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Veröffentlicht am 28.09.2021

Wenn eigentlich nichts geschieht...

Eine Familie in Berlin - Paulas Liebe
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Ich lese gerne historische Schmöker und so bin ich mit viel Hoffnung an diesen Roman gegangen - leider konnte er mich aber nicht überzeugen.

Die grundlegende Idee, die doch sehr spezielle Beziehung von ...

Ich lese gerne historische Schmöker und so bin ich mit viel Hoffnung an diesen Roman gegangen - leider konnte er mich aber nicht überzeugen.

Die grundlegende Idee, die doch sehr spezielle Beziehung von Paula und Richard Dehmel aufzuarbeiten, war eine sehr gute, denn bei den beiden handelt es sich tatsächlich um ein Paar, bei dem so einiges in recht speziellen Bahnen läuft. Doch unglücklicherweise wurde aus dieser Grundlage zu wenig herausgeholt.

Stattdessen erfahren wir in epischer Breite fast alles über Paulas Heranwachsen - ein Prozess, der nicht sonderlich spannend und auch nur sehr bedingt unterhaltsam ist, dafür aber fast 50% des Textes beansprucht. Auch als Richard Dehmel die Szene betritt, wird es nicht wirklich interessanter, denn das Anbandeln der beiden geschieht fast ausschließlich "off stage". Plötzlich sind sie in Liebe für einander entflammt, wann, wie und warum - darüber bleibt zu spekulieren, zumal Richard als Charakter äußerst vage, fast ein Schatten und im Gegensatz zu Tante Auguste eine Randfigur bleibt. Er ist zwar Dreh- und Angelpunkt für Paula, aber was genau sie an diesem sehr ungehobelten Egomanen reizt, bleibt mir verschlossen. Dies ist im Kontext der Geschichte sehr schade, da man als Leser*in einfach nicht zu durchschauen vermag, wie man als Frau sich den diversen Zumutungen (unabhängig davon, dass der zeitliche Kontext ein anderer war) so aussetzen konnte.

Abgesehen von diesem nicht unerheblichen Faktor, weist der Text zahlreiche Wiederholungen auf. Immer wieder geht es nach Ahrenshoop (was noch einigermaßen verständlich ist), immer wieder wird betont, dass Hedwig eine gute Freundin geworden ist, dass Richard doch alles tut, was er soll, dass die Eltern wegen Richards Atheismus skeptisch sind und dass Auguste aus Erfahrung spricht. Ich hätte mir in der Tat ein inhaltlich sorgfältigeres Lektorat gewünscht, denn diese immer wiederkehrenden Aspekte haben mich zunehmend gestört und ich genervt. Man hätte gut und gerne den Roman um mindestens 1/3 kürzen können, wenn man die Variation der immer gleichen Dialoge oder Kommentare entfernt hätte. Hinzu kommen die zu zahlreichen Briefe, die der Handlung Authentizität verleihen sollen, diese aber nicht voranbringen - im Gegenteil: es passiert, das inhaltliche Komponenten in benachbarten Passagen unmittelbar wieder aufgenommen werden.

Insgesamt hat mich das zugrundeliegende Schicksal von Paula Dehmel sehr berührt und interessiert, aber die Umsetzung war für mich nicht auf die wesentlichen Punkte konzentriert.

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Veröffentlicht am 19.09.2021

Was wären wir ohne Sprache?

Die Sprache des Lichts
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Mit Margarète, einer katholischen Spionin, Edward Kelley, einem englischen Tunichtgut, und Jacob Greve, einem unscheinbaren Sprachgenie, reist die Leserschaft durch das von Religionsstreitigkeiten erschütterte ...

Mit Margarète, einer katholischen Spionin, Edward Kelley, einem englischen Tunichtgut, und Jacob Greve, einem unscheinbaren Sprachgenie, reist die Leserschaft durch das von Religionsstreitigkeiten erschütterte Europa der Renaissance und erfährt unglaubliche Dinge über Sprachfaszination, -begeisterung und -besessenheit.

Der schier unglaubliche Detailreichtu, mit der die Welt und Liebe zur Sprachvielfalt in diesem Roman umfassend recherchiert zur Darstellung gebracht werden, ist die absolute Stärke des Romans. Die Besonderheiten von Sprache(n), ihre Macht und ihre Funktion als verbindendes und trennendes Mittel, werden bis in den letzten Winkel ausgeleuchtet und begeisternd und inspirierend transportiert. Der Roman gewährt nicht nur Einblicke in andere Sprachsysteme, sondern zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie abhängig der Mensch von Sprache und Sprachwissen ist.

Dieses Thematik ist eingebettet in eine sehr überzeugende und genau kontextualisierte Renaissance-Welt, die einen atmosphärischen Rahmen für die abwechslungsreiche, mit vielen Ortswechseln verbundene, Handlung bietet, die zeitweise auch mal einem Schelmenroman entsprungen zu sein scheint.

