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Veröffentlicht am 06.06.2024

»Ich sehe mich als Botschafterin, als Schallverstärker und spreche mit Menschen statt über sie.« ~ Katja Riemann

Zeit der Zäune
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»Ich sehe mich als Botschafterin, als Schallverstärker und spreche mit Menschen statt über sie.« ~ Katja Riemann

Hört man den Namen Katja Riemann, denkt man eher weniger an die Autorin und UNICEF-Botschafterin, ...

»Ich sehe mich als Botschafterin, als Schallverstärker und spreche mit Menschen statt über sie.« ~ Katja Riemann

Hört man den Namen Katja Riemann, denkt man eher weniger an die Autorin und UNICEF-Botschafterin, die sich schon seit vielen Jahren für Menschenrechte auf der ganzen Welt einsetzt, sondern vielmehr an die bekannte Schauspielerin.
In ihrem neuen Buch begibt sie sich an Orte der Flucht. Sie begegnet Menschen, die aus Kriegsgebieten fliehen, vor Verfolgung und Angst, aber auch aufgrund der Folgen des spürbaren Klimawandels, ihre Heimat verlassen mussten.
Dabei werden nicht nur Fluchterfahrungen aus Ländern geschildert, welche die vergangenen Jahre des Öfteren in den Medien besprochen wurden, sondern u.a. auch die vergangenen sowie aktuellen politischen Geschehnisse in Tibet.

Einfühlsam tritt Katja Riemann den Menschen gegenüber, bietet ihnen Nähe an und hört jenen, die ihre Geschichte erzählen wollen, aufmerksam zu.
Dabei legt sie in ihrem Buch besonderen Wert auf die Schilderungen des gesellschaftlichen Miteinanders in den unterschiedlichen, von ihr bereisten Camps. Dort, wo man ihn nicht erwartet, sucht sie regelrecht nach dem Funken Hoffnung und findet ein überwiegend menschliches Miteinander. So wird sie Zuschauerin von Fußballturnieren und Theateraufführungen, besucht Schulen und wird gastfreundlich von Menschen empfangen, die eigentlich jeden Cent sparen müssten.

Aber auch auf gewalttätige Ausschreitungen seitens Geflüchteter geht sie diesbezüglich ein, welche sich nicht pauschal aufgrund ihrer anderen Nationalität begründen, sondern sich aus dem Patriarchat heraus ableiten lassen und geschlechtsspezifisch sind.

Darüberhinaus ergänzen sich ihre eigenen Erfahrungsberichte durch Gespräche mit Experten, bspw. über Gewalttheorien sowie grundlegende Fragestellungen rund um das Asylrecht.

Ein Buch, das hinter die alltägliche Fassade blickt und Menschen sowie deren Schicksalen, welches sie sich nicht selbst ausgesucht hätten, eine Stimme gibt.

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Veröffentlicht am 01.06.2024

»Das Gesetz ist dazu da, alle Menschen zu beschützen. Oder?«

Prima facie
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»Das Gesetz ist dazu da, alle Menschen zu beschützen. Oder?«

Tessa Ensler, eine junge engagierte und motivierte Strafverteidigerin hat sich ihre angesehene Laufbahn hart erarbeiten müssen. Doch, sie hat ...

»Das Gesetz ist dazu da, alle Menschen zu beschützen. Oder?«

Tessa Ensler, eine junge engagierte und motivierte Strafverteidigerin hat sich ihre angesehene Laufbahn hart erarbeiten müssen. Doch, sie hat es geschafft und kann stolz auf sich sein. Außer ihrer manchmal nicht ganz leichten Beziehung zu ihrer Mutter sowie zu ihrem Bruder scheint alles in Ordnung. Als sich eine Beziehung zwischen ihr und dem charmanten Arbeitskollegen Julian anzubahnen scheint, könnte sie nicht glücklicher sein.
Stets hat sie Männer, die wegen mutmaßlichem sexuellen Missbrauchs vor Gericht standen, mit Bravour verteidigt und diese Prozess mit Geschick für sich gewinnen können. Doch auf einmal nimmt ihr Leben eine schonungslose Wende und sie steht selbst als betroffene Zeugin dar, der nicht geglaubt wird.
Ihr Glaube, dass die Justiz, allem Anschein nach, der Gerechtigkeit aller dient, gerät ins Wanken.

