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Veröffentlicht am 18.02.2023

In den Wirren der Nachkriegszeit

Totenwinter
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Es ist ein kalter Winter im Jahre 1947, die junge Edith hat eine Anstellung bei dem Anwalt Pollmann gefunden. Als ein ehemaliger KZ-Häftling ermordet wird, schnappt Edith Gesprächsfetzen auf, bei denen ...

Es ist ein kalter Winter im Jahre 1947, die junge Edith hat eine Anstellung bei dem Anwalt Pollmann gefunden. Als ein ehemaliger KZ-Häftling ermordet wird, schnappt Edith Gesprächsfetzen auf, bei denen ihr der Verdacht kommt, ihr Arbeitgeber könnte in den Mord verwickelt sein. Gleichzeitig ermittelt Oberinspektor Dietrichs in dem Mordfall, die Spuren, denen er folgt, deuten darauf hin, dass der Tote nicht ganz so unbescholten war, wie es den Anschein hat.

Dies ist der zweite Band der Buchreihe um Edith und ihre Freundin Martha sowie deren Tochter Hella, wobei die zuletzt genannten Personen in diesem Teil lediglich Randfiguren waren. Ich habe den Vorgängerband nicht gelesen, hatte aber zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass mir Wissen fehlt, sodass ich davon ausgehe, dass auch der erste Teil in sich abgeschlossen ist, wie es hier der Fall war. Der Einstieg ins Buch fiel mir leicht und auch mit dem Wechsel der Perspektive hatte ich keine Probleme. Ich könnte zwar nicht behaupten, dass mir die Charaktere ans Herz gewachsen sind, aber dennoch mochte ich die mit Ecken und Kanten versehenen Hauptfiguren am Ende sehr. Es ist ein Roman mit Krimianteilen, aber der Fokus liegt hier mehr auf den zwischenmenschlichen Beziehungen und den Wirren der Nachkriegszeit. Besonders der Umstand, dass die Handlung im Ruhrgebiet spielt, hat es mir angetan, kenne ich alle im Buch genannten Orte ja persönlich.

Die historischen Fakten in eine fiktive Geschichte einzubauen, war ein schlauer Schachzug, ich finde es immer wieder faszinierend, wenn ich etwas erfahre, dass mir neu ist, obwohl ich mich in den letzten Jahrzehnten immer wieder intensiv mit dieser Zeit auseinandergesetzt habe. Besonders die Rolle einiger großer Unternehmen in Deutschland, die in vielen Teilen unter den Teppich gekehrt worden ist, finde ich empörend und beschämend, dieser Umstand wird gerne außer Acht gelassen, was mich aufregt und entsetzt. Ich hätte mir hier fast noch ein wenig mehr historischen Hintergrund gewünscht, weiß aber selbst, dies hätte wohl den Rahmen gesprengt. Das Buch hat mir sehr gefallen, lässt man die ein oder andere etwas weniger spannende Stelle weg, bleibt dennoch ein sehr guter Roman, der mir unterhaltsame Lesestunden beschert hat. Dies ist mir vier Sterne und eine Leseempfehlung wert.

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Veröffentlicht am 06.02.2023

Die Anonymität des Internets

Jemand
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Seit fast einem Jahrzehnt wird der Täter, den die Presse Fotograf genannt hat, durch das BKA gejagt, immer wieder schlüpft er durch das Netz und entkommt. Einmal im Jahr tötet er, drapiert die Frauen zu ...

Seit fast einem Jahrzehnt wird der Täter, den die Presse Fotograf genannt hat, durch das BKA gejagt, immer wieder schlüpft er durch das Netz und entkommt. Einmal im Jahr tötet er, drapiert die Frauen zu einem Kunstwerk und verkauft das Bild. Bei der Vorbereitung zu seinem nächsten Foto hört er im Radio eine Vermisstenanzeige, ein siebenjähriges Mädchen ist verschwunden, bei der Beschreibung stockt ihm der Atem. Er ist sich sicher, dass er das Kind als Letzter gesehen hat, und ist nun hin- und hergerissen, was er tun soll. Zur Polizei kann er mit seinem Wissen ja kaum hin.

