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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.10.2017

Schöne Umgebung, zu viel Kampf

Die neun Prinzen von Amber
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Zum Inhalt:
Als er nach einem Krankenhausaufenthalt wegen eines Autounfalls erwacht, hat Corwin sein Gedächtnis verloren. Dieses taucht bruchstückhaft wieder auf, als er zuerst eine Schwester und dann ...

Zum Inhalt:
Als er nach einem Krankenhausaufenthalt wegen eines Autounfalls erwacht, hat Corwin sein Gedächtnis verloren. Dieses taucht bruchstückhaft wieder auf, als er zuerst eine Schwester und dann einen Bruder wiedersieht, die bei ihm die Gedanken an Amber – sein Heimatuniversum – aufblitzen lassen. Er erinnert sich, dass er ein Prinz des Hauses Amber ist und will zurück, um seine Ansprüche auf den Thron geltend zu machen.

Mein Eindruck:
Familie kann man sich nicht aussuchen, und wenn man mit vielen Brüdern und Schwestern ausgestattet ist, kann es schon einmal größere Probleme mit der Erbfolge geben, insbesondere dann, wenn ein Vermögen oder ein Königreich auf dem Spiel stehen.
Dass es sich bei den Chroniken von Amber um eine Neuauflage eines Originals aus den 70er Jahren handelt, wird bei den eher farblosen weiblichen Figuren klar. Schon der Titel befasst sich nur mit den Prinzen von Amber (und nicht den Prinzessinnen), später beschreibt der Autor die durch ein Kartenspiel verbundenen Brüder ziemlich genau, die Damen werden erst danach und dann eindeutig schneller abgehandelt. Die sehr minutiös geschilderten Kämpfe strotzen nur so vor Blut und Pathos und brillieren weniger mit einfühlsamen Gedanken, so dass die Story ein wenig holzschnittartig wirkt.
Gut gefallen jedoch immer noch die fantastischen Ideen zu einer Mittelalter-Umgebung, die von Magie umgeben ist und zur Kommunikation Spielkarten nutzt. Eindeutig eine Inspirationsquelle für George R. R. Martin, der sich lobend über den Autor äußert.
Leider hat sich Zelazny in dem ersten Buch seiner Chroniken für meinen Geschmack zu sehr mit Gemetzeln im Großen und Kleinen befasst und außerdem keinen guten Grund dafür geliefert, dass ein besiegter Gegner nicht getötet wird, sondern weiterleben darf und damit weiteren Ärger verursachen kann. Da sonst für kleinere Delikte gröber gehandelt wird, ist das doppelt unverständlich, - das hat der Autor von Game of Thrones später besser gelöst.

Mein Fazit:
Eine wunderbar erdachte Welt für zu viel Blut verschenkt

Veröffentlicht am 30.10.2017

Nicht verschlafen

Mordsmäuschenstill
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Zum Inhalt:
Die Psychologin Hannah hat sich auf Schlafstörungen spezialisiert. Eines Abends erhält sie einen Schlag mit einem Golfschläger auf den Kopf und fällt ins Koma. Vier ihrer Patienten wollen ...

Zum Inhalt:
Die Psychologin Hannah hat sich auf Schlafstörungen spezialisiert. Eines Abends erhält sie einen Schlag mit einem Golfschläger auf den Kopf und fällt ins Koma. Vier ihrer Patienten wollen diesen Anschlag aufklären und kommen dabei der Polizei in die Quere.

Mein Eindruck:
Kurze Kapitel, die sich jeweils mit der Sicht einer beteiligten Person befassen, lassen den Leser nur so durch die Seiten fliegen. Dazu bedient sich die Autorin einer guten Spritze dunkelgrauen Humors und sehr spezieller Charaktere. Sicher ist diese kurze Schnurre kein großes Kriminal-Kino, aber für den Preis eines E-Book absolut empfehlenswert und sehr amüsant geschrieben. Denn auch wenn die wenigen Seiten keinen Platz für tiefschürfende Charakterstudien bieten, sind die Figuren doch gelungen gezeichnet und nutzen den geringen Raum optimal für ihre unterschiedlichen Spleens und Störungen aus. Leider wird für mein Dafürhalten ein wenig zu viel Platz auf das Nackt-Schlafwandeln von zwei Figuren verschwendet, das sich nur mit Sex behandeln lässt. Welche Finger sich an welchen Stellen zu welcher Zeit befinden, steht zeitweise sehr im Vordergrund und wirkt damit eher deplatziert, weil es die Krimihandlung nicht wirklich voranbringt und eher nach „huch, ich brauche noch einen skandalträchtigen Moment“ riecht.
Allerdings gefällt, dass Motiv und Täter nicht vom Himmel fallen, sondern schlüssig erscheinen und in glaubwürdiger Manier ermittelt werden. Das Ende bietet noch einen zusätzlichen Aha-Effekt und erinnert ein bisschen an Agatha Christie Romane: Sehr versöhnlich trotz aller Verbrechen und traurigen Momente und so klappt der Leser seinen Reader mit einem Lächeln zu.

