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Veröffentlicht am 11.10.2019

Geschichte zum "Anfassen"

Vespasian: Das Blut des Bruders
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Auch der 5. Band dieser Reihe zog mich in seinen Bann. Hier beschreibt Robert Fabbri sehr genau, wie die Römer in Britannien einfielen und die dort lebenden Druiden sich ihnen entgegen stellten. Sabinus, ...

Auch der 5. Band dieser Reihe zog mich in seinen Bann. Hier beschreibt Robert Fabbri sehr genau, wie die Römer in Britannien einfielen und die dort lebenden Druiden sich ihnen entgegen stellten. Sabinus, der Bruder Vespasians, ist nicht gerade als Diplomat bekannt. Es ist also kein Wunder, dass er sich mit den „geistigen Eliten“ dort anlegt und in Gefangenschaft gerät. Wie es bei denen damals üblich war, wollen sie ihn als Opfergabe gebrauchen, aber es wäre nicht Vespasian, wenn er seinen Bruder nicht retten könnte.

Es gibt einige negative Rezensionen, die sich an der „Fantasy“ stören. Warum eigentlich? War es nicht damals üblich, dass etliche Götter angebetet wurden und widernatürliche Ereignisse besonderes Augenmerk erfuhren? Ich kann durchaus nachvollziehen, dass Vespasian sogar das Erscheinen der Phönix beobachtete. Herr Fabbri erläutert sehr genau, warum er ausgerechnet in diesem Band auf Tacitus zurückgreift. Und mal ehrlich, wenn die damaligen Leser seiner Werke die Ereignisse für wahr hielten. Warum sollte das heute anders sein?

Ich höre die Serie seit dem ersten Band und bin immer noch beeindruckt. Herr Fabbri recherchierte sehr genau und ich lerne sehr viel über die damaligen Verhältnisse. Das wäre aber kaum erwähnenswert, wenn es nicht von einem Mann vorgetragen würde, der sein Handwerk versteht. Herr Wittenberg versteht es wie kein zweiter, die Stimmen und Stimmlagen an die Personen anzupassen. Sei es die „liebliche“ Stimme von Caenis oder die raue von Magnus. Er überzeugt mich jederzeit.

Veröffentlicht am 09.10.2019

Ist unsere Gesellschaft (noch) gerecht?

Der Kampf um die Würde
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„Denn eine Gesellschaft ist so integer, wie es ihr gelingt, auch die Würde der Schwachen in Grenzsituationen zu schützen. Wenn wir beginnen, unwürdige Zustände eines gewissen Prozentsatzes unserer Gesellschaft ...

„Denn eine Gesellschaft ist so integer, wie es ihr gelingt, auch die Würde der Schwachen in Grenzsituationen zu schützen. Wenn wir beginnen, unwürdige Zustände eines gewissen Prozentsatzes unserer Gesellschaft als hinnehmbare Begleiterscheinung einer Wohlstandsgesellschaft zu sehen, in der es den meisten doch gut geht, hat sie ihre innere Integrität verloren. Dann ist die Würde nur noch ein Wort, nicht mehr.“ (Zitat aus dem Buch Der Kampf um die Würde)



Der Autor des Buches Der Kampf um die Würde, Michael Steinbrecher, moderiert seit 2015 die Sendung „Nachtcafé“ im SWR. Diese Arbeit war Anlass für ihn, ein wenig ausführlicher über seine Gäste und deren Anliegen zu berichten. Er recherchierte intensiv und traf sich mit den hier Aufgeführten viele Male. Heraus kam ein beeindruckendes Werk, das eine Pflichtlektüre für Politiker sein sollte. Nur Blabla hilft keinem und die Gemeinschaft ist nur so stark, wie ihr schwächstes Glied.

Herr Steinbrecher beginnt mit dem Satz: Ist unsere Gesellschaft noch gerecht? Die Antwort kann sich jeder Leser selbst geben, sobald er das Buch beendete. Es werden einige Bücher zum Thema erwähnt und auch beschrieben, was der Anlass zum Schreiben dieses Werkes war. Zunächst lernt der Leser Kinder und Jugendliche kennen, die aufgrund ihrer finanziellen Situation gehänselt werden. Es ist von Familienarmut die Rede und nicht von Kinderarmut. Das wäre der falsche Begriff. Die Betroffenen sind ausgegrenzt und können sich weder Klassenfahrt noch Kino oder Pommes von Mac Donald erlauben. Schlimm sind die Urteile der Mitmenschen. Steinbrecher schreibt dazu: Wir haben nicht das Recht, nur nach äußerem Schein abschließend zu urteilen.

