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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.05.2018

Folgen der Vergangenheit

Niemandsblut
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„...Und du weist ja, dass einen die Vergangenheit immer einholt...“

Die Geschichte beginnt im Jahre 1979. Ein kleines Mädchen erlebt, dass ihr schlimmster Alptraum wahr wird.
Dann wechselt die Handlung ...

„...Und du weist ja, dass einen die Vergangenheit immer einholt...“

Die Geschichte beginnt im Jahre 1979. Ein kleines Mädchen erlebt, dass ihr schlimmster Alptraum wahr wird.
Dann wechselt die Handlung ins Jahr 2015. In Florenz legt Anna, eine alte Frau, die nur noch eine kurze Zeit zu leben hat, die Beichte ab. Leider erfahre ich als Leser noch nicht, was deren Inhalt ist.
Am gleichen Tag brechen zwei Personen auf spektakuläre Art in Prato in der Toskana in den Dom ein und stehlen ein wertvolles Kunstwerk.
Einen Monat später warten verschiedene Personen in Palma de Mallorca auf die einwöchige Kreuzfahrt mit der Virgin de Ocean. Dazu gehören Kerstin Luckow, die beruflich Gemälde begutachtet, deren Freundin Myriam, die die Finger aus beruflichen Gründen nicht vom Smartphone lassen kann, und zwei Ehepaare aus Gotha. Alle Personen werden gleich zu Beginn gut charakterisiert. Für die Passagiere der Kreuzfahrt hat die Reederei eine Besichtigung durch Palma organisiert, um die Zeit bis zur Abfahrt zu überbrücken. Doch beim Betreten der Kathedrale fällt der Blick der Reisenden auf eine Nonne, die am Altar ans Kreuz genagelt wurde. Es wird nicht die letzte Tote sein.
Der Autor hat einen fesselnden und abwechslungsreichen Krimi geschrieben. Das Außergewöhnliche daran ist, dass sich die Handlung während der Zeit der Kreuzfahrt entwickelt. Jedem Anlegepunkt des Schiffes kommt eine besondere Bedeutung zu. Damit ich als Leser die Reiseroute in Ruhe verfolgen kann, wurde sie auf der Rückseite des Einbandes abgedruckt.
Der Sprachstil lässt sich angenehm lesen. Kurze Kapitel und schnell wechselnde Handlungsszenen sorgen für eine hohen Spannungsbogen. Das Eingangszitat fällt im Buch nur ein einziges Mal, zieht sich aber wie ein roter Faden durch die Geschichte. Bald wird klar, dass viele der Protagonisten dunkle Punkte in ihrer Vergangenheit haben. Manche werden schnell aufgeklärt, bei anderen verlangt der Autor mein geduldiges Warten oder ein flotteres Lesen.
Lange bleibt im Ungewissen, ob die Kunstdiebstähle und der Todesfall der Nonne zusammenhängen. Hinzu kommt, dass ein alter unaufgeklärter Kriminalfall nur vorsichtig angedeutet wird, aber in der Gegenwart sich in ähnlicher Form zu wiederholen scheint.
Mit den Fällen in Florenz wird Polizeioberkommissarin Francesca betreut. Die hat aber gerade einige private Probleme. Ihre Mutter ist schwer krank und teilt ihr mit, dass Francesca nicht ihre richtige Tochter ist und damit als Spenderin einer Niere nicht in Frage kommt. Sie gehört zur Schar der Niemandskinder. Auch dies Problematik scheint bei den Verbrechen eine Rolle zu spielen. Für Francesca allerdings bricht eine Welt zusammen. Sie sucht nach ihren Wurzeln. Doch die Adoptionen waren illegal. Es gibt kaum Dokumente. Der Ratschlag eines Anwalts brringt das Geschehen auf den Punkt:

„...Sie sind mit einer Mutter aufgewachsen, die Sie liebt...Sie müssen lernen, demütiger und dankbarer zu sein für das, was sie hatten und haben, und nicht dem nachtrauern, was Sie vielleicht gehabt haben könnten. Denn niemand gibt Ihnen die Sicherheit, dass ein anderes Leben besser gewesen wäre...“