Mein Fazit:
Guter Appetithappen, der Lust auf mehr von Frau Tielcke macht.

4 Sterne, da für den günstigen Preis die Erwartungshaltung auf jeden Fall voll erfüllt wird.

… und das meine ich nur positiv!

Veröffentlicht am 28.10.2017

Kranke Charaktere

Die stille Kammer
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Zum Inhalt:
Susan Webster hat vor einigen Jahren ihr Kind in einem Anfall geistiger Umnachtung getötet und ist jetzt nach erfolgreicher Therapie wieder auf freiem Fuß, sicherheitshalber inkognito an unbekanntem ...

Zum Inhalt:
Susan Webster hat vor einigen Jahren ihr Kind in einem Anfall geistiger Umnachtung getötet und ist jetzt nach erfolgreicher Therapie wieder auf freiem Fuß, sicherheitshalber inkognito an unbekanntem Ort. Doch dann passieren merkwürdige Dinge und es häufen sich die Anzeichen dafür, dass ihr Sohn noch lebt und auch sonst nichts so ist, wie es deutlich schien. Gemeinsam mit dem Reporter Nick und ihrer Freundin Cassie macht sie sich auf, die Rätsel zu lösen.

Mein Eindruck:
Blackhurst hält zu Beginn des Buches ihrer Leserschaft gekonnt bei der Stange. Dazu gehören kurze Kapitel, eine gut komponierte Auswahl an Charakteren, die Verquickung von Vergangenheit und Gegenwart. Ihr Schreibstil ist eindringlich, die Geschichte gut durchdacht, Verzweiflung und Trauer zum Greifen. Aber dann kommen Momente, die so abstrus, aberwitzig und unglaubwürdig sind, dass dadurch das ganze wunderschöne Konstrukt ins Rutschen gerät. Erwachsene Menschen mit sehr viel Lebenserfahrung agieren so grenzenlos naiv und dämlich, dass der durchaus vorhandene Lesespaß immer weiter schrumpft. Hinzu kommen einige von den Toten Auferstandene, eine Handvoll Psychopathen und getroffene Entscheidungen, die für jeden mit einem halbwegs gesunden Menschenverstand nicht nachvollziehbar sind. Am wenigsten hat mir dabei das Frauenbild der Autorin gefallen: Gerade die Weiblichkeit zeichnet sich mit einem besonderen Mangel an Verstand, Herzensbildung und Willensstärke aus, wenn auch bei einigen Figuren Spuren davon vorhanden sind. Und so zerstört sich der gute Eindruck vom Beginn Stück für Stück.
Doch trotz aller Kritik würde ich Blackhurst nicht abschreiben wollen, - ihr Stil ist gut und ich könnte mir vorstellen, dass sie mit einer in jeder Hinsicht beschränkteren Geschichte (nicht ganz so viele alle in den Fall verstrickte Personen und nicht fast alle Psychos, nicht so viele miteinander verwobene Straftaten) einen spannenden UND glaubhaften Thriller zustande bringt. Denn schnell gelesen – ein untrügliches Zeichen für Spannung - ist das Buch.

Mein Fazit:
Irgendwie zu viel gewollt und die Glaubwürdigkeit auf der Strecke gelassen. Da mich das Buch jedoch trotzdem gefesselt hat

3 Sterne

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Figuren
Veröffentlicht am 01.10.2017

Gut geklaut

Mycrofts Auftrag
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Zum Inhalt:
Sherlock Holmes lebt - eine gute Nachricht, die Dr. Watson zuerst nicht wirklich zu würdigen weiß. Aber dann stürzt er sich doch wieder mit dem Freund in ein Abenteuer um Drogenhandel, Geldwäsche ...

