Der Autor legt die Finger in die Wunde
Augenblick nochmal. Neue Zwei-Minuten-Texte, die den Alltag durchkreuzen„...Sie war nur kurz draußen. Da hörte sie es. Kraniche, die nach Süden ziehen...“
Mit diesem Naturschauspiel beginnt das Buch. Die Geschichte ist kürzer als die Anderen. Es ist eine Geschichte der Hoffnung, ...
„...Sie war nur kurz draußen. Da hörte sie es. Kraniche, die nach Süden ziehen...“
Mit diesem Naturschauspiel beginnt das Buch. Die Geschichte ist kürzer als die Anderen. Es ist eine Geschichte der Hoffnung, der Hoffnung, dass die Kraniche zurückkehren.
Mehr als fünfzig weitere Kurzgeschichten sind in dem Büchlein gesammelt. Ihre Länge variiert zwischen einer und zwei Seiten.
Der Autor kommt schnell auf den Punkt. Er wendet sich den Schattenseiten unsere Gesellschaft zu und legt die Finger in die Wunde. Einige wenige Zitate sollen das verdeutlichen.
„...Wir durften die Akteure auf der politischen Bühne wählen, aber das Spiel, zu dem sie sich entschieden haben, können wir nicht beeinflussen...“
Einige Zeilen später relativiert der Autor seine Aussagen. Es zeigt auf, welche Möglichkeiten es gibt. Doch mancher dürfte sich mit dem Zitat angesprochen fühlen. Die Frage ist: Nimmt man es hin oder wird man aktiv?
„...Gegen alle Beteuerungen gehen sie eher mit den Reichen Arm in Arm, als den Armen die Hand zu reichen. Auch in Deutschland. Politik, nach christlichen Maßstäben, ist aber nur so gut, wie es den Ärmsten geht...“
Hier befasst sich der Autor mit Steuergerechtigkeit. Eines wird am Zitat ebenfalls deutlich. Das Spiel mit den Worten beherrscht er exzellent.
Der Autor nimmt aber nicht nur deutsche Unzulänglichkeiten aufs Korn, er befasst sich auch mit der Weltpolitik, sei es Putins Krieg in der Ukraine oder die europäische Flüchtlingspolitik. Beim letzten Thema konfrontiert er das Geschehen mit der Europahymne.
„...Mit jedem Flüchtling, der im Mittelmeer ertrinkt, aber gerettet werden könnte, versinken auch Europas Werte. Ist die Europahymne eine Lüge?...“
Die Texte sind trotz der Kürze tiefsinnig. Manchmal blitzt feiner Humor auf. Und sie zwingen mich als Leser zum Nachdenken – insbesondere über das eigene Verhalten.
„...Die Kraniche kommen zurück, manche schon im Februar. Es wird Frühling. Es ist, als wären sie Boten des uralten Versprechens, das Gott den Menschen nach der Sintflut gegeben hat...“
Mit der letzten Geschichte wird der Bogen zum Anfang geschlagen. Das Buch ist nun rund.
Das Büchlein hat mir sehr gut gefallen. Es ist an vielen Stellen ein Weckruf.