Platzhalter für Profilbild

lustaufbuch

Lesejury Profi
offline

lustaufbuch ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit lustaufbuch über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.12.2024

»Es ist zweifellos wahr und doch unfassbar.«

Kaltes Krematorium
0

»Es ist zweifellos wahr und doch unfassbar.«

József Debreczeni schildert in diesem Bericht den Weg seiner Deportation nach Auschwitz und nachfolgend in weitere Konzentrationslager. Er erzählt vom immer ...

»Es ist zweifellos wahr und doch unfassbar.«

József Debreczeni schildert in diesem Bericht den Weg seiner Deportation nach Auschwitz und nachfolgend in weitere Konzentrationslager. Er erzählt vom immer gegenwärtigen Hunger, der alltäglichen Gewalt, dem Nachlassen der eigenen Kräfte durch Erschöpfung, Krankheiten sowie sog. Arbeit unter unwidrigsten Bedingungen – eher Versklavung – , Hinterlistigkeiten anderer Häftlinge, aber auch dem Zusammenhalt und endet mit der Befreiung sowie dem Wunsch einfach nur zu überleben.
Besonders deutlich wird die Hierarchie der Kapos, Lagerältesten, etc. beschrieben, welche selbst Häftlinge waren, wenn auch privilegiert. Diese demonstrierten ihre Macht den anderen gegenüber deutlich, anderenfalls hätten sie selbst ihre Sonderrechte verloren.

Ursprünglich wurde das Buch bereits 1950 veröffentlicht, doch erst jetzt, über 70 Jahre später, liegt es in deutscher Übersetzung vor – ehrlich gesagt viel zu spät, aber nicht zu spät.
Ohne Zweifel – es ist kein schönes Buch, aber es ist wichtig und zeigt in aller Ausführlichkeit, noch dazu schonungslos, den Alltag in Konzentrationslagern. Dagegen wirkt die glatte und geradezu schöne Sprache des Autors, der man das journalistische Können des Autors anmerkt, fast ein wenig fehl am Platz.
Debreczeni wertet weniger, als er beobachtend schildert und man fühlt sich nicht nur betroffen, sondern durch die detaillierten Beschreibungen einfach nur fassungslos!

Wofür mir selbst die passenden Worte fehlten, hat Carolin Emcke sie gefunden und zwar in ihrem angehängten Nachwort, welches man nicht treffender hätte schreiben können! Darin spannt sie auch den Bogen zur Gegenwart und macht deutlich, wieso dieses Buch so wichtig ist:
»Es ist nicht auszuhalten, und es gehört doch ausgehalten.«

Bitte überlegt nicht, dieses Buch zu lesen, sondern lest es einfach!
Wer sich mit der Thematik beschäftigt, wird an diesem Bericht nicht mehr vorbeikommen, da dieser eines der eindrucksvollsten Zeugnisse über den Holocaust ist und unbedingt gelesen werden muss!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.12.2024

»Denn Schönheit war es, die am Ende im Gedächtnis blieb«

Hey guten Morgen, wie geht es dir?
0

»Denn Schönheit war es, die am Ende im Gedächtnis blieb, nicht äußere Schönheit, sondern die Schönheit eines Moments, der völlig unerheblich war.«

Juno Isabella Flock kannte mehrere Dokumentationen über ...

»Denn Schönheit war es, die am Ende im Gedächtnis blieb, nicht äußere Schönheit, sondern die Schönheit eines Moments, der völlig unerheblich war.«

Juno Isabella Flock kannte mehrere Dokumentationen über sog. Love-Scammer und wunderte sich, wie man auf solche Leute hereinfallen kann. Immerhin hatte sie selbst Erfahrung damit, spielte gar mit diesen Betrügern, in dem sie immer nachts, wenn sie nicht schlafen konnte – das war leider häufig bei ihr der Fall –, ominösen Chatanfragen auf Instagram antwortete und von ihrem Tag erzählte, bis die ansonsten so hartnäckigen Accounts aufhörten ihr zu antworten. Juno gefiel dieses Spiel. Es brachte ihr Abwechslung vom Alltag, mit ihrem pflegebedürftigen Mann Jupiter und ihren Schlafstörungen.
Als sie eine Nachricht von Owen_Wilson223 bekommt, geht sie wie gewöhnlich vor, schreibt ihm zurück und doch ist diesmal alles anders. Der Besitzer des Account offenbart sich immer mehr, gibt gar seinen Namen, Benu, preis und anstelle über Geld zu schreiben, zeigt er wirkliches Interesse am Alltag Junos.
Doch ist das von Dauer?!

