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Veröffentlicht am 13.08.2021

Mein Haus ist nicht dein Haus

Wildtriebe
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Marlies heiratet Konrad und zieht auf den Bethches-Hof, auf dem ihre Schwiegermutter Lisbeth das Sagen hat. Sie gibt ihren Beruf auf, weil das damals so üblich ist, aber Bäuerin werden möchte sie nicht. ...

Marlies heiratet Konrad und zieht auf den Bethches-Hof, auf dem ihre Schwiegermutter Lisbeth das Sagen hat. Sie gibt ihren Beruf auf, weil das damals so üblich ist, aber Bäuerin werden möchte sie nicht. Sie will mehr vom Leben, aber was, das weiß sie selbst nicht so genau. Sie findet das Hausfrauendasein und die Mutterschaft nicht erfüllend genug und so wird das Zusammenleben auf dem Hof zum ständigen Kampf zwischen den Frauen, ein Kampf um Haushaltsführung, Kindererziehung und andere alltägliche Dinge.

Anfangs erinnern sich beide Frauen an die Vergangenheit, hängen ihren Gedanken nach, resümieren die Geschehnisse. Dann, im Laufe der Geschichte, ist es, als ob alles, was bereits geschehen ist, gerade jetzt stattfindet. Unmerklich rutscht das Leben, das vergangen ist, in das Jetzt, erleben wir das, was den Frauen widerfahren ist, hautnah mit. Dies und der Umstand, dass manche Sätze unbeendet, manche Gedanken, in der Luft hängend, einfach unvollendet belassen werden, macht für mich einen großen Reiz der Erzählung aus. Ein ungewöhnlicher Schreibstil, der für mich aber dennoch alltäglich wirkt. Wie oft fängt man im Kopf einen Satz an, den man nicht zu Ende denkt, der aber gleichwohl Sinn macht? Im Buch fehlt trotzdem kein Wort, versteht man jeden Gedanken und denkt ihn selbst zu Ende; mal so und mal so. Passen tut es immer.

Die (meistens) zwischen den Frauen herrschende Zwietracht, die versteckten und auch offenen Feindseligkeiten, das Unverständnis für die andere, das ist stellenweise schon schwer zu ertragen. Oft hätte ich gerne eine der beiden geschüttelt, sie angeschrien und aufgefordert, es gut sein zu lassen. Auf ihre Art sind beide gleich, wenn auch ihre Erziehung und die Zeit, in der sie groß wurden, es ihnen unmöglich macht, dies zuzugeben; anderen und sich selbst gegenüber. Jede glaubt, nein, jede weiß, dass sie im Recht ist und von außen betrachtet scheint es so. Keine ist bereit, nachzugeben, nicht bereit, der anderen ein Stück entgegenzukommen.

Ich habe beim lesen alle Gefühle durchlebt, ich war ungläubig und wütend, entsetzt und traurig, ich habe aber auch geschmunzelt und gelacht, geweint und den Kopf geschüttelt. Ich hatte Verständnis für beide Frauen und doch waren beide mir so fremd. Zwei Generationen trafen aufeinander und es schien, als gäbe es keine Möglichkeit, diese zu vereinen. Wie die Geschichte letztlich ausging, hat mir sehr gefallen, das Ende war richtig und gut. Zufrieden klappte ich das Buch zu und war begeistert. Von mir gibt es 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 06.08.2021

Liebe deinen Nachbarn wie dich selbst

Gute Nachbarn
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„Der Lärm in seinen Ohren ist der Rhythmus eines Orchesters, das eine schöne, tragische Arie begleitet, das Lied eine Klage darüber, dass es nicht hätte geschehen müssen, und doch ist es geschehen.“ (Seite ...

