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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.09.2023

Bewegende Geschichte

Die Anatomie des Blumenkörbchens
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„...Der Kuss ist aufregend und unerwartet. Während ich mit geschlossenen Augen aus dem Wasser auftauche, küsst sie mich unvermittelt...“

Das Büchlein beginnt mit einer zarten Liebesgeschichte. Rüdiger ...

„...Der Kuss ist aufregend und unerwartet. Während ich mit geschlossenen Augen aus dem Wasser auftauche, küsst sie mich unvermittelt...“

Das Büchlein beginnt mit einer zarten Liebesgeschichte. Rüdiger und Diana träumen von einem gemeinsamen Leben. In wenigen Monaten wird Diana achtzehn. Dann steht einer Hochzeit nichts mehr im Wege.
Der Schriftstil ist ausgereift. Der Autor versteht es, den Gefühlen seiner Protagonisten Tiefe zu geben. Eigentlich möchte Diana am Abend mit Rüdiger ins Kino gehen. Doch den erwartet ein besonderes Erlebnis. Als Doktorand der Medizin hat er die Chance, in der Rechtsmedizin das erste Mal eine außergewöhnliche Gehirnstruktur zu sehen. Sie ist sehr flüchtig und kann nur kurzzeitig betrachtet werden.

„...Ich will dieses Bochdalek-Blumenkörbchen um jeden Preis sehen, Diana. Stell dir das doch einmal vor. Es ist nach dem Herzen die zweitpoetischste anatomische Struktur im menschlichen Körper...“

Die Szenen i n der Rechtsmedizin zeigen, dass er Autor weiß, wovon er schreibt. Die Freilegung der Struktur wird detailliert geschildert.
Als Rüdiger wieder zu Hause ist, bekommt er einen Anruf, der sein Leben für immer verändern wird. War der Preis für die Betrachtung des Blumenkörbchens doch zu hoch?
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 21.09.2023

Das Phänomen der Zeit

Adam und die Jagd nach der zerbrochenen Zeit
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„...Etwa zwei Stunden vor Mitternacht erschien auf einem der belebten Gehwege Manhattans wie aus dem Nichts ein Mann im Regenmantel. Sein Auftreten hätte eigentlich für Verwunderung sorgen müssen, doch ...

„...Etwa zwei Stunden vor Mitternacht erschien auf einem der belebten Gehwege Manhattans wie aus dem Nichts ein Mann im Regenmantel. Sein Auftreten hätte eigentlich für Verwunderung sorgen müssen, doch niemand nahm von ihm Notiz...“

Mit diesen Zeilen beginnt ein spannendes Kinderbuch. Im Mittelpunkt steht Adam, der nach dem Tod seiner Eltern bei seine Onkel Henry lebt und gelegentlich in der Bäckerei hilft.
Der Schriftstil ist kindgerecht und sorgt für den hohen Spannungsbogen. Gleichzeitig bleibt viel Raum für Gespräche über die Zeit.
Der Mann im Regenmantel empfiehlt Henry, auf den Dachboden zu gehen. Dort findet er eine Schneekugel. Als er sie schüttelt, landet er in der Vergangenheit. Da bleibt er aber immer nur wenige Minuten..
Hundert Jahre vor Adam hatte ein berühmter Zauberkünstler gelebt. Als junger Mann arbeitete er für einen Uhrmacher.

„...Das Leben dreht sich wie eine Uhr, mein Junge, aber die Rolle, die jeder einzelne von uns im Kreislauf des Lebens spielt, ist nur von kurzer Dauer. Wozu ist unsere kostbare Zeit gut, wenn wir sie nicht nutzen, uns gegenseitig zu helfen?...“