Gekonnt verknüpft der Autor verschiedene Fäden, verwirrt durch kurze Bemerkungen seiner Protagonisten meine Gedanken als Leser und führt mich so auf manche Irrwege. Lange bleibt unklar, wem eigentlich zu trauen ist, wer wen bespitzelt und welche komplexen Zusammenhänge zwischen den Protagonisten bestehen.
Natürlich gibt es auch Zeiten der Ruhe und Besinnung. Dort beweist der Autor, das er den Umgang mit passenden Metaphern und Adjektiven beherrscht, um die Schönheit der Landschaft entlang der Reiseroute wiederzugeben, wie das folgende Zitat zeigt:

„...Lilafarbener Oleander und violette Bougainvilleas in den Parks, als Häuserranken oder eingepflanzt entlang der Hafenpromenade, gaben der Stadt ... aufregende Farbkleckse. Dahinter schloss sich ein dichter, saftig grüner Pinienwald an, der sich wie ein Teppich über das bergige Hinterland legte...“

Auch geschichtliche Informationen über verschiedene Bauwerke werden gekonnt in die Handlung integriert.
Gut ausgearbeitete Gespräche bringen nicht nur das Geschehen voran, sondern ermöglichen gleichzeitig einen Einblick in den Charakter des Redenden.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

Veröffentlicht am 01.05.2018

Gegen das Vergessen

Geigen der Hoffnung
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„...Konnte man einen Sinn für die Würde und Schönheit der Musik besitzen und gleichzeitig Menschen zu Tode foltern?...“

Das Buch wurde von Christa Roth und Titus Müller geschrieben. Christa Roth erzählt ...

„...Konnte man einen Sinn für die Würde und Schönheit der Musik besitzen und gleichzeitig Menschen zu Tode foltern?...“

Das Buch wurde von Christa Roth und Titus Müller geschrieben. Christa Roth erzählt das Leben des Geigenbauers Amnon Weinstein, Titus Müller das Schicksal der Brüder Marek und Stani im Konzentrationslager Dachau.
Amnon ist Jude. Seine Eltern haben Vilnius rechtzeitig verlassen und in Israel eine neue Heimat gefunden. Anfangs war das Schicksal seiner Familie für Amnon kein Thema. Das sollte sich ändern, als er die Geigenbaufirma seines Vaters übernommen hat. Plötzlich hielt er Geigen in der Hand, mit denen in deutschen Konzentrationslagern gespielt worden war. Viele der Geiger haben nicht überlebt.
Den Autoren ist es gelungen, durch eine abwechslungsreiche und tiefgründige Erzählung die Erinnerung nicht nur an jüdische Musiker und Geiger wach zu rufen.
Der Schriftstil ist ausgewogen. Bei Christa Roth überwiegt ein sachliches Erzählen. Titus Müllers Part ist emotionaler. Das liegt auch an der Thematik.
An Amnons Beispiel wird klar, dass die Nachkriegsgeneration Probleme mit dem Opferstatus ihrer Eltern hatte. Als er dann eine Geige in der Hand hält, in der sich Asche befand, wurde die Vergangenheit zur Gegenwart. Nun widmet er sich den ramponierten Geigen, richtet sie wieder her und lässt sie von Orchestermusikern spielen. Gleichzeitig informiert er sich über die Geschichten, die hinter den Geigen stehen. Die Violins of Hope treten ihren Zug um die Welt an.
Amnons Frau Assi blickt auf eine andere Familiengeschichte zurück. Auch sie hat Angehörige verloren, die aber als Partisanen hinter den deutschen Linien und später in der roten Armee gekämpft haben.
Sehr gut gefallen haben mir die vielfältigen Informationen über jüdische Musik, die Tradition der Geiger und das jüdische Leben in Osteuropa, insbesondere in Vilnius.
Marek und Stani werden aus einem Ghetto bei der Annäherung der Roten Armee nach Dachau gebracht. Mareks Überlebenschancen stehen anfangs schlecht, denn der SS-Mann Köcher zertritt seine Geige und will ihn brechen. Doch der Kapo Willi nimmt sich der Brüder an. Willi ist Kommunist und hat sich seine Menschlichkeit in all den Jahren seiner Lagerhaft bewahrt. Er sorgt dafür, dass die beiden nicht in den jüdischen Block kommen. Marek erhält die Chance, im Lagerorchester zu spielen.
Das Eingangszitat stammt von Marek. Er stellt weitere ähnliche Fragen. Sein Ziel ist es, zumindest seinem Bruder das Überleben zu sichern. Als Geiger erhält er bessere Nahrung als die anderen. Davon gibt er ab. Trotzdem hat er ein schlechtes Gewissen, denn er weiß, was sie mehr bekommen, erhalten die andern Häftlinge weniger. Doch wer überleben will, muss Kompromisse machen.
Dass eine geniale musikalische Gabe nicht vor dem tod schützt, zeigt sich am Beispiel eines jungen russischen Trompeters. Am Abend unterhält er mit dem Orchester und als Solist die Bewacher des KZs, am nächsten Tag ist er einer der russischen Gefangenen, die kaltblütig erschossen werden.
Die Gefangenen spüren, dass der Krieg sich dem Ende zuneigt. Dabei fällt das folgende Zitat.

