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Veröffentlicht am 17.04.2021

Wenn gesellschaftliche Erwartungen nicht erfüllt werden

Unterwasserflimmern
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Mit ihrem Freund, dem Architekten Emil, ist sie seit neun Jahren zusammen. Nun ist er 40 und wünscht sich endlich Kinder und ein Haus. Doch auch mit Anfang 30 ist die Redakteurin eines Magazins nicht bereit ...

Mit ihrem Freund, dem Architekten Emil, ist sie seit neun Jahren zusammen. Nun ist er 40 und wünscht sich endlich Kinder und ein Haus. Doch auch mit Anfang 30 ist die Redakteurin eines Magazins nicht bereit dazu. Sie vermisst die Unbeschwertheit der ersten Beziehungsjahre, möchte lieber weiterhin viel reisen, bis spät abends arbeiten und die Nächte durchtanzen. Und sie pflegt eine Affäre mit dem Endvierziger Leo, der verheiratet ist. Als auch Emil fremdgeht und den Seitensprung beichtet, ergreift sie die Flucht...

„Unterwasserflimmern“ ist das Romandebüt von Katharina Schaller.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Teilen, die wiederum in kurze Abschnitte gegliedert sind. Erzählt wird im Präsens und in chronologischer Reihenfolge in der Ich-Perspektive aus der Sicht der Protagonistin.

Der Schreibstil ist die wohl größte Stärke des Romans. Trotz einer meist sehr einfachen Syntax ist er eindringlich und atmosphärisch. Die Sprache ist sehr direkt, teilweise derb bis vulgär, aber auch authentisch.

Im Vordergrund steht die namenlose Protagonistin, eine junge Frau, mit der ich mich nicht identifizieren kann und die ich nicht als sympathisch empfunden habe. Sie wirkt allerdings lebensnah. Etwas gestört hat mich, dass sie einen solch unreifen und egoistischen Eindruck macht und im Laufe des Romans keine deutliche Entwicklung erkennen lässt. Zudem tauchen einige weitere Charaktere auf, von denen manche recht blass bleiben.

Inhaltlich geht es darum, dass viele junge Frauen gesellschaftlichen Ansprüchen und Vorstellungen wie Ehe und Mutterschaft nicht gerecht werden können oder wollen, dass sie sich durch Sexualität ausdrücken und dass auch andere Lebensmodelle in Ordnung sind. Diese Form der Gesellschaftskritik kann ich unterschreiben. Sie taucht viel zu selten in Romanen auf. Die Grundthematik halte ich daher für begrüßenswert. Deren Umsetzung hat mich jedoch nicht ganz überzeugt. Die Unentschlossenheit und das widersprüchliche Verhalten der Protagonistin verwässern den Ansatz sehr. Zudem habe ich den Eindruck, dass etwas dick aufgetragen wurde, indem die Protagonistin beinahe jede moralische Grenze überschreitet.

Und doch hat dieser Roman etwas, das mich gefesselt und mich fasziniert hat, so dass ich das Buch nur ungern zur Seite gelegt habe. Schon nach wenigen Sätzen entsteht ein Lesesog, der über die rund 230 Seiten nicht abgeschwächt wurde. Gut gefallen hat mir auch, dass es im letzten Teil noch zwei unerwartete Wendungen gibt, obwohl ich eine davon eher unglaubwürdig finde. Zur Geschichte passt es außerdem, dass am Ende noch ein paar Fragen offen bleiben.

Das moderne Cover gefällt mir optisch sehr gut. Das Motiv passt ebenfalls. Der prägnante und dennoch kreativ formulierte Titel ist eine gute Wahl.

Mein Fazit:
„Unterwasserflimmern“ von Katharina Schaller ist ein intensiver und ungewöhnlicher Roman mit einer interessanten Thematik, aber kleineren Schwächen. Alles in allem ein lesenswertes Debüt.

Veröffentlicht am 16.04.2021

Aus dem Leben der Halliglüd

Die Farbe des Nordwinds
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20 Jahre ist es her, dass die nunmehr 36-jährige Ellen auf der Hallig gewohnt hat. Zwar hat sie zuletzt etliche Jahre in Wien gelebt, doch eine echte Heimat hat sie in ihrem Leben nie gefunden. Das soll ...

