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Veröffentlicht am 20.02.2024

Lilly Bernstein's Geschichten treffen mitten ins Herz

Sturmmädchen
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Elli, Käthe und Margot ... drei junge Frauen, die seit ihrer Kindheit fest miteinander befreundet sind, so unterschiedlich sie auch sein mögen.
1933, als das Unheil in Deutschland bereits seinen Lauf nimmt ...

Elli, Käthe und Margot ... drei junge Frauen, die seit ihrer Kindheit fest miteinander befreundet sind, so unterschiedlich sie auch sein mögen.
1933, als das Unheil in Deutschland bereits seinen Lauf nimmt und noch niemand an den nächsten Krieg denken möchte ... schon gar nicht Elli, Käthe und Margot, die in einem etwas abgelegenen Dorf in der Eifel, nahe der belgischen Grenze, noch nichts von der Gefahr ahnen, die bald ihre Freundschaft zu zerreissen droht.
Käthe, in armen und schwierigen familiären Verhältnissen aufgewachsen, spricht der neuen Ideologie zu, verspricht sie sich davon doch eine Verbesserung ihrer Lebensumstände. Aufgehetzt durch die Parolen der NS, passt ihre Freundin Margot, eine Jüdin aus gutem Hause, nicht mehr in ihre Welt und sie wendet sich von ihr ab. Elli, die körperlich gehandicapte Tochter einer Hebamme, steht zwischen ihnen und versucht, zwischen Käthe und Margot zu vermitteln. Doch als der Hass auf Juden sich immer mehr zuspitzt, muss sich Elli entscheiden. Wird die Freundschaft der drei Mädchen und ihr gegebenes Versprechen "Alle für eine, eine für alle" diese stürmischen Zeiten überstehen?

Zum Buch:
Dies ist bereits der dritte "Mädchen"-Roman aus der Feder von Lilly Bernstein aka Lioba Werrelmann. Während "Findelmädchen" noch Verbindungen zum "Trümmermädchen" hat und man erfährt, was aus den Protagonisten des ersten Romans wurde, ist "Sturmmädchen" eine ganz neue, eigenständige Geschichte. Einzig die Zeit des 2. Weltkriegs und jeweils eine starke junge Frau im Mittelpunkt des Geschehens haben alle drei Romane gemeinsam. An sich ist auch die vorliegende Geschichte nicht neu: Freundschaften, die unter dem NS-Regime zu zerbrechen drohen / Hilfe bei der Flucht befreundeter Juden ins nahe Ausland. Viele historische Romane gibt es hierzu schon, doch es kommt eben immer darauf an, WIE eine Geschichte geschrieben wird und Lilly Bernstein hat definitiv die Gabe, ihren Figuren und Geschichten so viel Warmherzigkeit und Leben einzuhauchen, dass man vom ersten Kapitel an am Haken hängt.

Persönliche Meinung:
Auch diese Geschichte hat mich von Beginn an berührt und in Atem gehalten. Die Entwicklung der drei Mädchen in der Zeit zwischen 1933 bis 1940 und wie unterschiedlich ihr Leben in jenen Tagen verlief, als das NS-Regime immer grausamer das tägliche Leben aller Menschen veränderte, wurde sehr gut herausgearbeitet. Die Figuren und das Setting sind unglaublich bildstark und authentisch beschrieben, man konnte sich das Leben in diesem Eifel-Dörfchen wirklich lebhaft vorstellen. Dabei spart die Autorin auch nicht grausame Details aus, die einem wirklich unter die Haut gehen und einem nur zu deutlich vor Augen führen, was die Menschen in dieser Zeit erlitten haben. Mich hat besonders die Entwicklung von Elli vom naiven Mädchen zur selbstbewussten starken jungen Frau beeindruckt, die in diesem Roman auch die Hauptprotagonistin darstellt. Zwar konnte ich nicht alle ihre Verhaltensweisen nachvollziehen, aber dies tat dem Leseerlebnis keinen Abbruch. Auch die Liebe kam hier nicht zu kurz und ich würde mir wünschen, dass ich im nächsten "Mädchen"-Roman erfahre, wie es mit Elli und ihrer wachsenden Familie weitergeht.