Trotz all dieser sehr positiven Punkte, schwächelte der Roman für mich jedoch zeitweise im Bereich der Figurenzeichnung und zum Ende hin auch in der Handlungskonstruktion. Die Figuren werden teilweise von der Last der Informationsvergabe erdrückt und erhalten nur wenig Möglichkeiten der freien Entfaltung, sodass der Leserschaft eine emotionale Nähe verwehrt bleibt. Der Schluss erscheint dann recht konstruiert und fast etwas pathetisch.

Dennoch ist und bleibt dieser historische Roman eine anspruchsvolle und intelligente Schleckerei für Menschen mit Sprachbegeisterung, die einen sehr viel klüger macht.

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Veröffentlicht am 19.09.2021

Wenn der Sommer unvollendet bleibt

Vom Ende eines Sommers
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Es mag sein, dass ich hier zum Advocatus Diaboli werde, da dieses Buch anscheinend vielfach Begeisterungsstürme auslöst, aber mich konnte es nicht überzeugen. Sicher, die Sprache des Romans ist wunderbar, ...

Es mag sein, dass ich hier zum Advocatus Diaboli werde, da dieses Buch anscheinend vielfach Begeisterungsstürme auslöst, aber mich konnte es nicht überzeugen. Sicher, die Sprache des Romans ist wunderbar, fast lyrisch, gefühlsbetont ohne ins Kitschige abzudriften, und lebt von ihren überaus detailreichen und bezaubernden Naturbeschreibungen. Ebenso faszinierend und überaus gelungen ist die nostalgische Stimmung eines verlorenen Englands, die die gesamte Erzählung durchströmt - sie ist so greifbar, das man sich fast in einem Gedicht von Philip Larkin, einem Country-House-Roman oder einem Heritage Film wähnt. Wenn es also um die sprachlichen Aspekte, das Setting und die Atmosphäre geht, muss man diesem Roman ein absolut goldenes Händchen bescheinigen - auf diesen Ebenen stimmt fast alles.

Allerdings - und dies ist leider ein größeres "allerdings" - bleibt der Text inhaltlich ziemlich auf der Strecke. Bereits ab der Hälfte - wenn nicht schon gar davor - begann ich mich zu fragen, ob es sich hier überhaupt um eine Geschichte handelt, die erzählenswert bzw. lesenswert sei. Die Autorin setzt eine unzuverlässige Erzählerin ein, die aber zu unvollendet, zu wenig ausformuliert und zu wenig charakterisiert wird, als dass der notwendige Prozess der Naturalisierung (also der Auflösung der Unzuverlässigkeit durch den Leser) abschließend gelingen könnte. Den gesamten Roman über schwebt man als Leser an den Rändern des Fassbaren, sieht sich mit losen Enden und wackligen Hypothesen konfrontiert, gibt sich Vermutungen hin und am Ende wird dann schließlich nichts aufgelöst. Noch dazu ist die Geschichte trotz einiger dramatischer Momente nicht wirklich faszinierend, es passiert zu wenig und die vielen Innensichten in Edies Seelenleben können wegen des mangelnden Verständnisses, dass in der zu vagen Kontextualisierung ihres Zustands begründet wird, nicht wirklich tragen.

Mir gefällt es nicht, dies zu sagen, aber ich habe mich tatsächlich über weite Strecken gelangweilt und war schlussendlich fast enttäuscht, denn auch das große Geheimnis um Constance wird nicht wirklich gelüftet. Geradezu ärgerlich war für mich, dass Edies Schicksal durch ein nichtfiktionales Nachwort zu (mehr) Bedeutung verholfen werden sollte - immer ein ungünstiger Moment für einen Roman.

Fazit: ein sprachlich überragend schöner Roman, der durch die Lobpreisung der Nostalgie eine ganz besondere Saite zum Schwingen bringt, aber leider inhaltlich ziemlich wenig liefert.

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Veröffentlicht am 19.09.2021

Ein Leben ohne Bindung

Alice von Battenberg – Die Schwiegermutter der Queen
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Karin Feuerstein-Praßer nähert sich in diesem Taschenbuch dem Leben von Alice von Battenberg an und beleuchtet die Facetten dieser getriebenen, einsamen, vielleicht auch missverstandenen und psychisch ...

Karin Feuerstein-Praßer nähert sich in diesem Taschenbuch dem Leben von Alice von Battenberg an und beleuchtet die Facetten dieser getriebenen, einsamen, vielleicht auch missverstandenen und psychisch schwer angeschlagenen Frau. Informativ ist dieser Band in höchstem Maße, denn man erfährt nicht nur viel über das Leben Alices, sondern auch über die Familienverhältnisse und Verbindungen, die Odyssee durch Europa und vor allem auch über den historischen Kontext.

