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Veröffentlicht am 07.06.2019

Keine "leichte Kost"

Die Kindheit ist politisch!
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Ein Psychohistoriker zählt zu den Wissenschaftlern, die Ereignisse in der Geschichte auf eigene Art untersuchen. Sie setzen dabei auf Grundlagen der Psychologie. Sven Fuchs, der Autor des Buches Die Kindheit ...

Ein Psychohistoriker zählt zu den Wissenschaftlern, die Ereignisse in der Geschichte auf eigene Art untersuchen. Sie setzen dabei auf Grundlagen der Psychologie. Sven Fuchs, der Autor des Buches Die Kindheit ist politisch forschte über viele Jahre, ob es einen Zusammenhang zwischen Traumata in der Kindheit und dem späteren Agieren als Politiker gibt. Wer es liest erkennt ebenfalls, dass es nicht nur Personen des öffentlichen Lebens sind, die durch Gewalt in der Kindheit das sind, was sie als Erwachsene ausmacht.

Es ist bekannt, dass die Erziehung früherer Zeit von Druck und Gewalt geprägt war. Sowohl psychisch als auch physisch wurden Kinder unterdrückt und ein eigener Wille kam nicht zum tragen. Oft gab es das Zitat Hiobs aus der Bibel: „Erzieht eure Kinder hart und streng“. Oder „Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen“.

Die Kindheit ist politisch ist das Ergebnis von Forschungen, die der Autor über Jahre betrieb. Mütter, die ihre Kinder missbrauchen oder den Vater als schlagendes Etwas („Warte bis der Papa nach Hause kommt“) gab es damals und heute gibt es sie immer noch. Es sind nicht nur die Männer, welche die Hand gegen ihren Nachwuchs erheben.

Herr Fuchs hat etliche Biographien von Massenmördern untersucht. Dazu gehören unter anderem: Hitler, Breivik und Stalin. Er führt in Die Kindheit ist politisch Tabellen an die belegen, welches Ausmaß die Gewalt gegenüber Kinder noch immer hat. (Siehe Palästina und die sogenannten Sommercamps für die Kleinen).

Astrid Lindgren war eine Verfechterin gewaltloser Erziehung und sollte vielen Eltern ein Vorbild sein. Das Buch hat mich sehr berührt und es dauerte eine Weile, bis ich es durchgelesen hatte. Doch ich erkannte, dass es sich lohnt. Anfangs war ich sehr skeptisch aber das verging bald. Weil Herr Fuchs keine Dogmen verbreitet sondern viel mehr dazu anregt, sich Gedanken über unsere Kinder zu machen. Tut die Politik genug, damit Kinder tatsächlich gewaltfrei leben können? Wie sieht es in Schulen und Kindergärten aus und werden Eltern ausreichend unterstützt? Mit Vorurteilen sind wir Menschen leider schnell bei der Hand. Wir sollten viel häufiger schauen, wo wir helfend eingreifen können. Auch das vermittelt das Buch Die Kindheit ist politisch.

Veröffentlicht am 05.06.2019

Schöne Beschreibung der Insel Mallorca und ihrer Geschichte

Das Tal der Orangen
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Der Prolog von DasTalDerOrangen schildert die Autorin, wie ein Arbeiter durch Zufall ein Geheimversteck entdeckt. Darin befindet sich ein Kasten mit Gegenständen, die im letzten Jahrtausend dort versteckt ...

Der Prolog von

DasTalDerOrangen schildert die Autorin, wie ein Arbeiter durch Zufall ein Geheimversteck entdeckt. Darin befindet sich ein Kasten mit Gegenständen, die im letzten Jahrtausend dort versteckt wurden.

DasTalDerOrangen beginnt mit der Schilderung eines Treffens von Jugendlichen auf der Insel Mallorca. Es ist das Jahr 1935 und Magdalena ein Teenager. Dann folgt der zweite Erzählstrang und der beginnt im Jahr 2016.

