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Veröffentlicht am 27.08.2021

Geheimnisse eines Leuchtturms

Die Leuchtturmwärter
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Im Jahre 1972 fährt der Bootsführer Jory mit seiner Mannschaft hinaus zur Maiden, einem fünfzig Meter hohen Leuchtturm, fünfzehn Seemeilen vom Festland entfernt. An Bord die Ablösung für den Wärter William ...

Im Jahre 1972 fährt der Bootsführer Jory mit seiner Mannschaft hinaus zur Maiden, einem fünfzig Meter hohen Leuchtturm, fünfzehn Seemeilen vom Festland entfernt. An Bord die Ablösung für den Wärter William „Bill“ Walker. Weder er, noch der Oberwärter Arthur Black oder der Hilfswärter Vincent Bourne werden angetroffen, niemand erwartet sie. Nach der zu einem späteren Zeitpunkt folgenden Anlandung, die Stunden dauert, muss die Stahltür, welche von innen verschlossen ist, aufgebrochen werden. Alle acht Etagen sind leer, in der Spitze wird nur die Laterne der Maiden vorgefunden, von Linsen umschlossen. Von den drei Wärtern fehlt jede Spur.

Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen. Zum einen folgen wir 1992 den Spuren der hinterbliebenen drei Frauen, zwanzig Jahre nach dem Verschwinden ihrer Männer. Dies geschieht anhand von Interviews, Gedanken, Zeitungsberichten sowie Korrespondenz zwischen verschiedenen Beteiligten. Die wechselnde Perspektive übte hierbei einen ganz besonderen Reiz auf mich aus. Gleichzeitig erfahren wir rückblickend die Sicht der Männer zu den Ereignissen, die zu ihrem Verschwinden 1972 geführt haben. Drei Männer, die nicht unterschiedlicher hätten sein können.

Die Frauen ausschweifend und emotional, die Männer zurückhaltend und verschlossen. Die Autorin hat die Charaktere ganz wunderbar gezeichnet und auf den Punkt getroffen. Erst nach und nach entfaltet die Geschichte ihre Wucht. Je mehr man erfährt, desto mehr Fragen tun sich auf; wie ein kniffliges Puzzle, bei welchem man mittendrin feststellt, dass eines der Teile doch nicht richtig passt und man neu suchen muss. Die wechselnde Perspektive hat mir sehr gefallen, besonders die Hinweise darauf, wer denn nun dran ist und die Jahresangaben waren unabdingbar und haben mir geholfen, mich zurechtzufinden. Leider war es mir zwischendurch zu verworren, manche Figur verlor sich dermaßen in seitenlangen Ausschweifungen, dass ich fast den Faden verloren habe. Die Auflösung habe ich in dieser Form nicht erwartet. Diese war tatsächlich eine Überraschung, welche jedoch absolut stimmig war. Von mir gibt es 4 Sterne.

Übrigens: Im Dezember 1900 verschwanden drei Wärter aus dem Flannan-Isles-Leuchtturm, welcher sich in der Nähe des höchsten Punktes von Eilean Mòr, einer der Flannan Isles auf den Äußeren Hebriden vor der Westküste des schottischen Festlandes, befindet. Das mysteriöse Verschwinden der drei Männer konnte nie aufgeklärt werden und hat die Autorin zu diesem Buch inspiriert. Ich finde solche Geschichten faszinierend.

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Veröffentlicht am 24.08.2021

Blut ist dicker als Wasser

Pirlo - Gegen alle Regeln
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Dr. Anton Pirlo ist arrogant, von sich eingenommen, frech, charmant und ein Frauentyp. Dazu aber auch ein verdammt guter Anwalt. Der unberechtigte Rauswurf durch seinen Chef aus einer renommierten Anwaltskanzlei, ...

