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Veröffentlicht am 10.08.2021

Das harte Leben der Menschen im 19. Jahrhundert

Die Hebamme
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„Die Hebamme“ beruht auf Tatsachen, welche das Leben von Marta Kristine Andersdatter Nedje beschreibt. Sie war die Ururgroßmutter von Edvard Hoem, dem Autor des Buches. Als eine der ersten Frauen, die ...

„Die Hebamme“ beruht auf Tatsachen, welche das Leben von Marta Kristine Andersdatter Nedje beschreibt. Sie war die Ururgroßmutter von Edvard Hoem, dem Autor des Buches. Als eine der ersten Frauen, die sich für den Beruf der Hebamme interessierte, wanderte sie im Jahr 1821 über 600km zum Ausbildungsort. Ihr Wunsch war es stets, den Frauen zu helfen, die Säuglingssterblichkeit zu reduzieren und auch das Leben der Mütter zu schützen. Obwohl ihr Argwohn und sogar Feindschaft entgegenschlug, sie ließ sich nie entmutigen.

Armut war für die Familie der Hebamme alltäglich. Der Ehemann Hans kam krank aus dem Krieg zurück und es waren immerhin 11 Kinder, die versorgt werden mussten. Das beeindruckende an dieser Frau war ihre große und unverrückbare Liebe zum Hans. Aber auch die Geduld sowie das Durchhaltevermögen ihren Beruf zum Wohle der Mütter und Kinder auszuüben, ist bemerkenswert.

„Die Hebamme“ wurde in Norwegen über 60000 mal verkauft. Das ist beachtlich und zeigt, wie gefragt die Historie ist. Der Autor beschreibt die karge Landschaft und das mühselige Leben der Menschen so klar, dass diese „Bilder im Kopf“ beim Lesen wie von selbst entstehen. Die Erzählungen aus Sicht der Hebamme sind schlicht und zuweilen ein wenig einfältig. Sie kam mir vor als sei sie entrückt und stehe nicht mit beiden Beinen auf der Erde. Dabei stimmt das absolut nicht. Sie ließ sich wohl immer mal wieder von ihrem Mann beeinflussen, der ein Träumer war.

Nein, die Pille gab es damals noch nicht und selbst Hebammen kannten sich mit effektiver Verhütung wohl nicht aus. 11 Kinder zu gebären, das war nicht selten und oft starben die Frauen früh. Nicht so die Hebamme Marta. Sie überlebte ihren Ehemann viele Jahre und arbeitete bis ins hohe Alter als Geburtshelferin. Die Wege, welche sie zurücklegte waren mitunter gefährlich, da sie häufig über den stürmischen Fjord führten. Ein lesenswertes Buch, das die harte Zeit im 19. Jahrhundert gut vor Augen führt.

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Veröffentlicht am 08.08.2021

Sehr gutes Debüt für anspruchsvolle Leser

Junge mit schwarzem Hahn
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Der 11jährige Martin musste schon sehr jung alleine klarkommen. Ohne Eltern und Geschwister. Einen treuen Freund hat er aber noch: den schwarzen Hahn, der ihm kaum von der Seite weicht. Als ein Maler ins ...

Der 11jährige Martin musste schon sehr jung alleine klarkommen. Ohne Eltern und Geschwister. Einen treuen Freund hat er aber noch: den schwarzen Hahn, der ihm kaum von der Seite weicht. Als ein Maler ins Dorf kommt, nimmt er den Jungen mit. Denn er merkt rasch, wie intelligent und umgänglich Martin ist. Die Vorbehalte der Menschen aus dem Dorf kann der Maler nicht nachvollziehen. Aber so war das damals. Wer Waise war, der wurde von den Mitbewohnern kaum beachtet.

„Junge mit schwarzem Hahn“ fällt in jedem Buchladen auf, weil das Cover so einzigartig ist. Hier wurde ein Gemälde Pablo Picassos verwendet und das harmoniert perfekt mit der Geschichte. Es stammt aus dem Jahr 1905 und der Titel ist: „Garcon á la Pipe“. Das Buch lässt sich nicht einfach mal „nebenbei“ lesen. Dafür ist die Sprache zu eigen und die Story teilweise mit Elementen der Phantasie bestückt. Der Junge erlebt gute und schlechte Tage und nicht alle Menschen kommen mit offenen Armen auf ihn zu.