„...Bevor es vorbei ist, ...bringen sie uns Juden noch um. Dann haben sie wenigstens an einer Front gewonnen...“

Sehr bewegend war die Gegenüberstellung zweier Ärzte. Der eine, selbst Häftling, versucht zu retten, was zu retten ist. Für den anderen sind die Häftlinge Forschungsobjekte.
Ein Nachwort und ein Quellenverzeichnis ergänzen die Geschichte. Im Nachwort wird auf dargelegt, wer welchen realen Personen entsprach.
Das Buch hat mich tief berührt. Zweite Kapitel beginnt mit einem Zitat von Vaclav Havel. Damit möchte ich meine Rezension beenden.

„...Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat - egal wie es ausgeht...“

Veröffentlicht am 30.04.2018

Gelassen altern

Pfeif drauf – morgen hast du's eh vergessen!
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„...Jedes Lebensalter hat seine Vor- und Nachteile. Man muss die Vorteile nach Kräften nutzen und die Nachteile in Gottes Namen in Kauf nehmen...“

Als man ihm im Bus einen Sitzplatz anbot, hat sich der ...

„...Jedes Lebensalter hat seine Vor- und Nachteile. Man muss die Vorteile nach Kräften nutzen und die Nachteile in Gottes Namen in Kauf nehmen...“

Als man ihm im Bus einen Sitzplatz anbot, hat sich der Autor erstmals mit dem Thema Alter auseinandergesetzt, obwohl er schon ein paar Jahre in Rente ist. Auf amüsante Art lässt er mich als Leser an seinen Gedanken teilnehmen.
Nach drei kurzen einführenden Kapiteln gliedert er seine weiteren Ausführungen in 9 Abschnitte.
Er setzt mich mit der Frage auseinander: Wohin mit der Zeit? Danach wendet er sich der Gelassenheit des Alters, der äußeren Erscheinung, den Altersbeschwerden, Glück im Alter, Fitness, sozialen Kontakten, Familie und Tod zu. Zum Abschluss beantwortet er aus seiner Sicht die Frage, warum er nicht noch einmal 20 sein möchte.
Der Schriftstil des Buches lässt sich angenehm lesen. Er ist eine gute Mischung aus Faktenwissen, persönlichen Erfahrungen, Beispielen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis und humorvollen Einblendungen.
Auf das Eingangszitat nimmt er ab und an Bezug. Den durchaus trockenen Humor beweist das folgende Zitat:

„...Warum habe ich im Gesicht so viele Falten, wo doch am Hintern so viel Platz wäre?...“

Dem Autor geht es darum, in seinen Beispielen zu belegen, wie man das Alter genießen kann. Das folgende Zitat sollte man sich in aller Ruhe durch den Kopf gehen lassen.