Dr. Anton Pirlo ist arrogant, von sich eingenommen, frech, charmant und ein Frauentyp. Dazu aber auch ein verdammt guter Anwalt. Der unberechtigte Rauswurf durch seinen Chef aus einer renommierten Anwaltskanzlei, in der er eigentlich Partner werden wollte, führt nicht etwa dazu, dass er kämpferisch versucht, seinen guten Ruf herzustellen. Nein, er verkriecht sich zu Hause, lässt sich volllaufen und besorgt sich einen One-Night-Stand, als er auf der Suche nach weiteren Alkoholika sowie etwas Essbarem seine Wohnung verlässt. In dieser Phase seines Lebens tritt eine neue Mandantin in sein Leben, die möchte, dass er ihre Tochter vertritt; es geht um Mord in den feinsten Kreisen. Gar nicht so einfach, wenn man nicht einmal Kanzleiräume vorweisen kann. Und in Wahrheit übrigens auch nicht Anton Pirlo, sondern Ramzes Khatib heißt und zu einer Clan-Familie gehört, die parallel zum Beginn des Strafverfahrens gerade einige Probleme zu bewältigen hat. Ganz schön viel auf einmal.

Der Schreibstil, der feine Humor und die freche Art von Pirlo haben mich sofort für ihn eingenommen. Die schnodderige Art und seine lockere Lebensweise gefielen mir und ich konnte mir vorstellen, dass es nicht langweilig wird mit ihm. Dazu noch der Ort der Handlung, nämlich Düsseldorf, also bei mir quasi um die Ecke. Der Aufbau der Story hat mir ebenfalls sehr gefallen. Durch Zeitsprünge, die aber gekennzeichnet sind, bekommt man Informationen über Pirlo und über den Fall selbst. Obwohl letzterer meistens im Vordergrund steht, erfährt man einiges über Pirlos Familie, die er nach außen hin verheimlicht. Verständlich, wenn man einem kriminellen Clan entstammt und die Brüder weiterhin den illegalen Geschäften nachgehen. Gefallen hat mir auch der Einblick in ein Strafverfahren, denn obwohl ich jahrelang in anwaltlichem Bereich tätig war, hatte ich mit diesem Zweig der Juristerei sehr selten etwas zu tun. Alles in allem war es ein Justizkrimi nach meinem Geschmack und der einzige Kritikpunkt ist, dass der nächste Teil erst in einem Jahr kommt. Von mir gibt es 5 Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 20.08.2021

Kindheit ohne Paradies

Die Überlebenden
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Zwei Jahrzehnte nach einem Vorfall, der zum Bruch zwischen den Brüdern geführt hat, treffen sich die drei wieder, um am Sommerhaus ihrer Kindheit die Asche ihrer Mutter zu verstreuen. Unter der Oberfläche ...

Zwei Jahrzehnte nach einem Vorfall, der zum Bruch zwischen den Brüdern geführt hat, treffen sich die drei wieder, um am Sommerhaus ihrer Kindheit die Asche ihrer Mutter zu verstreuen. Unter der Oberfläche brodelt es immer noch und dann eskaliert die Situation.

„Das Gewicht all dessen, was in diesem Moment passiert, ist groß, doch das meiste ist längst geschehen. Was sich hier auf der Steintreppe abspielt (…), ist nur der letzte Ring auf dem Wasser, der äußerste, der am weitesten vom Einschlagpunkt entfernt ist.“ (Seite 13)

Das Buch fängt mit der Gegenwartsebene an und springt dann zwei Jahrzehnte in die Vergangenheit. Pierre ist sieben, Benjamin neun und Nils dreizehn Jahre alt. Die Familie verbringt die Zeit im Sommerhaus und ich bekomme einen Einblick ins Familienleben. Das ist im ersten Moment so surreal, dass ich es als nicht bedeutsam erachte und den Ernst der Lage nicht erfasse. Zwischendurch der Sprung nach vorn, die Gegenwart, jetzt zwei Stunden früher. Anfangs finde ich es mühsam, mich zurechtzufinden, dann bin ich im Geschehen drin. Neugierig verfolge ich, was passiert ist, damals, vor so langer Zeit, und versuche gleichzeitig, zu verstehen, was heute passiert ist. Durch Änderung der Zeitebene wird vorerst eine Spannung aufgebaut und gehalten, die es mir unmöglich macht, das Buch wegzulegen.