Der Uhrmacher hat ihm gesagt, dass es drei magische Teile auf der Welt gibt, die mit der Zeit zu tun haben. Sie dürfen nicht in falsche Hände geraten.
Mehrmals schickt die Schneekugel Adam in die Vergangenheit. Dort lernt er andere Kinder kennen und möchte ihnen helfen. Außerdem hofft er, seine Eltern zu treffen und sie vor der Gefahr, die ihnen das Leben gekostet hat, rechtzeitig warnen zu können.
Doch noch einer ist hinter der Schneekugel her. Er erhofft sich von ihr Reichtum und Macht. Noch ahnt Adam nicht, dass es für ihn gefährlich werden könnte.
Spannend finde ich das Gespräch zwischen Adam und Francine in der Vergangenheit. Sie macht ihm klar, dass er durch seine Reisen nichts ungeschehen machen kann. Was war, das war. Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern. Die Zusammenhänge werden kindgerecht und verständlich dargestellt.
Der Wechsel zwischen den Zeiten führt dazu, dass das Geschehen gekonnt miteinander verwoben wird. Einerseits wird so die Vergangenheit lebendig, andererseits gibt es Spuren, die bis in die Gegenwart reichen. Gleichzeitig werden dabei verschiedene Lebensgeschichten erzählt.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sie zeigt, dass alle Dinge meist zwei Seiten haben.

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Veröffentlicht am 21.09.2023

Gelungener Abschluss

Töchter eines neuen Morgens
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„...Dass sie schon bald nach Aufnahme ihres Studiums diese Wohnung und mit Lola zugleich eine wunderbare Mitbewohnerin und Freundin bekommen hatte, empfand sie noch immer als großes Glück. Denn für weibliche ...

„...Dass sie schon bald nach Aufnahme ihres Studiums diese Wohnung und mit Lola zugleich eine wunderbare Mitbewohnerin und Freundin bekommen hatte, empfand sie noch immer als großes Glück. Denn für weibliche Studenten war es schwierig unterzukommen...“

Wir schreiben das Jahr 1927. Katharina, die jüngste der Lindner – Schwester, kommt ihrem großen Ziel immer näher. Das Studium der Medizin füllt sie aus. Sie interessiert sich besonders für die Frauenheilkunde.
Auch der dritte Band der Saga erzählt eine spannende Geschichte. Gekonnt wird die historische Entwicklung mit den Handeln der Personen verknüpft.
Der Schriftstil ist ausgereift. Er lässt sich angenehm lesen.
Eva, zu Katharinas Freundeskreis gehörend, ist Studentin der Kunstakademie. Der dortige Professor lässt nichts anbrennen. Walli, die oft dann gefragt ist, wenn sein Tun Folgen hat, meint:

„...Der schickt nur seine Laufburschen. Aber ich sag ihnen eins: Wenn der alle Kinder, die der schon gemacht hat, selbst hätt austragen müssen, wär der längst unter der Erde...“

Als es bei Eva nach einer illegalen Abtreibung zu Komplikationen kommt, lernt Katharina den Arzt Thomas von Bogen kennen. Der wird so charakterisiert:

„...Die Arbeit erfüllte seine Tage, die Musik seinen Geist. Mehr erwartete er nicht vom Leben. Nicht mehr...“