Fazit:
Ein absolut lesenswerter historischer Roman, der einem nicht nur diese grausame Zeit aus der Perspektive drei junger Frauen nahebringt, sondern auch aufzeigt, wie echte Freunde in schwierigen Zeiten bereit sind, große persönliche Opfer zu bringen und dabei über sich selbst hinauswachsen. Absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 06.02.2024

Bewegende und aufschlussreiche Einblicke in die jüdische Liebes- und Glaubenswelt

Die Hoffnung der Chani Kaufman
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Das junge jüdische Ehepaar Chani und Baruch sind nach ihrer Hochzeit nach Jerusalem gezogen, wo Baruch für das Rabbinerdasein studiert und Chani in einem Blumenladen arbeitet. Nach der Hochzeit steigt ...

Das junge jüdische Ehepaar Chani und Baruch sind nach ihrer Hochzeit nach Jerusalem gezogen, wo Baruch für das Rabbinerdasein studiert und Chani in einem Blumenladen arbeitet. Nach der Hochzeit steigt die Erwartungshaltung an das junge Paar, bald Nachwuchs zu präsentieren, doch auch zehn Monate danach bleibt die erhoffte Schwangerschaft aus und der Druck von Außen nimmt immer mehr zu. Schließlich wissen sie sich nicht anders zu helfen, als Baruch's wohlhabende Eltern um finanzielle Unterstützung zu bitten, damit sie in London Hilfe in einer Kinderwunschklinik suchen können. Natürlich ist es für Frau Levy, Chani nicht gerade wohlgesonnener Schwiegermutter, sonnenklar, dass der "Fehler" nur an Chani liegen kann und versucht hinter dem Rücken des Paares ihre Strippen zu ziehen. Doch in London trifft Chani zufällig ihre Brauthelferin, die ehemalige Rebbetzin Rivka Zilberman wieder, die sich entgegen aller jüdischen Konventionen von ihrem Ehemann und ihren Kindern getrennt hat und versucht, sich ein neues Leben aufzubauen. Die Gespräche mit Rivka helfen Chani schließlich, eine für sie und Baruch mutige Entscheidung zu treffen...

Zum Buch:
"Die Hoffnung der Chani Kaufman" ist bereits der zweite Roman von Eve Harris nach "Die Hochzeit der Chani Kaufman". Man braucht jedoch den ersten Teil nicht gelesen zu haben, um sich beim Nachfolger zurechtzufinden. Die Erzählperspektiven wechseln hauptsächlich zwischen Chani, Baruch, Rivka und deren Mann und Kinder. So lernt man die Charaktere besser kennen, was das Verständnis für die jüdische Liebes- und Glaubenswelt stärkt, die voller Regeln und Rituale ist und für Leser der nicht-jüdischen Welt wahrscheinlich fremd und unverständlich wirkt. Im Anhang gibt es ein Glossar mit den im Buch vorkommenden jiddischen Begriffen.

Persönliche Meinung:
Dies ist mein erster Roman der Autorin und ich bin von ihrem Schreibstil wirklich beeindruckt: zart, feinfühlig und doch stark und bildgewaltig erzählt sie von diesen eh schon - für Juden sicher noch sensibleren - Themen unerfüllter Kinderwunsch, Unfruchtbarkeit, Abhandenkommen des Glaubens, Abwendung von der eigenen Familie und der Gemeinde. Mir hat es geholfen, einige Zusammenhänge und Hintergründe des jüdischen Lebens und Glaubens besser zu verstehen. Dennoch war ich auch schockiert über die Naivität und Unaufgeklärtheit der jungen Leute in Bezug auf ihren eigenen Körper oder darauf, wie z.B. ein Baby entsteht und ich fragte mich, ob das wirklich in der heutigen Zeit möglich sein kann. Auch die absolute Hingabe an HaSchem und das Nicht-Infragestellen der hauptsächlich von Rabbis festgelegten Gesetze und Regeln fielen mir schwer, nachzuvollziehen. Ich denke, man muss in diese Welt hineingeboren werden, um dies alles zu akzeptieren und danach zu leben. Am Beispiel von Rivka, die erst durch ihre Heirat mit Chaim in diese Welt aufgenommen wurde, kann man sehr gut nachvollziehen, wie schwierig es ist, sich zu 100 % und ein Leben lang darauf einzulassen.
Die Protagonisten sind mir schnell ans Herz gewachsen und ich habe mit ihnen mitgelitten. Auch Gemeinsamkeiten zum eigenen Glauben habe ich entdeckt, u.a. dass die größten Frömmler oft genauso heuchlerisch sind, egal, um welche Religion es sich handelt.
Allerdings fand ich es ziemlich mühsam, die vielen jiddischen Begriffe während des lesens im Anhang nachzuschlagen. Dies hat den Lesefluss doch sehr behindert und ich hätte mir gewünscht, dass die jeweilige Übersetzung in der Fusszeile derselben Seite zu lesen ist, was das Lesen wirklich vereinfacht hätte.