Die Sprünge zwischen Gegenwart (weiterhin rückwärts erzählt) und Vergangenheit werden willkürlicher, es geht nicht mehr nur um die Vorgänge am Sommerhaus, das Buch springt durch das Leben der Familie, wobei es hauptsächlich Benjamin ist, der im Vordergrund steht. Und das wird nun langsam zum Problem, denn zwischendurch verliere ich den Überblick, verliere mich in den Ausschweifungen von und über Benjamin, weiß nicht mehr, was wahr und was angedichtet ist. Meine Gedanken schweifen ab und ich muss mich zwingen, die ein oder andere Seite erneut zu lesen. Erst als die Lösung näher kommt, es eine Erklärung für all das gibt, bin ich wieder vom Buch gefesselt. Dies habe ich nicht erwartet und bin entsetzt, traurig und erschrocken. Damit hat der Autor mich unglaublich überrascht und mit der Geschichte versöhnt.

Eine dramatische Familiengeschichte, die durch den ungewöhnlichen Erzählstil aus der Masse sticht. Mir hätte ein wenig mehr Struktur besser gefallen, aber das ist meckern auf hohem Niveau. Von mir gibt es 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 17.08.2021

Das Protokoll einer virtuellen Bedrohung

Die Nachricht
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Als die erste anonyme Nachricht kommt, nimmt Ruth diese nicht ganz so ernst. Durch ihre Arbeit hat sie oft mit Trollen im Internet zu tun. Diesmal scheint es aber anders zu sein, denn die Nachrichten werden ...

Als die erste anonyme Nachricht kommt, nimmt Ruth diese nicht ganz so ernst. Durch ihre Arbeit hat sie oft mit Trollen im Internet zu tun. Diesmal scheint es aber anders zu sein, denn die Nachrichten werden mehr, sie werden persönlicher, beleidigender und auch an Freunde, Bekannten sowie Kollegen verschickt. Ruth, die seit dem Tod ihres Mannes versucht, Normalität ins Leben zu bekommen, wird gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen, denn der Schreiber oder die Schreiberin scheint Dinge über sie zu wissen, die eigentlich niemand wissen kann.

Es kommt selten vor, dass ein Buch, in dem kaum etwas passiert, mich so fesseln kann. Bereits von Anfang an schafft die Autorin eine so bedrohliche Atmosphäre, dass ich atemlos verfolge, wie Ruth agiert und reagiert. Die Stimmung und die Gefühle von Ruth sind so greifbar, dass sogar ich ihre ohnmächtige Wut verspüre, mit ihr durchlebe, was sie fühlt. Ruth erzählt die Geschichte, hält aber einiges zurück, baut eine Spannung auf, die fast unerträglich ist. Sie erzählt von ihrem Leben, beschreibt Menschen und Orte, führt durch den Plot. Wie sie ihren Mann beschreibt, ist grandios, ich habe ihn sofort vor den Augen, bin fasziniert davon, was für ein Mensch er war. Auch Ruth selbst ist ein vielschichtiger Charakter, sicherlich nicht einfach als Person und Frau. Die Autorin hat Figuren erschaffen, die so realistisch wirken, dass ich das Gefühl habe, ich kenne sie selbst. Ob es die beste Freundin ist, oder der wichtigste Freund, alle sind wunderbar gezeichnet und haben im Buch ihren Platz.