Schon seit einigen Monaten habe ich diesen Roman bei mir zu Hause liegen und seitdem unzählige, meiner Erinnerung nach ausschließlich begeisterte Rezensionen darüber gelesen. Die positive Welle an Besprechungen ebbt dabei keineswegs ab.
Ich war neugierig und skeptisch, gespannt und voller Vorfreude. Trotz allem traf mich das Buch mit einer ungeahnten Wucht.
Ich wusste, dass die Lektüre schwer und bewegend sein würde, doch die genauen Schilderungen Millers, welche den Leser regelrecht eine hautnahe Beteiligung am Geschehen ermöglichen, riefen während des Lesens ähnliche Emotionen hervor, wie sie die Protagonistin Tessa Ensler während ihrer Verhandlung verspürt haben muss.
Gefühle der Ohnmacht, der Unfähigkeit etwas dagegen zu tun und vor allem grenzenlose Wut kamen in mir auf und das nur als Außenstehender.

Ein einzigartiges, wirklich schonungsloses und unendlich wichtiges Buch, das jeder gelesen haben sollte! Eine unbedingte Leseempfehlung an alle, die diesen Roman bisher noch nicht kennen.

»Es muss sich etwas ändern. Nicht nur im Justizwesen, sondern auch in der Gesellschaft.«

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Veröffentlicht am 01.06.2024

»Afrika ist sein Vergnügungspark, sein Jagdgebiet. Mehr nicht.«

Trophäe
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»Afrika ist sein Vergnügungspark, sein Jagdgebiet. Mehr nicht.«

Der wohlhabende Amerikaner Hunter ist nicht ohne Grund wieder auf dem afrikanischen Kontinent unterwegs. Sein Freund Van Heeren hat ihm ...

»Afrika ist sein Vergnügungspark, sein Jagdgebiet. Mehr nicht.«

Der wohlhabende Amerikaner Hunter ist nicht ohne Grund wieder auf dem afrikanischen Kontinent unterwegs. Sein Freund Van Heeren hat ihm ein Nashorn angeboten, welches für ihn, gegen eine horrende Geldsumme, zum Abschuss bereit steht.
Löwe, Elefant, Büffel und Leopard hat er schließlich schon erlegt. Ein Nashorn ist also genau das Tier, welches ihm noch fehlt, um seine Big Five zu vervollständigen.
Die Jagd kann beginnen und ungeduldig sehnt sich Hunter nach dem perfekten Moment für einen gut gezielten Schuss, um das erlegte Tier anschließend als präparierte Trophäe mit nach Hause nehmen zu können. Doch plötzlich kommen ihm Wilderer dazwischen und er geht gezwungenermaßen leer aus.
Sein Freund Van Heeren merkt seine große, mit Wut gefütterte Enttäuschung und hat eine Idee. Anstelle des Nashorns macht er ihm nun das unmoralische Angebot der Big Six …

Mit einer Sprachgewalt trifft dieser Roman, der sich wie ein schonungsloser Thriller liest, den Leser, zieht ihn gleich zu Beginn in seinen Bann und lässt ihn bis zur allerletzten Seite nicht mehr los.
Dabei schafft es die Autorin, den Leser in die Irre zu führen, unerwartete Wendungen heraufzubeschwören und die einhergehende spannungsgeladene Atmosphäre nie abklingen zu lassen.

Gaea Schoeters wirft gekonnt höchst moralische Fragen auf, welche sich u.a. mit der Trophäenjagd, rücksichtsloser Wilderei, Kolonialismus und der afrikanischen Natur beschäftigen. Diese lässt sie ihre Figuren mit sich selbst sowie untereinander ausmachen und regt darüberhinaus eine intensive, kritische Auseinandersetzung damit an.

Dürfen Menschen mit Macht und Geld alles machen, was sie wollen?
Schonungslos, radikal und ehrlich baut sich der Roman immer weiter auf und steigert sich stetig, sodass diese Geschichte, auch nach der Lektüre, weiter im Kopf herumschwirrt.

Eine Leseempfehlung für alle, die spannende Romane mögen und gerne über moralische sowie ethische Fragen nachdenken.

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Veröffentlicht am 26.05.2024

13 tolle und lesenswerte Erzählungen

I walk between the Raindrops. Stories
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In diesem Erzählungsband des amerikanischen Autors T. C. Boyle versammeln sich 13 Storys unterschiedlicher Ausprägungen, dennoch jeweils ähnlichen Umfangs.
So lassen diese Geschichten u.a. den Ausbruch ...

In diesem Erzählungsband des amerikanischen Autors T. C. Boyle versammeln sich 13 Storys unterschiedlicher Ausprägungen, dennoch jeweils ähnlichen Umfangs.
So lassen diese Geschichten u.a. den Ausbruch der Corona-Pandemie Revue passieren, blicken kritisch ins Unbekannte der Zukunft und offenbaren menschliche Abgründe.
Manche dieser Erzählungen sind, aus psychologischer Sicht betrachtet, relativ schwer zu verdauen, andere emotional nahe gehend und einige auch abstoßend. Über allen steht jeweils die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Aspekten.