Fazit:
Wer einmal über den eigenen Tellerrand schauen und mehr dazu erfahren möchte, wie Themen wie unerfüllter Kinderwunsch in der jüdischen Kultur behandelt werden, bekommt hier eine einfühlsame Einführung in Form einer sehr eindrücklichen und berührenden Liebesgeschichte. Lesenswert!

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Veröffentlicht am 17.01.2024

Süße Lovestory in den Rocky Mountains mit viel Zuckerguss

Die Zuckerbäckerin von Cold Creek Valley
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Ganz ehrlich: hätte ich dieses Buch nicht versehentlich statt des gewonnenen Rezensionsexemplars zugeschickt bekommen, wäre es nie auf meinem Bücherstapel gelandet. Ich liebe nun einmal Krimis und Historische ...

Ganz ehrlich: hätte ich dieses Buch nicht versehentlich statt des gewonnenen Rezensionsexemplars zugeschickt bekommen, wäre es nie auf meinem Bücherstapel gelandet. Ich liebe nun einmal Krimis und Historische Romane, aber keine seichten Liebesromane - schon gar nicht mit so einem kitschigen Titel und Cover. ABER ... ich habe es gelesen, sogar bis zum obligatorischen Happy End und ich muss gestehen: die Story ist nett, das Setting in den Rocky Mountains macht Lust auf mehr und die Charaktere sind fast durchweg sympathisch.

Nervig fand ich allerdings das ständige Erwähnen, wie viel Stress Chiara und Gabriel doch hätten und sooo wenig Zeit füreinander. Als ob das bei anderen jungen Paaren, die am Anfang ihrer Karriere stehen, anders wäre... Zudem scheint es in der Familie eine übertriebene Dichte an Ärzten zu geben: Chiara's Schatzi Gabriel, ihr Bruder Giovanni und der Schwager-in-spe Manuel. Auf der Vorhersehbarkeit der Geschichte und häufig auftauchenden grammatischen Fehlern will ich gar nicht herumreiten.
Dennoch gelang es der Story und den Charakteren, dass ich drangeblieben bin und es doch recht unterhaltsam fand, auch wenn ich eine gewisse Tiefe schon vermisst habe.

Fazit:
Für alle, die Liebesgeschichten in stimmungsvollem Setting lieben, ist dies sicher ein süßes Leseerlebnis, ganz ohne kalorienreichen Zuckerschock.

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Veröffentlicht am 06.01.2024

Zwischen Recht und Gerechtigkeit liegt für manche die Selbstjustiz

Monster (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 11)
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Im inzwischen 11. Taunuskrimi wird die sechzehnjährige Larissa Böhlefeld erdrosselt im tiefen Schnee hinter einem Marienbildstock aufgefunden. Der Täter scheint schnell festzustehen, denn kurz vor ihrem ...

