Eine verstorbene Mutter zwingt ihre Tochter durch ein ungewöhnliches Testament, ihre Träume zu leben und noch einmal neu anzufangen. Soweit die Kurzfassung. Und so reizvoll die Themenstellung auch ist und mich zum Buchkauf animiert hat, so problematisch ist sie doch von Anfang an - mit welchem Recht eigentlich bestimmt hier ein Mensch über die Freiheit und Selbstbestimmung eines anderen? Die Antwort liefert das Buch postwendend: Deine Mutter kennt dich eben besser als du selbst, tut alles einzig aus selbstloser Liebe zu dir und darf dich daher auch demütigen und entmündigen, es ist nur zu deinem Besten. Mal ehrlich: Auf diese fragwürdige Formel reduziert, wird die charmante Geschichte schnell zur Farce, die Mutter zum Übergott. Für jede Eventualität hält die Tote ein erneutes Briefchen an ihre Tochter bereit, Tenor: ich wusste, dass du so reagieren wirst, aber so habe ich es mir nicht vorgestellt; du musst schon machen, was ich will. Ganz so kalt klingt es natürlich nicht im Roman, es gelingt der Autorin auf rätselhafte Weise, dem Leser von Anfang an zu überzeugen, dass diese geniale und fürsorgliche Mutter recht hat.
Liebe Mütter, macht das um Himmels willen nicht nach!!! Im wahren Leben könnt Ihr überhaupt nicht abschätzen, was für Überraschungen das Leben für Eure Töchter bereithält, welchen krummen oder gerade Verlauf ihr Leben weiterhin nehmen wird. Eins aber ist klar: wer im wahren Leben versucht, dermaßen lieber Gott zu spielen wie diese Frau, wird entweder seine Tochter in den endgültigen Wahnsinn treiben oder aber den Kontakt und den Einfluss auf sie für alle Zeiten verlieren.
Dabei ist ansonsten die psychologische Ausleuchtung der sensiblen und von Selbstzweifeln geplagten Protagonistin durchaus gelungen. Die Geschichte ist spannend geschrieben, voller überraschender Wendungen, so dass man am Ende des Kapitels meist nicht die Vernunft besitzt, den Deckel zuzuklappen, sondern gebannt weiterlesen möchte. Hat man sich erst einmal damit abgefunden, dass die inhaltliche Grundidee des Romans überaus fragwürdig ist, kann man der kurzweiligen Schreibweise von Frau Nelson Spielman durchaus etwas abgewinnen.
Nicht alle Dialoge sind von gleichbleibend genialer Qualität. Insgesamt aber ist der Schreibstil von Lori Nelson Spielman angenehm; ein paar Episoden fand ich ausgesprochen berührend, zum Beispiel, wie Brett am Thanksgiving-Tag, nachdem ihr Lebensgefährte sich urplötzlich aus dem Staub gemacht hat, nach anfänglicher Single-Depression ihren sorgsam bereiteten Truthahn einfach zu den Mädchen ins Frauenhaus bringt.
Dennoch habe ich mich nach gut zwei Dritteln entschieden, den Rest nicht mehr zu lesen, daher weiß ich nicht, ob Brett am Ende ihren Anwalt heiratet, den netten Psychater, oder vielleicht doch den Burberry-Man. Aber da eine Rezension ja nicht alles verraten soll, denke ich, der geneigte Leser kann mir meine Unwissenheit nachsehen.