Neben seiner Arbeit in einer Privatpraxis führt er noch eine Armenpraxis. Dort bietet er Katharina eine Stelle an. Deutlich wird, wie wichtig es ist, Frauen in der Medizin zu haben. Nicht jede Patientin ist gewillt, sich vor Thomas auszuziehen. Die übernimmt Katharina. Dabei muss sie allerdings vorsichtig sein. So lange sie ihr Studium nicht abgeschlossen hat, kann sie damit Ärger bekommen. Und Edmund, Mitstudent von Katharina, würde ihr gern etwas am Zeug flicken. Er ist bei ihr nicht angekommen und wird öfter wegen seiner mangelnden Kenntnisse bloßgestellt. Dass eine Frau besser im Studium ist wie er, passt nicht in sein Weltbild.
Eines Tages glaubt Edmund, Katharina bei einer unerlaubten Handlung erwischt zu haben. Er zeigt sie an. Wie wird sich Thomas von Bogen dazu positionieren? Wird die gerade erst aufkeimende Liebe zwischen ihm und Katharina halten?
Intensiv und von verschiedenen Seiten wird das Thema Abtreibung im Buch diskutiert. Die Mitglieder der Sexualberatungsstätte sehen dies als Mittel der Wahl, Thomas ist dagegen. Das ist auch seinem persönlichen Schicksal geschuldet. Die Ärztin Else Kienle sucht einen Mittelweg. Sie wog sorgfältig ab und berücksichtigte dabei auch den sozialen Faktor. Damit war sei ihrer Zeit weit voraus.
Die Geschichte spielt in einer Zeit, wo die Frauen zunehmend um ihre Gleichberechtigung kämpfen. Doch erste dunkle Wolken am Horizont machen deutlich, dass man schnell gewillt ist, dies zurückzudrehen. Starke Frauen sind nicht gewollt. Und das lässt man sie spüren, wenn man die Gelegenheit dazu hat.
Ein inhaltsreiches Nachwort rundet das Buch ab. Ergänzt wird die Geschichte durch ein Glossar und ein ausführliches Personenverzeichnis.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

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Veröffentlicht am 20.09.2023

Tiefgründige Geschichte

Die Geschichtenlauscherin
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„...Agnes steht in der Straßenbahn und lauscht den Gesprächen der anderen Fahrgäste, deren Worte sich zwischen den Haltestangen zu einem Geräuschbrei vermischen...“

Mit diesen Worten beginnt eine tiefgründige ...

„...Agnes steht in der Straßenbahn und lauscht den Gesprächen der anderen Fahrgäste, deren Worte sich zwischen den Haltestangen zu einem Geräuschbrei vermischen...“

Mit diesen Worten beginnt eine tiefgründige Erzählung. Agnes ist hier noch ein Kind. Die gehörten Geschichten erzählt sie ihrer Mutter weiter.
Der Schriftstil ist ausgereift. Er sorgt für eine innere Spannung in diesem sonst leisen Buch. Erst gegen Ende werde ich als Leser erfahren, was Agnes zu ihrem Verhalten bewegt hat.
Mittlerweile ist Agnes Mitte 20. Vor zwei Jahren hat sie ihre Heimatstadt Augsburg verlassen. Agnes wohnt in einem Hochhaus. Noch immer lauscht sie auf die Geschichten der anderen.

„...Sie besaß kein Auto und fuhr deshalb immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Meistens setzte sie sich in die Nähe der Leute, die ihr am interessantesten erschienen und hörte ihnen unauffällig zu...“

Agnes ist auf den Weg zu ihrer neuen Arbeitsstelle. Sie wird als Bürokraft in einer psychologischen Praxis eingestellt. Dort wird sie mit den unterschiedlichsten Lebensgeschichten konfrontiert. Die sind im Buch kursiv eingefügt.
Ihre neue Chefin, Frau Kramer – Michels, sendet recht widersprüchliche Signale. Als Leser habe ich ab und an den Eindruck, sie könne auch eine Beratung gebrauchen.

„...Wissen Sie, Orchideen sind ein bisschen so wie Menschen. Man darf ihnen nicht zu viel und nicht zu wenig Aufmerksamkeit schenken...“

Zu Agnes` Aufgaben gehört es, jede Pflanze einmal pro Woche mit einem Eierbecher voll Wasser zu versorgen.
Dann steht plötzlich ein Mann vor Agnes` Tür, drückt ihr einen Schlüssel in die Hand und bittet sie, sich um seinen Onkel zu kümmern, der gegenüber wohnt. Eigentlich will Agens dem alten Mann später nur den Schlüssel zurückbringen, doch plötzlich fühlt sie sich verantwortlich. Sie erlebt, wie er nach und nach durch Demenz seine Geschichte verliert. Hier bedient sich die Autorin einer sehr behutsamen und einfühlsamen Sprache. Anfangs hat er noch aus seinem Leben erzählt.

„...Ich war Soldat im Krieg. Die Details tun doch nichts zur Sache. Aber glauben Sie mir, Fräulein Agnes, im Krieg gibt es immer nur Verlierer – auf allen Seiten...“

Wie aber ist Agnes´ eigene Geschichte? Sie selbst glaubt, dass sie keine hat. Dabei ist es eine ganz Besondere.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Hier lässt die Autorin zum Teil auch das Leben von Protagonisten aus ihren anderen Büchern einfließen.

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Veröffentlicht am 19.09.2023

Starke Frauen

Club Paradies - Im Licht der Freiheit
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„...Auch wenn mehr als drei Monate vergangen waren, konnte sie nicht begreifen, was wirklich geschehen war. Wer war der Mann gewesen, mit dem sie verheiratet gewesen war und mit dem sie mehr als die Hälfte ...

„...Auch wenn mehr als drei Monate vergangen waren, konnte sie nicht begreifen, was wirklich geschehen war. Wer war der Mann gewesen, mit dem sie verheiratet gewesen war und mit dem sie mehr als die Hälfte ihres Lebens verbracht hatte?...“

Nach dem Selbstmord ihres Mannes ist Maria Borchert fast apathisch. Ihr Leben ist zusammengebrochen. Klaus Schröder, der Familienanwalt, hat ihr und ihrer Tochter Hanna eine seiner Wohnungen zur Verfügung gestellt.
Auch mit dem zweiten Teil der Reihe ist der Autorin ein spannendes Buch gelungen. Als Leser darf ich die weitere Entwicklung der Protagonisten verfolgen.
Der Schriftstil ist gut ausgearbeitet. Er bringt die Verhältnisse des Jahres 1976 auf den Punkt.
Der Anwalt ist der erste, der Maria wieder aufrüttelt. Danach äußert sie gegenüber Hanna:

„...Vorhin habe ich nichts davon gehalten, aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, habe ich das Gefühl, dass es vielleicht wirklich an der Zeit ist, sich nicht mehr alles gefallen zu lassen...“

Maria erfährt, dass Hanna mit Lea befreundet ist. Auch das Verhältnis ihres Mannes kommt nun zum Tragen. Maria sucht das Gespräch mit Lea. Das Gespräch zwischen beiden wirkt wie ein Hebel für Marias weitere Entwicklung. Lea zeigt auf, was in Marias Leben schief gelaufen ist.

„...Doch das, was jetzt kommt, könnte das Beste sein, was das Leben je für dich bereitgehalten hat. Du kannst du werden, Maria, nach all den Jahren...“

Auch Hanna muss neue Entscheidungen fällen. Nach dem Tod ihres Vater glaubt ihr Chef, sich sexuelle Übergriffe erlauben zu dürfen. Es kommt nicht zum Äußersten, aber Hanna kündigt den Lehrvertrag. Gegenüber Lea äußert sie, was sie sich für ihre Zukunft vorstellen kann.
Holger ist nach wie vor Monika hörig. Er wird von ihr und ihren Freunden in der RAF hereingelegt. Immer mehr zeigt sich, dass Holger sein Leben nicht im Griff hat. Nach seiner Verhaftung wird er vom Staatsschutz benutzt. Er durchschaut das fiese Spiel nicht, weder das des Staatsschutzes, noch die Manipulation durch seine Freundin.
Während sich Maria und Hanna nach und nach ein neues Leben aufbauen, wird Holger zum Nervenbündel.
Doch auch Lea hinterfragt, ob sie weiter so leben möchte, wie bisher. Die Antwort darauf hofft sie bei ihrer Mutter und ihrer ehemaligen Freundin Rachel in Israel zu finden. Wird Rachel über ihren Schatten springen und sich zu der Liebesbeziehung bekennen?
Ein inhaltsreiches Nachwort trennt Realität von Fiktion und vertieft die historischen Bezüge.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie zeigt unter anderen, wie sich die Frauen gerade in dieser Zeit nach und nach neue Rechte erkämpfen.

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