Im inzwischen 11. Taunuskrimi wird die sechzehnjährige Larissa Böhlefeld erdrosselt im tiefen Schnee hinter einem Marienbildstock aufgefunden. Der Täter scheint schnell festzustehen, denn kurz vor ihrem Tod wurde Lissy noch zusammen mit dem jungen Afghanen Farwad Mahmoudi gesehen, einem wegen Vergewaltigung kürzlich aus der Haft entlassenen Asylbewerber. Doch als die Kripo ihn befragen will, ist er plötzlich spurlos verschwunden. Es wird vermutet, dass er sich abgesetzt hat, was eine öffentliche Fahndung nach sich zieht. Die Stimmung in der Bevölkerung auf dieses schon seit Jahren sensible Thema kocht erneut hoch, Flüchtlingswohnheime werden attackiert und Selbstjustiz verübt.
Nur wenig später läuft nachts ein schwer verletzter Mann auf einer abgelegenen Landstrasse vor ein Auto und verstirbt, der Körper des Mannes weist schwere Bisswunden auf. Die Recherchen des zuständigen K11-Teams der Kripo Hofheim rund um Oliver von Bodenstein und Pia Sander ergeben, dass der Mann in der Vergangenheit für den Tod einer schwangeren Frau verantwortlich war. Es bleibt nicht bei diesem einen Fall, bei dem verurteilte Straftäter entweder spurlos verschwinden oder zu Tode kommen. Schließlich kommt es zu einem schrecklichen Vorfall am Landgericht, welches Bodenstein und sein Team schwer mitnimmt, denn ihnen wird klar, dass nicht nur alles irgendwie zusammenhängt, sondern auch ihr Vertrauen darauf, wie gut sie sich untereinander zu kennen glaubten, tief erschüttert...

Zum Buch:
Neben den bekannten Ermittlern Oliver von Bodenstein und Pia Sander steht diesmal auch ihre Kollegin Kathrin Fachinger im Fokus der Geschichte. Während Pia auch private Sorgen umtreiben, erlebt Oliver nicht zum ersten Mal ein Trauma, als vor seinen Augen ein langjähriges Teammitglied getötet wird. Das ganze Team muss sich mit der schmerzhaften Frage auseinandersetzen, wie gut sie die Kollegen wirklich kennen, mit denen sie schon seit Jahren eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Die einzelnen Mitglieder des K11-Teams entwickeln sich in jedem der Taunus-Krimis kontinuierlich und plausibel weiter und zeigen durch die Einblicke in ihr privates Leben, dass auch sie nur Menschen mit Ecken und Kanten sind, was sie nur noch authentischer und sympathischer machen.
Wie bei Nele Neuhaus üblich, mangelt es auch in diesem Krimi nicht an einer stetig aufbauenden Spannung, wobei die Auflösung um den Mord an Lissy am Ende für meinen Geschmack zu kurz kommt und die Reaktion ihrer Eltern auf Täter und Motiv für mich nicht ganz schlüssig ist. Dennoch: die einzelnen Stränge der unterschiedlichen Fälle sowie die Ermittlungen des K11-Teams sind astrein ausgearbeitet und in sich stimmig. Falsche Fährten führen gekonnt in die Irre und zeigen auf, wie falsche Verdächtigungen das Leben der betroffenen unschuldigen Personen nachhaltig (zer)stören können.

Lobenswert:
Die Autorin thematisiert in ihrem neuesten Roman aktuelle Probleme des Justizsystems und der Politik sowie den damit verbundenen gesellschaftlichen Folgen. Themen wie Kriminalität unter und durch Asylbewerber und der manchmal folgenden Selbstjustiz werden hier brillant in einem hochbrisanten Krimi verarbeitet. Die Beschreibung exemplarischer Fälle, wie sie der Protagonist Richter Hawelka tagtäglich erlebt, haben mich wirklich schockiert und mich fragen lassen, wie viel davon um uns herum tatsächlich so oder in ähnlicher Weise geschieht. Da Nele Neuhaus immer gründlich zu einem Thema recherchiert, bevor sie darüber schreibt, habe ich keine Zweifel daran, dass es leider traurige, tagtäglich gelebte Realität an deutschen Gerichten ist (Quellen ihrer Recherchen sind im Anhang des Romans explizit aufgelistet).
Themen wie diese gehen unter die Haut und so war es auch für mich eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen Recht auf der einen Seite, Gerechtigkeit auf der anderen Seite und der Grauzone der Selbstjustiz dazwischen. Denn wenn man sich in die Situation der Angehörigen eines Mordopfers hineinversetzt, ist durchaus Verständnis dafür da, dass diese das Recht in die eigene Hand nehmen wollen. Wie man allerdings an den Beispielen im Buch auch sieht, gelingt es den meisten Menschen mit einem funktionierenden Gewissen auf Dauer nicht, mit so einer Schuld weiterzuleben - zumal es das geliebte Familienmitglied nicht wieder lebendig macht. Schwere Kost, für die ich sicher noch lange zum verdauen brauche. Deshalb finde ich es sehr hervorhebenswert, dass sich die Autorin dieses Themas angenommen hat - wahrlich nicht selbstverständlich in einer Zeit, wo sich viele Autoren nicht mehr an solche sensiblen Themen herantrauen aus Angst, in eine bestimmte Schublade gesteckt zu werden.

