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Veröffentlicht am 10.08.2024

Ganz nah dran

Seinetwegen
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Eine ganz persönliche Geschichte erzählt die Autorin und nimmt mich mit hinein in ihr Leben, das eine Suche ist nach Antworten. Zora del Buono kann sich an ihren Vater kaum erinnern, denn sie war erst ...

Eine ganz persönliche Geschichte erzählt die Autorin und nimmt mich mit hinein in ihr Leben, das eine Suche ist nach Antworten. Zora del Buono kann sich an ihren Vater kaum erinnern, denn sie war erst acht Monate alt, als sie ihn durch einen Unfall verlor, den ein anderer zu verantworten hatte. Mit ihrer Mutter konnte sie nie darüber reden, oder – besser gesagt – ihre Mutter konnte darüber nicht reden. Inzwischen ist Buono 60 Jahre alt, ihre Mutter ist dement und lebt in einem Pflegeheim. Die Suche kann beginnen.

Ich bin fasziniert von Buonos Schreibstil. Sie erzählt alles, was ihr einfällt, woran sie sich erinnert, was sie erlebt hat, aber auch das, was gedanklich in ihr vorgeht. Und so liest es sich auch: Viele kurze, auch ein paar längere Abschnitte reihen sich scheinbar unsortiert aneinander. Dabei dreht sich vieles um den Tod, aber ihre Geschichten sind oft auch fröhlich. Dann wieder erinnert sich die Autorin an Szenen in ihrem Leben, für die sie sich schämt, weil sie gern anders reagiert hätte, als sie es getan an. Immer wieder gibt es Treffen mit zwei oder drei Freunden in einem Kaffeehaus. Diese Szenen im Kaffeehaus sind für mich ein besonderes Highlight gewesen.

Obwohl diese vielen kleinen Episoden anfangs völlig ungeordnet erscheinen, staune ich am Ende, dass doch alles gut sortiert und in eine passende Form gegossen werden konnte. Bei allem stand die Suche nach dem Unfallverursacher im Vordergrund und damit auch ihre Wut und ihre Ohnmacht ihm gegenüber. Aber auch diese Gefühle haben sich langsam verändert. Damit, dass am Ende alle so gut sortiert wirkt, hat mich die Autorin stark beeindruckt. Ich bin tief berührt und bedanke mich dafür, dass Zora del Buono mich so nah an sich und ihre Geschichte herangelassen hat.

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Veröffentlicht am 05.08.2024

Nur noch ein Kapitel...

Der Bademeister ohne Himmel
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Linda ist 15, geht nicht besonders gern zur Schule und denkt oft über das Sterben nach. Befreundet ist sie nur mit einem Jungen. Kevin ist sehr intelligent, aber verzweifelt, weil er zusehen ...

Linda ist 15, geht nicht besonders gern zur Schule und denkt oft über das Sterben nach. Befreundet ist sie nur mit einem Jungen. Kevin ist sehr intelligent, aber verzweifelt, weil er zusehen muss, wie die Welt zugrunde geht. Oft ist Linda bei ihrem Nachbarn Hubert, der an Demenz erkrankt ist und nach dem Tod seiner Frau allein in seiner Wohnung lebt. Er wird von Ewa gepflegt und betreut und dreimal in der Woche wird sie für einige Stunden unterstützt von Linda.
Die Autorin Petra Pellini weiß genau, wovon sie spricht, wenn sie die Geschichte von Linda und Hubert erzählt. Das wundert mich nicht, nachdem ich gelesen habe, dass sie selbst viele Jahre Menschen mit Demenz gepflegt hat. Die Nächstenliebe, die sie in sich trägt, wird in der Geschichte von Linda weitergegeben.
Linda ist sehr feinfühlig. Sie weiß genau, was gut ist für Hubert, welche Wünsche er hat und welche Erinnerungen sie ansprechen muss, um ihn glücklich zu machen.
Mir hat es große Freude gemacht zu erleben, wie liebevoll sie mit Hubert umgeht. Manchmal ist es ein Foto, das sie gemeinsam mit ihm anschaut, mal gibt sie ein paar Hinweise auf früher, als Hubert noch als Bademeister gearbeitet hat. Oder sie spricht von seiner Frau Rosalie, als sei diese nur kurz zum Einkaufen unterwegs.
„Gelegentlich denke ich darüber nach, was ich wem schenken würde. Keine realen Geschenke, die man auspacken kann. Mehr so Spinnereien … Ich würde ihm (Hubert) einen Mittwoch mit Rosalie schenken…“
Das ist nur einer von ganz, ganz vielen wunderschönen und berührenden Sätzen und Gedanken von Linda. Das Buch hat etwas mehr als 300 Seiten und weit über 60 Kapitel, die mich gleichermaßen begeistert haben. Dabei ist es egal, ob Linda zu Hause ist oder allein mit Hubert, ob sie von den Besuchen seiner Tochter erzählt oder sich mit Kevin trifft: Alles ist kurzweilig, mal fröhlich und erfrischend, manchmal traurig und nachdenkenswert.
Bis zum Ende der Geschichte, das ich so nicht erwartet hatte, hatte ich nach jedem Kapitel nur einen Wunsch: Nur noch ein Kapitel…
Sehr gern gebe ich eine Leseempfehlung für ein Buch, das eines der bewegendsten ist von denen, die ich in diesem Jahr gelesen habe.

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Veröffentlicht am 05.08.2024

Schutzgeister der Geschichten

Die magische Bibliothek der Buks 1: Das Verrückte Orakel
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Eine Welt ohne Bücher mag und kann ich mir einfach nicht vorstellen. Aber „Die magische Bibliothek der Buks“ führt uns in eine Zukunft, in der es tatsächlich keine Bücher mehr gibt. Allerdings ...

Eine Welt ohne Bücher mag und kann ich mir einfach nicht vorstellen. Aber „Die magische Bibliothek der Buks“ führt uns in eine Zukunft, in der es tatsächlich keine Bücher mehr gibt. Allerdings ist das nicht ganz richtig, denn irgendwo ganz versteckt in einer alten Villa leben die Buks. Diese kleinen Buchschutzgeister haben eine riesige Bibliothek und sind nur darauf bedacht, diese Bücher zu bewahren. Keine leichte Aufgabe, denn viele der Bücher sind bereits von einer wohl unheilbaren Krankheit befallen.
„Das verrückte Orakel“ ist der erste Teil einer Dilogie. Nachdem es lange Zeit still war, hat das Orakel jetzt prophezeit, dass Menschenkinder die Rettung sein werden. Nur kurze Zeit später gelangen tatsächlich vier Kinder durch einen Zufall in die magische Bibliothek der Buks und damit beginnt ein aufregendes Abenteuer voller Geheimnisse, Spannung, Gefahren und Magie. Und auch so manche Notlüge muss herhalten, damit die Kinder ihre Pläne umsetzen und vor den Erwachsenen geheim halten können.
Auf den Innenseiten des Umschlags gibt es eine Galerie der Buks. Die gefällt mir gut, habe ich dadurch doch gleich die Gesichter mit den passenden Namen der seltsamen kleinen Wesen mit den großen leuchtenden Augen vor mir.
Ich habe mich sehr wohl gefühlt in der Geschichte und mich besonders mit den Kindern gefreut, als die ihre ersten Bücher in den Händen hielten. Sehr gastfreundlich sind die Buks auch. So haben sie gern miteinander gegessen und Geschichten erzählt.
„Es heißt, dass Bücher so nahrhaft sind wie Brot. Man kann ohne sie überleben, aber der Geist wird nie satt.“
Dem habe ich nichts hinzuzufügen, außer der Bemerkung, dass ich dieses Buch allen kleinen und großen Leserinnen und Lesern empfehlen und ans Herz legen möchte.
Und ich warte jetzt ganz gespannt auf das Frühjahr des kommenden Jahres, denn dann erscheint der zweite Teil.

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Veröffentlicht am 22.07.2024

Zwischen Märchen und bitterer Wahrheit

Cascadia
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Kaskadien ist eine Region im Pazifischen Nordwesten Nordamerikas. Für mich ist „Cascadia“ das erste Buch, das mich in diese Gegend führt. Aus diesem Grund war ich angenehm überrascht, als ich ...