Zum Inhalt:
Sherlock Holmes lebt - eine gute Nachricht, die Dr. Watson zuerst nicht wirklich zu würdigen weiß. Aber dann stürzt er sich doch wieder mit dem Freund in ein Abenteuer um Drogenhandel, Geldwäsche und Waffen.

Mein Eindruck:
Der Krimi verbeugt sich nicht nur vor Sir Arthur Conan Doyle, sondern bückt sich sogar noch tiefer vor Steven Moffat und Mark Gatiss, den Autoren, die Sherlock fernsehtechnisch in unsere Zeit portiert haben. Baum kopiert dabei so schamlos den Stil der Briten, dass man während des Lesens praktisch ununterbrochen Cumberbatch, Freeman und den Rest der Truppe im Kopf hat. Da nützt es auch nichts, der verliebten Gerichtsmedizinerin einen anderen Namen zu geben.
Aber weil die Autorin für ihre Kopie eine glänzende Vorlage nutzt, hat diese den gleichen Effekt wie das Original: Man amüsiert sich an vielen Stellen sehr über die Schrullen des Detektivs und des hilflosen Umfelds. Trotzdem möchte ich bezweifeln, dass ohne diese Grundlage ein einigermaßen gutes Buch zustande gekommen wäre. Zu blass sind die „eigenen“ Charaktere, zu verworren und überfrachtet die Gemengelage um den Antagonisten. Außerdem verzweifelt man bei der Suche für den Grund, dass Mycroft überhaupt Sherlocks Hilfe benötigt. Ganz im Gegenteil hat man bei der Story oft das Gefühl, dass der ältere Bruder den Überblick behält und sein Wissen um die Umstände nur häppchenweise weitergibt. Und dann kommt das große Finale mit Pauken, Trompeten und einer Fernsehcrew und plötzlich ist die kurze Geschichte schon wieder vorbei und wenn man überlegt, was eigentlich bleibt, ist es nicht viel…

Mein Fazit:
Ein Buch wie Fastfood – ganz lecker während man isst, aber kurz danach hat man schon wieder Hunger

Veröffentlicht am 01.10.2017

Drama in drei Akten

Drei Tage und ein Leben
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Zum Inhalt:
Der zwölfjährige Antoine lebt 1999 zusammen mit seiner Mutter in einem französischen Dorf. Kurz vor Weihnachten erschlägt er mehr zufällig einen Nachbarsjungen im Wald, wird jedoch durch die ...

Zum Inhalt:
Der zwölfjährige Antoine lebt 1999 zusammen mit seiner Mutter in einem französischen Dorf. Kurz vor Weihnachten erschlägt er mehr zufällig einen Nachbarsjungen im Wald, wird jedoch durch die großen Stürme und die dadurch angerichteten Verwüstungen vor der Entdeckung geschützt. Trotzdem bleibt seine Tat nicht ohne Folgen für ihn und sein Leben.

Mein Eindruck:
… und die Moral von der Geschichte: Du kannst deinem Schicksal nicht entfliehen. Das gilt nicht nur für Antoine, sondern auch für einige der Nebenfiguren in diesem Lehrstück um Schuld und Sühne. Zwar spielt sich die Story in der jüngeren Vergangenheit ab, sie wirkt aber relativ zeitlos und teilweise hätte sie sogar eher in die Vergangenheit gepasst: Das Dorfleben, die Heimlichkeiten, das bigotte Verhalten und auch das Obrigkeitsdenken und das Gottvertrauen sind wie aus der Zeit gefallen geschildert. Und diese Beschreibungen gelingen Lemaitre großartig. Wie die heimlichen Verbündeten Antoines leidet man mit ihm – totes Kind hin oder her – so eindrucksvoll wird Antoines Angst, Selbstmitleid und Verzweiflung geschildert. Gut gefällt, wie der Protagonist immer wieder vor die Wahl gestellt wird, sich seiner Verantwortung zu stellen und dieser reagiert und versucht, sich aus der Bedrängung zu lösen, um sich dann nur noch tiefer in einem verpfuschten Leben zu verstricken.
Dabei stehen die drei Kapitel (1999, 2011 und 2015) für die Scheidepunkte Antoines, wobei die immer kürzer werdenden Kapitel auch für die Abnahme der Möglichkeiten Antoines zu sehen sind.
Diese komplette Tragödie fesselt in ihrer Vollkommenheit und ihrem Ausmaß den Leser total und lässt einen traurig zurück, - keine Chance für niemanden – episch.

Mein Fazit:
Großartig geschrieben, unendlich traurig, passend für die Herbstdepression