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Veröffentlicht am 10.05.2024

Das Feld der Kleinstadtgerechtigkeit

Ein grundzufriedener Mann
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In der ruhigen Kleinstadt North Bath leben allerlei skurrile Personen, eine davon ist Donald Sullivan, von allen nur Sully genannt. Wenn er nicht gerade einer Gelegenheitsarbeit nachgeht, die im allgemeinen ...

In der ruhigen Kleinstadt North Bath leben allerlei skurrile Personen, eine davon ist Donald Sullivan, von allen nur Sully genannt. Wenn er nicht gerade einer Gelegenheitsarbeit nachgeht, die im allgemeinen schwarz bezahlt wird, findet man ihn bei Hatties, während er seinen Kaffee trinkt, oder in der letzten Kneipe der Stadt an der Theke. Verantwortung ist ihm fremd, Glück ebenso und Pech sein zweiter Vorname. Als die Ehe seines Sohnes Peter zerbricht und dieser mit seinem Sohn Will bei Sullys Ex-Frau Vera Unterschlupf findet, nähern Vater und Sohn sich allmählich an.

Richard Russo hat mit dem vorliegenden Buch ein Bild von einem Amerika jenseits des Glamours gezeichnet. Eine heruntergekommene Kleinstadt, seit Jahrzehnten im Sterben begriffen, dazu ein Potpourri an Einwohnern jedes Alters und jeder Schicht, Freundschaften, Feindschaften und jede Menge spleeniger Charaktere ergeben mit der Suche nach dem großen Glück, dem manch einer der Bewohner nachjagt, eine Geschichte, die mich über 777 Seiten lang wunderbar unterhalten hat und doch kann ich nicht genug davon bekommen. Da ist Rub, der beste Freund von Sully und nicht die hellste Kerze auf der Torte, gelinde gesagt, der aber unermüdlich an dessen Seite steht und jede Arbeit verrichtet, die Sully besorgt, zufrieden damit, seinem Kumpel zu gefallen. Oder Carl, ein wohlhabender Bauunternehmer, der die miesesten Arbeiten an Sully delegiert, dessen Not er ausnutzt, der verheiratet ist mit der schönsten Frau der Stadt und trotzdem seinen Willi nicht im Hosenstall lassen kann. Der einbeinige Anwalt, starker Alkoholiker und kaum in der Lage, einen Rechtsstreit zu gewinnen, könnte das Bild abrunden, wenn es nicht noch viele andere Figuren gäbe, die ähnlich extravagant bis originell wären, allen voran Sully, der tragische Held. Sully hat viele gute Eigenschaften, aber zeigen kann er sie meistens nicht. Dennoch hat er, genauso wie die meisten Einwohner von North Bath, das Herz auf dem richtigen Fleck, denn wenn es darauf ankommt, kommt er zur Hilfe, allerdings nur, wenn er es vorher nicht vergisst.

Der großartige Schreibstil und das immense Talent von Richard Russo, der ein meisterhafter Geschichtenerzähler ist, machen das Buch zu einem Lesevergnügen der besonderen Art. Auf keiner einzigen Seite des Buches kam Langeweile auf, nie habe ich das Gefühl, eine Kürzung hätte der Story gutgetan. Im Gegenteil könnte ich weitere hundert Seiten lesen und bekäme trotzdem nicht genug. Mit einem feinen Humor und mit genügend Ironie gespickt, hält Russo der Gesellschaft einen Spiegel vor und lässt seine Figuren in Situationen schlittern, die alltäglich sind. Die Situationskomik lässt mich immer wieder auflachen, sogar wenn die Umstände eher tragisch, als lustig sind. Die Verzweiflung ist oft spürbar, wechselt sich ab mit Hoffnung und der Sehnsucht nach Glück. Am Ende bin ich traurig, dass die Reise zu Ende ist, aber auch glücklich, dass ich dabei sein durfte, und ganz besonders, dass es weitergeht mit North Bath und seinen Bewohnern, denn mit dem Folgewerk „Ein Mann der Tat“ geht es für mich dahin zurück. Ich kann es kaum erwarten und freue mich!

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Veröffentlicht am 08.05.2024

Spannend und historisch interessant

Kopfgeld
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Die Journalistin Edith Marheinecke ist mit ihrer Kamera auf dem Weg zur Ausgabestelle, es ist Juni 1948, im Ruhrgebiet wird das neue Geld ausgegeben, die D-Mark ersetzt die Reichsmark. Unterwegs kann Edith ...

Die Journalistin Edith Marheinecke ist mit ihrer Kamera auf dem Weg zur Ausgabestelle, es ist Juni 1948, im Ruhrgebiet wird das neue Geld ausgegeben, die D-Mark ersetzt die Reichsmark. Unterwegs kann Edith nicht widerstehen und fotografiert, an Motiven fehlt es ihr hierbei nicht. Kurze Zeit später kommt sie zum Schauplatz eines Unfalls; ein Mann geriet vor eine Straßenbahn, schnell stellt sich heraus, dass er gestoßen worden ist. Auf dem Weg zurück zur Redaktion wird Edith überfallen, die kostbare Kamera wird ihr gestohlen, sie selbst bleibt zum Glück unverletzt. Die Frage ist, ob der Dieb es auf die Kamera, oder aber die Fotos abgesehen hat, die vielleicht zufällig etwas abbilden, was auf die Täterperson schließen lässt.

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den dritten Teil einer Reihe mit der Journalistin Edith Marheinecke. Die Bücher können unabhängig voneinander gelesen werden, wichtige Informationen zu der besonderen Frauenfigur, die Sabine Hofmann erschaffen hat, werden immer wieder eingestreut, aber nichts aus dem vorherigen Band verraten, das zur Aufklärung des Falls, um den es dort ging, beigetragen hat. Viele Beteiligte trifft man hier wieder, worüber ich mich sehr gefreut habe. Besonders das Wiedersehen mit den Beamten der Polizei habe ich genossen, Oberinspektor Dietrichs ist mein Favorit, wenn es um die auch hier durchgeführten Ermittlungen geht.

Das vorliegende Buch ist als Roman gekennzeichnet, dies wird der Geschichte aber meiner Meinung nach nicht gerecht, denn abgesehen von den akribisch recherchierten Fakten, was die damalige Zeit angeht, zeichnet sich dieser Teil der Buchreihe durch eine überraschend hohe Spannung aus, die sich durch das gesamte Buch zieht. Dabei gibt es verschiedene Erzählstränge, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, die sich aber im weiteren Verlauf aufeinander zubewegen, um sich erst zu kreuzen und dann in einer Auflösung zu münden, die keine Fragen offen lässt. Ich bleibe begeistert zurück und hoffe, dass ich nicht allzu lange auf den nächsten Band warten muss.

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Veröffentlicht am 06.05.2024

Verschließe deine Tür

Der Eindringling
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Ein Unbekannter bricht in die Wohnungen von Frauen ein, trinkt oder isst dort etwas, stiehlt mehr oder weniger wertloses Zeug und verschwindet unbemerkt. Keine noch so gute Sicherheitsmaßnahme und kein ...

Ein Unbekannter bricht in die Wohnungen von Frauen ein, trinkt oder isst dort etwas, stiehlt mehr oder weniger wertloses Zeug und verschwindet unbemerkt. Keine noch so gute Sicherheitsmaßnahme und kein Schloss kann ihn aufhalten, jede Alarmanlage überwindet er mühelos. Lincoln Rhyme könnte bei seiner Ergreifung helfen, wurde aber suspendiert, gegen ihn wurde eine Ermittlung wegen Beweisfälschung eingeleitet. Dazu heizt eine anonyme Person im Internet die Stimmung an, die Stadt ist in Aufruhr und der unbekannte Täter kurz davor, jemanden zu töten. Die Zeit drängt.

Beim vorliegenden Buch handelt es sich bereits um den fünfzehnten Teil der großartigen Buchreihe mit Lincoln Rhyme und seiner Frau Amelia Sachs. Der im Rollstuhl sitzende Kriminalist und die toughe rothaarige Detective, die früher ein Mannequin war, ergänzen sich auch in diesem Band hervorragend, dazu gibt es natürlich ein Wiedersehen mit den üblichen Verdächtigen, die mir mal mehr und mal weniger ans Herz gewachsen sind. Die vorherigen Bücher muss man nicht zwingend gelesen haben, um der Geschichte folgen zu können, wenn etwas wichtig ist für den aktuellen Fall, wiederholt der Autor dies, um das Gedächtnis der Leserschaft aufzufrischen.

