Mit Schwächen zum Happyend geführt
Zerbrich uns. Nicht.Nachdem ich „Vergiss uns. Nicht.“ nach der langen Wartezeit wirklich sehr genossen habe, war ich natürlich gespannt, wie das Happyend von Gavin und April nun über die Bühne geht. Eine gewisse Skepsis war ...
Nachdem ich „Vergiss uns. Nicht.“ nach der langen Wartezeit wirklich sehr genossen habe, war ich natürlich gespannt, wie das Happyend von Gavin und April nun über die Bühne geht. Eine gewisse Skepsis war schon angebracht, denn dieser Konflikt, auf dem Band 1 endete, war jetzt nicht unbedingt mein Highlight, weswegen ich mir vorstellen konnte, dass der Umgang damit schwierig werden könnte.
Zunächst aber mein Highlight: Gavin hat seine eigene Stimme bekommen! Laura Kneidl hat es mit der männlichen Perspektive bislang nicht so gehabt, aber sie ist für „Zerbrich uns. Nicht“ absolut die richtige Wahl, denn April und Gavin reden zunächst so wenig miteinander, aber bei ihm passiert parallel so viel, dass es wichtig war, das aufzufangen und nicht nur aus einer dritten Perspektive zu erleben. Zumal durch Gavin auch ein wichtiges Thema repräsentiert wurde und seine eigenen Gedanken so hautnah zu erleben, hat die Darstellung wertvoller gemacht. Er ist also der Gewinner des Abschlussbands, während April für mich eher die Verliererin ist. Leider. Nachdem sie am Ende des ersten Teils so ausgeflippt war, war zu erahnen, dass der Konflikt zwischen ihr und Gavin nicht mal eben aus dem Weg geschafft wird. Wie partout April aber darauf bestanden hat, dass er sich ihr gegenüber nicht erklären darf, unverständlich. Es wird noch lächerlicher, als sie dann Luca aber losschickt, weil es widersinnig ist. Denn je mehr Gavins Perspektive kennen, desto wahrscheinlicher ist es doch, dass es irgendwann an sie herangetragen wird. Zudem ist eine solche Verdrängung nie gesund und ich fand auch nicht, dass es in April Leben ein bestimmtes Muster gab, dass das auch gerechtfertigt hätte. Später regt sie sich auch auf, wie viel Zeit ihre Mutter ihr mit Gavin genommen hat, dabei hat sie sich den wichtigsten Teil selbst genommen.
Das war aber nicht alles in Bezug auf April, was mich etwas mehr beschäftigt hat. Zunächst löblich, Kneidl wagt sich an das Thema Asexualität. Doch mich konnte die Umsetzung nicht überzeugen. Das mag nun daran liegen, dass ich erst im vergangenen Jahr „Loveless“ von Alice Oseman gelesen haben und so automatisch ein Vergleich entsteht. Oseman hat quasi eine Bibel für Asexualität an die Hand gegeben und ich habe unfassbar viel gelernt. Auch bei Kneidl lernt man viel, keine Frage, denn wir begleiten April schließlich bei ihren Recherchen. Schaue ich mir aber die Dilogie im Gesamten an, dann finde ich, dass in Band 1 zu wenig dafür getan wurde. Gavins Geschichte ist konsequent aufgebaut worden, während es bei April eher aus dem Nichts kam. Selbst wenn sie sich sonst für keinen Jungen/Mann interessiert hat, aber warum auch nicht, sie liebt eben Gavin. So muss ich einfach sagen, dass es wirkte, dass das Thema eingebaut wurde, gute Recherche, dann zweimal ein Outing, aber mehr Auswirkungen habe ich nicht gemerkt. Es war mir einfach zu wenig und ich kann jetzt auch nicht zu sehr ins Detail gehen, weil es dann völlige Spoiler sind, aber in dem Kontext fand ich auch einige nachfolgende Szenen nicht in Ordnung.
Man merkt also, Kneidl hat „Zerbrich uns. Nicht“ für mich etwas komplizierter gemacht, indem sie gewisse inhaltliche Entscheidungen getroffen hat, die ich sehr kritisch sehe. Das ändert aber nichts daran, dass ich dennoch eine einnehmende Liebesgeschichte erlebt habe, die konsequent und auch immer wieder mit Highlights gepickt aufwarten konnte. Beispielsweise ein wichtiges Freundinnengespräch zwischen April und Sage, ganz großartig. Aber auch das Projekt SHS, eine tolle Sache. Dass auch im Freundeskreis noch einiges vorangetrieben wurde, ebenfalls sehr löblich und mitreißend. Vielleicht fehlte mir immer noch ein bisschen, dass man für die Figuren eine Zukunftsperspektive sieht, weil das Geschehen zu sehr im Hier und Jetzt verankert war, aber dennoch konnte ich in diesem Jetzt auch gut mitleiden und mitfühlen und das ist immer wichtig.
Fazit: „Zerbrich uns. Nicht“ bringt eine schöne Liebesgeschichte zu einem Ende, dennoch gab es vor allem in Bezug auf April einige Handlungsweisen, aber auch persönliche Ergründungen, die mir nicht zugesagt haben. Da mag ich Band 1 also wirklich lieber. Dennoch bin ich insgesamt froh, dass Laura Kneidl nach all den Jahren die Inspiration hatte, die Geschichte von April und Gavin zu erzählen!