„Wer mich für grausam hält, hat diesen Ort noch nie betreten. Mir fehlen die Worte, um den Täter zu beschreiben. Abscheu ist das stärkste Gefühl neben Wut. Wie eine Rasierklinge steckt der Ekel in meinem Hals fest.“ (Seite 215)

Zu Beginn war ich erschlagen von der Vielzahl der Namen, Schauplätze, Nebenfiguren und Ereignisse, die gerade passierten oder in der Vergangenheit stattgefunden haben. Das Buch wirkte auf mich total überladen und ich überlegte angestrengt, wie diese ganzen Erzählstränge zusammenpassen könnten, als erste Rädchen endlich ineinander griffen und vieles rückblickend immer mehr Sinn ergab. Je vertrauter manche Figuren für mich wurden, desto interessanter wurde auch die Story und ich war fasziniert darüber, wie gut plötzlich die ein oder andere Begebenheit sich einfügte und ein klares Bild ergab. Sehr ungewöhnlich dabei war, dass es viele verschiedene Perspektiven gab, der einzige Ich-Erzähler jedoch nur der unbekannte Täter war. Dieser plauderte förmlich vor sich hin und verriet mir einiges, aber natürlich nicht genug. Ich ertappte mich dabei, dass es mich gepackt hat, aus der Hand legen konnte ich es nun nicht mehr, dieses spannende, aber stellenweise auch sehr brutale Buch.

Erstaunlich gut wurden die vielen einzelnen Geschehnisse miteinander verbunden, einige Wendungen sorgten dabei für Überraschung und malträtierten mein Nervenkostüm ungemein. Ich hatte erst spät einen Verdacht, der sich nicht gänzlich bewahrheitet hat, denn eine solche Auflösung habe ich ganz sicher nicht erwartet, aber diese machte letztendlich am meisten Sinn. Dies war ein rasanter Thriller, nicht für zarte Gemüter geeignet, der - wie eingangs erwähnt - manchmal etwas überladen war, mir aber dennoch sehr spannende Lesestunden beschert hat und den ich deswegen gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 30.01.2023

Dienstleistungen anderer Art

Frau mit Messer
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Die alte Frau mit dem Decknamen Hornclaw - Hornklaue - ist erschöpft, sie ist müde ihres Lebens, Mitte sechzig ist sie nun, ihres Körpers, der sie langsam im Stich lässt, und ihres Berufs, den sie seit ...

Die alte Frau mit dem Decknamen Hornclaw - Hornklaue - ist erschöpft, sie ist müde ihres Lebens, Mitte sechzig ist sie nun, ihres Körpers, der sie langsam im Stich lässt, und ihres Berufs, den sie seit fünfundvierzig Jahren ausübt. Sie ist in der Schädlingsbekämpfung tätig, man beseitig dort Insekten und Ungeziefer, was eine schöne Umschreibung dafür ist, dass es sich um Auftragsmorde handelt. Auf ihre alten Tage scheint sie milder zu werden; anders ist es nicht zu erklären, dass sie es sich erlaubt, kurz von einem anderen Leben zu träumen. Sympathien für andere Menschen aber sind in ihrem Job gefährlich, denn sie rufen einen Gegner auf den Plan, mit dem die alte Auftragsmörderin nicht gerechnet hat.

Was für ein außergewöhnliches Buch! Ich bin immer wieder geschwankt zwischen Mitleid und Abscheu, konnte mich lange auf keine Seite festlegen. Durch Erinnerungen von Hornclaw, deren echten Namen ich bis zuletzt nicht erfahren habe, konnte ich mir ein gutes Bild davon machen, wie und warum sie zu dem Menschen geworden ist, der sie nun ist. Diese Rückblenden und Geschehnisse wurden immer wieder in die Geschichte eingebaut und nicht kenntlich gemacht, dennoch hatte ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, nicht folgen zu können. Die Thematik vom Älterwerden gerade mit diesem, sagen wir mal, nicht alltäglichen Berufsstand zu verbinden, ist nicht neu, aber dennoch hat mich das Buch gut unterhalten, Emotionen geweckt und die ein oder andere Träne vergießen lassen. Letztendlich fand ich den Charakter von Hornclaw sehr gut ausgearbeitet und authentisch. Die Wendung, die die Geschichte genommen hat, habe ich so nicht erwartet, aber diese war passend und gut gewählt. Das Finale glich einem Actionfilm in Buchform, das Ende gefiel mir sehr.