Kaskadien ist eine Region im Pazifischen Nordwesten Nordamerikas. Für mich ist „Cascadia“ das erste Buch, das mich in diese Gegend führt. Aus diesem Grund war ich angenehm überrascht, als ich zu Beginn des Buches eine Karte fand mit der Insel San Juan, wo Sam und ihre Schwester Elena zu Hause sind, und den umliegenden Inseln.
In der Buchbeschreibung ist von einem Bären die Rede, von den beiden Schwestern, die in einfachen Verhältnissen leben und davon träumen, woanders neu anzufangen. Wild und ursprünglich, so lässt schon das Cover die Insel San Juan erscheinen.
Als ich dann am Anfang eine Textpassage aus dem Märchen „Schneeweißchen und Rosenrot“ las, war meine Neugier auf das Buch noch größer geworden. Gibt es einen Zusammenhang zwischen einem meiner Lieblingsmärchen und der Geschichte aus „Cascadia“?
Sam und Elena arbeiten schwer für ihren Lebensunterhalt, aber auch dafür, die hohen Arztrechnungen ihrer kranken Mutter bezahlen zu können. Trotzdem geben sie ihren Traum nicht auf, irgendwann die Insel zu verlassen und woanders ein neues Leben zu beginnen.
Tatsächlich erinnert das Leben von Elena, Sam und ihrer Mutter ein wenig an das Märchen, vor allem wegen ihrer finanziellen Notlage, aber auch wegen des familiären Zusammenhalts. Ein wilder Bär, der plötzlich auf der Insel auftaucht, verändert das Leben von Sam und Elena auf unterschiedliche Weise.
Mir gefällt der Schreibstil, mit dem die Autorin Julia Phillips ihre Erzählung mal märchenhaft und andererseits sehr spannend erscheinen lässt. Die Landschaft mit Wäldern und Wasser, das Zuhause der jungen Frauen und die Menschen werden so gut beschrieben, dass ich mit hineingenommen werde in eine Geschichte, die so endet, wie ich es nicht erwartet habe.
Das Buch lässt mich nachdenklich zurück, das finde ich gut.

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Veröffentlicht am 20.07.2024

Nur die Sehnsucht bleibt

Aus guter Familie. Leidensgeschichte eines Mädchens
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Ich beginne mal mit dem Ende: Das Nachwort von Tobias Schwartz mit vielen Zusatzinformationen nicht nur zu Gabriele Reuter, sondern auch zu anderen Autor*innen und über das Leben in der Zeit kurz vor Beginn ...

Ich beginne mal mit dem Ende: Das Nachwort von Tobias Schwartz mit vielen Zusatzinformationen nicht nur zu Gabriele Reuter, sondern auch zu anderen Autor*innen und über das Leben in der Zeit kurz vor Beginn des 19. Jahrhunderts war für mich äußerst interessant und wissenswert. Besonders beeindruckt hat mich hier das, was Schwartz erwähnt zu Reuters späterem Romann „Das Tränenhaus“, in dem sie die Zustände in einer „Gebäranstalt“ beschreibt. Welch ein gruseliges Wort!
„Aus guter Familie“ ist die junge Agathe, die so gern ein selbstbestimmtes Leben führen möchte. Sie hat es nicht einfach und kann sich gar nicht persönlich entfalten, weil von allen Seiten Vorschriften und Auflagen eingehalten und Pflichten erfüllt werden müssen. Dabei ist ihr Freiheitsdrang so groß und ebenso der Wunsch nach Liebe und Zuneigung.
Das Buch wurde herausgegeben unter dem Label „Reclams Klassikerinnen“. Die Autorin Gabriele Reuter erzählt Agathes Geschichte eindringlich und beschreibt ihre Gefühle sehr authentisch. Der Schreibstil passt so gar nicht in die heutige Zeit, ist darum eher etwas befremdlich für mich, aber dennoch sehr fesselnd. Ich habe mich mitnehmen lassen in die Vergangenheit und konnte Agathe voller Mitgefühl begleiten.
Und auch, wenn die Buchbeschreibung bereits stichwortartig das gesamte Leben Agathes erzählt, so ist ihre Geschichte doch so dramatisch geschrieben und lässt mehr als einen Hauch von dem zurück, welche Bedeutung das Leben in der damaligen Zeit nicht nur für Agathe hatte.

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