„..Alt werden ist eine großartige Freiheit...“

Auf vielfältige Art und Weise zeigt der Autor, woraus diese Freiheit resultiert. Zwei Punkte arbeitet er heraus: Wenn man nicht will, muss man sich nicht mehr unterordnen, weder einem Vorgesetzten noch einem strikten Zeitplan. Zum anderen sind die wichtigsten Entscheidungen des Lebens gefallen.
Gut gefallen hat mir, dass der Autor zwar seine Sicht der Dinge dargelegt hat, aber auch andere Lebensgestaltungen in Spiel bringt. Dabei macht er deutlich, dass sie zwar nichts für ihn sind, jeder aber seinen eigenen persönlichen Weg finden muss, um im Alter glücklich zu bleiben.
Gut gestaltete Dialoge, die mich häufig zum Schmunzeln brachten, lockern die Geschichte auf.
Der Autor scheut sich auch nicht, zu erzählen, dass er Verhaltensweisen, die ihn bei anderen gestört haben, plötzlich bei sich selbst feststellen musste.
Eines ist in jeder Zeile des Buches zu spüren. Der Autor schreibt nicht nur über ein zufriedenes Altern trotz auftretender Probleme, er strahlt mit seine Worten diese Gelassenheit aus. Er vermittelt den Eindruck, dass er mit sich im Reinen ist.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Der darin enthaltene Optimismus wirkt belebend.

Veröffentlicht am 29.04.2018

Sehr schönes Kinderbuch

Im Garten von Monsieur Pit Frank
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„...Mama Minou hat zugenommen
und drei Kätzchen dann bekommen.
Molli und Polli heißen die Mädchen,
der kleine Bruder heißt Konrädchen...“

In Frankreich am Strome Rhein hat Monsieur Pit Frank einen Garten. ...

„...Mama Minou hat zugenommen
und drei Kätzchen dann bekommen.
Molli und Polli heißen die Mädchen,
der kleine Bruder heißt Konrädchen...“

In Frankreich am Strome Rhein hat Monsieur Pit Frank einen Garten. In diesem Garten gibt es viel zu sehen. Davon berichtet dieses Kinderbuch.
Der Käfer Brumm, Familie Schwarzrock, Katze Minou und Kater Max, das Kaninchen, Frosch und Schnecke und der Esel Grauchen sind einige der Gartenbewohner.
Zu jedem Thema wurde eine Doppelseite gestaltet. Links befindet sich eine ganzseitige farbige Zeichnung, rechts ein Gedicht. Die Gedichte haben sechs oder acht Strophen. Die Wortwahl ist kindgerecht. Passende Reime sorgen dafür, dass sich die Gedichte schön vorlesen lassen und zum Teil auch leicht einzuprägen sind.
Der Inhalt beschreibt die Vielfalt des Gartenlebens. Sie zeigt, wie alle friedlich miteinander leben, sich wohlfühlen und dass häufig der eine den anderen braucht. So picken die Vögel dem Esel die Plagegeister aus dem Fell. Der Specht nimmt Rücksicht auf die anderen Bewohner des Baumes.Auch ein Fest im Garten wird thematisiert. Stumm sieht der Gartenzwerg zu.
Die Bilder sind sehr realistisch und naturgetreu gezeichnet, unterstützen und veranschaulichen die Aussage der Texte.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es bringt Kinder die Schönheit und Vielfalt der Natur nahe.

Veröffentlicht am 28.04.2018

Es war einmal Heimat

Letzte Fahrt nach Königsberg
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„...Mit den Mauern der Stadt waren auch ihre Kindheit und ihre Jugend eingestürzt...“

Wir schreiben den Anfang des Jahres 1945. In Potsdam ist Ella bei ihrer großen Schwester Viki untergekommen. Ihre ...

„...Mit den Mauern der Stadt waren auch ihre Kindheit und ihre Jugend eingestürzt...“