Martina Hefters Roman ist eine besondere Lektüre. Auf eindrückliche Weise schildert er den Alltag Junos hinsichtlich ihres Jobs, des Zusammenlebens mit ihrem pflegebedürftigen Mann sowie ihrer eigenen Bedürfnisse. Dies gelingt besonders gut durch die Chats, in denen sich Juno ihrem Gegenüber voll und ganz offenbaren und sie selbst sein kann.
Aufgrund der leisen, bewussten und schlichtweg schöne Sprache der Autorin verliert man sich mitten in den Schilderungen. Gegen Mitte des Romans wurde mir die Handlung jedoch zu abschweifend und ich wusste nicht, in welche Richtung der Text weiterhin gehen würde. Auch blieb die Symbolik der Namen für mich rätselhaft. Dennoch war ich gegen Ende hin wieder gefangen!

Zur Causa des Buchpreises: Tatsache ist, es hätte wirklich schlechtere Bücher treffen können und dieses Buch ist kein schlechtes. Zudem erfreut es sich durchweg einer allgemeinen Begeisterung. Somit ist die Wahl für mich eindeutig nachvollziehbar!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.12.2024

Thomas Mann als Ermittler

Gefährliche Betrachtungen
0

»Wie oft im Leben fliegt einem im wahrsten Sinne des Wortes die Möglichkeit zu, etwas Unveröffentlichtes von Thomas Mann zu lesen?«

Als Thomas Mann mit seiner Familie im Sommer 1930 im Kurort Nidden weilt, ...

»Wie oft im Leben fliegt einem im wahrsten Sinne des Wortes die Möglichkeit zu, etwas Unveröffentlichtes von Thomas Mann zu lesen?«

Als Thomas Mann mit seiner Familie im Sommer 1930 im Kurort Nidden weilt, um dort seine Sommerfrische zu verbringen, läuft diese nicht wie erhofft und schon gar nicht ohne Zwischenfälle ab.
Der junge Übersetzer Žydrūnas Miuleris befindet sich ebenfalls dort und sucht die Nähe des Dichters, schließlich verfolgt er die Absicht ihn zu bitten, seinen ersten Roman „Buddenbrooks“ ins Litauische zu übersetzen.
Wie es der Zufall so will, treffen beide unverhofft aufeinander. Thomas Mann beschreibt eben lose Blätter am Strand, als der Wind sie ihm aus der Hand weht. Miuleris, die Szenerie beobachtend, überlegt nicht lange und greift ein – er rettet die Seiten und händigt sie seinem Besitzer wieder aus.
Damit wäre die Sache gegessen, aber der Übersetzer verfügt über ein fotografisches Gedächtnis und macht sich in seiner Pension umgehend daran, das Gesehene abzuschreiben. Wobei er darauf stoßen würde, war ihm selbst nicht klar. Die Seiten sind Teil einer Rede, mit der sich Mann von Hitler und den Gedanken des Nationalsozialismus abgrenzen möchte.
Als diese abgeschrieben Blätter verschwinden, beginnen die beiden gemeinsam dem auf die Schliche zu kommen.

Auch wenn es befremdlich ist, sich Thomas Mann als Teil eines Ermittler-Duos vorzustellen, ist es ein lesenswerter Krimi – wenn auch nicht von der spannenden Art –, der einen ganz neuen Blick auf den Nobelpreisträger wirft und dessen Aufenthalt in Nidden eine fiktive Geschichte anstößt. Trotz des merkwürdigen Settings, bezieht sich Tilo Eckardt auf reale Begebenheiten.
So beruht auch die erwähnte Rede auf Thomas Manns noch im selben Jahr gehaltener Rede „Deutsche Ansprache – Ein Appell an die Vernunft“.
Dabei kommt dieser Kriminalroman der anderen Art in oftmals rhetorischer sowie mit dem Lesenden spielenden, stets kurzweiligen Manier daher!

Ich bin schon auf den zweiten Teil gespannt!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.12.2024

»Keine weiße Fahne, kein fauler Kompromiss. Es gibt nur eine Regel: Sie heißt alles oder nichts!«

Kästner, Kraftwerk, Cock Sparrer
0

»Keine weiße Fahne, kein fauler Kompromiss. Es gibt nur eine Regel: Sie heißt alles oder nichts!«

Nachdem Campino es vierzig Jahre zuvor nur bis in die Mensa des Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität ...