20 Jahre ist es her, dass die nunmehr 36-jährige Ellen auf der Hallig gewohnt hat. Zwar hat sie zuletzt etliche Jahre in Wien gelebt, doch eine echte Heimat hat sie in ihrem Leben nie gefunden. Das soll sich ändern. Deshalb hat sie eine Stelle als Lehrerin auf der Hallig angenommen. Das Wiedersehen mit der Halligbäuerin Liske, bei der sie Unterschlupf erhält, ist jedoch eisig. Diese trägt ihr den Abschied vor zwei Jahrzehnten noch immer nach, als Ellen mit ihrer Mutter den kleinen Marschinseln in der Nordsee plötzlich den Rücken kehrte und damit auch Liske, die sich damals wie eine Stiefschwester anfühlte, alleine ließ. Kann der Neuanfang klappen?

„Die Farbe des Nordwinds“ ist ein Roman von Klara Jahn.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus zwei Erzählebenen. Es gibt 15 Kapitel, die in der Gegenwart (und zunächst noch jüngeren Vergangenheit) spielen. Sie wechseln sich ab mit dem „Damals“-Strang, eine in der Ich-Perspektive erzählte Chronik, die die Brüder Hendrik und Arjen Martenson über mehrere Jahre im frühen 19. Jahrhundert begleitet. Beide Stränge werden auf gelungene Art miteinander verwoben und weisen Parallelen auf. Der Einstieg ist aufgrund mehrerer Zeitsprünge und fehlender Zeitangaben etwas verwirrend. Der Aufbau ist aber insgesamt gut durchdacht.

Der anschauliche, detaillierte und bildstarke Schreibstil ist einer der Pluspunkte des Romans. Die oftmals poetische Sprache mit ihren gelungenen Beschreibungen löst Fernweh aus. Etwas störend ist lediglich, dass viele Fachtermini und Namen auftauchen, die teils verzögert, teils gar nicht erläutert werden. Sie erschweren das Verständnis ein wenig.

Das wohl größte Manko sind für mich die Charaktere im gegenwärtigen Erzählstrang. Protagonistin Ellen ist auf eine unangenehme Art seltsam und unnahbar. Sie war mir bis zum Schluss unsympathisch. Die übrigen Hauptcharaktere sind entweder ebenfalls merkwürdig oder egoistisch. Auch die Nebenfiguren können mich nicht alle überzeugen, da einige Personen sehr klischeehaft ausgestaltet sind. Die Protagonisten im Vergangenheitsstrang sind größtenteils authentischer.

Inhaltlich ist die Geschichte zwar ein wenig düster, aber auch vielschichtig. Wer eine seichte Wohlfühllektüre erwartet, wird enttäuscht. Wer dagegen anspruchsvollere Inhalte bevorzugt, ist eher an der richtigen Adresse. Das ungewöhnliche Setting gefällt mir ausgesprochen gut. Zudem ist der Roman nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich. Ich habe gerne mehr über die Halligen und das damalige und aktuelle Leben dort erfahren. Über die Landschaft und die Natur lernt man beim Lesen des Romans einiges. Das verschafft der Geschichte zusätzliche Tiefe. Die fundierte und umfassende Recherche der Autorin ist dem Buch immer wieder anzumerken. Leider fehlt ein Nachwort, das erläutert, welche Aspekte auf Fakten und welche auf Fiktion beruhen.

Auf den meisten der etwa 400 Seiten ist das Erzähltempo recht gemächlich, was aber nur für wenige Längen sorgt. Im letzten Viertel zieht die Handlung an. Dieser Abschnitt hat mir am besten gefallen. Ganz zum Schluss fällt der Roman allerdings mit einem Plottwist wieder ab, der für mich überhaupt nicht stimmig ist.

Das stimmungsvolle und hübsche Cover ist sehr ansprechend geworden. Zum Titel ist meine Meinung zwiegespalten: Einerseits ist die Formulierung klangvoll und poetisch anmutend, andererseits sagt der Roman eben auch aus, dass der Wind keine Farbe habe, sodass der Titel im Widerspruch zum Inhalt steht.

Mein Fazit:
Mit „Die Farbe des Nordwinds“ ist Klara Jahn meinen hohen Erwartungen leider nicht gerecht geworden. Mit der Geschichte wurde ich nicht warm. Trotz mehrerer Schwächen ist der Roman aber nicht gänzlich misslungen, denn ich konnte Wissenswertes aus der Lektüre ziehen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.04.2021

Wenn ein Teil der Erinnerungen fehlt

Was wir sehen, wenn wir lieben
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Mai 2019: Für Teresa Kempf (27) ist es ein großer Schock. Mit retrograder Amnesie ist sie nach einem Sturz im Krankenhaus gelandet. Ihre letzte Erinnerung ist das tolle Date mit Henry Bayer im Juni 2014. ...

Mai 2019: Für Teresa Kempf (27) ist es ein großer Schock. Mit retrograder Amnesie ist sie nach einem Sturz im Krankenhaus gelandet. Ihre letzte Erinnerung ist das tolle Date mit Henry Bayer im Juni 2014. Fünf Jahre sollen seither vergangen sein. Was ist seitdem passiert? Warum hat sich so viel geändert? Wer sind die neuen Leute in ihrem Leben? Und wo ist Henry, der sie so bezaubert hat? Für Teresa beginnt eine Spurensuche mit mehreren Herausforderungen.

„Was wir sehen, wenn wir lieben“ ist ein Roman von Kristina Moninger.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 43 recht kurzen Kapiteln. Sie werden von einem Prolog und einem Epilog eingerahmt. Die Handlung spielt überwiegend in der Gegenwart. Der Prolog und einige Kapitel betreffen jedoch die Vergangenheit vor fünf Jahren. Im Epilog wird sogar noch weiter zurück gesprungen. Erzählt wird vorwiegend im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Teresa. Es gibt allerdings auch Passagen, die aus der Sicht von Henry erzählt werden. Der Aufbau ist gut durchdacht.

Der Schreibstil ist unkompliziert und unauffällig, aber anschaulich. Viele Dialoge lassen das Geschehen lebhaft erscheinen.

Obwohl ich mich nicht so ganz mit Teresa identifizieren kann, mag ich sie als Protagonistin gerne. Noch sympathischer ist mir allerdings Henry. Die beiden Hauptcharaktere wirken authentisch, gut ausgestaltet und weitestgehend klischeehaft. Auch die Nebenfiguren sind interessant dargestellt.

Inhaltlich steht die Liebesgeschichte im Vordergrund. Darüber hinaus ist der Roman aber erstaunlich facettenreich und tiefgründig, denn es werden weitere große Themen wie die Identitätssuche, Familie und Freundschaft, Ziele im Leben und ähnliche Dinge aufgegriffen. Auf rund 450 Seiten ist der Roman damit nicht nur berührend, sondern bietet auch Stoff zum Nachdenken.

Zwar ist die Idee der Amnesie weder besonders originell noch neu. Jedoch wird dieser Ansatz gut umgesetzt und führt zu amüsanten Episoden. So kommt auch der Humor nicht zu kurz.

Das Cover ist wenig aussagekräftig, sagt mir aber dennoch zu. Die Gestaltung mit dem Vogel-Motiv wird erfreulicherweise auch im Inneren aufgegriffen. Der Titel klingt leider etwas schnulziger als die tatsächliche Geschichte.

Mein Fazit:
„Was wir sehen, wenn wir lieben“ von Kristina Moninger ist ein gleichsam unterhaltsamer wie bewegender Roman, der mir schöne Lesestunden bereitet hat.

Veröffentlicht am 07.04.2021

Zwei Gegensätze, die zusammenpassen

Reise mit zwei Unbekannten
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Sie haben zufällig dasselbe Ziel: Brüssel. Als sich die rund 95-jährige Maxine über ein Mitfahrerportal im Internet meldet, ahnt sie nicht, welche ungewöhnliche Fahrt sie erwarten wird. Eigentlich möchte ...

Sie haben zufällig dasselbe Ziel: Brüssel. Als sich die rund 95-jährige Maxine über ein Mitfahrerportal im Internet meldet, ahnt sie nicht, welche ungewöhnliche Fahrt sie erwarten wird. Eigentlich möchte die exzentrische Witwe nur zu einer Klinik gebracht werden, um Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Doch der 25-jährige Student Alex, zu dem die ehemalige Grundschullehrerin in den Twingo steigt, hält gar nichts von diesen Plänen. Auch er hat es nicht leicht im Leben. Zu allem Überfluss wird das ungleiche Paar unterwegs verfolgt und muss fliehen. Ob die beiden die belgische Hauptstadt da noch erreichen werden?

„Reise mit zwei Unbekannten“ ist ein Roman von Zoe Brisby.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus 63 kurzen Kapiteln. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge aus einer auktorialen Perspektive, die sich meist auf Alex und Maxine fokussiert. Die Handlung umfasst nur etwas mehr als zwei Tage.

Der Schreibstil ist anschaulich und dank vieler Dialoge sehr lebhaft. Gut gefallen hat mir insbesondere der Wortwitz, der an etlichen Stellen zum Tragen kommt. Er verliert sich auch nicht in der deutschen Übersetzung.

Mit Alex und Maxine stehen zwei sehr gegensätzliche Charaktere im Vordergrund. Mit ihrer frechen und sehr rüstigen Art war mir Maxine auf Anhieb sympathisch. Alex wirkt zunächst ziemlich wehleidig und übellaunig. Aber auch ihn habe ich im Verlauf der Handlung ins Herz geschlossen. Die Protagonisten sind ein wenig überzeichnet. Ihre Gedanken und Gefühle lassen sich jedoch gut nachvollziehen. Weitere Personen spielen eine stark untergeordnete Rolle.

Themen wie Alzheimer, Sterbehilfe und Depressionen bringen ernstere Töne in den Roman. Sie machen die Geschichte bewegend und sorgen für nachdenkliche Momente. Heitere und lustige Episoden überwiegen allerdings. Zwar nutzen sich manche Gags durch inhaltliche Wiederholungen ein wenig ab. Dennoch musste ich beim Lesen immer wieder lachen und schmunzeln.

Die Handlung des Roadtrips ist turbulent und abwechslungsreich. Mehrere Verwicklungen und Zwischenfälle machen die Reise zu einem unterhaltsamen Lesevergnügen. Dabei konnte ich darüber hinwegsehen, dass einige Ereignisse recht konstruiert erscheinen und manches ein wenig dick aufgetragen wurde. Die Botschaft der Geschichte, die recht plakativ vermittelt wird, ist positiv und lebensbejahend.

Ein schöner Pluspunkt ist die abgedruckte Playlist am Ende des Romans.

Das Cover ist modern und ansprechend gestaltet. Der deutsche Titel ist nicht unpassend, sagt mir aber nicht so zu wie die französischsprachige Variante („L'habit ne fait pas le moineau“).

Mein Fazit:
„Reise mit zwei Unbekannten“ von Zoe Brisby ist ein amüsanter und charmanter Roman mit kleineren Schwächen. Wer es mit der Realitätsnähe nicht allzu genau nimmt, wird gut unterhalten.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.03.2021

Das bemerkenswerte Leben von Noah Klieger

Noah – Von einem, der überlebte
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Erst 16 Jahre ist Noah Klieger alt, als der Jude in die Fänge der Nazis gerät. Er wird als Mitglied einer jüdischen Widerstandsgruppe enttarnt und muss im Anschluss als Jugendlicher die Konzentrationslager ...

Erst 16 Jahre ist Noah Klieger alt, als der Jude in die Fänge der Nazis gerät. Er wird als Mitglied einer jüdischen Widerstandsgruppe enttarnt und muss im Anschluss als Jugendlicher die Konzentrationslager Auschwitz, Dora-Mittelbau und Ravensbrück durchleiden. Unvorstellbare Gräuel muss Noah im Vernichtungslager mitansehen, Qualen und Demütigungen auch selbst über sich ergehen lassen. Doch er überlebt den Holocaust und beschließt, seine neue Heimat in Israel zu suchen.

„Noah - Von einem, der überlebte“ ist ein Buch von Takis Würger, das die Lebensgeschichte des Shoah-Überlebenden Noah Klieger erzählt.