Nach den Gesprächen mit Kindern folgt jenes mit Menschen, die in der „Mitte der Gesellschaft“ leben. Bis zu dem Zeitpunkt, wo ihnen die günstige Wohnung gekündigt wird. Sie müssen eine Notunterkunft beziehen, weil es keinen bezahlbaren Wohnraum für sie gibt. Unfassbar? Oh ja und es kann jeden heute oder morgen treffen. Danach kommen Berichte von Menschen, die durch Fehlkalkulationen in die Armut rutschten oder durch Krankheit ihre Arbeit verloren und Obdachlos wurden. Wussten Sie eigentlich, wie ausgeprägt die „moderne Zwangsarbeit in Deutschland“ ist? Ich nicht und es ist nicht nachvollziehbar, dass es hier so etwas gibt.

Fragen nach der Altersarmut geht Herr Steinbrecher in Der Kampf um die Würde ebenso hinterher wie jener, nach der Würde in der Pflege. Hier geht es um drei Seiten: der des Pflegebedürftigen, des Pflegepersonals und der Angehörigen. Ganz widerwärtig sind die „Unternehmer“, welche mit schlechter Pflege auch noch Rendite machen wollen.

Der Autor schreibt in einem Kapitel sehr privat und emotional. Das zeigte mir, wie genau er weiß, wovon er schreibt. Er erlebte die Situationen selbst hautnah. Das berührt und macht ihn für mich absolut glaubwürdig. Zum Schluss des Buches kommen noch unterschiedliche Erlebnisse zur Sprache, die das selbstbestimmte Sterben betreffen. Sollte es auch in Deutschland möglich sein, dass ich als Schwerkranker bestimme, wann ich sterbe?

Auf den letzten Seiten fasst Herr Steinbrecher alle wichtigen Punkte noch einmal zusammen. Für mich die wichtigste Erkenntnis nach einmaligem Lesen:
Die Würde des Menschen ist unantastbar!? Auch die Würde der Menschen, die in Grenzsituationen leben?
Das Buch werde ich noch häufiger lesen. Nicht alles unterschreibe ich. Aber die Gedanken zur Würde in unterschiedlichen Situationen sind nachvollziehbar und machen den Ernst der Situation in Deutschland greifbar.

Veröffentlicht am 09.10.2019

Tackert und ein ganz verzwickter Fall

Absoluternullpunkt
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Mensch Tackert, bald hat er Geburtstag und muss sich vorher noch mit einem ganz kniffeligen Fall befassen. Maik ist Bandmitglied der Gruppe Absoluternullpunkt und wird während eines Auftritts im Drecksloch ...

Mensch Tackert, bald hat er Geburtstag und muss sich vorher noch mit einem ganz kniffeligen Fall befassen. Maik ist Bandmitglied der Gruppe Absoluternullpunkt und wird während eines Auftritts im Drecksloch auf offener Bühne ermordet. Ja, ermordet, das fand der Rechtsmediziner schnell heraus. Er kippte nämlich einfach um und zunächst sah es so aus, als hätte ihn ein Herzinfarkt das Leben gekostet. Tackert und seine Kollegen finden schnell heraus, dass Maik als Restaurantkritiker kein Blatt vor den Mund nahm. Seine Kritiken gingen manchmal unter die Gürtellinie, aber reicht das für ein Mordmotiv? Lange tappen die Ermittler im Dunkeln bis eine Wende der Geschichte endlich die gewünschte Dynamik bringt.

Ein solider Krimi mit einem Hauptkommissar, der seinen Weg ohne Kompromisse geht. Die Spannung wird durch einige Wendungen und Verdächtige gut hoch gehalten. Die Sprache gefällt mir, weil sie durch viel wörtliche Rede abwechslungsreich und angenehm zu lesen ist. Kommissar Tackert ist ein gestandener Mann und gibt nicht viel um die Meinung anderer. Das gefällt mir gut an ihm, zumal diese auch politisch so ganz nach meinem Geschmack sind. Sein privates Umfeld wird zwar auch beschrieben, aber nur häppchenweise. Es nimmt keineswegs die komplette Story ein, sondern ist gut dosiert.