»Keine weiße Fahne, kein fauler Kompromiss. Es gibt nur eine Regel: Sie heißt alles oder nichts!«

Nachdem Campino es vierzig Jahre zuvor nur bis in die Mensa des Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität verschlug, wurde er diesen Frühjahrs eingeladen, um dort zwei Gastprofessur-Vorträge zu halten.
Schnell entschied er sich für die übergeordneten Themen Texte und Kommunikation. Daraus entstanden ist eine autobiografische Zeitreise über Musik und Literatur, die seine Entwicklung, sein gesamtes Leben und natürlich auch die 1982 gegründete Band „Die Toten Hosen“ beeinflussten. Nicht nur negative Erinnerungen aus seiner Schulzeit zu „Herr von Ribbeck“ und „Die Bürgschaft“, sondern viel mehr die Rockmusik aus England und Amerika weckten sein Interesse für die Beschäftigung mit Musik. Besonders der aufkommenden Punkbewegung fühlte er sich zugehörig und wurde von ihr geprägt, sodass er selbst anfing Songtexte zu verfassen, die seiner Ansicht nach sowohl dem Punk zuzuordnen sind als auch der sog. Gebrauchslyrik – durchaus provokative und kritische Texte, die für jeden verständlich sind. Außerdem geht er im weiteren Verlauf ausführlich auf das politisches Engagement der Band ein.
In der zweiten Vorlesung reflektiert Campino u.a. seine eigenen Texte kritisch und endet mit einem Abriss über die Gefahren und Chancen von KI.
Stets versieht er dabei seine Gedanken mit einigen seiner literarischen oder musikalischen Vorbildern.

Über beide Vorlesungen hinweg spürt man Campinos Leidenschaft, nicht nur selbst Texte zu verfassen, sondern ebenfalls sich mit den verschiedensten Texten, insbesondere (Gebrauchs)Lyrik, auseinanderzusetzen. Ich bin froh, dass diese zwei Vorlesungen nun in Buchform vorliegen, schließlich muss man sie bestenfalls mehrmals lesen!

Wenn ihr euch für die Toten Hosen, für Gebrauchslyrik oder bestenfalls für beides interessiert, ist dieses Buch mehr als nur eine gewinnbringende Lektüre!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.12.2024

»Wesentlich ist nur, dass man die Sache liebt, die man tut, und sie ehrlich und anständig zu Ende tut.«

Clarissa
0

»Wesentlich ist nur, dass man die Sache liebt, die man tut, und sie ehrlich und anständig zu Ende tut.«

Wie es der Titel bereits verlauten lässt, liegt der Fokus des Romans auf Clarissa, einer Offizierstochter. ...

»Wesentlich ist nur, dass man die Sache liebt, die man tut, und sie ehrlich und anständig zu Ende tut.«

Wie es der Titel bereits verlauten lässt, liegt der Fokus des Romans auf Clarissa, einer Offizierstochter. Als Lesende begleiten wir sie, ausgehend von ihrer Schulzeit, auf ihrem Weg des Erwachsenwerdens in einer schwierigen Zeit.
Sie entwickelt sich zu einer selbstbewussten, selbstständigen und modernen Frau, die dennoch von Zweifeln geplagt wird.
Als junge Frau litt sie unter ihrem Verhältnis zu ihrem Vater, von dem sie sich kaum beachtet fühlte und später unter ihrem eigenen Kind, das aus einer Affäre mit dem Franzosen Léonard, kurz vor dem ersten Weltkrieg, entstammt.
Dabei ist die Handlung von Beginn des 20. Jahrhunderts über die Jahre des Ersten Weltkriegs hinweg angesetzt und nimmt Bezug auf das politische Geschehen sowie die dadurch entstandenen Veränderungen der Gesellschaft.

Während Stefan Zweigs letzten Monate im brasilianischen Exil, bevor er sich, zusammen mit seiner zweiten Ehefrau, am 23. Februar 1942, das Leben nahm, arbeitete er an diesem Romanfragment.
So bleibt dieser erst 1981 entdeckte Roman nur ein Fragment und ist dennoch lesenswert, da Zweig – wenn auch in diesem Fall mit nur wenigen Worten – großartige, bleibende Bilder erschafft.
Sein sonst so schöner Stil war diesmal dementsprechend oftmals abgehackt oder es handelte sich nur um skizzenhafte Bruchstücke, nicht selten ausschließlich um vereinzelte Wörter oder grammatikalisch unkorrekte Sätze, die er in einer späteren Ausarbeitung selbstverständlich noch miteinander verbunden hätte.
Darüberhinaus handelt es sich gemäß seiner Aussage bei dem Fragment ausschließlich um handschriftliche Skizzen zum ersten Teil. Folglich hatte Zweig ein größeres Projekt geplant, doch leider wurde es nicht mehr umgesetzt.
Sicherlich bin ich nicht der Einzige, der „Clarissa“ gerne in einer von Zweig ausgearbeiteten Version gelesen hätte, doch leider wird uns das für immer verwehrt bleiben. Schade!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere