Profilbild von mimitatis_buecherkiste

mimitatis_buecherkiste

Lesejury Star
offline

mimitatis_buecherkiste ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit mimitatis_buecherkiste über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.10.2024

Sechzig verpasste Jahre

Seinetwegen
0

Der Vater von Zora del Buono stirbt bei einem Verkehrsunfall, als sie acht Monate alt ist. Die Trauer der Mutter und ihre Sprachlosigkeit begleiten die übriggebliebene Familie fast ihr ganzes Leben lang. ...

Der Vater von Zora del Buono stirbt bei einem Verkehrsunfall, als sie acht Monate alt ist. Die Trauer der Mutter und ihre Sprachlosigkeit begleiten die übriggebliebene Familie fast ihr ganzes Leben lang. Kurz vor ihrem sechzigsten Geburtstag macht sich die Autorin auf die Suche nach dem Unfallverursacher, von dem ihr nur die Initialen bekannt sind. Darüber und über vieles mehr handelt dieses Buch.

»Seit Jahren denke ich, wenn ich eines dieser Ortsschilder passiere: Ob E. T. wohl noch lebt? Er müsste Mitte achtzig sein. Wie hat er die letzten sechzig Jahre verbracht, mit seiner Schuld? Und dann der Gedanke: Ich muss ihn suchen, ihn aufsuchen. Den Töter meines Vaters.« (Seite 7)

Eine ungewöhnliche Erzählweise hat Zora del Buono gewählt, ihre Erzählung wird unterbrochen von Treffen mit Freunden, Anekdoten aus der Vergangenheit und Listen, die sie erstellt, um sich die wenigen ihr bekannten Fakten ins Gedächtnis zu rufen. Dabei wird die Sehnsucht nach dem Vater besonders sichtbar, wiederholt bedauert sie dessen viel zu kurzes Leben und den viel zu frühen Tod. Die Demenzerkrankung der Mutter wird ebenfalls thematisiert und berührt mich ungemein. Die Verzweiflung über den Zustand ist fast körperlich spürbar während ich die Zeilen lese, das Verschwinden schreitet voran und die Tochter kann nur ohnmächtig zusehen, wie es abwärts geht.

»Nicht der Tod hat uns getrennt, sondern die Demenz. Ich habe sie längst verloren.« (Seite 183)

Immer wieder verliert sich die Autorin in Nebensächlichkeiten, die überaus interessant, um nicht zu sagen faszinierend sind, auch wenn es sich überwiegend um ein sogenanntes unnützes Wissen handelt, das ich aber aufsauge wie ein Schwamm. Dieses Verhalten passt zu ihrer Vorgehensweise bei der Suche nach dem Unfallverursacher, wo sie immer wieder Dinge (er-) findet , die sie von der eigentlichen Suche abhalten und ablenken sollen; zu groß wahrscheinlich die Angst davor, was sie am Ende erwartet. Ich begleite sie bei ihrer Suche, bin ungeduldig und darauf, was sie herausfindet, gespannt. Das Ergebnis ist verblüffend, die Einzelheiten, die zutage kommen, überraschen auch mich sehr.

«Gibt es Forschung darüber, wie Schuldige umgehen mit ihrer Schuld - ob sie die Lebenswege der Geschädigten verfolgen beispielsweise?« (Seite 115)

Eine berührende Aufarbeitung in Buchform, ein Roman, der mir gefallen hat, so ehrlich und so echt. Ein Mix aus Familiengeschichte, historischem Roman, einem regionalen Krimi und einer Prise Cold Case. Zu Recht für den Deutschen und den Schweizer Buchpreis 2024 nominiert. Lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.10.2024

Am Ende soll alles gut werden

Der Bademeister ohne Himmel
0

Die fünfzehnjährige Linda kümmert sich in ihrer Freizeit um Hubert, ihren sechsundachtzigjährigen Nachbarn, der an fortschreitender Demenz leidet. Hubert war früher Bademeister und während Linda die polnische ...

Die fünfzehnjährige Linda kümmert sich in ihrer Freizeit um Hubert, ihren sechsundachtzigjährigen Nachbarn, der an fortschreitender Demenz leidet. Hubert war früher Bademeister und während Linda die polnische Pflegerin Ewa entlastet, lässt sie sich allerhand Dinge einfallen, um es ihm so angenehm wie möglich zu machen, und dazu gehören Geschichten aus seinem Berufsleben, die den kranken Mann beruhigen. Lindas einziger Freund Kevin sowie Hubert sind der Grund, warum die Jugendliche ihren Plan, aus dem Leben zu scheiden, noch nicht umgesetzt hat, denn sie möchte beiden keinen Schmerz zufügen. Derweil schreitet die Krankheit voran, denn das Schicksal lässt sich nicht aufhalten.

»Manchmal lache ich, weil seine Antworten derart komisch sind. Immer öfter jedoch bleibt mir das Lachen im Hals stecken. Hubert weiß nie, was als Nächstes zu tun ist, und er weiß weder, wer zu ihm gehört, noch, ob er zu jemandem gehört. Genau genommen hängt er in der Luft, und in der Luft zu hängen - darin bin ich Expertin - macht wirklich keinen Spaß.« (Seite 32)

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge klappe ich das Buch zu, trockne meine Tränen und lasse meine Gedanken noch etwas schweifen. Eigentlich weiß ich gar nicht, wie ich in Worte fassen soll, was ich gelesen habe, so sehr hat mich die Geschichte von Linda, Kevin und Hubert berührt. Der Autorin ist hier der schwierige Spagat zwischen Kitsch, Rührseligkeit und echten Gefühlen besonders gut gelungen, ich fühlte mich auf jeder Seite des Buches sehr gut aufgehoben, konnte Situationen nachvollziehen und Gedanken nachverfolgen. Der Umgang von Linda mit dem demenzkranken Hubert war so beeindruckend, ein solches Gefühl für Menschen ist eine Gabe, die meinen vollsten Respekt verdient.

Ein Buch über die Freundschaft, das Erwachsenwerden, das Leben, den Tod und den Umgang mit letzterem. Ich habe gelacht und geweint, geschmunzelt und gestaunt, vor allem aber habe ich viel zum nachdenken mitgenommen, das ich für mich nutzen will. Dankeschön dafür und für die wunderbare Zeit.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.10.2024

Flitterwochen mit Hindernissen

Letzte Lügen
0

Sara Linton und Will Trent haben geheiratet, die Flitterwochen möchten beide in der McAlpine Lodge, einem Urlaubsresort in den Bergen Georgias, verbringen. Bereits am ersten Abend wird ihr Idyll unterbrochen, ...

Sara Linton und Will Trent haben geheiratet, die Flitterwochen möchten beide in der McAlpine Lodge, einem Urlaubsresort in den Bergen Georgias, verbringen. Bereits am ersten Abend wird ihr Idyll unterbrochen, als sie die Tochter der Gastgeberfamilie auffinden, die brutal ermordet wurde. Wenige Stunden zuvor hatte diese Sara gegenüber geäußert, dass sie die Nacht nicht überleben würde. An Verdächtigen mangelt es fern der Zivilisation nicht, denn die Besitzer der Lodge und auch die Gäste nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau.

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den zwölften Teil der großartigen Georgia-Reihe mit Will Trent und Sara Linton, für mich mittlerweile eine würdige Fortsetzung der sogenannten Grant-County-Reihe, in der Polizeichef Jeffrey Tolliver nebst Sara Linton die Hauptrolle spielten. Anfangs hatte ich mich schwergetan damit, diese Reihe zu mögen, aus Gründen, die ihren Ursprung im sechsten und letzten Teil der zuletzt genannten Buchserie haben, mittlerweile bin ich aber im Will Trent-Universum angekommen und ein riesiger Fan. Für mich persönlich sind beide Buchreihen im Thriller-Genre das Beste, was seit Jahren auf dem Markt angeboten wird. Die Fälle sind dabei in sich abgeschlossen, allerdings spielt das Privatleben der Protagonisten eine so große Rolle, dass es von Vorteil ist, die Reihenfolge einzuhalten. Übrigens hat der Verlag beide Serien sowie insgesamt sechs der Einzelbände der Autorin in einer wunderschönen neuen Ausstattung herausgegeben. Hier lohnt es sich, einen Blick zu riskieren. Oder auch zwei, vielleicht sogar drei.

Bereits der Prolog hatte es in sich, fast sofort war ich mitten im Geschehen drin, erlebte hautnah mit, was passierte. Dabei hatte ich kurz das Gefühl, etwas verpasst zu haben, was aber kurz danach aufgelöst wurde, als es losging und die Autorin zwölf Stunden vor der dramatischen Situation mit der Erzählung begann. Anmerken möchte ich, dass es eine tolle Idee war, dem Buch eine gezeichnete Karte der Gegend voranzustellen, von der ich das ganze Buch über Gebrauch gemacht habe, um mich zu orientieren. So hatte ich ein besseres Verständnis für die Entfernungen und konnte mir gut vorstellen, wo etwas geschah.

Die Ereignisse vor dem Mord waren sehr spannend, je weiter die Story voranschritt, desto mehr Verdächtige gab es und es machte mir viel Spaß, raten zu dürfen, was passiert war. Hierbei gab es allerdings viele Emotionen meinerseits, denn was da enthüllt wurde, war perfide und wirklich schlimm, ich konnte kaum glauben, welche Abgründe aufgedeckt wurden und was über manche Menschen zutage kommt, wenn man ein bisschen tiefer gräbt. Dramen, Tragödien, unsägliches Verhalten, kriminelle Handlungen und sehr viel Leid, um nur einiges zu nennen, all dies hat mich sehr bewegt und auch wütend gemacht. Seltsame Gefühle überkamen mich und ich fieberte dem Moment entgegen, wo jede Person ihre Quittung bekommt, hoffte auf Vergeltung, war aus Wut oft den Tränen nah. Ein Kaleidoskop der Gefühle begleitete mich das ganze Buch über.

Faszinierende Charaktere, raffinierte Wendungen und ein Fall, der brutal und dessen Hintergründe unfassbar traurig waren, machten den Thriller zu einem unvergleichlichen Leseerlebnis. Für mich ein weiteres Highlight dieses Jahr, das es nachfolgenden Büchern in diesem Genre sehr schwer machen wird. Phänomenal!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 20.10.2024

Freunde für immer

Der Poet des Meeres
0

Tommy ist der einsamste Wal der Welt, da er auf einer anderen Frequenz spricht als alle anderen Wale, weswegen er von ihnen ignoriert wird. Jim-Bob trägt ein Hörgerät und nutzt die gleiche Frequenz, sodass ...

Tommy ist der einsamste Wal der Welt, da er auf einer anderen Frequenz spricht als alle anderen Wale, weswegen er von ihnen ignoriert wird. Jim-Bob trägt ein Hörgerät und nutzt die gleiche Frequenz, sodass er mit Tommy kommunizieren kann. Zwischen dem ungleichen Duo entsteht eine Freundschaft, die ihr Leben verändern wird.

»Ich bin einsam, weil ich der Einzige meiner Art bin. Ich spreche auf einer anderen Frequenz als alle anderen Wale. Deswegen meiden sie mich. Ich spreche nicht ihre Sprache. Keiner versteht mich. Ich reise alleine durch die Weiten des Meeres. Bis zum gestrigen Tag. Dann traf ich dich, Jim-Bob. Du verstehst mich. Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich mich unterhalten.« (Seite 26)

Jens Koch, der sich Jando nennt, hat eine außergewöhnliche Geschichte über das Anderssein, die Einsamkeit, die Trauer sowie die Kraft der Freundschaft geschrieben, die mich innerlich gewärmt zurücklässt. Viele tolle Weisheiten sind zwischen den Zeilen versteckt, die mich haben schmunzeln, lächeln und auch manchmal traurig werden lassen. Das schöne Büchlein ist von Robby Krüger wirklich wunderschön illustriert, die Bilder passen zur Geschichte und runden diese ab. Gerne empfehle ich das tolle Buch weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.10.2024

Familienbande

Mühlensommer
0

Maria ist mit ihren zwei Töchtern auf dem Weg in ein schönes Wochenende, als ihre Mutter anruft. Der Vater ist verunglückt, der Bruder mit Frau und Kindern im Urlaub, und die Mutter alleine mit Hof und ...

Maria ist mit ihren zwei Töchtern auf dem Weg in ein schönes Wochenende, als ihre Mutter anruft. Der Vater ist verunglückt, der Bruder mit Frau und Kindern im Urlaub, und die Mutter alleine mit Hof und Tieren. Dazu kommt die Pflege der dementen Großmutter, sodass Maria sofort kommen und helfen soll. Als kurze Zeit später Marias Bruder Thomas nebst Anhang zurückkommt, kommen Themen auf den Tisch, die lange totgeschwiegen wurden. Die Familie muss sich zusammenraufen, um die Zukunft der Mühle zu sichern.

Der schöne Schreibstil machte es mir leicht, sofort in die Geschichte einzutauchen, die erzählt wird, wie es in letzter Zeit Mode ist; die gegenwärtigen Ereignisse werden durch Rückblenden in die Vergangenheit unterbrochen, wobei eine Kennzeichnung fehlt, um welche Zeit es sich handelt. Natürlich wurde dies nach wenigen Sätzen klar, führte aber zu einigen Irritationen bei mir, wenn ich feststellen musste, dass ich gedanklich in der falschen Zeit feststeckte. Da die vergangenen und die aktuellen Entwicklungen aber unmittelbar miteinander verknüpft sind, fand ich es nicht schlimm, wenn ich etwas durcheinander gekommen bin.

Ein großartiger Roman über das Leben auf dem Land, die Familie und die Suche nach dem großen Glück, das manchmal gar nicht so weit weg ist, wie man das geglaubt hat. Die Charaktere hatten Ecken und Kanten, was mir besonders gefallen hat, denn so kamen diese authentisch rüber. Der passende Abschluss war nicht das Ende und ich könnte mir ein Wiedersehen gut vorstellen. Aber auch wenn nicht, so bleibt zumindest ein schönes Gefühl nach dem Lesen zurück. Lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere