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Veröffentlicht am 16.08.2024

Schlacht um Pakete

Lieferdienst
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Arkadi ist ein Bote, genauer gesagt ein Bringer, der auf einem Hoverboard durch die Lüfte saust und mit anderen Kurieren Waren zu Kunden bringt. Die Konkurrenz schläft nicht, es wird mit allen Mitteln ...

Arkadi ist ein Bote, genauer gesagt ein Bringer, der auf einem Hoverboard durch die Lüfte saust und mit anderen Kurieren Waren zu Kunden bringt. Die Konkurrenz schläft nicht, es wird mit allen Mitteln gekämpft. Als ihn ein Kollege um einen Gefallen und die Übernahme seiner Lieferung bittet, ahnt Arkadi nicht, worauf er sich einlässt, muss aber kurz darauf mitansehen, wie besagter Kurier stirbt. Seltsame Aufträge folgen und bald wird es für Arkadi ungemütlich.

„Ich lasse den Blick schweifen, damit das Visor Kuriere der Konkurrenz und elektronische Counterdelivery-Maßnahmen identifizieren kann. Mithilfe des Additional Rear Scope Emulators (ARSE) schaue ich, wie es hinter mir aussieht. Laut ARSE-Cam ist die Luft rein. Also platziere ich die GameStation in dem Boxdrop.“ (Seite 22)

Das Buch hat mich gut unterhalten, es war witzig und voller Ideen, was die Zukunft angeht. Einige Hinweise auf lebende Personen und solche, die Lieferdienste und andere Unternehmen in unserer Zeit betreffen, entlockten mir wiederholt ein Lachen. Arkadis Abenteuer waren mitreißend, auch wenn die Geschichte nicht übermäßig spannend war. Dennoch fieberte ich zusammen mit Arkadi dem Ausgang entgegen, war neugierig, in welchen Schlamassel er da hineingeraten ist und wie er da wieder rauskommt.

Die Mischung aus Dystopie und Thriller gefiel mir gut, allerdings gibt es auch Kritik meinerseits, denn immer wieder musste ich pausieren und zum Übersetzungsprogramm wechseln, was ich irgendwann einfach nur lästig fand. Zwischen technischen Begriffen, echten und erfundenen, gab es solche in englischer, „denglischer“ und natürlich auch futuristischer Sprache. Das war mir persönlich zu viel des Guten. Natürlich klingt Counterdelivery Measures oder Recalculating cooler als Gegenlieferungsmaßnahmen oder Neuberechnung, aber die permanenten Pausen schmälerten mein Lesevergnügen erheblich, was ich schade und unnötig fand. Wen das nicht stört, wird hier allerdings rundum zufrieden sein.

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Veröffentlicht am 15.08.2024

Vergangenes und Neues

Martha und die Ihren
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Martha lebt mit ihren Eltern und den fünf Geschwistern in einem Dorf in der Nähe von Bern, Anfang des 20. Jahrhunderts. Als der Vater stirbt, kann die Mutter die Kinderschar nicht mehr ernähren, die sechs ...

Martha lebt mit ihren Eltern und den fünf Geschwistern in einem Dorf in der Nähe von Bern, Anfang des 20. Jahrhunderts. Als der Vater stirbt, kann die Mutter die Kinderschar nicht mehr ernähren, die sechs Kinder werden als sogenannte Verdingkinder auf verschiedene Bauernhöfe gebracht, wo sie unterschiedliche Arbeiten verrichten müssen. Martha ist die Zweitjüngste, aber die kleinste, intelligent und fleißig sowie folgsam und lieb. Mit einem eisernen Willen arbeitet sie sich kontinuierlich aus der Armut und geht ihren Weg. Der Preis, den sie dafür zahlt, ist hoch.

„Man holt sie ab, eines nach dem andern, auf freundliche Weise oder auf missmutige. Ein Mann von der Gemeinde ist jedes Mal dabei. Die Kinder müssen mitgehen, auch wenn sie die Leute nicht kennen, denn darunter sind solche aus anderen Dörfern, aber nur Männer. Die Kinder werden verdingt, auch das ist ein neues Wort für Martha. Später wird sie denken, dass das Wort ja stimmt, sie sind zu Dingen geworden.“ (Seite 17)

Lukas Hartmann hat die Geschichte seiner Familie aufgeschrieben, im Mittelpunkt steht Martha, seine Großmutter väterlicherseits. Unter Verdingung verstand man nichts anderes, als Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen zur Versorgung und Erziehung in der Schweiz. Oft wurden diese Kinder ausgenutzt und ausgebeutet, mussten schuften bis zur Erschöpfung und froh sein, wenn sie überhaupt etwas zu essen bekamen zusätzlich zum Schlafplatz. Dies darf nicht vergessen werden, dafür sorgt hoffentlich auch dieses Buch.