Meine Meinung:
Das Buch ist kein fiktives Werk, sondern stützt sich auf Gespräche, die der Autor mit Klieger geführt hat. Es besteht aus vier Teilen. Der erste umreißt Noahs Kindheit und Jugend sehr kurz und schildert vor allem seine Zeit im Vernichtungslager. Der zweite Teil erklärt, wie es nach der Befreiung durch die Russen mit ihm weiterging, der dritte erzählt von Noahs Fahrt mit dem Schiff Exodus und den Anfängen seines Engagements um die Gründung des Staates Israel. Der Schluss ist ein Mix von Anekdoten, kurzen Zusammenfassungen, was aus den zuvor genannten Personen wurde, und einem anklagenden Fragenkatalog zum Thema Holocaust.

Der Schreibstil ist geprägt von einer klaren, aber reduzierten Sprache mit einer einfachen Syntax. Kurze Hauptsätze reihen sich aneinander. Dieser Stil passt im ersten Teil noch ganz gut, wenn man davon ausgeht, dass die Leserschaft viele der Bilder ohnehin im Kopf hat. Trotz des Weglassens von Details und ausführlicheren Beschreibungen ist das Buch zunächst sehr eindringlich und eindrucksvoll. Schnell wird klar, warum Klieger ein so wichtiger Zeitzeuge war. Seine Erlebnisse machen betroffen, erschüttern, bewegen und sind der Grund, weshalb das Buch noch sehr lange bei mir nachhallen wird.

Doch je weiter das Buch und Noahs Lebensgeschichte voranschreiten, umso weniger funktioniert für mich das stilistische Konzept, denn der Text wird immer fragmentarischer. Zusammenhänge und Hintergründe werden nicht erklärt, verschiedene Zeiträume einfach übersprungen. Ohne Vorkenntnisse und zusätzliche Eigenrecherche bleibt das Buch in mehreren Punkten leider unverständlich.

Mehr noch: Viele interessante Stationen im Leben von Klieger, der eigentlich Norbert mit Vornamen hieß und in Straßburg aufgewachsen ist, fallen unter den Tisch oder werden nur kurz erwähnt. Dabei bietet seine Biografie, die von mehreren glücklichen Fügungen gekennzeichnet ist, eine Menge Stoff. Somit drängt sich mir der Eindruck auf, dass es doch mehr als der bloß rund 150 Seiten bedarf, um das Leben Kliegers ausreichend darzustellen und zu erklären.

Andererseits legt Würger in seinem Nachwort Wert darauf, dass der im Jahr 2018 Verstorbene das Buch noch vor seinem Tod gelesen, korrigiert und abgesegnet habe. Der Autor schreibt darin: „Er wollte, dass ich sie [seine Geschichte] so festhalte, wie sie in diesem Buch erscheint.“ Er persönlich hätte gerne mehr über Kliegers Leben festgehalten, lässt Würger seine Leserschaft wissen. Über die konkreten Gründe für die Auslassungen lässt sich nur spekulieren. Daher fällt es mir schwer, die Umsetzung der Buchidee ausschließlich dem Autor anzukreiden.

Zwei weitere interessante Nachworte ergänzen das Buch. Zum einen äußert sich Kliegers einzig noch lebende Verwandte, seine Nichte Alice. Zum anderen kommt eine Expertin aus Israel, Sharon Kangisser Cohen, zu Wort, die unter anderem Zweifel aufkommen lässt, ob jeder der Erinnerungen Kliegers zu trauen ist. Sinnvoller wäre es sicherlich gewesen, diese Erläuterungen dem eigentlichen Text voranzustellen.

Das sehr puristische Cover und der prägnante Titel passen meines Erachtens bestens zum Buch.

Mein Fazit:
„Noah - Von einem, der überlebte“ von Takis Würger ist eine Lektüre, die mich ein wenig zwiegespalten zurücklässt. Zwar sagt mir die Kürze und Stilistik des Buches nicht zu. Allerdings sind diese Punkte offenbar genauso beabsichtigt und ändern nichts daran, dass ein wichtiger Inhalt transportiert wird.