„Der Lärm in seinen Ohren ist der Rhythmus eines Orchesters, das eine schöne, tragische Arie begleitet, das Lied eine Klage darüber, dass es nicht hätte geschehen müssen, und doch ist es geschehen.“ (Seite 338)

Valerie Alston-Holt lebt seit dem Tod ihres Mannes Tom als alleinerziehende Mutter mit ihrem Sohn Xavier, Zay genannt, in einem ruhigen Vorort in North Carolina, einem Bundesstaat im Südosten der USA. Zay ist achtzehn Jahre alt und wird bald auf einem College in San Francisco Musik studieren. Als das Nachbargrundstück verkauft wird, reißen die neuen Besitzer nicht nur das Haus ab, um ein neues und größeres zu bauen, sondern fällen auch alle Bäume. Valerie ist entsetzt, denn Ökologie sowie Forstwirtschaft sind ihre Fachgebiete und ihre Leidenschaft, eine solche Aktion kann und will sie nicht gutheißen.

Brad Whitman zieht mit seiner Frau Julia, der Stieftochter Juniper sowie der gemeinsamen Tochter Lily neben Valerie. Brad gehört die Firma Whitman HLK, Heizung, Lüftung und Klimatisierung, sein Vermögen verdankt er aber einer Erfindung, die er sich patentieren ließ und die er verkaufte. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, kann für Brad nichts gut genug sein. Für die Verwirklichung seiner Vorstellungen und Träume, ist ihm jedes Mittel recht.

Bis hierhin klingt das alles nach einer idyllischen Umgebung, die lediglich dadurch gestört wird, dass zwei Welten aufeinandertreffen, die Mittelschicht und die Oberschicht. Langweilig? Gewürzt wird die Story zusätzlich durch die Tatsache, dass Valerie schwarz ist, die Whitmans aber weiß. Die Vorurteile und der Rassismus, ob unterschwellig oder offen, spielen hier eine große Rolle. Als Juniper und Xavier sich verlieben, führt dies nicht nur zu Unannehmlichkeiten, sondern steuert geradewegs auf eine Katastrophe zu.

Ein namenloser Erzähler führt durch das Buch. Es ist ein Nachbar oder eine Nachbarin, allerdings erfahren wir bis zuletzt nicht, wer es ist. Dies ist auch unwichtig für die Geschichte. Wichtig ist, dass wir durch den Erzähler alle Hintergründe erfahren, wenn auch nur in kleinen Häppchen. Immer wieder werden Dinge aus der Vergangenheit eingestreut, die zum besseren Verständnis führen. Die Story selbst ist anfangs nicht sehr aufregend, aber es ist spannend, zu erfahren, wie und warum die Protagonisten wurden, wie sie sind. Dies erklärt zwar einige Verhaltensweisen, aber entschuldigt noch lange nicht alles. Wie sich die Situation zuspitzt, ist amüsant und locker zu lesen, allerdings ist der Hintergrund ein ernster und sobald man das zwischendurch realisiert, vergeht einem schnell das Lachen. Sexismus, Rassismus, Vorurteile, Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft; all dies und noch viel mehr findet im Buch seinen Platz. Ich habe gelacht, aber auch wie ein Schlosshund geweint, ich war entsetzt und konnte es oft nicht glauben. Ein wichtiges Buch, aktueller denn je, dazu unterhaltsam und mit einer wichtigen Botschaft; Rassismus in jeglicher Form muss bekämpft werden. Es ist noch ein langer Weg, packen wir es an!

Ein großartiger Roman, ein tolles Drama, das von mir 5 Sterne bekommt und natürlich spreche ich eine Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 31.07.2021

Ein unvergessliches Leseerlebnis

Wie viel von diesen Hügeln ist Gold
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Lucy fühlt sich für Sam verantwortlich und obwohl sie nur ein Jahr älter ist, nimmt sie diese Verantwortung als Sams große Schwester sehr ernst. Als der Vater der Kinder stirbt, raffen die beiden ihre ...