Wir schreiben den Anfang des Jahres 1945. In Potsdam ist Ella bei ihrer großen Schwester Viki untergekommen. Ihre Heimatstadt Königsberg haben die Engländer im vergangenen Sommer in Schutt und Asche zerlegt. Zwar steht ihre Wohnung noch, doch der Kinder wegen hat sie sich zur Flucht entschlossen. In Potsdam aber regiert der Hunger. Also entscheidet sich Ella, nach Königsberg zu fahren und ihre Konserven per Post nach Potsdam zu schicken.
Der Autor hat eine fesselnde Familiengeschichte geschrieben. Doch das Buch ist weit mehr als dies. Es erzählt ein Stück Zeitgeschichte und setzt der Stadt Königsberg ein besonderes Denkmal.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen und ist vielseitig. Das Buch hat mich schnell in seinen Bann gezogen.
Das Eingangszitat stammt von Ella angesichts der zerstörten Stadt.
Der Schwerpunkt der Handlung liegt zwar auf dem Jahre 1945, es gibt dazwischen aber immer wieder Rückblenden zu bestimmten Episoden in Ellas Leben. Die sind gekonnt verbunden mit der Beschreibung von Land und Leuten.
Die erste führt mich ins Jahr1932. Unbeschwert fährt Ella mit ihren Freundinnen mit der Straßenbahn zur Schule. Die Fahrtroute und der Heimweg zum Kontor des Vaters, der eine Weinhandlung führt, gibt mir einen guten Einblick in das historische Königsberg. Gleichzeitig werde ich mit den Sitten und Gebräuchen der Zeit bekannt gemacht. Als Kaufmann ist man wer in der Stadt und hat sich entsprechend zu verhalten. Das gilt auch für die Kinder.
Das Jahr 1932 aber wird für Ella zum gravierenden Einschnitt in ihrem Leben. Der plötzliche Tod des Vaters zwingt die Familie, ihr Dasein neu zu regeln. Das wird in späteren Kapiteln immer wieder aufgegriffen. Ihren Traum vom Medizinstudium muss sie begraben.
Interessant finde ich die philosophische Diskussion, die der Vater 1932 mit der älteren Schwester Titi führt. Ein Zitat des Vaters daraus lautet:

„...Ist es nicht möglicherweise vernünftiger, einen Kritiker zum Schweigen zu bringen, als den Bestand des Staates zu riskieren?...“

Er selbst wird es nicht mehr erleben, wie viele Kritiker in den nächsten Jahren zum Schweigen gebracht werden. Nur kurz wird angedeutet, dass Ostpreußen zu den ersten Befürwortern des neuen Staates gehörte. Die Gründe waren vielfältig, die Folgen bitter.
Fast romantisch verklärt ist der erste Fahrradausflug von Ella und ihrer Freundin mit zwei jungen Männern. Das Leben liegt vor ihnen. Christian, einer der jungen Männer, erklärt anschaulich wie die Nehrung an der Ostsee entstanden ist.
Dann wechselt die Geschichte wieder ins Jahr 1945 und ist an Spannung kaum zu überbieten. Wird es Ella gelingen, einen der wenigen Zügen in Königsberg zu erreichen, der sie wieder nach Potsdam bringen kann?
Ellas Hobby, das Sammeln und Präparieren von Schmetterlingen, zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Die Schönheit der Tiere wird mit passenden Metaphern beschrieben. In den Kriegsjahren aber sind Konserven mit Wurst und Obst wichtiger. Die Kästen mit den Schmetterlingen gehen wie so vieles für immer verloren.
Erstaunt war ich über den Galgenhumor, der sich in den letzten Kriegstagen abzeichnete. Während manche noch an Hitlers Wunderwaffe glaubten, trauten sich andere, unumwunden zuzugeben, dass nichts mehr zu retten war. Obwohl verboten, verließen die Menschen in aller Eile Königsberg, als der Kanonendonner der Roten Armee zu hören war.
Ellas Flucht war in Potsdam nicht zu Ende. Es ging weiter gen Westen. Die Ankunft aber war bitter, wie das folgende Zitat belegt:

„...Die Menschen hier im Westen geben einem bei jeder Gelegenheit zu verstehen, dass man unerwünscht ist, dass man nicht dazu gehört und immer fremd bleiben wird...Es ist kein Verdienst, kein Flüchtling zu sein...“

Das Zitat sollte uns gerade heute zu denken geben.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es zeugt nicht nur von umfangreicherer Recherche des Autors, sonder zeigt auf sehr persönliche Weise, welche Kulturgüter und Werte ein Krieg zerstört. Ella musst am Punkt Null wieder anfangen, wie so viele mit ihr. Sie hatte die Heimat für immer verloren.