Wie bei Jeffery Deaver üblich, setzt dieser nicht auf blutige Schockeffekte, die gute alte Laufarbeit sowie das Sammeln und Auswerten von Beweisen stehen im Vordergrund. Es gibt mehrere, parallel laufende Erzählstränge, interessante Verwicklungen und natürlich auch einen Widersacher, der mit allen Wassern gewaschen ist. Mehrere Wendungen geben der Story die nötige Abwechslung, die Charaktere sind toll ausgearbeitet und an Spannung fehlt es nicht. Eigentlich, muss ich sagen, denn eine Besonderheit des Autors ist es, ungewöhnliche Szenarien zu kreieren, um die Leser zu täuschen, bevor er mit einer unerwarteten Wendung zur Stelle ist. Diese Vorgehensweise ist nun nach fünfzehn Büchern der Reihe ein wenig abgenutzt, da man dies erwartet, was dazu führt, dass das Überraschungsmoment fast gar nicht vorhanden ist. Dies möchte ich bemängeln, weil so der Ausgang jeder Situation von vornherein feststeht, was den Nervenkitzel ein wenig dämpft. Ansonsten aber war es wie üblich eine tolle Story, die mich sehr gut unterhalten hat, sodass ich bereits jetzt der Fortsetzung entgegenfiebere.

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Veröffentlicht am 05.05.2024

Das flüchtige Glück

Seltsame Blüten
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Irland, 1973. Kit und Paddy Gladney sind einfache Leute, ihr kleines Cottage gehört Paddys Arbeitgeber, zusätzlich liefert der über Sechzigjährige im Dorf die Post aus. Erst spät hat das gläubige Paar ...

Irland, 1973. Kit und Paddy Gladney sind einfache Leute, ihr kleines Cottage gehört Paddys Arbeitgeber, zusätzlich liefert der über Sechzigjährige im Dorf die Post aus. Erst spät hat das gläubige Paar ein Kind bekommen, welches das größte Glück im Leben ihrer Eltern ist. Umso höher das Entsetzen, als Mary, die Moll genannt wird, mit zwanzig über Nacht verschwindet, ohne Abschied einen Bus nach London nimmt und unauffindbar bleibt. Erst fünf Jahre später kommt Moll zurück, als wäre nichts geschehen. Gerade lassen Klatsch und Tratsch darüber nach, als der Dorfpolizist an die Tür klopft und ungeheuerliche Neuigkeiten überbringt.

„Sie ging auf die sechzig zu, die Paddy bereits hinter sich gelassen hatte, und Moll war das Wunder in ihrer Lebensmitte gewesen, ihr Lächeln von Gott, und jetzt war Moll weg, und auf ihren Schultern spürten sie das schreckliche Gewicht all der Dinge, die sie über die Welt nicht wussten.“ (Seite 18)

Was da kurz nach der Rückkehr von Moll aus England zutage kommt, darauf möchte ich nicht näher eingehen, weil es zwar einerseits Einfluss nimmt auf die gesamte Familie und seine Kreise zieht in die Nachbarschaft, um nicht zu sagen, es betrifft das ganze Dorf, ich andererseits aber die Überraschung darüber, um was es sich handelt, keinem Leser und keiner Leserin nehmen möchte. Man gestatte mir im übrigen einen kleinen Zwischenruf, der zwar nichts mit der Geschichte zu tun hat, aber angesichts meines ersten Satzes dieses Abschnitts angebracht ist: Wem mein erster Satz bereits zu lang und zu verschachtelt sein sollte, wird sich bei der Lektüre sehr wundern, denn manche Sätze dort nehmen eine halbe Seite ein. Ich liebe das, auch wenn es manchmal etwas anstrengend sein kann. Mit voller Konzentration auf das Buch sollte dies aber nun wirklich kein Problem sein.