Einziger Wermutstropfen: zu viele Fehler im Text!
Was mich wirklich geärgert und den Lesefluss sehr gestört hat, waren die vielen Fehler (Zeitabstände, Nachlässigkeitsfehler, fehlende Wörter und auch grammatische Fehler). Beispiel: auf Seite 58 "überlegte Pia kurz, ob sie sich einen Dienstwagen holen sollte, und entschied sich dann, mit ihrem Privatauto zu fahren, das inzwischen angenehm geheizt war." Nur eine halbe Seite später, auf Seite 59 dann "... und schaffte es tätsächlich, den Dienstwagen um Viertel vor acht auf dem letzten freien Parkplatz..." Es ist doch erstaunlich, dass Fehler wie diese bei einem Manuskript, welches nicht nur durch die Hände der Lektorin als auch die von mindestens zwei namentlich genannten Korrekturleserinnen gegangen ist, nicht einer davon aufgefallen sind. Das steht weder einer Bestsellerautorin noch dem renommierten Ullstein-Verlag besonders gut. Bleibt zu hoffen, dass die meisten Fehler inzwischen erkannt und für die nächste Auflage korrigiert wurden.
Ganz ehrlich: bei jedem anderen Buch hätte ich bei dieser Anzahl von Fehlern mindestens einen Stern abgezogen. Allerdings ist das Gesamtwerk hier so überzeugend, dass ich es nicht übers Herz bringe, weniger als die vollen fünf Sterne zu vergeben, denn die hat "Monster" wahrlich verdient!

Fazit:
Ein spannender Krimi, den man nicht mehr aus der Hand legen kann und der einen noch lange beschäftigen wird zu Themen, die unter die Haut gehen und absolut aktuell sind! Absolute Spitzenklasse!!!

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Veröffentlicht am 26.11.2023

Spannender Mix aus History, Spionage und Lovestory

Bevor die Welt sich weiterdreht
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Die hochschwangere Krankenschwester Johanna Gabathuler kehrt 1917 nach einem Jahr an der Front zurück in ihre Heimat Davos. Sie ist die Tochter des Curhaus-Direktors und musste ihm vor ihrer Abreise versprochen, ...

Die hochschwangere Krankenschwester Johanna Gabathuler kehrt 1917 nach einem Jahr an der Front zurück in ihre Heimat Davos. Sie ist die Tochter des Curhaus-Direktors und musste ihm vor ihrer Abreise versprochen, sich bei ihrer Rückkehr mit einer guten Partie verheiraten zu lassen. Ein schwerer Fehler, denn ihre eigene Familie gibt ihre mit dem Soldaten Erich unehelich gezeugte Tochter sofort nach der Geburt weg, damit das "Balg" nicht die Heirat mit Großrat Thanner gefährdet, den Johanna bald heiraten und der für ihren Vater den wirtschaftliche Niedergang des Sanatoriums verhindern soll. Johanna ist verzweifelt, sie will ihre Tochter Elli wiederhaben und gerät so in die Fänge der Gräfin von Hauser, die ihr eine Zukunft mit Elli verspricht, wenn Johanna im Gegenzug ihre Position nutzt, um an Informationen für sie (und somit das deutsche Kaiserreich) zu kommen. Bald ist Johanna tiefer in die Spionage-Aktivitäten der verschiedenen Mächte, deren Agenten verdeckt in Davos und im Curhaus agieren, verstrickt, als ihr lieb ist und gut tut. Dennoch sieht sie darin ihre einzige Chance, schnell an genug Geld und einen Pass zu kommen, um mit Elli fliehen zu können. Sie stellt sich sehr geschickt an und wird bald auch für die Gegenseite interessant. Doch für Spione gibt es nur eine wichtige Regel: wer auffliegt, stirbt...