Am Schluss des Buches gibt es einen Einblick in die Gedanken der Autorin. Sie berichtet darüber, warum sie das Werk schrieb und welche Botschaft sie vermitteln wollte. Nein, es ist kein Schmöker und trifft nicht jedermanns Geschmack. Lesenswert fand ich es aber trotzdem und zwar für alle, die hochwertige Literatur mögen. Ein tolles Debüt.

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Veröffentlicht am 03.08.2021

Spannend und lehrreich zugleich, tolles Buch

Das letzte Bild
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"Das letzte Bild" ist eine Mischung aus Krimi und Historischem Roman. Die Story beginnt mit einem Phantombild. Darauf erkennt die Hauptakteurin Eva das Gesicht ihrer Mutter. Darauf angesprochen blockt ...

"Das letzte Bild" ist eine Mischung aus Krimi und Historischem Roman. Die Story beginnt mit einem Phantombild. Darauf erkennt die Hauptakteurin Eva das Gesicht ihrer Mutter. Darauf angesprochen blockt diese ab, wie sie es bei allen Fragen macht, die sich auf die Vergangenheit beziehen. Welches dunkle Familiengeheimnis verschweigt sie? Eva will es wissen und macht sich auf eine Reise nach Norwegen und in die Vergangenheit ihrer Mutter.

Den Ausschlag zum Schreiben dieses Romans gaben Zeitungsartikel über die Isdal-Frau. Dabei handelt es sich um eine Frauenleiche, die nicht zu identifizieren war. Anja Jonuleit fand die Geschichte so spannend, dass sie sich auf den Weg nach Norwegen machte. Das Resultat ihrer Recherchen kann sich durchaus sehen lassen. Dabei verwebt die Autorin unterschiedliche Fäden zu einem Bild, das zwischen Gegenwart und Vergangenheit wechselt.

Das Buch beginnt mit einem Ereignis, welches das Leben zweier Mädchen und ihrer Mutter grundlegend ändert. Nicht nur die traurige Familiengeschichte wird erzählt. Auch der Umgang mit jungen norwegischen Frauen, die ein Kind von deutschen Soldaten bekamen, ist Thema. Sie kamen in den sogenannten Lebensborn-Heimen zur Welt und wurden dann auch nach „arischen“ Gesichtspunkten selektiert. Dass es in Norwegen etliche solcher Heime gab, das war mir nicht bekannt. Aber auch andere Fakten aus der Historie kommen zur Sprache.

"Das letzte Bild" ist nicht nur Krimi und Historischer Roman. Es ist gleichzeitig ein Versuch, sich den eigenen Traumata zu stellen und diese nach vielen Jahren zu überwinden. Dieses Ansinnen wird von der Autorin so empathisch erfasst, wie kaum besser zu bewerkstelligen ist. Ein wirklich lesenswertes Buch. Wie im Leben halt üblich, halten sich auch hier sympathische und weniger sympathische Charaktere die Waage. Bei aller Meinungsbildung muss aber immer klar sein, dass nur der, welcher in gleicher Situation war, sich auch ein Urteil erlauben darf.

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Veröffentlicht am 03.08.2021

Beeindruckender und faktenreicher Bericht über die Flucht jüdischer Kinder

Die Kinder von Teheran
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Mikhal Dekel ist die Tochter Hannans, einem jungen Polen, der aus seinem Heimatland fliehen musste. Ganz alleine, ohne Eltern machte er sich mit zwei weiteren Kindern auf den langen und beschwerlichen ...

Mikhal Dekel ist die Tochter Hannans, einem jungen Polen, der aus seinem Heimatland fliehen musste. Ganz alleine, ohne Eltern machte er sich mit zwei weiteren Kindern auf den langen und beschwerlichen Weg von Polen aus nach Palästina. Und ihr Schicksal war keineswegs einzigartig. Etwa 900 Kinder und Jugendliche waren ebenfalls auf der Flucht vor Tod und Dahinvegetieren in einem Konzentrationslager. Und die wiederum waren ein geringer Teil von etwa 250 000 polnischen Juden, die ihre Heimat verlassen mussten.