Das Schicksal von Martha und den Ihren lässt mich tief berührt zurück. Über drei Generationen, über viele Jahrzehnte, folgte ich ihrem Weg, aber auch dem ihrer Söhne, deren Frauen und Kindern. Die Kindheitsjahre prägten Martha und auch der Krieg, der dem Land erspart geblieben ist, hinterließ Wunden und wirkte sich auf sie, ihre Nachkommen und deren Familien aus. Dieser großartige Familienroman löste eine ganze Palette an Gefühlen bei mir aus, ließ mich hoffen und bangen, staunen und lachen, manchmal wütend werden und fluchen, aber auch weinen und traurig sein. Mit einem warmen Gefühl klappte ich das Buch zu und verabschiedete mich von Marthas Geschichte, die mich ein paar Stunden begleitete, aber für immer unvergesslich bleibt.

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Veröffentlicht am 12.08.2024

Verschließe deine Tür

Der Feind in ihrem Haus
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Connie zieht zurück in ihre Heimatstadt, um ihre Mutter Gwen zu pflegen, die an Demenz erkrankt ist. Als eine soziale Einrichtung den Handwerker Paul schickt, um den beiden Frauen bei Arbeiten rund ums ...

Connie zieht zurück in ihre Heimatstadt, um ihre Mutter Gwen zu pflegen, die an Demenz erkrankt ist. Als eine soziale Einrichtung den Handwerker Paul schickt, um den beiden Frauen bei Arbeiten rund ums und im Haus zu helfen, wird Connie schnell misstrauisch. Paul mischt sich in alles ein, drängt sich mit aller Macht in Gwens Leben und bald schon hat er sie auf seine Seite gezogen, weil diese ihn für ihren verstorbenen Mann Bill hält. Welcher Plan dahinter steckt, ahnt Connie allerdings nicht im geringsten.

„Aber ich kenne sein Motiv immer noch nicht. Denn soweit ich sehe, hat er damit nur erreicht, dass eine ohnehin schon verwirrte Frau noch unsicherer wurde. Ihre Stimmungen schwanken wie ein Pendel, seit er nicht mehr vorbeikommt.“ (Seite 101)

Connie fungiert als Ich-Erzählerin, daneben lässt John Marrs aber noch einige andere Personen zu Wort kommen. Bereits früh spüre ich unterschwellig eine negative Stimmung, die zwischen Connie und Paul entsteht, allerdings gibt es keine Beweise für ein Fehlverhalten, außer dem Wort von Connie, was vermutlich Absicht ist. Nach und nach passieren Dinge, die ich fast amüsant finde, weil ich nicht die Adressatin der entsprechenden Aktionen bin. Nach einem für alle Beteiligten unangenehmen Vorfall fange ich an, alles zu hinterfragen und merke, dass etwas seltsam ist. Benennen könnte ich es nicht, aber eine vage Ahnung befällt mich, die mich die Dinge plötzlich mit anderen Augen sehen lässt. Zuerst einmal lässt der Autor aber eine solche Bombe platzen, dass ich es nicht fassen kann. Habe ich mich geirrt und es war doch ganz anders? Gespannt lese ich weiter und werde von der kommenden Wendung komplett überrascht. Ungläubig lasse ich den Mund offen stehen und lache fast laut. Damit habe ich nicht gerechnet und frage mich, wie mir das entgehen konnte? Das kann doch wohl nicht wahr sein, denke ich mir, und rausche weiterhin durchs Buch.

Was danach folgt, ist gleichermaßen perfide wie genial, wieder einmal fährt John Marrs schwere Geschütze auf, um uns zu unterhalten, ich kann nicht anders, als seinen Einfallsreichtum zu bewundern. Ich ertappe mich dabei, wie ich schwanke, meine Sympathiepunkte neu verteile, und ein bestimmtes Ergebnis hoffnungsvoll erwarte. Dabei ist mir mittlerweile fast egal, was falsch und was richtig ist, was mich selbst wohl am meisten erschreckt. Ich kann nicht umhin, ein wenig Bewunderung zu spüren bei den Ereignissen, die folgen. Herrlich! Unerwartete Vorfälle lassen mein Herz schneller schlagen, dramatische Szenen schließen sich an und atemlos eile ich dem Ausgang entgegen, bin gespannt darauf, wie alles enden wird. Zuvor stockt mir aber der Atem, er würde doch nicht?! Oder doch? Mit einem bangen Gefühl blättere ich um und… Den Rest müsst ihr wohl selbst erleben; lest dieses Buch!

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Veröffentlicht am 10.08.2024

Sensible Inhalte

VIEWS
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Drei Tage nach dem Verschwinden der sechzehnjährigen Lena Palmer taucht ein brutales Video im Internet auf, das sofort viral geht. Die BKA-Kommissarin Yasira Saad wird mit dem Fall betraut und sucht zusammen ...

Drei Tage nach dem Verschwinden der sechzehnjährigen Lena Palmer taucht ein brutales Video im Internet auf, das sofort viral geht. Die BKA-Kommissarin Yasira Saad wird mit dem Fall betraut und sucht zusammen mit ihrem Team fieberhaft nach dem vermissten Mädchen sowie den Tätern. Währenddessen wächst in der Bevölkerung der Unmut, rechte Gruppierungen rufen zu Demonstrationen und Selbstjustiz auf, die Zeit drängt.

„Das Video hat bereits eine Welle der Empörung ausgelöst. Reaktion und Gegenreaktion sind irgendwie vorhersehbar, und trotzdem schockt es Yasira, wie extrem manche Wortmeldungen ausfallen und wie leise die Stimmen der Vernunft bleiben.“ (Seite 20)

Auf dem Buchdeckel steht ein Satz, wonach das vorliegende Buch Inhalte enthält, die manche Personen als verstörend empfinden könnten. Dies kann ich nach dem Lesen bestätigen, für sensible Leserinnen und Leser ist dieser Gegenwartsroman sicherlich nicht empfehlenswert, der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund. Ich war nach den ersten Kapiteln sicher, dass ich weiß, worauf die Geschichte hinausläuft, wurde aber eines Besseren belehrt und nicht nur das. Die Wendung in der Mitte des Buches verblüffte mich und als ich schon dachte, dass die Richtung nun klar vorgegeben ist, kam ein gänzlich anderer Ansatz hinzu, der mich staunen ließ. Es gehört schon viel Einfallsreichtum dazu, dass es dazu kommt. Das Ende erwischte mich noch einmal kalt, ich konnte nicht fassen, wie es ausgegangen ist. Insgesamt ein großartiger Thriller, der keine Wünsche offen lässt. Lesenswert!

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Veröffentlicht am 07.08.2024

Märchenhaft und tragisch schön

Cascadia
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Die Schwestern Samantha und Elena leben auf einer Insel im Nordwesten der USA in ärmlichen Verhältnissen. Die Mutter der jungen Frauen ist todkrank, das Geld knapp, die Schulden wachsen, und einzig der ...

Die Schwestern Samantha und Elena leben auf einer Insel im Nordwesten der USA in ärmlichen Verhältnissen. Die Mutter der jungen Frauen ist todkrank, das Geld knapp, die Schulden wachsen, und einzig der Gedanke daran, nach dem Tod der Mutter durch den Verkauf des Hauses nebst riesigem Grundstück genug Geld zu haben, um weggehen und woanders neu anfangen zu können, gibt Sam und Elena Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Als ein Bär auf der Insel auftaucht, ahnen beide nicht, welchen Einfluss das wilde Tier auf ihr Leben haben wird.

„Das Glück würde ihr ständiger Begleiter sein und alles andere von ihnen abfallen, aber Sam würde diesen Zustand niemals unbeschadet erreichen, wenn sie nicht auf der Stelle anfing, sich die Gelassenheit ihrer Schwester anzueignen. Sie hatten einen Plan. Sie würden von hier wegziehen. Nur das zählte. Alles andere, das Schreckliche und das Wunderbare, ließ sich ertragen.“ (Seite 78)

Die zwei Schwestern hätten nicht unterschiedlicher sein können, denn obwohl nur ein wenig mehr als ein Jahr zwischen ihnen lag, kristallisierte sich ganz klar heraus, welche erwachsen und welche von ihnen in der Reife zurückgeblieben war. Die Last und Bürde der einen, war der Kopf in den Wolken der anderen. Anfangs war mir das gar nicht bewusst, aber je weiter die Erzählung vorangeschritten ist, desto mehr fühlte ich mich mit einer der Schwestern solidarisch und tat mich schwer mit Handlungen der anderen. Ich war selbst erschrocken, welche Emotionen in mir hochkochten, verstand nicht immer, wie es sein konnte, dass ich so empfand.

Diese Geschichte lässt mich tief berührt zurück. Ich habe nicht erwartet, welche Wendung sie nehmen würde, war überrascht von den Ereignissen und erstaunt, wie sich alles entwickelt hat. Was da ans Licht kam, traf nicht nur mich, die folgenden Geschehnisse wirbelten alles durcheinander, erklärten im Nachhinein einige Unklarheiten und beantworten Fragen, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gab. Unausweichlich steuerten wir alle auf einen Abgrund zu, mein Magen schlug Purzelbäume und ich hielt den Atem an, war versucht, vorzublättern, um vorbereitet zu sein auf das, was da noch kam. Die Auflösung war emotional, anders als gedacht und ich schloss das Buch mit dem Gefühl, eine märchenhafte Reise beendet zu haben. Tragisch und wunderbar.

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