Zum Buch:
Gerne hätte ich etwas mehr Hintergrundwissen, wie es eigentlich genau zu diesem Buch kam. Es basiert wohl auf dem Drehbuch der Serie "Davos", die kommendes Weihnachten ausgestrahlt werden soll. Daher recht cleveres Timing, dieses Buch rechtzeitig vorher auf den Markt zu bringen und die Leser neugierig auf die filmische Umsetzung zu machen. Dieser Roman bedient gleich mehrere Genres: es ist sowohl ein historischer Roman mit intensiver Spionagehandlung und zugleich eine Liebesgeschichte. Man könnte meinen, das ist für ein Buch vielleicht etwas zu viel auf einmal gewollt, aber tatsächlich funktioniert es hier sehr gut. Die Hauptprotagonistin ist Johanna Gabathuler, aus deren Perspektive auch hauptsächlich erzählt wird. Dennoch wechselt die Perspektive auch häufig zu den nicht minder interessanten und oft komplexen Neben-Charakteren, die alle natürlich ihre eigene Geschichte mitbringen, wie sie zum Agenten geworden sind. Das lenkt streckenweise etwas von der Handlung ab und bremst die Dynamik und den Aufbau der Spannung. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, jedes mit einer dem Inhalt entsprechenden Kapitel-Headline. Der Schreibstil ist flüssig und bildstark und schafft es, Stimmungen und Atmosphäre glaubhaft zu transportieren. Die Entwicklung von Johanna ist erstaunlich und nicht immer ganz nachvollziehbar, dennoch ergibt alles in allem eine runde Geschichte mit einer sich langsam, aber stetig aufbauenden Spannung.

Persönliche Meinung:
Ich kann normalerweise mit Spionageromanen nicht viel anfangen und bin nur wegen der Geschichte um Johanna schwach geworden. Aber ich habe es nicht bereut und es hat tatsächlich meine Neugier auf dieses Genre etwas geweckt. Ich fand die Grausamkeit des Krieges, sowohl draußen an an der Front als auch Undercover sehr eindrücklich und bildhaft beschrieben. Wer hier etwas sensibel auf grausame Kriegsszenen, auch an Frauen und Kindern, reagiert, sollte diese Passagen besser überspringen, denn sie sind schon schwer zu verdauen (leider aber Realität sowohl in der Vergangenheit als auch in heutiger Zeit überall auf der Welt). Selbst im beschaulichen, neutralen Davos ist die Idylle trügerisch und der Kampf im Verborgenen umso unerbittlicher. Nichts und vor allem niemand ist, was er/sie auf den ersten Blick scheint. Damit nicht alles so historisch-trocken oder spionagemäßig-meuchlerisch daherkommt, gibt es noch eine große Portion Herzschmerz. Zum einen verliert Johanna ihr Herz ein zweites mal (doch ob sie ihm trauen kann, steht auf einem anderen Blatt) und natürlich hofft man bis zum Ende auf die Wiedervereinigung mit ihrem Baby. Ich habe mitgefiebert und mitgelitten und so soll es ja schließlich bei einem gelungenen Buch sein.

Zum Cover:
Etwas düster in seinem grau-roten Gewand, doch letztlich sehr passend zur Story. Auch der Titel ist stimmig.

Mein Fazit:
Geschichtliche Fakten gut-verdaulich verpackt in einer kurzweiligen, aber komplexen Story, die für unterhaltsame Lesestunden sorgt. Nichtsdestotrotz keine leichte Kost, die durchaus noch länger nachklingt, zumal man sich in diesen Tagen ja leider wieder mit dem Thema Krieg auseinandersetzen muss.
Man darf gespannt sein auf die filmische Umsetzung. Fünf Sterne und klare Leseempfehlung.

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