Lucy fühlt sich für Sam verantwortlich und obwohl sie nur ein Jahr älter ist, nimmt sie diese Verantwortung als Sams große Schwester sehr ernst. Als der Vater der Kinder stirbt, raffen die beiden ihre kläglichen Habseligkeiten zusammen und reiten mit der Leiche des Vaters auf dem Rücken eines gestohlenen Pferdes los, um einen Ort für das Begräbnis und ein Zuhause für sich zu finden.

Das Buch ist in vier Teile aufgeteilt. Die Flucht der Kinder ist der erste. Der Anfang fiel mir leicht, allerdings flachte die Story zum Ende des ersten Teils etwas ab. Der zweite Teil behandelt die Zeit, als die Familie noch intakt war, als Mutter und Vater lebten, und hier entfaltete das Buch einen Sog, dem ich mich nicht mehr entziehen konnte. Unterbrochen von alten Geschichten, schwankend zwischen Mythos und Wahrheit, flog ich durch die Seiten, gänzlich in einer anderen Welt versunken. Interessant ist, dass die Autorin das Mandarin nicht kennzeichnet oder übersetzt hat. Hier ist der Leser gezwungen, zu raten. Manches erschloss sich mir schnell, manches blieb ein Rätsel. Störend fand ich es nicht. Viel zu schnell folgt der dritte Teil, in dem der tote Vater, an Lucy gerichtet, von seinem Leben erzählt. Er erklärt und rechtfertigt, die Worte sind wie der Wind, der durch die Hügel weht. Teil vier schließt an Teil eins an, wenn auch Jahre später.

Dies ist die Geschichte von zwei Kindern, die auf der Flucht sind und außer einer alten Pistole sowie einem gestohlenen Pferd nur sich selbst haben. Es ist aber noch viel mehr. Die Autorin selbst schreibt, dass es ein Buch ist über Trauer und Verlust, über die Suche nach der eigenen Identität und einem Zuhause. Es ist ein Buch über Einwanderung und Zugehörigkeit, ein Buch darüber, wie es ist, ständig unterwegs zu sein und nicht anzukommen. Es ist ein Western, ein Familienepos, ein Buch über Familie und darüber, was Geschwister füreinander sind. Ein Buch über den Traum vom Reichtum, aber auch über Enttäuschung und Verrat.

Dieses Buch hat mich verzaubert! Die Sprache hat Bilder vor meinem Auge entstehen lassen, die mich in fremde Welten katapultiert und mir eine neue Perspektive auf die amerikanische Geschichte eröffnet haben. Manche Sätze, oft ganze Absätze habe ich mehrfach gelesen, weil ich so fasziniert war von der Art und Weise der Erzählung. Ein tolles Debüt, ein unvergessliches Buch. Bereits jetzt mein Monatshighlight, wenn nicht sogar mein Highlight des Jahres! Von mir gibt es 5 Sterne mit Sternchen. Grandios!

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Veröffentlicht am 26.07.2021

Der alltägliche Wahnsinn in Kurzform

Dinosaurier auf anderen Planeten
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Die irische Autorin Danielle McLaughlin hat mit diesem Buch etliche Preise gewonnen und ich war gespannt, was sich hinter diesem doch sehr ungewöhnlichen Titel verbirgt. Es handelt sich hierbei um eine ...

Die irische Autorin Danielle McLaughlin hat mit diesem Buch etliche Preise gewonnen und ich war gespannt, was sich hinter diesem doch sehr ungewöhnlichen Titel verbirgt. Es handelt sich hierbei um eine Sammlung von elf Kurzgeschichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Es sind Momentaufnahmen aus dem Leben verschiedener Menschen, die auf den ersten Blick nichts gemeinsam haben. Es gibt keinen richtigen Anfang und auch kein wirkliches Ende, manche Geschichten sind wie ein Gespräch, das, spontan begonnen, unterbrochen wurde, bevor es beendet werden konnte. Nicht immer gibt es eine Auflösung und nicht immer ist klar, wie es weitergeht, aber ich fand es immer spannend, diese kurzen Sequenzen mitzuerleben und wie ein Voyeur zuzuschauen, ohne eingreifen zu können; ohne eingreifen zu müssen. Vieles kann und soll man sich selbst hinzudenken. Das kann frustrierend, aber auch akzeptabel sein. Hier hat die Autorin es wunderbar geschafft, mich zufriedenzustellen.

