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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.06.2024

Altbekannt im neuen Gewand

Das Gästezimmer
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Ganz ehrlich: selbst gekauft hätte ich mir das Buch nicht. Das generische Cover, der unnötige Farbschnitt (immerhin passend blutrot und keine grelle Neonfarbe), und dann das Genre an sich: ein Thriller ...

Ganz ehrlich: selbst gekauft hätte ich mir das Buch nicht. Das generische Cover, der unnötige Farbschnitt (immerhin passend blutrot und keine grelle Neonfarbe), und dann das Genre an sich: ein Thriller über eine Frau, die von einem Psychopathen gefangen gehalten wird. Daran habe ich mich mittlerweile einigermaßen überlesen, und so war ich sehr skeptisch, als ich das Buch geschenkt bekam. Aber so ein klitzekleines bisschen neugierig war ich dann schon, ob dieses Buch wieder nur dieselben Plot-Twists durchkaut oder vielleicht doch ein wenig Abwechslung bringt. Immerhin hatte ich noch nicht darüber gelesen, dass ein Psychopath seine Gefangene beim Umzug mitnimmt. Das könnte also durchaus interessant werden. Und dann hat mich die Geschichte tatsächlich überrascht. Ich kann nicht behaupten, dass alle Wendungen und Entscheidungen (vor allem natürlich die der gefangenen Frau) mich überzeugt haben, aber einen sonderlich hohen Anspruch bezüglich Logik oder Glaubwürdigkeit habe ich an dieses Genre sowieso nicht. Hier geht es um Spannung, Nervenkitzel und Überraschungsmomente. Und die gab es wahrlich zuhauf, so dass ich mit Sicherheit sagen kann, dass bei mir keine Sekunde Langeweile aufkam. Und das war dann auch die Hauptsache für mich. Die wechselnde Erzählperspektive aus Sicht der gefangenen Frau, der Tochter des Mannes, seiner neuen Beziehung und seiner sonstigen Opfer wirkten wie ein Puzzle, das aus verschiedenen Teilen ein gleichermaßen faszinierendes wie abstoßendes Gesamtbild zusammenfügt, in dessen Zentrum der gestörte Mann steht, der all die Grausamkeiten begeht, und wir erfahren auch immer ein bisschen mehr über das wieso und warum.
Fazit: nach langer Zeit mal wieder ein Psychothriller, der mich überraschen konnte.

Anmerkung: das Buch hat einen roten Farbschnitt. An und für sich ist mir dieses Gestaltungsmerkmal relativ egal, aber bei diesem Buch hatte es tatsächliche einen - wohl eher unbeabsichtigten - Adventskalender-Effekt: die Seiten klebten durch den Farbschnitt derart zusammen, dass ich sie beim Umblättern immer erst vorsichtig auftrennen musste. Anfangs war das noch ganz lustig, später eher nervig. Und wieder frage ich mich, wozu das nun gut sein soll. Aber das ist natürlich wie alles andere Geschmackssache.

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Veröffentlicht am 18.06.2024

Herzzerreißend

Darwyne
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Mir war anfangs nicht bewusst, dass ich bereits ein anderes einzigartiges Buch des Autors (Nur die Tiere) gelesen hatte. Sonst wäre mir auch ohne Klappentext sofort klar gewesen, dass es sich auch bei ...

Mir war anfangs nicht bewusst, dass ich bereits ein anderes einzigartiges Buch des Autors (Nur die Tiere) gelesen hatte. Sonst wäre mir auch ohne Klappentext sofort klar gewesen, dass es sich auch bei "Darwyne" nicht nur um einen einfachen Thriller, sondern um etwas ganz besonderes handeln muss.
Und so erzählt das Buch die unbeschreiblich schöne, traurige und erbarmungslose Geschichte eines kleinen Jungen, der anders ist und sich nach nichts mehr sehnt als der Liebe seiner Mutter. Doch diese sieht in Darwyne nicht den geliebten Sohn, sondern ein dreckiges Tier, das abgerichtet und angepasst werden muss.
Erst Mathurine, die Frau von der Jugendhilfe, erkennt Darwynes einzigartige Verbindung zum Dschungel. Sie ist fest entschlossen, den wahren Familienverhältnissen auf den Grund zu gehen und Darwyne zu helfen, auch wenn sie dabei nicht ganz uneigennützige Motive entwickelt. Und während die Mutter den Dschungel hasst, der wie ein Eindringling immer wieder das Grundstück und Haus bedrängt, ist Darwyne nur im Dschungel er selbst und wird zu dem stolzen, aufrechten Jungen, der er eigentlich immer sein und den seine Mutter immer in ihm sehen sollte. Und so wird der Dschungel zu einem weiteren wichtigen Protagonisten mit zwei Gesichtern, der die wilde Schönheit mit der gnadenlosen Grausamkeit der Natur in sich vereint.