Skurrile Charaktere, ein interessanter Hintergrund und eine Protagonistin, die polarisiert. Ich würde sagen, alles richtig gemacht! Lediglich die manchmal holprige Übersetzung möchte ich am Rande erwähnen, die gelegentlich dazu führte, das der ein oder andere Satz etwas seltsam klang. Erstaunlicherweise passte dies aber zur Story, die ebenfalls seltsam und eines Tarantino würdig war. Gerne empfehle ich dieses außergewöhnliche Buch weiter.

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Veröffentlicht am 10.01.2023

Schöner Bonus zur Hauptstory

Ich wünschte, du wärst hier. Exklusive Bonusstory
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Zur Einstimmung auf das Hauptbuch habe ich diese exklusive Bonusgeschichte gelesen, die es zwar kostenlos, dafür aber nur als E-Book gibt. Diese Story umfasst lediglich 38 Seiten und betrifft eine Episode ...

Zur Einstimmung auf das Hauptbuch habe ich diese exklusive Bonusgeschichte gelesen, die es zwar kostenlos, dafür aber nur als E-Book gibt. Diese Story umfasst lediglich 38 Seiten und betrifft eine Episode in der Kindheit von Diana, die im Buch anfangs kurz erwähnt wird. Mir hat diese Kurzgeschichte geholfen, zu verstehen, warum das Verhältnis von Diana zu ihrer Mutter ziemlich zerrüttet ist, wobei ich davon ausgehe, dass dies im Buch früher oder später ausführlich thematisiert wird.

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Veröffentlicht am 09.01.2023

Sehnsucht nach Heimat

Die Pachinko-Kugeln
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Claire kommt aus der Schweiz nach Tokio, um den Sommer bei ihren Großeltern zu verbringen und mit den beiden im Anschluss daran eine Reise nach Korea zu unternehmen, das Heimatland der beiden. Die Großeltern ...

Claire kommt aus der Schweiz nach Tokio, um den Sommer bei ihren Großeltern zu verbringen und mit den beiden im Anschluss daran eine Reise nach Korea zu unternehmen, das Heimatland der beiden. Die Großeltern leben seit fünfzig Jahren in Japan und haben ihre Heimat seitdem nicht wiedergesehen, trotzdem wird die Reise totgeschwiegen, die Großmutter ist seltsam entrückt, der Großvater kümmert sich hingebungsvoll um seine Pachinko-Halle. Um sich die Zeit zu vertreiben, kümmert sich Claire um die zehnjährige Mieko, die allein mit ihrer Mutter lebt.

„Es ist nicht meine Schuld, denke ich, wenn ich nichts erzähle. Wenn ich das Koreanische vergesse. Es ist nicht meine Schuld, wenn ich Französisch spreche. Ich habe für euch Japanisch gelernt. Das sind die Sprachen der Länder, in denen wir leben.“ (Seite 98)

Zu Beginn war ich mir nicht sicher, um was es in dem Buch eigentlich geht. Anfangs lag der Fokus auf dem betreuten Kind, aber nach und nach rückte die Familiengeschichte von Claire in den Vordergrund und ab da wurde es interessanter und emotionaler. Die Beziehung Claires zu ihren Großeltern, die vor der Teilung Koreas nicht ganz freiwillig nach Japan emigriert sind, wie damals viele andere Koreaner auch, ist nicht ganz so einfach; die alten Leute weigern sich, japanisch mit ihrer Enkelin zu sprechen, die wegen ihnen die Sprache gelernt hat, dafür aber die koreanische Sprache nicht beherrscht. Diese Tatsache, dazu Claires Suche nach Identität und die Frage, was Heimat nun eigentlich ist, führen zu Konflikten, die eine Belastung für alle Beteiligten sind. Die Kluft zwischen den Generationen hat die Autorin glaubhaft dargestellt, ich konnte den Frust und die Verzweiflung von Claire nachfühlen und war gespannt, worauf das Ganze hinausläuft.

Die Auflösung hat mir gefallen, obwohl ich überrascht war, denn gerechnet habe ich damit nicht. Eine zauberhafte Geschichte, die mich berührt hat und lediglich die manchmal seltsame Satzstellung und das ein oder andere mir unbekannte Wort möchte ich bemängeln, wobei ich mir nicht sicher bin, ob dies der Übersetzung geschuldet ist. Gerne vergebe ich vier Sterne und eine Leseempfehlung.

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