Die Hauptperson Anais ist Inhaberin eines Cafés und ihre Spezialität dort sind selbstgebackene Ensaimadas. Das sind Köstlichkeiten, deren Rezept von der Insel Mallorca stammen. Anais ist die Urenkelin von Magdalena und das gefundene Kästchen gehörte ihr. Anais wusste gar nicht, dass Magdalena auf Mallorca geboren wurde und dort ihre Jugend verbrachte. Nachdem sie den wertvollen Kasten in Händen hält, möchte sie unbedingt wissen, warum die Urgroßmutter die Insel verließ und in Frankreich lebte.

DasTalDerOrangen wird weiter in zwei Zeiten geschrieben. Einmal ist die Rede von der Vergangenheit Magdalenas und dann das gegenwärtige Leben von Anais. Mir gefiel, dass die Autorin sehr schmackhafte Rezepte zu den erwähnten Spezialitäten Mallorcas aufschrieb. Auch die Geschichte der Insel, die Situation im Bürgerkrieg und dann die Probleme des Massentourismus heutiger Zeit sind ein Thema. Bei Lesen des Buches war es mir tatsächlich so, als würde ich die Orangen riechen. So fein beschrieb die Autorin ihren Duft. Sie hat wirklich eine bildhafte Sprache, die mir gut gefiel.

Wer bereits auf der Baleareninsel war, der „muss“ das Buch lesen. Der Ort Sóller ist ja bis heute für seine schmackhaften Orangen bekannt und viele Deutsche ordern sich die süßen Früchte von dort. Ja, zuweilen ist

DasTalDerOrangen vorhersehbar aber dennoch empfehle ich ihn ausdrücklich.

Ich danke dem Verlag und #NetgalleyDE, dass ich das Buch lesen durfte.

Veröffentlicht am 04.06.2019

Behördenwillkür gegenüber Unmündigen

Die verlorene Schwester
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Anna Volkmann ist die Hauptperson in dem Buch DieVerloreneSchwester. Sie lebt in Zürich in einer Bank, ist nicht verheiratet und ohne festen Freund. Ihre Mutter ist Witwe und wohnt in Konstanz. Sie ruft ...

Anna Volkmann ist die Hauptperson in dem Buch

DieVerloreneSchwester. Sie lebt in Zürich in einer Bank, ist nicht verheiratet und ohne festen Freund. Ihre Mutter ist Witwe und wohnt in Konstanz. Sie ruft eines Tages an. Die Mutter hatte einen Unfall und bittet Anna um Hilfe. Das lässt Anna sich nicht zweimal sagen und fährt in ihr Elternhaus. Nach einem Telefonat mit ihrer Mutter sucht sie nach einer Versicherungspolice zu einer Unfallversicherung. Dabei macht sie eine für sie selber schlimme Entdeckung: Sie ist nicht das leibliche Kind ihrer Eltern, sondern sie wurde adoptiert. Verstört und fassungslos will sie darüber mit ihrer Mutter sprechen. Die kann und will ihr nicht viel dazu sagen. Anna muss für sich selbst Klarheit haben und macht sich auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter.

Das Buch

DieVerloreneSchwester berichtet die Geschichte in zwei unterschiedlichen Zeiten und mit verschiedenen Personen. Das ist zum Einen im Jahr 2008, wo Anna die Entdeckung macht und ihre leibliche Mutter sucht. Zum Anderen ist es die Zeit zwischen 1969 und 1974, wo vom Schicksal von Lena und Marie, zwei „Verdingkindern“ erzählt wird. Die beiden sind Schwestern und lebten bei ihrer Mutter. Nach dem Tod des Vaters litt diese an schweren Depressionen und die Nachbarschaft machte sich „Sorgen“, dass die beiden Mädchen verwahrlosen. Das Jugendamt wurde eingeschaltet und Lena und Marie kamen in ein Heim und später dann als Verdingkinder zu fremden Familien. Sie wurden getrennt und beide wussten nichts mehr voneinander.

Verdingkinder gab es in der Schweiz bis etwa 1980. Dieses dunkle Kapitel des Landes wird dort nicht gerne berührt und Betroffene kämpfen heute noch um Anerkennung ihres Leides. Guilette Geiger war eine von ihnen und setzt sich noch immer für die Belange der traumatisierten Menschen ein. Unbegreiflich aber wahr: Die Regierung der Schweiz sah es erst im Jahr 2013 als notwendig an, sich bei den Kindern zu entschuldigen.

Das Frauengefängnis Hindelbank spielt in

DieVerloreneSchwester ebenfalls eine Rolle. Hier kamen junge Frauen hin, die „schwer erziehbar“ waren oder einen „lasterhaften Lebenswandel“ führten. Das Urteil über sie wurde ohne Prozess gefällt und sie hatten niemals die Möglichkeit, sich zu verteidigen.

DieVerloreneSchwester ist ein Buch, welches ich auch als Mahnung für Mitarbeiter von Behörden, wie etwa dem Jugendamt betrachte. Die Willkür dieser Mitarbeiter von öffentlichen Ämter ist teilweise noch immer haarsträubend. Das Buch hat einige Längen und die Liebesgeschichte von Anna passt meiner Meinung nach in dieser Ausführlichkeit nicht dazu. Da hätte die Autorin lieber ein wenig mehr über Guilette Geiger oder das Haus Hindelbank schreiben können. Das Ende war mir persönlich zu abrupt. Das Thema ist aber gut recherchiert und daher gebe ich auch eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 02.06.2019

Gegen die Fakes von Politikern und ihren Trollen

Der Tod der Wahrheit
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Michico Kakutani ist Literaturkritikerin und Autorin des Buches DerTodDerWahrheit. Im Jahr 1988 gewann sie den Pulitzerpreis in der Kategorie Kritik und gilt als einflussreichster Opponent der USA.

Auf ...

Michico Kakutani ist Literaturkritikerin und Autorin des Buches

DerTodDerWahrheit. Im Jahr 1988 gewann sie den Pulitzerpreis in der Kategorie Kritik und gilt als einflussreichster Opponent der USA.

Auf der ersten Seite des Buches

DerTodDerWahrheit ist ein Gemälde zu sehen, welches den Titel „Die Wahrheit ist gestorben“ trägt. Es stammt von Francisco de Goya und zeigt eine tote Frau, die von vielen Menschen umringt ist.

Das Buch beginnt mit der Feststellung, dass im 20. Jahrhundert zwei der ungeheuerlichsten Regimes aller Zeiten an die Macht kamen. Das konnte nur geschehen, weil die Menschen von Überdruss und Angst geprägt waren und ihnen die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge egal war. Die Bedeutung der Wahrheit nahm zu dem Zeitpunkt bereits einen geringen Stellenwert ein.

Heute gibt es nicht nur Fake - News. Es gibt die Fake - Wissenschaft (Klimawandelleugner und Impfgegner sprechen davon) und die Fake - Geschichte (Revisionisten des Holocausts und Menschen, die die Überlegenheit der weißen „Rasse“ propagieren). Dann gibt es zudem Fake - Amerikaner auf FB, die von russischen Trollen erschaffen wurden. Und wohl nicht nur Amerikaner. Je nachdem, in welchem Land eine Wahl stattfindet auch Deutsche, Franzosen, Italiener usw.


Frau Kakutani schreibt in

DerTodDerWahrheit viel über Trump und die USA. Seine Lügen, die er über Twitter verbreitet und seinen Narzissmus. Sie beklagt auch, dass über „soziale“ Medien, wie etwa FB, Nachrichten an die User verbreitet werden, die genau auf sie zugeschnitten sind. Es sind maßgeschneiderte Nachrichtenfeeds, die den Leser in seiner Meinung bestärken. Es spielt keine Rolle, ob sie von seriösen Medien kommen oder Lügen sind.