Es war beim Lesen kaum auszuhalten, was Darwyne alles erleiden musste und wie er trotz allem seine Mutter bedingungslos liebte, ihr vertraute und die schlimmen Dinge glaubte, die sie über ihn sagte. Mit jeder Seite fieberte ich daher dem Moment entgegen, in dem Darwyne sich lösen und sein wahres Ich annehmen würde. Und so zeichnete sich das Ende bereits frühzeitig ab, kündigte sich schleichend an in kleinen Zeichen der Natur, die Darwyne auf seltsame Weise zu helfen zu schien. Die Wahrheit, die Mathurine am Ende herausfindet, ist dann genauso schockierend wie erlösend und eigentlich ganz natürlich. Und es spielt auch etwas magisches, märchenhaftes hinein, dass der Geschichte noch eine weitere eigenwillige und wunderschöne Facette hinzufügt.
Fazit: ein absolut unglaubliches Buch, das ich nicht so schnell vergessen werde. Wer ungewöhnliche Thriller mag, die sich in keine Schublade zwängen lassen, muss "Darwyne" lesen.

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Veröffentlicht am 17.06.2024

Schonungslos und düster

Maybrick und die Toten vom East End
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In den Slums von London geht ein Kindermörder um, und Joseph Maybick, der sich selbst von einer Slumratte zum leitenden Ermittler der H-Division hochgearbeitet hat, nimmt den Fall mehr als persönlich. ...

In den Slums von London geht ein Kindermörder um, und Joseph Maybick, der sich selbst von einer Slumratte zum leitenden Ermittler der H-Division hochgearbeitet hat, nimmt den Fall mehr als persönlich. Zwischen Armut, Dreck, Hoffnungslosigkeit und Wut geht er auf Spurensuche in den Elendsvierteln der Stadt. Dabei wird er unterstützt vom zynischen Arzt und Gerichtsmediziner Dave Roberts und erhält unerwartete Hilfe von der jungen Bandenanführerin Hester. Auch sie und ihr Partner Heath haben sehr persönliche Gründe, den grausamen Morden ein Ende zu bereiten.
Zwischen Bandenkriegen, allgegenwärtiger Armut und der Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid vernachlässigter Strassenkinder stossen Maybrick und Roberts immer wieder an ihre Grenzen und kommen dem Täter bald gefährlich nahe.
Korrupte Constables, Revierstreitigkeiten und das Elend in den Arbeitervierteln zeichnen eine triste und trostlose Kulisse, in der sich das Böse scheinbar ungehindert und unbeobachtet ausbreiten kann. Doch Männer wie Maybrick, die es zu ihrer Mission gemacht haben, dem Elend entgegenzutreten und wieder für Recht und Ordnung - sowohl in der Stadt als auch in den eigenen Reihen - durchzusetzen, und Gangster, die für ihr Viertel einstehen und das Wohl der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft, nämlich der Kinder, im Auge haben, stellen sich diesem Bösen entgegen. Und so gibt es keine klaren Grenzen mehr, alle und alles verschwimmt zu dem Grau, dass sich in den schmutzigen Gassen der Stadt widerspiegelt.
Neben dem fesselnden Schreibstil, der den Dreck und Gestank der Gassen Londons fühlbar machen und die Stadt zu einem weitere Protagonisten im Hintergrund erwecken, fesselt die Handlung durch ihre Komplexität und Vielschichtigkeit, die immer neue Haken schlägt und durch unerwartete Wendungen und Schicksalsschläge überrascht und schockiert.
Mit Maybrick hat der Autor einen Helden auf scheinbar verlorenem Posten geschaffen, der es sich zum Ziel gesetzt hat, alleine die Missstände seines Viertels zu beheben. Doch sein Scheitern bei diesem schier unmöglichen Unterfangen scheint unausweichlich - wären da nicht die Personen, die ihm nahe stehen und ähnliche Ziele verfolgen. Und auch durch die Beschreibung aus dem Blickwinkel einiger konkreter Kinder, die unmittelbar im Geschehen involviert sind, wird die Geschichte noch greifbarer und bedrohlicher. Das Ende wirkt dann wie eine Erlösung, die aber einen hohen Preis mit sich bringt und keinen echten Frieden schafft.
Fazit: ein Buch wie ein Rausch, das ich nicht aus der Hand legen konnte. Ich hoffe sehr, dass Maybrick in weiteren Fällen wiederkehren wird.