Das Leben der Familie im weiteren Verlauf wird von Donal Ryan so anschaulich beschrieben, dass ich oft das Gefühl habe, dabei gewesen zu sein. Die Abschnitte handeln von jeweils einem Mitglied der Familie, vermischen sich aber im Laufe der Zeit, wenn es zum besseren Verständnis passt. Als dies zum ersten Mal passiert, bin ich kurz irritiert, gewöhne mich aber schnell daran. Das Buch zieht mich kontinuierlich in seinen Bann, ich kann mir nicht vorstellen, dass es noch interessanter werden kann, als einige Dinge passieren, die mich erstaunen, entzückt lese ich ohne Pause weiter und erfreue mich daran.

Die Hochs und Tiefs, die Freuden, das Leid, Zufälle und Absichten, das Miteinander und auch das Alleinsein, das ganze verdammte Leben kann so unglaublich spannend sein. Auf den letzten Metern erfahre ich noch so einiges, von dem ich nicht wusste, dass es relevant ist, rückblickend erscheint einiges, das unwichtig schien, ganz anders, werden Momente weniger schlimm oder andersrum. Immer wieder bin ich überwältigt, wütend, erstaunt, peinlich berührt und manchmal weine ich still vor mich hin. Alle Fragen werden beantwortet, sogar die, von denen ich nicht ahnte, dass ich die Antwort wissen will. Je näher das Ende kommt, desto weniger wünsche ich es herbei, denn ich könnte endlos weiterlesen. Aber nichts ist unendlich und so lasse ich los, lege das Buch beiseite und lächle vor mich hin. Große Freude überkommt mich und das ist doch des Lesens Sinn. Großartig!

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Veröffentlicht am 02.05.2024

Explosives Klima

Die Strafe
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In dem Müllkeller eines Hochhauses verbrennt eine Frau, der Ausgang wurde blockiert und an die Wand geschrieben steht: Ich sehe, was du tust! Durch den darauffolgenden Brand in einem Bordell, bei dem ein ...

In dem Müllkeller eines Hochhauses verbrennt eine Frau, der Ausgang wurde blockiert und an die Wand geschrieben steht: Ich sehe, was du tust! Durch den darauffolgenden Brand in einem Bordell, bei dem ein erfolgreicher Rechtsanwalt stirbt, ergeben sich Hinweise darauf, dass beide Brände absichtlich gelegt wurden, um Umweltsünder zu bestrafen. Franka Erdmann und Alpay Eloglu ermitteln fieberhaft, denn anscheinend war das erst der Anfang.

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den dritten Teil der Reihe mit den Ermittlern Erdmann und Eloglu. Man muss die ersten beiden Teile nicht unbedingt gelesen haben, um folgen zu können. Das Privatleben spielt zwar eine Rolle, aber nur eine untergeordnete, wichtige Informationen aus zurückliegenden Büchern werden gelegentlich eingestreut. Das ungleiche Ermittlerduo kommt menschlich sehr sympathisch rüber und harmoniert meistens gut zusammen. Erfreulicherweise wechselt die Perspektive zwischen den beiden Ermittlern, aber auch anderen Personen, von denen eine eindeutig etwas mit den Taten zu tun hat. Dies bringt Abwechslung und lädt immer wieder zum raten ein, allerdings kam ich der Lösung erst sehr spät etwas näher.

Thematisch war ich anfangs vom Buch nicht angetan, begegnet mir das Thema Klima im wahren Leben zurzeit permanent, was natürlich absolut richtig und wichtig ist, womit ich mich aber lieber auf anderen Wegen beschäftigen möchte. Glücklicherweise wurde es nicht in den Vordergrund gestellt, sondern geschickt in die Geschichte eingebaut, sodass es mich kurze Zeit später nicht mehr übermäßig gestört hat. Den Verlauf der Ermittlung empfand ich diesmal trotzdem ein wenig zäh, es gab einfach zu viele uninteressante Abschnitte, die mich nicht gefesselt haben. Dennoch trug mich der wirklich großartige Schreibstil durchs Buch, ich fieberte auf das Finale hin und war zufrieden mit der Auflösung. Mehr Krimi als Thriller, aber dadurch nicht weniger lesenswert. Ich freue mich auf die Fortsetzung, die nächstes Jahr erscheinen soll!

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