Der Hinweis auf die Schriften von Stefan Zweig belegt, dass er genau wusste, wie der Aufstieg Hitlers zustande kam. Die Nazis damaliger Zeit gaben ihre Pläne nur Häppchenweise an ihre Befürworter. Nach einem Happen folgte stets eine Pause. Der deutsch-jüdische Sprachforscher Victor Klemperers drückte es noch anders aus. Er schrieb in seinen Tagebuchaufzeichnungen und dem Werk „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten“, dass die Sprache des 3. Reiches als winzige Arsendosen anzusehen waren. Für Hitler war die Sprache eine sehr wichtige Argumentationsgrundlage für seine kruden Vorstellungen. Und mal ehrlich, sehen wir es heute nicht auch bei allen Rechten Parteifunktionären?

Am 01.07. 2017 schrieb John le Carré im Guardian: Ohne klare Sprache gibt es keinen Maßstab für die Wahrheit.

Das Buch

DerTodDerWahrheit beschreibt zwar zumeist die Situation in den USA seit Trump. Dennoch zeigt es deutlich, wie auch in Europa der Ungeist der Nationalsozialisten um sich greift. Was die Gründe dafür sind und wie wir alle etwas dagegen tun können. Mir gefiel es sehr gut, da es Denkanstöße gab, die ich sonst nicht gehabt hätte. Sehr oft wird auf das Buch 1984 von Orwell hingewiesen.

Veröffentlicht am 01.06.2019

Ein sehr wertvolles Buch

Todesursache: Flucht
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Im Buch Todesursache Flucht ReconquistaHumanity wird Namenlosen eine Stimme gegeben. Anja Tuckermann und Kristina Milz haben viel Zeit in das Werk investiert und lange recherchiert. Über 30.000 Flüchtlinge ...

Im Buch Todesursache Flucht

ReconquistaHumanity wird Namenlosen eine Stimme gegeben. Anja Tuckermann und Kristina Milz haben viel Zeit in das Werk investiert und lange recherchiert. Über 30.000 Flüchtlinge sind seit 1993 ums Leben gekommen. Und das nur, weil sie Hoffnung hatten. Hoffnung auf bessere Lebensumstände, auf Frieden oder Schutz vor Verfolgung gleich welcher Art.

Todesursache Flucht ist nicht nur eine Liste der Verstorbenen. Es berichtet von einigen Persönlichkeiten, die hinter den Namen stehen. Warum mussten sie fliehen? Wie sind sie gestorben? Wie war ihr Leben vor dem Krieg oder anderer Fluchtursachen? Die Autorinnen sprachen unter anderem auch mit dem Vater des kleinen Alan Kurdi, der nicht nur ihn sondern auch alle weiteren Familienmitglieder verlor. Damals schaffte es der kleine Junge mit dem roten Pullover sogar auf die Titelseite von Charlie Hebdo. Und heute, wer denkt noch an ihn?

Es ist unglaublich, dass private Helfer angeklagt und als Schlepper denunziert werden. Todesursache Flucht lässt unter anderem auch einen Soziologie-Professor und den EKD-Ratsvorsitzenden zu Wort kommen. Alle, die hier mitwirkten eint die Empörung über den Friedensnobelpreisträger von 2012, die Europäische Union. Wie brutal gehen sie heute mit den Flüchtenden um? Sie werden abgewiesen oder monatelang in Lagern eingesperrt. Ein Zitat aus dem Buch:
Die Migrationspolitik der EU wird von Zielen und Vorgaben statt von Menschlichkeit bestimmt.

Todesursache Flucht berührte mich sehr und lässt mich nicht mehr los. Immer wieder schaue ich hinein und lese die Geschichten der Toten. Ein Werk, welches von jedem Menschen gelesen werden sollte, der seine Empathie noch nicht an den Mammon verlor.

ReconquistaHumanity