Die Fülle an Informationen ist für den Leser zunächst schier überwältigend, besonders die familiären Verwandtschaften sind sehr verwirrend, wenn man komplett mitkommen will - daher war ich äußerst dankbar für die angehängten Stammbäume, die ich beim Lesen immer wieder konsultiert habe, um nicht durcheinander zu kommen. Die Stammbäume sind auch deshalb sehr hilfreich, weil sie die überaus illustre Verwandtschaft Prinz Philips noch einmal ganz deutlich hervorheben. Allerdings hätte ich mir "aktuellere" Stammbäume gewünscht, die jüngeren Mitglieder werden nicht mehr aufgeführt. Auch haben sich zwischen Text und Stammbäumen bisweilen kleinere Ungenauigkeiten in den Jahreszahlen eingeschlichen.

Besonders gut haben mir die vielen kleine Exkurse zu anderen Familienmitgliedern und ihren Schicksalen und Beziehungen gefallen, da sie die Geschichte sehr erlebbar machen und da ganze Geschehen in einen familiären Kontext setzen. Ebenso gut haben mit die kleinen Unterkapitel zur politischen Situation in Griechenland gefallen, die für ein Verständnis der Monarchie dort unerlässlich sind.

Insgesamt jedoch fehlte mir in dieser Biographie die Kraft und der Schwung. Stilistisch war der Text doch eher eine trockenen Abhandlung und bei aller Wissenschaftlichkeit kann man doch etwas lebendiger schreiben. An zwei oder drei Stellen gab es gar unmittelbare Wiederholungen, die sehr auffallen, wenn man den Text mehr oder weniger am Stück liest. Darüber hinaus spürt man die deutliche Distanz der Autorin zu Alice sehr stark, was für die Ernsthaftigkeit der Herangehensweise spricht, aber den Leser doch etwas fremdeln lässt. Außerdem hätte ich gern Fußnoten, Anmerkungen und einen Appendix gehabt - so schwankte das Werk zwischen populärwissenschaftlicher Biographie und wissenschaftlichem Schreibstil.

Der Text bietet einen guten Auftakt, wenn man sich in das Leben der Battenbergs einlesen möchte, weiterführende Lektüre ist aber auf jeden Fall notwendig.

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Veröffentlicht am 09.09.2021

Frauen(über)leben

Der silberne Elefant
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Eigentlich wollte ich den Roman gar nicht mehr lesen, nachdem ich schon viel an negative und durchwachsene Kritik gelesen hatte, aber zum Glück mache ich mir doch immer ganz gern ein eigenes Bild und das ...

Eigentlich wollte ich den Roman gar nicht mehr lesen, nachdem ich schon viel an negative und durchwachsene Kritik gelesen hatte, aber zum Glück mache ich mir doch immer ganz gern ein eigenes Bild und das hat "Der silberne Elefant" auch unbedingt verdient, denn Jemma Wayne ist eine gute Geschichtenerzählerin und ihr Buch hat mir gefallen.

Der Roman befasst sich mit drei sehr unterschiedlichen Frauenleben, die alle auf ihre Art zu überleben versuchen, wobei die Herausforderung für die ruandische Tutsi Emily unvergleichlich groß ist. Ihre Erfahrungen während des Völkermords, die auch im Text sehr plastisch herausgearbeitet werden, sind von unfassbarer Grausamkeit und unvorstellbaren Erlebnissen geprägt. Aber auch die anderen beiden Frauen reiben sich auf ihre Weise an ihrem Leben und ihrer Vergangenheit auf und kämpfen mit ihren persönlichen Dämonen, Schuldgefühlen und Ängsten. Auf sehr packende Weise schildert der Roman den Umgang der Frauen miteinander, mit sich selbst und zeigt die unterschiedlichen Wege einer Vergangenheitsbewältigung auf. Die Lektüre ist so mitreißend und interessant, dass ich mich manches Mal fragte, ob es angebracht ist, solch schwere Themen (denn auch die Probleme von Vera und Lynn sind alles andere als oberflächlich) in Unterhaltungsliteratur zu verpacken.

Die Frauenfiguren sind gut ausformuliert, bei den Männern in diesem Roman hakt die Figurenzeichnung jedoch. Die Männer sind einfach nicht spannend genug, nicht durchdacht und erfüllen eher stereotype Anforderungen: der Heilige, der Sünder etc...Schwierig fassbar war für mich auch die religiöse Note des Textes, der durch den Kontext einiger Figuren notwendig wurde, und auch Sinn machte, die stark kirchliche Ausrichtung war für mich aber nicht überzeugend und auch nicht wirklich nachvollziehbar.

Dennoch würde ich "Der silberne Elefant" empfehlen, denn mich hat dieser Blick auf unterschiedliche Frauenleben sehr beschäftigt.

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