Die Geschichte selbst kann jedem von uns passieren und es erschreckt mich sehr, wenn ich über die Reaktionen lese, die so alltäglich sind. Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? Ich verdächtige nacheinander fast jeden, die Spuren, die die Autorin legt, sind fein und führen nicht immer zum Ziel. Doris Knecht ist eine begnadete Erzählerin, ihre Sätze treffen ins Schwarze, schonungslos führt sie uns vor, wie die Gesellschaft immer noch funktioniert. Eine Gesellschaft, die oft eher den Täter schützt als das Opfer, in der es einfacher ist, andere anonym anzugreifen, als solche Täter oder Täterinnen zu fassen. Hier gibt es noch viel zu ändern, es besteht großer Handlungsbedarf. Packen wir es an. Von mir gibt es 5 Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 13.08.2021

Mein Haus ist nicht dein Haus

Wildtriebe
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Marlies heiratet Konrad und zieht auf den Bethches-Hof, auf dem ihre Schwiegermutter Lisbeth das Sagen hat. Sie gibt ihren Beruf auf, weil das damals so üblich ist, aber Bäuerin werden möchte sie nicht. ...

Marlies heiratet Konrad und zieht auf den Bethches-Hof, auf dem ihre Schwiegermutter Lisbeth das Sagen hat. Sie gibt ihren Beruf auf, weil das damals so üblich ist, aber Bäuerin werden möchte sie nicht. Sie will mehr vom Leben, aber was, das weiß sie selbst nicht so genau. Sie findet das Hausfrauendasein und die Mutterschaft nicht erfüllend genug und so wird das Zusammenleben auf dem Hof zum ständigen Kampf zwischen den Frauen, ein Kampf um Haushaltsführung, Kindererziehung und andere alltägliche Dinge.

Anfangs erinnern sich beide Frauen an die Vergangenheit, hängen ihren Gedanken nach, resümieren die Geschehnisse. Dann, im Laufe der Geschichte, ist es, als ob alles, was bereits geschehen ist, gerade jetzt stattfindet. Unmerklich rutscht das Leben, das vergangen ist, in das Jetzt, erleben wir das, was den Frauen widerfahren ist, hautnah mit. Dies und der Umstand, dass manche Sätze unbeendet, manche Gedanken, in der Luft hängend, einfach unvollendet belassen werden, macht für mich einen großen Reiz der Erzählung aus. Ein ungewöhnlicher Schreibstil, der für mich aber dennoch alltäglich wirkt. Wie oft fängt man im Kopf einen Satz an, den man nicht zu Ende denkt, der aber gleichwohl Sinn macht? Im Buch fehlt trotzdem kein Wort, versteht man jeden Gedanken und denkt ihn selbst zu Ende; mal so und mal so. Passen tut es immer.

Die (meistens) zwischen den Frauen herrschende Zwietracht, die versteckten und auch offenen Feindseligkeiten, das Unverständnis für die andere, das ist stellenweise schon schwer zu ertragen. Oft hätte ich gerne eine der beiden geschüttelt, sie angeschrien und aufgefordert, es gut sein zu lassen. Auf ihre Art sind beide gleich, wenn auch ihre Erziehung und die Zeit, in der sie groß wurden, es ihnen unmöglich macht, dies zuzugeben; anderen und sich selbst gegenüber. Jede glaubt, nein, jede weiß, dass sie im Recht ist und von außen betrachtet scheint es so. Keine ist bereit, nachzugeben, nicht bereit, der anderen ein Stück entgegenzukommen.

Ich habe beim lesen alle Gefühle durchlebt, ich war ungläubig und wütend, entsetzt und traurig, ich habe aber auch geschmunzelt und gelacht, geweint und den Kopf geschüttelt. Ich hatte Verständnis für beide Frauen und doch waren beide mir so fremd. Zwei Generationen trafen aufeinander und es schien, als gäbe es keine Möglichkeit, diese zu vereinen. Wie die Geschichte letztlich ausging, hat mir sehr gefallen, das Ende war richtig und gut. Zufrieden klappte ich das Buch zu und war begeistert. Von mir gibt es 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

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