazu übergehen, selber Hand anzulegen und sich dabei schwer zu verletzen, wenn nicht gar zu töten. Der große Gewissenskonflikt zu diesem brisanten Thema wird durch folgenden Absatz im Buch sehr gut zusammengefasst: „Woher willst du das wissen? Woher willst du wissen, dass es für das Kind gut war? Vielleicht wäre es ein glücklicher Mensch geworden. Also gut. Vielleicht wäre es ein unglücklicher Mensch geworden. Ich bin auch ein unglücklicher Mensch. Genau wie dein Hambach. Aber leben wollen wir trotzdem.“
Gina Mayer beleuchtet die Aspekte eines solchen Eingriffes. Sie verurteilt nicht. Sie zeigt vielmehr das Leid, die Motivationen und die Tragweite einer falschen Entscheidung in jenen Jahren auf. Man kann nicht umhin, sich in ihre Protagonisten hinein zu versetzen, ihre Beweggründe zu verstehen und mit einem Schauer auf dem Rücken weiter zu lesen. Und man ist als Leser fassungslos angesichts der Lebensumstände direkt nach dem Krieg. Für Menschen meiner Generation ein kaum vorstellbar schweres Leben. Es verlangt dem Leser große Bewunderung ab, wie Trümmerfrauen harte Arbeit in Kauf nehmen, wie sie es durch geschickte Tauschgeschäfte und Erfindungsgeist schaffen, sich und ihre Lieben durch den Tag zu bringen, nicht zu verhungern. „Das Maikäfermädchen“ ist für mich ein „Auszug aus den Tagen der Nachkriegszeit“, wo Menschen versuchen, den Mantel der Vergessenheit über die schrecklichen Geschehnisse in den Konzentrationslagern zu legen. Das Hauptmotiv mag wohl Selbstschutz sein, um anhand des Grauens nicht vollständig zu resignieren und den Verstand zu verlieren. Um weiter machen zu können. Irgendwie. Immer einen Schritt nach dem anderen. Hinein in eine bessere Zukunft.

Fazit:
Dieses Buch von Gina Mayer hat mich zutiefst beeindruckt und sehr nachdenklich zurück gelassen. Durch den hohen Spannungsfaktor und den flüssigen Schreibstil ist man versucht, das Buch sehr rasch zu lesen. Dennoch kommt man nicht umhin, einiges zu reflektieren und die Seiten aller Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Als Leser taucht man förmlich in diesen Roman ein, der eine intensive Beschäftigung mit der Thematik und ein langes Nachwirken geradezu garantiert. Die Autorin Gina Mayer ist für meine Person eine großartige Neuentdeckung, deren Werke ich zukünftig genau verfolgen – und auch lesen – werde.