Nein, dass Juden in Polen eine Minderheit waren, das stimmt nicht. Im Jahr 1897 gehörten von
100 % der Einwohner immerhin 75 % zu dieser Religionsgemeinschaft. Und trotzdem wurden sie später verfolgt. Hannan, also der Vater von Frau Dekel, war einer von ihnen und seine Familie gehört zu den „Ureinwohnern“ der Stadt. Hier lebten sie seit Generationen und betrieben eine Brauerei. Dass sie als Vertriebene endeten und ihre Heimat niemals wiedersehen sollten, das ist heute unvorstellbar. Und nicht nur das. Sie mussten Haus und Hof samt Inventar zurücklassen. Wer denkt, dass sie entschädigt wurden, der irrt. Der Versuch scheiterte im Jahr 1992 kläglich.

In dem Buch berichtet Frau Dekel einmal davon, wie sie auf den Wunsch kam, es zu schreiben. Zum anderen schreibt sie über die Flucht des Vaters und besuchte sämtliche Stationen seiner weiten Reise. Dabei kam sie mit vielen Menschen ins Gespräch und nicht alle waren ihr gegenüber freundlich eingestellt. Die Berichte über die Flucht sind zum Teil unvorstellbar grausam. Was mussten die Menschen damals nur erleben und selbst Kinder so leiden. Hunger war allgegenwärtig und bis zum Tod litt Dekels Vater an den Auswirkungen. Er stand häufig in der Nacht auf und wühlte im Abfall nach Resten von Nahrungsmitteln. Für das Kind Mikhal damals nicht verständlich aber heute nachvollziehbar.

Unendlich schwer waren die Reisen zur Recherche. Aber sie haben den großen Gewinn, dass Frau Dekel nach Jahren das Verhalten ihres Vaters verstehen kann. Die Flucht dauerte immerhin von 1939 bis 1943 und dass diese Erlebnisse niemals vergessen werden können, ist wohl jedem klar. Für mich war das Buch ein völlig unbekanntes Kapitel zum Thema Zweiter Weltkrieg. Ich bin dem Verlag sehr dankbar, dass dieses Buch hier in deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Nein, es ist kein trockenes Sachbuch sondern ein emotional geschriebenes Stück Zeitgeschichte, die nie vergessen werden darf.

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Veröffentlicht am 02.08.2021

Ein wunderbares Buch für Freunde der Natur

Geflochtenes Süßgras
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Ein Zopf besteht aus verschiedenen Strängen, die zu einer Einheit verwoben werden.
„Geflochtenes Süßgras“ ist so ein Zopf und der besteht aus Geschichten. Die werden aus wissenschaftlichen Erkenntnissen ...

Ein Zopf besteht aus verschiedenen Strängen, die zu einer Einheit verwoben werden.
„Geflochtenes Süßgras“ ist so ein Zopf und der besteht aus Geschichten. Die werden aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Wissen der Urbevölkerung geknüpft. Nein, das Buch handelt nicht ausschließlich von Süßgras. Hier werden Eindrücke geschildert, die dem Autoren in der Natur begegnen und die er zum Glück niederschrieb.

Es ist nicht verwunderlich, dass #GeflochtenesSüßgras zu einem Bestseller wurde. Geht doch der Trend immer mehr zur Natur. Damit meine ich nicht das „Waldbaden oder Klettern im Gebirge“. Nein, Menschen suchen den Kontakt zu Tieren und Pflanzen und wollen, dass die ihnen erhalten bleiben. Sie machen sich Gedanken um das Artensterben. Auch fragen sie sich, was sie selbst dazu beitragen können, dass die Erde auch von Enkeln und Urenkeln noch bevölkert werden kann. Sicher, der Klimaschutz mit all seinen Maßnahmen ist wichtig. Aber zunächst gilt doch, dass wir achtsam durch die Natur gehen.

Wie duftet eine wilde Erdbeere und wie groß ist hier alleine der Unterschied zu den Früchten aus Fernost. Oder gehen Sie einmal durch den Wald, wenn es regnete. Der Nebel, der aufsteigt und der Geruch von Moos und feuchter Erde, unbeschreiblich. All das lernt der bewusste Leser, wenn er sich das Buch zu Gemüte führt. Für mich ein äußerst wertvolles Stück, welches sich zum Begleiter für Naturliebhaber entwickeln kann. Die Sprache ist sehr angenehm und zwar nicht hochtrabend wissenschaftlich sondern zwar gehoben aber gut verständlich. Und das Cover passt perfekt zum Inhalt des Buches. Unbedingt lesen!

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