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Veröffentlicht am 12.06.2024

Ein Moment verändert alles

Freischwimmer
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Das Buch hat mich völlig überrascht: was wie ein leichter Sommer-Roman klang, entpuppte sich als tiefgründige Coming-of-Age Erzählung, die die erste große Liebe, einen Roadtrip und das Aufarbeiten der ...

Das Buch hat mich völlig überrascht: was wie ein leichter Sommer-Roman klang, entpuppte sich als tiefgründige Coming-of-Age Erzählung, die die erste große Liebe, einen Roadtrip und das Aufarbeiten der Familiengeschichte thematisiert. Der Protagonist Donnie wandelt sich dabei vom unsympathischen, rückgratlosen Mitläufer zu einem Mann, der für seine Taten einsteht und seinem Gewissen, vor allem aber seinem Herzen folgt und dadurch ein besserer Mensch wird. Der Roman wird in zwei Teilen erzählt und präsentiert uns somit den Donnie davor und danach - der entscheidende Wendepunkt dabei sind zwei Begegnungen: Meggie, der Donnie sofort verfällt und für die er alles tun würde - vor allem sein Leben ändern und Verantwortung übernehmen. Und Vincent, der Donnie wahrnimmt und ihm zeigt, dass Freundschaft nichts verlangt, sondern vor allem gibt. Und auch wenn am Schluß ein unglaublicher Zufall passiert, schließt sich damit doch der Kreis und rundet die Geschichte perfekt ab. Fazit: ein vielschichtiger Roman, der noch lange nachhallt.

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Veröffentlicht am 11.06.2024

Hat mir leider nicht gefallen

Stolz und Vorurteil
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Zwar hatte ich schon von dem Roman Stolz und Vorurteil gehört und auch der Name Mr. Darcy war mir geläufig, doch weder habe ich den Roman gelesen noch eine Verfilmung gesehen, sprich: was Jane Austen betrifft ...

Zwar hatte ich schon von dem Roman Stolz und Vorurteil gehört und auch der Name Mr. Darcy war mir geläufig, doch weder habe ich den Roman gelesen noch eine Verfilmung gesehen, sprich: was Jane Austen betrifft bin ich ein absoluter Neuling. Insofern kam mir diese Graphic Novel als Einstiegslektüre zum Reinschnuppern oder auch als anschaulicher Trailer zum Roman ganz gelegen. Leider fiel die Lektüre dann aber nicht so unterhaltsam und fesselnd aus wie erhofft. Das mag zum einen an der oft langatmigen Handlung - bzw. deren Abwesenheit - liegen, zum anderen am fehlenden Wortwitz, den ich mir erhofft hatte, aber letztendlich vergeblich suchte. So zog sich dieses dröge Familienepos, bei dem es wohl nur darum geht die Töchter des Hauses gewinnbringend an den Mann zu bringen, selbst für dieses Format ganz schön hin. Manche Seiten zeigten lediglich vor sich hin sinnierende Frauen, die aus dem Fenster starrten, was wohl deren schwerwiegende Gedanken oder in Aufruhr befindlichen Gefühle vertiefen sollten, mich allerdings nur langweilte. Zu den fehlenden erhofften Wortgefechten gesellten sich dann noch ausdrucksarme Mienen und beim Unterscheiden der Schwestern (nun gut, die eine war blond) hatte ich auch so meine Mühe. Hier hätte ich mir eine deutlichere Ausarbeitung der Charaktere gewünscht, und eine Galerie zum Bekanntmachen mit den beteiligten Figuren und als Vorstellung der Familienmitglieder am Buchanfang wäre toll gewesen. Wer den Roman bereits kennt hat das Problem vielleicht nicht, aber als Neuling hätte ich mir doch eine detailliertere Einführung der Charaktere gewünscht.
Fazit: Als Einstieg zum Roman ist diese Graphic Novel zwar schon geeignet, aber anders als erwartet: den Roman würde ich jetzt nicht lesen wollen weil ich so hingerissen bin, sondern um herauszufinden was an dieser vielgepriesenen Geschichte eigentlich dran ist. Denn das muss deutlich mehr sein als die oberflächliche Dramödie, welche hier präsentiert wurde.

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