Was die Menschen gemeinsam haben, ist eine gewisse Ziellosigkeit, ein Verlorensein, das sich durch die Storys zieht. Wie Motten in einem Glas flattern sie hin und her und kommen nicht zum Ziel. Da ist zum Beispiel Janice, die in ihrem Leben feststeckt und sich einredet, dass sie glücklich ist. Die überzeugt davon ist, ihren Mann zur Vernunft gebracht zu haben, indem sie seine Affären toleriert, totgeschwiegen und ausgesessen hat.

„Irgendwie aber hatte sie es durchgestanden, und ihre Ausdauer wurde belohnt. Er war zur Vernunft gekommen, wie sie es schon vorher gewusst hatte…“ (Seite 21)

Es sind Menschen wie du und ich, die teils banale Dinge erleben, die in Situationen kommen, die nichts besonderes sind und doch übt das lesen darüber einen gewissen Reiz aus, weil man selbst froh ist, nicht in dieser Lage zu sein. Es ist quasi der alltägliche Wahnsinn kurz erzählt. Die Autorin schreibt bereits an ihrem ersten Roman und darauf freue ich mich sehr. Für das vorliegende Buch vergebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 24.07.2021

Die Schatten der Vergangenheit

Die Verlorenen
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Zehn Jahre ist es her, dass Jonah Colley etwas von seinem ehemals besten Freund Gavin McKinney gehört hat. Wie aus dem heiteren Himmel ruft Gavin ihn an, klingt verzweifelt, geradezu verängstigt und bittet ...

Zehn Jahre ist es her, dass Jonah Colley etwas von seinem ehemals besten Freund Gavin McKinney gehört hat. Wie aus dem heiteren Himmel ruft Gavin ihn an, klingt verzweifelt, geradezu verängstigt und bittet Jonah um Hilfe. Das Treffen in einem verlassenen Lagerhaus verläuft anders, als geplant. Jonah findet Gavins Leiche sowie drei weitere in Plastikplane eingewickelte Körper. Als er feststellt, dass einer der Körper sich bewegt, versucht er alles, um das Leben der Person zu retten. Da ahnt er noch nicht, dass dies alles mit einem Ereignis von vor zehn Jahren zusammenhängt, dass er bei der Suche nach der Wahrheit an seine Grenzen kommen und nicht nur sein Leben riskieren wird.

Dies ist der Beginn einer Reihe um Jonah Colley, der mir von Anfang an sympathisch war. Ein Typ mit Ecken und Kanten, mit Macken und Fehlern, aber auch einem Herz am rechten Fleck. Neben der Gegenwart werden wir immer wieder zehn Jahre zurückgeworfen in die Zeit, als sein Sohn Theo verschwunden ist. Eine Zeit, in der die Verzweiflung und die Trauer über das Verschwinden des Kindes spürbar sind. Immer wieder verschwimmen die Grenzen, tauchen Hinweise auf, die einen möglichen Zusammenhang zu Theo vermuten lassen. Raffiniert werden Spuren gelegt, atemlos habe ich mitgeraten und mitgefiebert. Die Story war nicht wahnsinnig aufregend oder actionreich, aber dennoch war durchgehend eine Spannung greifbar, die es mir unmöglich gemacht hat, das Buch an die Seite zu legen.

Ein grandioser Reihenstart mit einem Helden, der menschlich und charakterlich nicht angenehmer sein könnte. Auch wenn der Fall in sich abgeschlossen ist, ahnt man am Ende, wie es weitergehen könnte. Ich kann es kaum erwarten und freue mich sehr drauf. So geht Thriller! Von mir gibt es 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

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