Wird es eine Welt geben, in der Autos nicht nur selbstständig fahren, sondern auch kommunizieren und nachdenken können? Wie geht man mit einem schwierigen Sohn um, der sich immer weiter von einem sozialen Miteinander entfernt?
Ist es moralisch vertretbar Operationen an Hunden zu üben, bevor sich Menschen unter das Messer legen?
Unter anderem mit diesen Fragestellungen beschäftigen sich diese Erzählungen auf hochbrisante sowie aktuelle Art und Weise. Aber auch gesellschaftliche und soziale Probleme der Zukunft sowie die kommenden Herausforderungen aufgrund der Klimakatastrophe werden, wie von Boyle gewohnt, anschaulich sowie leicht verständlich geschildert und diskutiert.
Was alle eint, ist eine präzise Sprache, welche es den Leser ermöglicht, selbst auf jeweils knapp 20 Seiten, in die Geschichte einzutauchen und mit den geschilderten Protagonisten mitzufühlen.

Negativ anzumerken sind abwertende Schilderungen aufgrund des Aussehens weiblicher Figuren in mehreren Erzählungen, welche Boyle schlichtweg als fettleibig abstempelt. Bei diesen Zeilen musste ich stets kurz stocken, schließlich liest man solche herabwürdigenden Zuschreibungen heute nur noch selten. Ob diese ein Abbild der amerikanischen Gesellschaft darstellen sollen oder als Provokation gedacht sind, bleibt jedoch offen. Ein fader Beigeschmack bleibt dennoch.

Trotzdem lohnt sich die Lektüre!

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Veröffentlicht am 26.05.2024

»Zeit, über das zu sprechen, über das nicht gesprochen werden soll.« ~ Jan Böhmermann

Row Zero: Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie
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»Zeit, über das zu sprechen, über das nicht gesprochen werden soll.«
~ Jan Böhmermann

Dieses Buch beginnt, wie der Titel schon verlauten lässt, mit Auseinandersetzung der Vorwürfe sowie des Rekrutierungssystems ...

»Zeit, über das zu sprechen, über das nicht gesprochen werden soll.«
~ Jan Böhmermann

Dieses Buch beginnt, wie der Titel schon verlauten lässt, mit Auseinandersetzung der Vorwürfe sowie des Rekrutierungssystems „Row Zero“ bei der Band Rammstein und greift im Fortlauf immer wieder darauf zurück, schließlich symbolisiert diese Band das patriarchale Machtsystem in ihrer ganzen Stärke.

Doch würde man dieses Buch nur darauf reduzieren, käme es ihm nicht gerecht, schließlich geht es um weit mehr – die Musikindustrie an sich.
Die beiden Journalisten Lena Kampf und Daniel Drepper recherchieren, gemeinsam mit weiteren Kollegen, seit einem Jahr zu dieser Thematik und haben allein für dieses Buch mit mehr als 200 Menschen gesprochen, was man der Qualität des Buches schnell anmerkt.

Neben Ausnutzung von Fans durch misogyne Machtstrukturen anderer Künstler, wird ein Exkurs auf das Groupietum geworfen. Darüberhinaus werden schockierende Einblicke in den Alltag von Frauen, u.a. bei den großen Musiklabels gegeben, welche sexistischen Übergriffen und Äußerungen ausgesetzt sind.

Es geht um betroffene Personen, Machtmissbrauch, aber auch um starke Frauen, die das System und ihre Machenschaften offenlegen und dennoch viel zu wenig gehört werden.

Viele Fans unterschiedlicher Bands scheinen jegliche Vorwürfe weiterhin als Lüge abzuwehren. Es scheint einfacher, sich nicht damit auseinanderzusetzen. Aber kann man diese Tatsachen ignorieren und weiterhin Künstler unterstützen, die jegliche Moralvorstellungen verworfen haben?
Es bleibt Stille, das große Schweigen und viele Fragen.

Mich selbst hat das Buch sehr bewegt und mitgenommen, wütend gemacht und zugleich Hoffnung gegeben, dass sich vielleicht jetzt endlich etwas ändert.

Unbestreitbar bleibt, dass „Row Zero“ eines der wichtigsten Bücher in diesem Jahr ist, hoffentlich viele Leute erreicht und zum Nach-, bzw. Umdenken anregt.

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