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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.07.2024

Die Wiederentdeckung eines tollen Klassikers!

Aus guter Familie. Leidensgeschichte eines Mädchens
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»Vielleicht bekommen sie dann Mut, es selbst in die Hand zu nehmen, statt sich von ihren Eltern und der Gesellschaft vorschreiben zu lassen, wie sie leben sollen«

Die junge Agathe Heidling möchte ihr ...

»Vielleicht bekommen sie dann Mut, es selbst in die Hand zu nehmen, statt sich von ihren Eltern und der Gesellschaft vorschreiben zu lassen, wie sie leben sollen«

Die junge Agathe Heidling möchte ihr Leben eigenständig gestalten, ohne Konventionen und Pflichten leben. Doch mit genau diesen Einschränkungen hat sie zu kämpfen. Tag für Tag leidet sie unter den Zwängen ihrer Eltern und der Gesellschaft. So darf sie kaum eigene Entscheidungen treffen, muss sich stetigen Bevormundungen unterwerfen und sich schlichtweg einer Welt fügen, die nicht der ihren entspricht, sondern von Männern dominiert wird. Agathe kämpft dagegen an, rebelliert und verzweifelt, bis sie mehr und mehr zerbricht, alle Lebensfreude verliert und schlussendlich in eine Nervenheilanstalt eingewiesen wird.

Gabriele Reuters Roman ist, aufgrund der Thematik sowie ihrer einprägsamen Sprache, eine Rebellion gegen die vorherrschende Machtsysteme. Dabei verarbeitet sie, wie das Nachwort von Tobias Schwartz verrät, teilweise ihre echten Erlebnisse und erschafft dadurch ein wichtiges Porträt der Gesellschaft und deren konservative Prägung zum Ende des 19. Jahrhunderts.

Oftmals wird der Vergleich mit Fontanes „Effi Briest“ angestellt, doch ähneln sich diese Romane, meiner Ansicht nach, nur bedingt. Schließlich handelt es sich hier nicht um eine unglückliche Ehe und die Flucht in eine Affäre.
Ähnlichkeiten lassen sich aber dennoch erkennen, vor allem in den Schilderungen der gesellschaftlichen Zwänge, insbesondere für Frauen. Dagegen bemerkt man bei Reuter eine direktere Sprache, ohne Beschönigungen, die teilweise mit Wut gefüttert ist.

Ein Klassiker, der – leider –, trotz seiner ehemaligen Bekanntheit, nicht zuletzt von Thomas Mann, Sigmund Freud oder Victor Klemperer geschätzt, in Vergessenheit geraten ist und nun hoffentlich eine Wiederentdeckung mit großer Leserschaft feiert – verdient hätte er es!

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Veröffentlicht am 24.07.2024

Wer Brecht mag, sollte dieses Buch lesen!

Ein Haus, ein Stuhl, ein Auto
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Ein Haus, ein Stuhl, ein Auto – nicht alles davon braucht man zum Leben, doch bequem soll es gemäß Brecht dennoch sein.

Ursula Muschelers Buch ist eine Reise durch das vielfältige Leben von Bertolt Brecht. ...

Ein Haus, ein Stuhl, ein Auto – nicht alles davon braucht man zum Leben, doch bequem soll es gemäß Brecht dennoch sein.

Ursula Muschelers Buch ist eine Reise durch das vielfältige Leben von Bertolt Brecht. Auf seinen Spuren – sämtliche Stationen des Exils angerissen – begleiten wir ihn, seine Frau Helene Weigel sowieso einige seiner Affären von Deutschland ausgehend nach Dänemark, über Schweden und Finnland bis nach Amerika und zurück ins vertraute Berlin.

Nie zuvor wurden die etlichen Wohnstätten Brechts so deutlich auf den Punkt gebracht beschrieben. Stetig geplagt von inneren und äußeren Ansprüchen, der oftmals anzutreffenden Unzufriedenheit und selbstverständlich den Umständen des Exils geschuldet, wurden viele Wohnungen, nicht selten nur für eine kurze Zeit, bezogen – immer auf der Suche nach etwas Besserem.
Dass dabei die Suche nach geeigneten Wohnungen – im Idealfall Häusern – und dem dazu benötigten Mobiliar nicht Aufgabe des Schriftstellers selbst, sondern primär seiner Frau war, konnte man sich denken. Wie sehr er jedoch von seiner Frau abhängig war und diese für sich einnahm, wird in diesem Buch deutlich.
Noch dazu war Brecht kein genügsamer Mensch, sondern, obwohl er sich stets mit Arbeiterklasse sympathisierte, voller eigenwilliger Ansprüche. Neumodische Einrichtungen mochten ihm wenig taugen, zumeist war ihm, im Widerspruch zu seiner politischen Haltung, nur das Beste gut genug.

So sei dieses Buch allen, die sich für Brecht und deutschsprachige Literatur interessieren, sehr ans Herz gelegt! Schließlich bietet es interessante Einblicke in ein interessantes Leben, welche auf so knappe und teils humorvolle Weise nur selten anzutreffen sind.

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Veröffentlicht am 16.07.2024

»Von Davos ging vor mehr als einhundert Jahren alles aus, nach Davos geht es heute zurück.«

Zauberberge
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Da Thomas Manns 1924 erschienener Roman „Der Zauberberg“ dieses Jahr sein hundertjähriges Jubiläum feiert, tun wir gut daran uns diesem Buch zu widmen. Passend dazu bietet Thomas Sparrs Neuerscheinung ...

Da Thomas Manns 1924 erschienener Roman „Der Zauberberg“ dieses Jahr sein hundertjähriges Jubiläum feiert, tun wir gut daran uns diesem Buch zu widmen. Passend dazu bietet Thomas Sparrs Neuerscheinung „Zauberberge“ eine tolle Aufarbeitung der zentralen Themen und wichtiger Motive.

Nach einem knappen Vorwort, zeigt Sparr Einblicke in die zwölf Jahre umfassende Entstehungsgeschichte des Romans, bevor er sich in seinem Alphabet des Zauberbergs wichtigen Thematiken des Romans, je einem Buchstaben des Alphabets zugeordnet, widmet und diese schlaglichtartig beleuchtet. Diese Auseinandersetzung fußt zugleich auf einer akribischen Lektüre sowie auf einer umfangreichen Wissensbasis über das Leben des Nobelpreisträgers. So wird bspw., die Namensgebung der Figuren ins engere Blickfeld genommen, ebenso die Gespräche zwischen Settembrini und Naphta oder das berühmte „Schnee“-Kapitel. Selbstverständlich kommen leidtragende Aspekte wie Liebe, Philosophie, Krankheit, Sterben sowie der einkehrende Tod nicht zu kurz!
Schließlich endet das Buch mit einem Blick in die weltweite und immer noch andauernde, bereits hundert Jahre umspannende Wirkungsgeschichte.

Auf wirklich grandiose Weise schafft es der Autor, allein durch dieses dünne Buch, die Lust am (Wieder-)Lesen des Zauberbergs zu wecken und fasst darüberhinaus nahezu alle Facetten des Romans prägnant zusammen.
Wer sich nun fragt, ob der Zauberberg eine Lektüre wert ist, wird seine Frage mit diesem Text ausreichend – eindeutig bejahend – belegt und begründet sehen!

Somit bleibt meines Erachtens kein besserer Schluss, als folgenden Worten des Autors ausdrücklich zuzustimmen:
»Niemand, der den Zauberberg gelesen hat, vergisst diese Figuren wieder, zuweilen auch das nicht, was sie gesagt haben.«

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Veröffentlicht am 15.07.2024

»Das war ein Krieg, den ihr gewannt. Warum gewannt ihr nicht den Frieden?«

Das Land, wo die Kanonen blühn
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Kästners deutlich ablehnende Haltung gegen jeglichen Krieg ist bekannt, immerhin hat er sie nie verheimlicht, sondern stets offenkundig zur Schau gestellt. Sei es in vielzähligen Gedichten über den Krieg, ...

Kästners deutlich ablehnende Haltung gegen jeglichen Krieg ist bekannt, immerhin hat er sie nie verheimlicht, sondern stets offenkundig zur Schau gestellt. Sei es in vielzähligen Gedichten über den Krieg, darunter „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen?“, „Jahrgang 1899“ oder „Sergeant Waurich“, welche – zumindest mir – emotional nahe gehen oder seine Prosa, wie bspw. „Das Märchen von der Vernunft“ oder „Die Konferenz der Tiere“. Letztgenannte Texte blicken beide der Realität gleichermaßen pessimistisch ins Auge, doch versuchen sie zugleich die Welt verbessern zu können, indem sie Vorschläge für ein friedliches Miteinander, ohne Gewalt, böswillige Hintergedanken sowie Machtspiele, liefern.
Dabei darf sein Einsatz als pazifistischer Redner, bspw. gegen den Vietnamkrieg, nicht vergessen werden.

Auf kluge Weise werden die hier versammelten Texte, um Kästners Engagement aufzuzeigen, in vier Teile, benannt nach Erfahrungen, Betrachtungen, Aufrufen sowie Utopien (und eine Dystopie), untergliedert.

Eine tolle Zusammenstellung von Kästners Lyrik und Prosa, welche dessen Haltung zu Krieg und Frieden deutlich macht. Darüberhinaus schließt diese Sammlung mit dem erst 2023 wiederentdecktem Gedicht „Das posthistorische Zeitalter“, bevor der Kästner-Forscher Sven Hanuschek seine diesbezüglichen Gedanken in einem Nachwort zu Wort bringt und überdies eine knappe inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Pazifismus darbietet.

Ein kleines Buch, das sich hervorragend zum Entdecken oder Wiederentdecken von Kästners Werken sowie als Geschenk eignet.

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Veröffentlicht am 15.07.2024

»Jetzt nichts als Verzweiflung, keine Zukunft mehr, kein Glaube irgendwelcher Art.« ~ Victor Klemperer

Schicksalsstunden einer Demokratie
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Volker Ullrich schildert in seinem Buch, beginnend mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, den Weg zur ersten Demokratie in Deutschland – der Weimarer Republik.
Das Demokratien zerbrechlich sind, wurde in ...

Volker Ullrich schildert in seinem Buch, beginnend mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, den Weg zur ersten Demokratie in Deutschland – der Weimarer Republik.
Das Demokratien zerbrechlich sind, wurde in den darauffolgenden Jahren deutlich. Immer wieder gab es Entschlüsse, deren Ausgang eine ganz andere Richtung hätte einschlagen können. So ist auch das Scheitern der Weimarer Republik und der Aufstieg der Nationalsozialisten keineswegs bestimmt und unvermeidbar gewesen, sondern beruht auf einer Kette von Handlungen und Entscheidungen einzelner Personen.
Alles hätte auch anders kommen können.
Genau dieser Tatsache widmet sich Ullrich besonders ergiebig, indem er nicht nur nachzeichnet wie es war, sondern auch wie es hätte sein können.

Auch wenn das Buch inhaltlich manchmal, aufgrund der vielen aufeinanderfolgenden Geschehnisse und beteiligten Personen, anspruchsvoll ist, lohnt sich das Weiterlesen! Schließlich bekommt man einen umfangreichen sowie detaillierten Abriss über eines der wichtigsten Kapitel deutscher Geschichte, vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zur Machtübertragung an Adolf Hitler. Bereichernd und den Text stützend sind zudem die enthaltenen Fotografien.

Richtet man den Blick auf die heutigen politischen Geschehnisse lassen sich teilweise parallele Strukturen erkennen. Einzig um zu wissen, wie es damals so weit kommen konnte, ist dieses Buch lesenswert und bietet zugleich eine Grundlage für Diskussionen über heutige rechte politische Strömungen. Ohne die Unterstützung von Millionen Menschen wäre es nie so weit gekommen, doch die NSDAP schaffte es viele Leute zu begeistern und diese in ihren Bann zu ziehen.
Heute tut die AfD es ihr gleich und lenkt die politische Richtung dementsprechend. Nutzen wir unser Wissen und diese Lektüre, um zu zeigen, dass wir aus der Geschichte gelernt haben!

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