Veröffentlicht am 07.10.2019

Nach langem Hin und Her dann doch die Lösung

Offline - Du wolltest nicht erreichbar sein. Jetzt sitzt du in der Falle.
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Immer mehr Menschen üben sich in der Enthaltsamkeit und geschäftstüchtige Unternehmer machen sich das zunutze. Digital-Detox-Auszeit heißt der Begriff und ist auch das Thema im neuesten Buch von Arno Strobel. ...

Immer mehr Menschen üben sich in der Enthaltsamkeit und geschäftstüchtige Unternehmer machen sich das zunutze. Digital-Detox-Auszeit heißt der Begriff und ist auch das Thema im neuesten Buch von Arno Strobel. Hier ist es eine Gruppe von ganz unterschiedlichen Leuten, die sich für fünf Tage an einen abgelegenen Ort bringen lassen. Dort verzichten sie auf W-LAN und Handy. Das Hotel ist riesig und liegt etwa fünf Fußstunden vom Königssee entfernt.

Nach einer Wanderung, die teilweise sehr anstrengend ist, erreicht die Gruppe ihr Ziel. Schon in der ersten Nacht geschieht es. Einer der Teilnehmer wird derart misshandelt, dass er kurz danach stirbt. Panik bricht aus und das Ereignis zerrt an den Nerven der anderen Teilnehmer. Wer ist der Unhold? Kommt er von draußen oder ist es einer der Teilnehmer? Das Misstrauen wächst und weitere Ereignisse tragen dazu bei.

Offline ist in meinen Augen Krimi aber kein Thriller. Er zieht sich teilweise unnötig in die Länge und ist für mich nicht glaubwürdig. Einzig der Schreibstil des Autors brachte mich dazu, das Buch auch bis zum Ende zu lesen. Der ist angenehm und die Dialoge abwechslungsreich. Kurzum, leichte Kost für zwischendurch. Mehr nicht.

Veröffentlicht am 06.10.2019

Die Geschichte Armeniens aus heutiger Sicht

Hier sind Löwen
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In dem Buch Hier sind Löwen ist die Ich-Erzählerin Helena Restauratorin und befasst sich mit sehr alten Handschriften. Sie restauriert Bücher und reist nach Armenien um dort einer alte Bibel zu neuem Glanz ...

In dem Buch Hier sind Löwen ist die Ich-Erzählerin Helena Restauratorin und befasst sich mit sehr alten Handschriften. Sie restauriert Bücher und reist nach Armenien um dort einer alte Bibel zu neuem Glanz verhelfen. Als sie ihrer Mutter davon erzählt gibt diese ihr eine alte Fotografie mit. Die Vorfahren der Mutter stammen aus Armenien und sie bittet Helena, sich nach den Menschen auf dem Foto zu erkundigen.

In Jerewan angekommen wird sie sofort mit ihrer Arbeit konfrontiert. Sie entdeckt eine kindliche Handschrift auf einer Seite und forscht nach, zu wem diese gehört und unter welchen Umständen das geschrieben wurde. Auch das Forschen nach ihren Vorfahren treibt sie um. Immer wieder bekommt sie neue Hinweise und lernt in Armenien zudem sehr liebe Menschen kennen.

Es dauerte etliche Seiten, bis ich in das Buch eintauchen konnte. Der Grund lag in den vielen Zeitsprüngen, die ohne Ankündigung aufgeschrieben wurden. Das störte zunächst den Lesefluss. Als ich mich aber daran gewöhnte, genoss ich das Buch. Es führte mir die Geschichte Armeniens vor Augen und damit auch die Gräueltaten der Usurpatoren. Helena ist eine emanzipierte Frau, die ohne Vater aufwuchs und ein gestörtes Verhältnis zur Mutter hat. Ihren Charakter hat die Autorin fein dargestellt.

Was mir ebenfalls gefiel das sind die umfangreichen Erklärungen zur Restauration alter Bücher. Besonders die Bibel war den Armeniern damaliger Zeit äußerst wichtig. Es heißt sogar, dass sie bei der Flucht lieber ein Kind als die Bibel zurückließen. Den Wert von Büchern beantwortet die Autorin mit einem Satz. Nämlich als sie gefragt wurde, warum die alten Werke nicht in Schachteln verpackt sind. „Eine Schachtel ist wie ein Grab. Das Buch vereinsamt und stirbt.“

Wer sich zutraut, auch mit außergewöhnlicher Literatur zurechtzukommen und zudem Interesse an der Geschichte von Armenien hat, der sollte das Buch auf jeden Fall lesen.